JurPC Web-Dok. 99/2016 - DOI 10.7328/jurpcb2016316100

Anwaltsgerichtshof Berlin

Beschluss vom 06.06.2016

II AGH 16/15

Unterlassungsanspruch gegen Freischaltung des beA

JurPC Web-Dok. 99/2016, Abs. 1 - 43


Leitsatz (der Redaktion):

Ein rechtswidriger Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte anwaltliche Berufsfreiheit liegt im Falle der Freischaltung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (im Folgenden: beA) zum Empfang gemäß S 31a Abs. 1 BRAO, ohne dass der Anwalt zuvor eine Erstregistrierung durchgeführt hat, darin, dass die Bundesrechtsanwaltskammer Dritten (zumindest Gerichten und anderen Rechtsanwälten) ohne gesetzliche Grundlage die Möglichkeit eröffnet, dem betreffenden Anwalt über das beA elektronische Dokumente zu übersenden. Dem Anwalt steht daher diesbezüglich ein Anspruch auf Unterlassung zu.

Gründe:

Abs. 1
A.Abs. 2
Der Antragsteller wendet sich mit Antrag vom 22. Dezember 2015 gegen die Freischaltung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (im Folgenden: beA) zum Empfang gemäß S 31a Abs. 1 BRAO, ohne dass er zuvor eine Erstregistrierung durchgeführt hat.Abs. 3
Mit Schreiben vom 31. August 2015 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Antragsnummer mit, unter der er eine beA-Karte zur Erstregistrierung beantragen könne. Die Antragsgegnerin vertrat in der Folgezeit in der Öffentlichkeit die Auffassung, dass für die zum 1. Januar 2016 geplante Einrichtung des beA zwar keine Nutzungspflicht bestehe, jeder Rechtsanwalt jedoch das Risiko haftungsrechtlicher Folgen trage, weil Dritte die beA-Adresse in frei zugänglichen Verzeichnissen finden könnten.Abs. 4
Mit Schreiben vom 19. November 2015 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf, bis zum 27. November 2015 zu erklären, dass sie das beA für ihn nicht empfangsbereit schalten werde, bevor er eine beA-Karte zur Erstregistrierung bestellt habe. Am 26. November 2015 beschloss das Präsidium der Antragsgegnerin, den Starttermin' für das beA auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Am 27. November 2015 teilte die Antragsgegnerin mit, dass das Präsidium beschlossen habe, der Aufforderung des Antragstellers nicht nachzukommen. Am 14. April 2016 teilte die Antragsgegnerin mit, dass das beA ab dem 29. September 2016 bereit stehen werde.Abs. 5
Der Antragsteller begründet seinen Antrag wie folgt: Durch die Einrichtung eines empfangsbereiten beA ohne Erstregistrierung greife die Antragsgegnerin in seine Berufsausübungsfreiheit ein. Er sei nicht verpflichtet den bevorstehenden Eingriff in seine Rechte zu dulden, weil der Eingriff nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes möglich wäre. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Nutzung des beA bestehe nicht. Von dem empfangsbereiten beA könne ein erhebliches Haftungsrisiko ausgehen. Daher sei es ihm nicht zuzumuten, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.Abs. 6
Der Antragsteller beantragt,Abs. 7
1. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, es zu unterlassen, das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) für ihn empfangsbereit einzurichten, ohne dass er eine Erstregistrierung durchgeführt hat,Abs. 8
2. der Antragsgegnerin anzudrohen, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das vorstehende Gebot, ein Ordnungsgeld bis zu einem Betrag von 250.000,00 € festzusetzen.Abs. 9
Die Antragsgegnerin beantragt,Abs. 10
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.Abs. 11
