Ausgabe vom 19. März 2024
41/2024   BGH: Rücksendung des EB via beA (Beschluss vom 17.01.2024, VII ZB 22/23)
 Für die Rücksendung des elektronischen Empfangsbekenntnisses in Form eines strukturierten Datensatzes per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) ist es erforderlich, dass aufseiten des die Zustellung empfangenden Rechtsanwalts die Nachricht geöffnet sowie mit einer entsprechenden Eingabe ein Empfangsbekenntnis erstellt, das Datum des Erhalts des Dokuments eingegeben und das so generierte Empfangsbekenntnis versendet wird. Die Abgabe des elektronischen Empfangsbekenntnisses setzt mithin die Willensentscheidung des Empfängers voraus, das elektronische Dokument an dem einzutragenden Zustellungsdatum als zugestellt entgegenzunehmen; darin liegt die erforderliche Mitwirkung des Rechtsanwalts, ohne dessen aktives Zutun ein elektronisches Empfangsbekenntnis nicht ausgelöst wird. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt - wie das herkömmliche papiergebundene (analoge) Empfangsbekenntnis - gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung.
42/2024   OLG München: Keine urheberrechtliche Gerätevergütung für Cloud-Dienstleistungen (Endurteil vom 02.02.2024, 38 Sch 60/22 WG e)
 Die Überlassung einer internetbasierten Nutzungsmöglichkeit ist nach dem vom Gesetzgeber vorausgesetzten Verständnis von der gesetzlichen Regelung nicht erfasst, weil der verwendete Begriff des "Trägers" von Informationen und Daten nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einen körperlichen Gegenstand bezeichnet. Der Begriff der "Herstellung" im Sinne des § 54a UrhG umfasst nicht wie im Patentrecht vorhersehbare Handlungen Dritter. Da im Rahmen der Cloudlösung kein physischer Zugang zur Infrastruktur, sondern lediglich ein internetbasierter Zugriff auf die Website bzw. die App, gewährt wird, wird alleine mit der Herstellung der Internetverbindung zur Website noch kein "neues" (physisches) Speichermedium oder Gerät im Bundesgebiet hergestellt.
43/2024   OVG Mecklenburg-Vorpommern: Sachverständigengutachten als personenbezogenes Datum (Beschluss vom 14.12.2023, 1 LZ 413/21 OVG)
 Können Sachangaben im gegebenen Kontext Auswirkungen auf die Grundeigentümer haben, so sind sie diesen als eigene, personenbezogene Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO (juris: EUV 2016/679) zuzurechnen. Bei dem vorliegenden Sachverständigengutachten, das sowohl die Adresse des Eigentümers als auch textliche und bildliche Angaben über den Zustand des Gebäudes enthält und zum Zweck der Beweissicherung für ein mögliches späteres zivilrechtliches Verfahren erstellt worden ist, handelt es sich im Ganzen um ein personenbezogenes Datum i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO (juris: EUV 2016/679). Für den Fall, dass die betroffene Person eine Kopie von Unterlagen begehrt, die ihrem gesamten Inhalt nach aus sie betreffenden personenbezogenen Daten bestehen, ist mittlerweile höchstrichterlich geklärt, dass Art. 15 Abs. 3 DS-GVO (juris: EUV 2016/679) einen Anspruch auf Überlassung einer Kopie der vollständigen Unterlagen im Sinne einer verständlichen und originalgetreuen Reproduktion beinhaltet.
44/2024   LG Darmstadt: Zur Anwendbarkeit der Preisangabenverordnung (Urteil vom 19.02.2024, 18 O 18/23)
 Ein Internetangebot, das von jedermann aufgerufen werden kann, und das keine Beschränkung auf Wiederverkäufer enthält, unterfällt dem Anwendungsbereich der Preisangabenverordnung auch dann, wenn der Werbende mit Verbrauchern keine Verträge schließen würde.
