JurPC Web-Dok. 227/2003 - DOI 10.7328/jurpcb/2003189234

Stephan Ory *

Kurzrezension - Wissmann (Hrsg.), Telekommunikationsrecht

JurPC Web-Dok. 227/2003, Abs. 1 - 6


Martin Wissmann (Hrsg.)
Telekommunikationsrecht
- Praxishandbuch in deutscher und englischer Sprache mit neuem EU-Rechtsrahmen -
Verlag Recht und Wirtschaft,
Heidelberg 2003,
1.789 Seiten,
ISBN: 3-8005-1245-9
295,00 €.
Das Handbuch ist komplett zweisprachig - im ersten Teil deutsch, im zweiten Teil verschiedene Anhänge in zwei Sprachen und im dritten Teil mit englischer Erläuterung. Damit richtet man sich an einen breiten Kundenkreis in dem sehr stark internationalisierten Telekommunikationsmarkt. Mit großem Interesse liest man die fachspezifischen Formulierungen in der jeweils anderen Sprache und bekommt sozusagen als Zugabe gleich noch einen Sprachkurs. Das Handbuch richtet sich an Praktiker auf Seiten der Industrie und Anwaltschaft. Es will einen Einblick in das gegenwärtige Telekommunikationsrecht bieten und zugleich einen Blick auf die notwendigen und möglichen Veränderungen, die sich aus dem europarechtlichen Richtlinienpaket ergeben, die nicht zuletzt Anlass für eine große TKG-Novelle in Deutschland sind. Der rasche Wandel sei bedingt durch die zunehmende "Konvergenz" (der Begriff taucht gleich in der dritten Zeile des Vorworts auf) der Festnetz- und Mobilfunktechnologien begründet sowie durch "das Verwischen" (eine schöne Deutung des Begriffes "Konvergenz") der Grenzen zwischen traditionellem Rundfunk, Mediendiensten und Kommunikation. Das klingt ein bisschen euphorisch wie früher (in dieser schnelllebigen Zeit also etwa vor zwei oder drei Jahren), aber die Autoren selbst weisen darauf hin, dass die erste und übertriebene Euphorie der Marktteilnehmer vorbei ist und vorsichtige Zurückhaltung herrscht.JurPC Web-Dok.
227/2003, Abs. 1
Die Erläuterungen gliedern sich in Kapitel zum Regulierungsrahmen, zur kartellrechtlichen Kontrolle marktbeherrschender Unternehmen, über die Regulierungs- und Aufsichtsbehörden und deren Zuständigkeiten, zur Lizenzierung und Anzeigepflicht sowie zur Frequenzordnung, zu Universaldiensten, Nummerierung und Wegerechten, zur Zulassung von Telekommunikationseinrichtungen und Funkanlagen, zu immissionsschutz- und baurechtlichen Aspekten von Sende- und Empfangsanlagen, zum Netzzugang und zur Zusammenschaltung, zur Stärkung des Marktzugangs durch das Institut "Wesentliche Leistung", zur Regulierung Entgelte und Geschäftsbedingungen, zum besonderen Kundenschutz, zum Fernmeldegeheimnis nebst Datenschutz und Überwachung. Etwas außer der Reihe ist das 16. Kapitel zu "Besonderheiten beim Internet-Angebot", weil hier der TK-rechtliche Schwerpunkt der Inhalteregulierung bis hin zum Rundfunkstaatsvertrag berührt ist. Zurück zum roten Faden führen die weiteren Kapitel zum Verfahren vor der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) und zum Rechtsschutz. Das ist eine Bandbreite von Themen, die zwangsläufig den Umfang einer Rezension sprengen würde. Dies gilt umso mehr, als die einzelnen Kapitel sehr detailliert ausgestaltet sind.Abs. 2
Dass ein TK-Handbuch für den Bereich der Sprachtelefonie und der Datenübertragung hilfreich ist, erwartet man selbstverständlich. Dass auch der Rundfunk - und zwar der noch nicht zu anderen Formen verwischt, derzeit ökonomisch einzig bedeutsam, ganz klassische Rundfunk - in Darstellungen des Telekommunikationsrechts eine Gebührenrolle spielt, ist eher selten. Daher der Blick durch diese Brille auf das vorgelegte Werk. Im Kapitel zur Frequenzzuordnung wird sehr ausführlich und verständlich die Frequenzplanung ausgehend von der internationalen Fernmeldeunion über den europäischen Rechtsbereich bis zum nationalen Verfahren dargestellt. Im nationalen Bereich betrifft das die verschiedenen Planungsstufen wie die Frequenzbereichszuweisung, die Frequenznutzungsplanung und die konkrete Frequenzzuteilung. Für den Praktiker wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Hinweise zur verfahrensrechtlichen Beteiligung. Etwas kurz kommt - jedenfalls durch die Brille des Rundfunkers betrachtet - der Zusammenhang zwischen medienrechtlicher "Lizenz" und telekommunikationsrechtlicher Frequenzzuweisung im Rahmen des derzeitigen § 47 Abs. 3 TKG. Aber vielleicht ist das wirklich zu Rundfunk-spezifisch. Sehr im Detail ist der Abschnitt zum analogen Switch-Off für Hörfunk und Fernsehen, womit der Umstieg von der analogen auf die digitale terrestrische Übertragungsnorm gemeint ist. Dies sei auf der Grundlage bestehender Frequenzzuweisungen für die Marktteilnehmer nicht möglich. Ein rechtliches Problem wird gesehen bei Frequenzen, die noch nach dem Fernmeldeanlagengesetz zugeteilt wurden und Bestandsschutz nach § 97 Abs. 5 TKG genießen - in der Praxis sei das kein Problem, es stünden ja genügend Frequenzen zur Verfügung. Der Optimismus trügt allerdings, wenn man sich die Erfahrungen in den beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit angesiedelten Arbeitsgruppen, die sich der zukünftigen Frequenznutzung und der Bedarfsanmeldung im internationalen Bereich vor Augen führt.Abs. 3