Sie hält das angerufene Gericht für unzuständig. Es bestehe auch kein Anordnungs-anspruch. Sie erfülle mit der Einrichtung des beA eine ihr sei dem 1. Januar 2016 nach § 31a Abs. 1 BRAO obliegende gesetzliche Verpflichtung. Es bestehe zwar keine Nutzungspflicht. Den Antragstellern sei jedoch zuzustimmen, dass in Ansehung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht davon auszugehen sei, dass eine Obliegenheit jedes Rechtsanwalts besteht, Eingänge in seinem beA zu überprüfen. Die sich aus dieser Obliegenheit ergebenden Verpflichtungen und daraus unter Umständen resultierende Haftungsrisiken seien auch als ein Eingriff In die anwaltliche Berufsausübung anzusehen. Dieser Eingriff erweise sich jedoch aus Gemeinwohlgründen als zumutbar bzw. gerechtfertigt. Die weitergehenden Bedenken der Antragsteller zur praktischen Ausgestaltung der Gewährung des Zugangs und die geäußerten Sicherheitsbedenken seien unzutreffend. Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass für die ausreichend dimensionierten Rechenzentren monatliche Kosten von fast 500.000,00 € anfielen. Zudem habe die Bundesnotarkammer für die Ausgabe der Signaturkarten erhebliche Investitionen getätigt, die bei einer Verschiebung um zwei Jahre zu einem erheblichen Schaden führten. Es entspreche dem Interesse der Anwaltschaft ein funktionierendes beA zum frühestmöglichen Zeitpunkt zur Verfügung zu haben.Abs. 12
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, soweit sie dem hier beurkundeten nicht widersprechen.Abs. 13
Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Februar 2016, in der ein Widerrufsvergleich geschlossen worden war, für den Fall des Widerrufs auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.Abs. 14
B.Abs. 15
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO in Verbindung mit § 123 Abs. 1 VwGO zulässig (I ) und auch begründet (II.).Abs. 16
I.Abs. 17
1. Der Rechtsweg ist gemäß § 112a Abs. 1 BRAO eröffnet. Danach entscheidet der Anwaltsgerichtshof im ersten Rechtszug über alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nach diesem Gesetz, einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder einer Satzung einer der nach diesem Gesetz errichteten Rechtanwaltskammern, einschließlich der Bundesrechtsanwaltskammer, soweit die Streitigkeiten nicht anwaltsgerichtlicher Art oder einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, da die Regelung des § 31a BRAO in der Fassung vom 14. Juni 2013 bzw. in der Fassung vom 17. Dezember 2015 dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Für diese ist der Anwaltsgerichtshof auch sachlich zuständig. Denn angesichts der umfassenden Formulierung des § 112a Abs. 1 BRAO wird hoheitliches Verwaltungshandeln auch dann erfasst, wenn es keinen Verwaltungsakt darstellt, aber geeignet ist, in die berufsrechtlich begründeten Rechte der Beteiligten einzugreifen oder sie einzuschränken (vgl. Deckenbrock, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 112a Rn. 8).Abs. 18
2. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 112b Satz 1 Halbsatz 2 BRAO. Danach ist der Anwaltsgerichtshof zuständig, der für den Oberlandesgerichtsbezirk errichtet ist, in dem ein Verwaltungsakt erlassen wurde oder zu erlassen wäre, was sinngemäß auf hoheitliche Maßnahmen anzuwenden ist, die berufsrechtliche Rechte und Pflichten der Beteiligten beeinträchtigen. Die Antragsgegnerin, von der die hoheitliche Maßnahme ausgeht, hat ihren Sitz in Berlin.Abs. 19
3. Der auf Erlass einer Sicherungsanordnung gerichtete Antrag ist statthaft, weil sich der Antragsteller gegen ein zukünftiges Handeln der Antragsgegnerin ohne Verwal tungsakt-Qualität wendet. Die mit der begehrten Unterlassung beabsichtigte Sicherung des Status quo kann der Antragsteller nur mit einer Sicherungsanordnung vorläufig durchsetzen.Abs. 20
II.Abs. 21
Aufgrund einer summarischen Prüfung der in § 123 Abs. 1 VwGO genannten Voraussetzungen besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (1.) und eines Anordnungsgrundes (2.).Abs. 22
