Ausgabe vom 12. März 2024
37/2024   OLG Nürnberg: Auslegung eines urheberrechtlichen Unterwerfungsantrages (Hinweisbeschluss vom 19.02.2024, 3 U 2291/23)
 Ein Unterwerfungsvertrag ist regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die darin enthaltene Verpflichtung, urheberrechtlich geschützte Werke nicht der Öffentlichkeit im Internet zugänglich zu machen, grundsätzlich nicht weiter reicht als die sich aus § 19a, § 15 Abs. 2 UrhG ergebenden gesetzlichen Vorgaben. Dies gilt auch hinsichtlich der sich aus der Vereinbarung der Unterlassungspflicht ergebenden Pflicht zur aktiven Beseitigung des Verletzungszustands einschließlich der Einwirkung auf Dritte. Eine Zuwiderhandlung des Unterlassungsschuldners gegen den Unterwerfungsvertrag setzt daher in der Regel voraus, dass er weiterhin Dritten in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens Zugang zu dem geschützten Werk verschafft und mit seiner Wiedergabe auf eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten abzielt. Eine andere Beurteilung ist nur dann veranlasst, wenn bestimmte Tatbestandsmerkmale der öffentlichen Wiedergabe offensichtlich der Interessenlage der Parteien des Unterwerfungsvertrags unter Berücksichtigung der diesem zugrundeliegenden Anlassverstößen widersprechen.
38/2024   VG Weimar: Unverzügliche Glaubhaftmachung eines technischen Defekts (§ 55d Sätze 3 und 4 VwGO) (Urteil vom 13.09.2023, 4 K 145/23 We)
 Gibt ein Prozessbevollmächtigter lediglich an, die Versendung über beA sei nicht erfolgt, weil "aus technischen Gründen die Versendung auf elektronischem Wege vorübergehend nicht funktioniert" habe, bleibt unklar, wie der konkrete Versendungsvorgang ablief und wodurch sich der technische Defekt zeigte, beispielsweise durch eine Fehlermeldung. Oberflächliche und vage Angaben genügen nicht den Anforderungen an eine erschöpfende Schilderung der Umstände eines technischen Defekts. Zudem wurden vorliegend auch keine Bemühungen zur Abhilfe bei technischen Störungen vorgetragen, wozu professionelle Einreicher verpflichtet sind. Gibt ein Prozessbevollmächtigter eine Erklärung über die vorübergehende technische Unmöglichkeit erst am Tag nach der Ersatzeinreichung dem Gericht gegenüber ab, obwohl ihm dies früher möglich gewesen wäre, so ist diese Erklärung nicht unverzüglich im Sinne von § 55d Satz 4 VwGO.
39/2024   VG Neustadt (Weinstraße): Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung einer Klage auch für den Rat einer Gemeinde (Urteil vom 13.12.2023, 3 K 156/23.NW)
 Die Organe der juristischen Person Gemeinde unterliegen denselben Pflichten, wie die juristische Person selbst. Die aktive Nutzungspflicht der elektronischen Übermittlung trifft auch den Ortsgemeinderat als Kläger. Es besteht die Obliegenheit der Organe der Ortsgemeinde, die Verbandsgemeindeverwaltung, deren professionelle Expertise und gegebenenfalls auch deren Verwaltungsausstattung einzubeziehen, um ihre Angelegenheiten zu regeln und beispielsweise den formellen Anforderungen an eine Klageerhebung zu genügen. Der Verbandsgemeindeverwaltung ist es verwehrt, gegen die Beschlüsse der Ortsgemeinde zu handeln, auch wenn diese sich gegen eine Maßnahme des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde richten, der zugleich Leiter der Verbandsgemeindeverwaltung ist.
40/2024   ArbG Hamburg: Verbot des Einsatzes von ChatGPT und anderen Systemen der Künstlichen Intelligenz (Beschluss vom 16.01.2024, 24 BVGa 1/24)
 Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Tools fallen unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Mit der Einführung von ChatGPT und vergleichbaren Tools wird den Arbeitnehmern ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung gestellt. Richtlinien, Handbuch usw. hierzu sind somit Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen, weshalb kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht.