Es gibt Themen, die im Rahmen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und für Studierende etwa so prickelnd sind wie Kamillentee. Das Stichwort "Bauplanungsrechtliche Anforderungen an eine Sende- und Empfangsanlage" wäre da vielleicht ein passendes Beispiel. Der Praktiker, zumal wenn er in einem Unternehmen über Investitionen nachdenkt, entwickelt bei solchen Themen einen unwiderstehlichen Charme - jedenfalls im Laufe der Zeit. Das Handbuch bietet ausweislich der umfangreichen Fußnoten nur einen Einstieg in diese verzwickte Thematik. Da zukünftige digitale Rundfunknetze im Gleichwellenbetrieb in ihrer Netzstruktur Mobilfunknetzen tendenziell ähnlich werden, vor allem aber (wie bisher der Lokalfunk) Sendeanlagen nicht mehr nur auf exponierten Standorten benötigt werden, wird man sich auch in diesem Bereich mehr und mehr mit solchen Fragen beschäftigen müssen.Abs. 4
Wie sehr das TKG dann doch ein Telefongesetz ist, zeigt sich bei den sehr gründlichen und systematisch klar gegliederten Ausführungen zur Entgeltkontrolle. Die Diskussion in der Literatur und die ergangene Rechtsprechung befassten sich (bis auf wenige Ausnahmen) mit Fallkonstellationen aus dem Festnetz und dem Mobilfunk. So weist das Handbuch auf die Praxis der RegTP hin, zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung auf sehr ausgiebig entwickelte analytische Kostenmodelle zurückzugreifen. Diese existieren aber für die Telekommunikationsleistungen, der der Rundfunk nachfragt, nicht. Diese auf "hypothetischen Annahmen beruhende Maßstäbe" werden in dem Werk kritisiert, schließlich entwickele sich nach der Liberalisierung ein Wettbewerb. In der Telefonie und der Datenübertragung mag das stimmen, Rundfunksendernetzbetreiber gibt es (neben Teilbereichen der ARD) nur einen, die mit dem Magenta farbenen großen T. Gerade bei der Novellierung des TKG mit den beabsichtigten tiefen Einschnitten in die Entgelteregulierung wird man möglicherweise zwischen den Bereichen mit tatsächlich sich auftuendem Wettbewerb und Bereichen mit nach wie vor Posthorn-Mentalität unterscheiden müssen. Die Lektüre des Kapitels zum besonderen Kundenschutz legt zudem - im Hinblick auf das zukünftige TKG - die Frage nahe, ob die Rechtsstellung von Rundfunkanbietern gegenüber den Sendernetzbetreiber sich wirklich auf der gleichen Ebene abspielt wie die Kundenrechte von Lieschen Müller gegenüber ihrem Mobilfunkbetreiber. Das führt recht schnell auf - etwa im Entgeltregulierungsverfahren - zu verfahrensrechtlichen Fragen und zur Stellung der Rundfunkanbieter als Kunden der Sendernetzbetreiber (und eben nicht nur der potentiellen Wettbewerber) im Verfahren einschließlich der sich anschließenden Überlegungen zum Rechtsmittel. Das setzt bekanntlich voraus, dass die Verletzung eigener Rechte gerügt werden kann, eine im Handbuch ausführlich abgehandelte Problemstellung etwa unter dem Gesichtspunkt des "Drittschutzes" von Maßnahmen der RegTP. Ausführlich nimmt das vorgestellte Werk Bezug auf die bisher hierzu ergangene Rechtsprechung.Abs. 5
Zutreffend ist die Überlegung des Vorworts: Das Telekommunikationsrecht ist im Fluss. Erste Klärungen sind durch die Gerichte gemacht, aber die anstehende TKG-Novelle macht etwa bei der Lizenzierung oder der Entgeltregulierung entsprechend den Vorstellungen des Referentenentwurfs zum Teil eine Neujustierung notwendig. In diesem Stadium ein umfassendes Handbuch vorzulegen ist mutig, aber nach dem Erlass des neuen europäischen Rechtsrahmens auch sinnvoll. Die sich für die Umsetzung im nationalen Recht ergebenden Anpassungsnotwendigkeiten sind in den einzelnen Kapiteln kurz skizziert. Die zweite Auflage ist absehbar nach der laufenden TKG-Novelle.
JurPC Web-Dok.
227/2003, Abs. 6
* Dr. Stephan Ory ist Rechtsanwalt in Püttlingen/Saar.
[online seit: 08.09.2003]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Ory, Stephan, Kurzrezension - Wissmann (Hrsg.), Telekommunikationsrecht - JurPC-Web-Dok. 0227/2003