 
Ausgabe vom 12. März 2024
37/2024   OLG Nürnberg: Auslegung eines urheberrechtlichen Unterwerfungsantrages (Hinweisbeschluss vom 19.02.2024, 3 U 2291/23)
 Ein Unterwerfungsvertrag ist regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die darin enthaltene Verpflichtung, urheberrechtlich geschützte Werke nicht der Öffentlichkeit im Internet zugänglich zu machen, grundsätzlich nicht weiter reicht als die sich aus § 19a, § 15 Abs. 2 UrhG ergebenden gesetzlichen Vorgaben. Dies gilt auch hinsichtlich der sich aus der Vereinbarung der Unterlassungspflicht ergebenden Pflicht zur aktiven Beseitigung des Verletzungszustands einschließlich der Einwirkung auf Dritte. Eine Zuwiderhandlung des Unterlassungsschuldners gegen den Unterwerfungsvertrag setzt daher in der Regel voraus, dass er weiterhin Dritten in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens Zugang zu dem geschützten Werk verschafft und mit seiner Wiedergabe auf eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten abzielt. Eine andere Beurteilung ist nur dann veranlasst, wenn bestimmte Tatbestandsmerkmale der öffentlichen Wiedergabe offensichtlich der Interessenlage der Parteien des Unterwerfungsvertrags unter Berücksichtigung der diesem zugrundeliegenden Anlassverstößen widersprechen.
38/2024   VG Weimar: Unverzügliche Glaubhaftmachung eines technischen Defekts (§ 55d Sätze 3 und 4 VwGO) (Urteil vom 13.09.2023, 4 K 145/23 We)
 Gibt ein Prozessbevollmächtigter lediglich an, die Versendung über beA sei nicht erfolgt, weil "aus technischen Gründen die Versendung auf elektronischem Wege vorübergehend nicht funktioniert" habe, bleibt unklar, wie der konkrete Versendungsvorgang ablief und wodurch sich der technische Defekt zeigte, beispielsweise durch eine Fehlermeldung. Oberflächliche und vage Angaben genügen nicht den Anforderungen an eine erschöpfende Schilderung der Umstände eines technischen Defekts. Zudem wurden vorliegend auch keine Bemühungen zur Abhilfe bei technischen Störungen vorgetragen, wozu professionelle Einreicher verpflichtet sind. Gibt ein Prozessbevollmächtigter eine Erklärung über die vorübergehende technische Unmöglichkeit erst am Tag nach der Ersatzeinreichung dem Gericht gegenüber ab, obwohl ihm dies früher möglich gewesen wäre, so ist diese Erklärung nicht unverzüglich im Sinne von § 55d Satz 4 VwGO.
39/2024   VG Neustadt (Weinstraße): Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung einer Klage auch für den Rat einer Gemeinde (Urteil vom 13.12.2023, 3 K 156/23.NW)
 Die Organe der juristischen Person Gemeinde unterliegen denselben Pflichten, wie die juristische Person selbst. Die aktive Nutzungspflicht der elektronischen Übermittlung trifft auch den Ortsgemeinderat als Kläger. Es besteht die Obliegenheit der Organe der Ortsgemeinde, die Verbandsgemeindeverwaltung, deren professionelle Expertise und gegebenenfalls auch deren Verwaltungsausstattung einzubeziehen, um ihre Angelegenheiten zu regeln und beispielsweise den formellen Anforderungen an eine Klageerhebung zu genügen. Der Verbandsgemeindeverwaltung ist es verwehrt, gegen die Beschlüsse der Ortsgemeinde zu handeln, auch wenn diese sich gegen eine Maßnahme des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde richten, der zugleich Leiter der Verbandsgemeindeverwaltung ist.
40/2024   ArbG Hamburg: Verbot des Einsatzes von ChatGPT und anderen Systemen der Künstlichen Intelligenz (Beschluss vom 16.01.2024, 24 BVGa 1/24)
 Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Tools fallen unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Mit der Einführung von ChatGPT und vergleichbaren Tools wird den Arbeitnehmern ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung gestellt. Richtlinien, Handbuch usw. hierzu sind somit Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen, weshalb kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht.
 
Ausgabe vom 05. März 2024
33/2024   BGH: Prüfung der Funktionsfähigkeit eines neuen Übermittlungsweges (Beschluss vom 15.12.2022, I ZB 35/22)
 Wird ein neuer Übermittlungsweg (vorliegend: Versand über beA) in Betrieb genommen, stellt dies einen Anlass zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit dieses Übermittlungswegs dar. Vor der erstmaligen Nutzung des ab dem 1. Januar 2022 für Rechtsanwälte gemäß § 130d Satz 1 ZPO zur Nutzung vorgeschriebenen beA musste ein Rechtsanwalt daher überprüfen, ob dieser Übermittlungsweg funktionsfähig eingerichtet ist.
34/2024   BGH: Übermittlung der Berufungsschrift mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (Beschluss vom 18.04.2023, VI ZB 36/22)
 Zur Frage, wann ein Rechtsanwalt von einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) an das Gericht ausgehen darf.