1. Dem Antragsteller steht gegenüber der Antragsgegnerin ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu, dessen Herleitung zwar umstritten, aber gewohnheitsrechtlich anerkannt ist (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1983 -7 C 44/81, NJW 1984, 989). Denn das Handeln der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Einrichtung eines beA für die Antragsteller stellt einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers dar, der mangels gesetzlicher Regelung nicht gerechtfertigt ist.Abs. 23
a) In der Einrichtung eines beA liegt zwar kein rechtswidriger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit. Denn die Antragsgegnerin ist gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO verpflichtet, für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein beA einzurichten. Das bestreitet der Antragsteller auch nicht.Abs. 24
b) Ein rechtswidriger Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte anwaltliche Berufsfreiheit liegt aber darin, dass die Antragsgegnerin Dritten (zumindest Gerichten und anderen Rechtsanwälten) ohne gesetzliche Grundlage die Möglichkeit eröffnet, dem Antragsteller über das beA elektronische Dokumente zu übersenden. Die durch den Grundsatz der freien Advokatur gekennzeichnete anwaltliche Berufsausübung unterliegt unter der Herrschaft des Grundgesetzes der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des einzelnen Rechtsanwalts (BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 juris Rn. 100). Bei mittelbar wirkenden Beeinträchtigungen entfaltet die Berufsfreiheit nur dann Schutzwirkung, wenn sich diese unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (Wieland, in: Dreier, GG, 3. Auflage 2013, Art. 12 Rn. 71; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Auflage 2010, Art 12 Rn. 74; Janas, in: Jarras Pieroth, GG, 14. Auflage 2016, Art. 12 Rn. 15tf.; Kämmerer, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Auflage 2012, Art. 12 Rn. 46). Dies ist dann der Fall, wenn die staatliche Maßnahme zur Änderung der Rahmenbedingungen einer beruflichen Tätigkeit führt und ein enger Zusammenhang zur Ausübung des jeweiligen Berufs besteht (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2004 -1 BvR 1298/94, 1 BvR 1299/94, 1 BvR 1332/95, 1 BvR 613/97 juris Rn. 138).Abs. 25
aa) Das Handeln der Antragsgegnerin hat unmittelbar zur Folge, dass der Antragsteller nicht nur entsprechende Hard- und Software Vorhalten sowie geeignetes Personal schulen muss, sondern das beA auch regelmäßig auf eingehende Nachrichten zu überprüfen hat. Bei Nichtbeachtung könnte sich der Antragsteller des Vorwurfs der Verletzung berufsrechtlicher Pflichten ausgesetzt sehen, zum Beispiel der Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung (§ 43 Satz 1 BRAO) oder der Mitwirkungspflicht bei Zustellungen (14 BORA). Um dies zu vermeiden, wäre der Antragsteller gezwungen, seine Kanzlei mit den erforderlichen technischen Vorkehrungen auszustatten und über entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit elektronischen Kommunikationsmitteln zu verfügen (Delhey NJW 2016, 1274).Abs. 26
bb) Ob der Antragsteller in eine Haftung kommen kann, wenn er Schreiben im beA nicht wahrnimmt, ist angesichts einer fehlenden gesetzlichen Nutzungspflicht zweifelhaft. Der Senat lässt diese Frage offen. Ferner kann es dahin stehen, ob vor Inkrafttreten des § 174 ZPO in der Fassung vom 10. Oktober 2013 zum 1. Januar 2018 dem Antragsteller in Form eines elektronischen Dokuments zugestellt werden könnte. Dem Antragsteller ist es jedenfalls nicht zumutbar, die Frage einer etwaigen Haftung bei etwaiger Nichtbeachtung von Eingängen oder verspäteter Bearbeitung solcher Eingänge - auf die die Antragsgegnerin in ihren Veröffentlichungen beständig hinweist - in einem Schadenersatzprozess ggf. über mehrere Instanzen klären zu lassen - zumal dieses Risiko in einer Vielzahl von Verfahren bestünde.Abs. 27