 
Ausgabe vom 05. März 2024
33/2024   BGH: Prüfung der Funktionsfähigkeit eines neuen Übermittlungsweges (Beschluss vom 15.12.2022, I ZB 35/22)
 Wird ein neuer Übermittlungsweg (vorliegend: Versand über beA) in Betrieb genommen, stellt dies einen Anlass zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit dieses Übermittlungswegs dar. Vor der erstmaligen Nutzung des ab dem 1. Januar 2022 für Rechtsanwälte gemäß § 130d Satz 1 ZPO zur Nutzung vorgeschriebenen beA musste ein Rechtsanwalt daher überprüfen, ob dieser Übermittlungsweg funktionsfähig eingerichtet ist.
34/2024   BGH: Übermittlung der Berufungsschrift mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (Beschluss vom 18.04.2023, VI ZB 36/22)
 Zur Frage, wann ein Rechtsanwalt von einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) an das Gericht ausgehen darf.
35/2024   OLG Hamm: Prüfung des Zugangs elektronischer Schriftsätze bei Gericht (Beschluss vom 15.01.2024, 22 U 13/23)
 Die anwaltlichen Sorgfaltsanforderungen an die Überprüfung des ordnungsgemäßen Zugangs fristgebundener Schriftsätze bei Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfordern eine präzise Einweisung des für die Versendung zuständigen Personals durch den Rechtsanwalt. Diese hat sich darauf zu beziehen, wo und wie die automatische digitale Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO in der beA-Webanwendung zu finden ist und welcher Inhalt den ordnungsgemäßen Eingang der elektronischen Nachricht bei Gericht anzeigt. Die erfolgreiche Übermittlung der elektronischen Nachricht an das Gericht über das beA wird in der Webanwendung des Systems durch den Meldetext "Request executed", dem Eingangsdatum und dem Übermittlungsstatus "Erfolgreich" angezeigt (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 30.3.2023 - III ZB 13/22 - NJW 2023, 1717, Rn. 10). Verwendet die versendende Anwaltskanzlei eine Software, die über eine Schnittstelle zur Webanwendung des beA verfügt, kann ein von der Software eigens generiertes Dokument mit der Bezeichnung "Zustellbestätigung" nur dann ein taugliches Ersatzdokument der automatischen Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO und somit positiver Zustellnachweis sein, wenn es dieselben relevanten Prüfungsmerkmale wie der originäre Nachweis in der Webanwendung des beA aufweist. Die erforderliche anwaltliche Einweisung des für die Versendung zuständigen Personals muss sich in diesem Fall auch auf die Identifizierung dieser Merkmale in dem Ersatzdokument beziehen.
36/2024   OVG Sachsen-Anhalt: Zugangsnachweis für eine De-Mail (Beschluss vom 13.02.2024, 3 D 16/24)
 Die Versandbestätigung für das Abschicken einer De-Mail nach § 5 Abs. 7 De-MailG bestätigt nur die Absendung des elektronischen Dokuments. Sie reicht als Zugangsnachweis nicht aus und liefert auch keinen Anscheinsbeweis für den Zugang.
 
Ausgabe vom 27. Februar 2024
29/2024   BFH: Pflicht zur Nutzung des beSt für Steuerberatungsgesellschaften ab dem 01.01.2023 (Beschluss vom 23.01.2024, IV B 46/23)
 Berufsausübungsgesellschaften nach § 3 Satz 1 Nr. 2, § 49 des Steuerberatungsgesetzes, die in das Steuerberaterverzeichnis eingetragen sind, sind gemäß § 52d Satz 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung verpflichtet, seit dem 01.01.2023 das besondere elektronische Steuerberaterpostfach zu nutzen. Wird die vorübergehende technische Unmöglichkeit nicht zusammen mit oder jedenfalls unverzüglich nach der Beschwerdeeinlegung dargelegt und glaubhaft gemacht, kann aus diesem Grund eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.
30/2024   BGH: Glaubhaftmachung vorübergehender technischer Unmöglichkeit i.S.d. § 130d Satz 2 ZPO (Beschluss vom 17.01.2024, XII ZB 88/23)
 Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Beteiligten liegenden Gründen beruht (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 1. März 2023 - XII ZB 228/22, FamRZ 2023, 879 und vom 21. September 2022 - XII ZB 264/22, FamRZ 2022, 1957). Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unzureichender Glaubhaftmachung einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit gemäß § 130d Satz 2 und 3 ZPO.