Ausgabe vom 14. März 2023
33/2023   BGH: rakuten.de (Urteil vom 10.11.2022, I ZR 10/22)
 Händler im Sinne des § 54b Abs. 1 UrhG ist, wer gewerblich Geräte und Speichermedien erwirbt und weiterveräußert, also Kaufverträge über diese Produkte abschließt. Es ist mit Blick auf die aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG folgende Ergebnispflicht bei der Gewährung des gerechten Ausgleichs für die Anfertigung von privaten Vervielfältigungen nicht geboten, Online-Marktplätze, die die Vermittlung von Kaufverträgen über vergütungspflichtige Geräte und Speichermedien ermöglichen, in den Kreis der Schuldner der Gerätevergütung (§ 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 und 2 UrhG) aufzunehmen. Die analoge Anwendung des § 54b Abs. 1 UrhG auf Internet-Marktplätze kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht.
34/2023   LG Frankfurt a.M.: Keine anwaltliche Tätigkeit bei Einschaltung eines "Entschädigungsmangers" II (Urteil vom 23.02.2023, 2-24 S 97/22)
 Die Einschaltung eines "Entschädigungsmanagers" im Rahmen von Ansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung zum Zweck der Generierung einer E-Mail an den Verpflichteten führt nicht zu einer Beauftragung mit einer anwaltlichen Tätigkeit vor Eintritt des Verzuges. Durch die Zurverfügungstellung eines "Entschädigungsmanagers" als digitale Plattform, mittels derer Fluggäste durch Eingabe von Daten eine E-Mail generieren können, die eine Zahlungsaufforderung beinhaltet, wird keine anwaltliche Tätigkeit erbracht. Denn der Entschädigungsmanager erstellt die E-Mail als automatisiertes Verfahren unter Einsatz eines Algorithmus. Eine anwaltliche Tätigkeit wird hierdurch nicht ausgeführt, weil kein Rechtsanwalt die Berechtigung der Forderung prüft und die E-Mail auch nicht von einem Rechtsanwalt entworfen wird.
35/2023   AG Frankfurt a.M.: Keine anwaltliche Tätigkeit bei Einschaltung eines "Entschädigungsmanagers" I (Urteil vom 23.05.2022, 30 C 3493/21 (71))
 Ein Generator ist Ergebnis einer entweder selbst entwickelten oder zumindest nach bestimmten Vorgaben erstellten Software. Dies mag bei der Bewältigung von Anspruchsmassen praktisch sein, führt jedoch nicht dazu, dass eine vergütungspflichtige anwaltliche Tätigkeit vorliegt.
36/2023   AG München: Unzulässige E-Mail-Werbung nach Erlöschen einer ursprünglich erteilten Einwilligung (Endurteil vom 14.02.2023, 161 C 12736/22)
 Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Einwilligung in E-Mail-Werbung grundsätzlich zeitlich unbegrenzt gilt, kann je nach den Umständen des Einzelfalls nicht mehr von einem Fortbestehen der Einwilligung des Klägers auszugehen sein. Dies ist etwa der Fall, wenn ein E-Mail-Account unstreitig für die Dauer von 4 Jahren nicht mehr genutzt worden war und in dieser Zeit auch keine E-Mail-Werbung mehr an diesen Account gerichtet wurde. In einem solchen Fall kann die Pflicht des Versenders bestehen, sich zunächst zu erkundigen, ob die ursprüngliche Einwilligung noch fortbesteht.
 
Ausgabe vom 07. März 2023
29/2023   Hessischer VGH: Örtliche Zuständigkeit bei Klagen im Rahmen der DSGVO (Beschluss vom 01.12.2022, 10 B 1898/22)
 Die Vorschrift des Art. 79 Abs. 2 DS-GVO wird durch § 44 Abs. 1 und 2 BDSG um Regelungen zur innerstaatlichen örtlichen Zuständigkeit für zivilrechtliche Klagen ergänzt, die die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit eins zu eins auf die innerstaatliche örtliche Zuständigkeit übertragen. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BDSG können Klagen der betroffenen Person gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der DS-GVO oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person zum einen bei dem Gericht des Ortes erhoben werden, an dem sich eine Niederlassung des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters befindet. Zum anderen können Klagen nach Satz 1 gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 BDSG aber auch bei dem Gericht des Ortes erhoben werden, an dem die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
30/2023   OVG Rheinland-Pfalz: Sperre für Glücksspielinternetseiten (Beschluss vom 31.01.2023, 6 B 11175/22.OVG)
 Soweit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 des am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 (Glücksspielstaatsvertrag 2021 GlüStV 2021) Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes TMG verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ermöglicht, wird hierbei das in §§ 8 bis 10 TMG vorgesehene System abgestufter Verantwortlichkeit im Wege einer dynamischen Rechtsgrundverweisung in Bezug genommen. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 GlüStV 2021 trifft eine abschließende Sonderregelung für das Ergreifen von Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote gegen Diensteanbieter, die der Anwendung der allgemeinen Auffangermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 unter Heranziehung der allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätze über die Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher entgegensteht.
31/2023   LG Lübeck: Keine qeS für Abschrift des Vollstreckungsbescheides (Beschluss vom 16.12.2022, 7 T 436/22)
 Die nach § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ZPO dem Vollstreckungsantrag beizufügende Abschrift des Vollstreckungsbescheides nebst Zustellbescheinigung als elektronisches Dokument muss nicht mit einer qualifizierten Signatur versehen werden.
32/2023   LG Offenburg: Auslegung des Begriffes "Schaden" in Art. 82 DSGVO (Urteil vom 28.02.2023, 2 O 98/22)
 Der Schaden im Sinn des Art. 82 Abs. 1 DSGVO liegt nicht bereits in der Verletzung der DSGVO als solcher, sondern vielmehr ist ein auf einem Verstoß gegen die DSGVO beruhender Schaden darzulegen, der kein Bagatellschaden sein darf.
 
Ausgabe vom 28. Februar 2023
25/2023   BGH: Technische Gründe i.S.d. § 130d Satz 2 ZPO (Beschluss vom 25.01.2023, IV ZB 7/22)
 Technische Gründe im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegen nur bei einer Störung der für die Übermittlung erforderlichen technischen Einrichtungen vor, nicht dagegen bei in der Person des Einreichers liegenden Gründen (hier: Erkrankung).
26/2023   BGH: Anwaltliche Sorgfaltspflichten bei Versand über beA (Beschluss vom 11.01.2023, IV ZB 23/21)
 Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Unerlässlich ist die Überprüfung des Versandvorgangs. Dies erfordert die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt worden ist.