cc) Darüber hinaus droht dem Antragsteller durch die Freischaltung eines Kommunikationsweges ohne seine ausdrückliche Zustimmung die Gefahr eines Reputationsschadens. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Dritte das beA nutzen, um Kontakt zu dem Antragsteller aufzunehmen. Sofern dieser keinen Zugang zum beA hat bzw. dieses nicht nutzen will, geht eine entsprechende Kontaktaufnahme durch Dritte ins Leere. Für den Dritten ist aber nicht erkennbar, dass der Antragsteller das beA nicht nutzt (nutzen kann). Es ist daher nicht auszuschließen, dass aus der fehlenden Reaktion des Antragstellers auf eine über das beA gestellte Anfrage auf dessen Desinteresse geschlossen wird.Abs. 28
c) Ein solcher Eingriff in die anwaltliche Berufsfreiheit durch Öffnung eines Anwaltspostfachs - dessen Vertiefung im Hinweis an die Öffentlichkeit auf die Nutzungsmöglichkeit besteht - bedarf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG).Abs. 29
aa) An einer solchen, hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage fehlt es aber. Eine Befugnis der Antragsgegnerin, das eingerichtete Postfach für den Rechtsverkehr zu öffnen und damit den Antragsteller faktisch zu zwingen, dieses zu nutzen, folgt vor allem nicht aus § 31a BRAO. Weder dessen Wortlaut in der derzeit gültigen Fassung noch seinem Sinn und Zweck ist eine derartige Befugnis zu entnehmen. So hat der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 31a Abs. 1 BRAO nicht auf die von ihm bislang verwendete Terminologie der Zugangseröffnung zurückgegriffen (siehe unter anderem § 3a Abs, 1 VwVfG, § 5 Abs. 5 S. 1 VwZG, § 36a SGB I, § 87a Abs, 1 S. 1 AO), sondern den Begriff des Einrichtens gewählt. Der Rechtsbegriff der Zugangseröffnung erfordert neben einer „objektiv vorhandenen technischen Kommunikationseinrichtung11 zusätzlich als subjektives Element eine Widmung" durch den Empfänger, mit der dieser nach außen die Empfangsbereitschaft zu erkennen gibt (BT=Drucksache 14/9000; Seite 13). Bildlich gesprochen: Es bedarf neben der Aufstellung eines Briefkastens - durch wen auch immer - kumulativ der bewussten Anbringung des Namens an diesem durch oder mit Willen des Empfängers, damit ersichtlich wird, dass dem Empfänger mit seinem Einverständnis Nachrichten gesandt werden können (siehe auch Delhey NJW 2016, 1274, 1275). Wenn der Gesetzgeber in § 31a Abs. 1 BRAO statt der Eröffnung des Zugangs zum beA lediglich dessen Einrichtung vorsieht, muss dies im Hinblick auf die bisherige Gesetzesterminologie zur elektronischen Kommunikation so verstanden werden, dass er nur die objektive Bereitstellung des elektronischen Anwaltspostfachs festlegen wollte, nicht aber auch dessen Eröffnung für den elektronischen Rechtsverkehr. Vielmehr soll - wie Wortlaut und Systematik des § 174 ZPO in der ab 1 Januar 2018 gültigen Fassung in Verbindung mit § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO in der ab 1. Januar 2018 gültigen Fassung in Verbindung mit § 31a BRAO zeigen - eine generelle Pflicht zur Eröffnung eines sicheren elektronischen Kommunikationswegs, worunter auch das beA fällt, zurzeit nicht eintreten.Abs. 30
Auch nach Ablauf des 31. Dezember 2017 ergibt sich eine Nutzungspflicht nicht aus § 31a BRAO, da darin lediglich eine Möglichkeit des Empfangs geregelt ist (vgl. § 130a ZPO in der ab 1, Januar 2018 geltenden Fassung, die als sicheren Übermittlungsweg neben dem beA auch den De-Mail-Dienst nennt).Abs. 31
Dies wird dadurch unterstrichen, dass nunmehr - wie sich aus dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe ergibt - vorgeschlagen wird, § 31a BRAO unter anderem durch einen weiteren Absatz zu ergänzen, wonach der Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ab 1. Januar 2018 verpflichtet ist, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu ermöglichen.Abs. 32
bb) Nach derzeitiger Rechtslage muss der Antragsteller eine Kommunikation über das beA zurzeit nur dann zulassen, wenn er hierfür einen Zugang eröffnen will (siehe auch hier § 3a Abs. 1 VwVfG, § 5 Abs. 5 S. 1 VwZG, § 36a SGB I, § 87a Abs. 1 S, 1 AO). Denn nach den allgemeinen Regelungen wird die Nutzung elektronischer Kommunikation grundsätzlich davon abhängig gemacht, ob der Empfänger sich hierzu - wenn nichts anderes bestimmt ist - bereit erklärt. Die Eröffnung des Zugangs ist grundsätzlich von einem nach außen erkennbaren, bewussten Willensakt abhängig (Delhey NJW 2016, 1274, 1277). Diesen Willen hat der Antragsteller aber nicht erklärt.Abs. 33
d) Den von der Antragsgegnerin aufgeführten Nachteilen kommt bei der Betrachtung kein Gewicht zu. Sie rechtfertigen vor allem keinen Eingriff ohne gesetzliche Grundlage.Abs. 34
aa) Soweit die Antragsgegnerin auf einen vom Gesetzgeber vorgegebenen „Automatismus" bei der technischen Gestaltung verweist (Schriftsatz vom 18. April 2016, Satz 3), wonach es ihr technisch nicht möglich sei, die Einrichtung des beA nur für einzelne Rechtsanwälte vorzunehmen, überzeugt dies nicht. Dass eine solche Funktion bei Auftragserteilung nicht vorgesehen worden ist, führt nicht dazu, dass der Anspruch des Antragstellers entfällt- Es hätte der Antragsgegnerin freigestanden, eine entsprechende technische Lösung in Auftrag zu geben. Dass die nachträgliche Einrichtung einer solchen Funktion unmöglich ist, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen, sondern allein auf die damit verbunden Kosten verwiesen.Abs. 35
bb) Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass für die ausreichend dimensionierten Rechenzentren monatliche Kosten von fast 500.000,00 € auch dann anfallen, wenn das beA wegen des erfolgreichen Antrages des Antragstellers und der fehlenden Möglichkeit, das beA für einzelne Anwälte nicht freizuschalten, nicht eingerichtet werden kann, ist dies Folge der entsprechenden Beauftragung des Dienstleisters und steht schon deshalb dem Anspruch der Antragsteller nicht entgegen. Im Übrigen sind die Kosten unter Berücksichtigung der insgesamt einzurichtenden 165.000 beA auch nicht dermaßen hoch, dass dies im Verhältnis zu den Interessen der Antragsteller dazu führen müsste, dass diese hinter diejenigen der Antragsgegnerin zurücktretenAbs. 36
cc) Gleiches gilt, soweit die Antragsgegnerin auf einen „erheblichen Schaden" der Bundesnotarkammer verweist, weil diese für die Ausgabe der Signaturkarten erhebliche Investitionen getätigt habe. Abgesehen davon, dass der Vortrag unsubstanziiert ist, erschließt sich dem Senat nicht, worin der Schaden liegen sollte, wenn die Einrichtung des beA verschoben wird.Abs. 37
dd) Das von der Antragsgegnerin behauptete Interesse der Anwaltschaft an einem funktionierenden beA zum frühestmöglichen Zeitpunkt mag bestehen, ist jedoch auch nicht geeignet, die konkreten Interessen des Antragstellers zu überwiegen.Abs. 38
2. Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Dieser ist anzunehmen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann. So liegt es. Die Einrichtung der beA ist für den September 2016 angekündigt.Abs. 39
Hieraus wird ohne weiteres deutlich, dass eine Notwendigkeit für eine Regelung trotz des anhängigen Hauptsacheverfahrens besteht.Abs. 40
3. Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 890 Abs. 2 ZPO.Abs. 41
4. Der Senat hat bei der Fassung des Tenors von seinem Ermessen gemäß § 167 Abs, 1 VwGO i.V.m. § 938 ZPO Gebrauch gemacht.Abs. 42
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 112c Abs. 1 BRAO, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 194 Abs. 1 BRAO, 52 Abs. 1 GKG.Abs. 43

 
(online seit: 28.06.2016)
 
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Berlin, Anwaltsgerichtshof, Unterlassungsanspruch gegen Freischaltung des beA - JurPC-Web-Dok. 0099/2016