JurPC Web-Dok. 130/2021 - DOI 10.7328/jurpcb20213610130

Wolfgang Kuntz [*]

Kuntz, Wolfgang

Rechtsprechungsübersicht zu e-Justice und e-Government 2020/2021 (Teil 1)

JurPC Web-Dok. 130/2021, Abs. 1 - 139


Abs. 1

A. Einreichung von Schriftsätzen, Klagen, Widersprüchen etc.

Abs. 2
Für die Zivilgerichtsbarkeit – in den übrigen Gerichtsbarkeiten gelten entsprechende Normen - regelt § 130a ZPO, dass Schriftsätze als elektronisches Dokument eingereicht werden können. Elektronische Dokumente müssen entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Sichere Übertragungswege sind dabei insbesondere das elektronische Anwaltspostfach (beA) und De-Mail. Die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) bestimmt dazu in § 4, dass ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, entweder auf einem sicheren Übermittlungsweg übermittelt werden darf oder an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts übermittelt werden darf über eine Anwendung, die auf OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht.Abs. 3
Die Rechtsprechung hatte im Berichtszeitraum wieder in einer Vielzahl von Fällen über die Einreichung von Schriftsätzen, Klagen, Rechtsmitteln/Rechtsbehelfen in Form von einfachen E-Mails, als Anhang zu einer E-Mail oder z.B. als De-Mail zu entscheiden. Abs. 4

I. Form und Frist der Einreichung

1. Übermittlung per E-Mail mit PDF-Anhang

BVerwG, Urteil vom 08.09.2020, 2 WD 18/19Abs. 5
In dem vorliegenden Fall war eine Berufungsschrift innerhalb der Berufungsfrist nur per E-Mail als eingescanntes PDF-Dokument eingegangen.Abs. 6
Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 112 Satz 1 WDO ist die Berufung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Wehrdienstgerichts einzulegen. Dabei ist es gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 55a Abs. 1 VwGO auch zulässig, sie nach Maßgabe des § 55a Abs. 2 bis 6 VwGO als elektronisches Dokument einzureichen. Zwar entspricht die per E-Mail übersandte Berufungsschrift nicht den Vorgaben des § 55a VwGO. Denn das Dokument enthält weder eine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des § 55a Abs. 3 VwGO noch wurde es auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 55a Abs. 4 VwGO eingereicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber die Schriftform gewahrt, wenn - wie hier - ein im Original eigenhändig unterzeichneter Schriftsatz in eine PDF-Datei eingescannt, diese nach vorheriger Rücksprache mit der Geschäftsstelle per E-Mail an das Gericht übersandt und dort vor Ablauf der Berufungsfrist ausgedruckt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2020 - X ZB 11/18 - FamRZ 2020, 847 Rn. 16 m.w.N.).Abs. 7
Der Senat lässt offen, ob er sich dieser Auffassung uneingeschränkt anschließt. Selbst wenn eine formgerechte Berufung erst mit dem postalischen Eingang des Berufungsschriftsatzes einen Tag nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden wäre, wäre dem früheren Soldaten gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 44 Satz 1, § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden daran verhindert gewesen wäre, die Frist einzuhalten. Etwaige Versäumnisse seines Verteidigers - die mit Blick auf die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ersichtlich sind - wären ihm nicht zuzurechnen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. September 2018 - 2 WDB 3.18 - BVerwGE 163, 89 Rn. 14 m.w.N.).Abs. 8
VG Neustadt, Urteil vom 11.02.2021, 4 K 758/20.NWAbs. 9
In diesem Fall war ein Widerspruchsschreiben als PDF-Datei übermittelt worden.Abs. 10
Das Gericht entschied, dass die Übermittlung eines Widerspruchsschreibens als PDF-Datei, die einer einfachen E-Mail angehängt wurde, nicht die durch § 70 Abs 1 VwGO vorgeschriebene Form wahrt. Ein Widerspruch entspricht nur dann der elektronischen Form i.S.d. § 70 Abs 1 VwGO, wenn er mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder über einen in § 3 Abs 2 S 4 VwVfG genannten Übermittlungsweg übermittelt wird. Der Formfehler wird auch nicht dadurch geheilt, dass das elektronisch per einfacher E-Mail als Datei übermittelte Widerspruchsschreiben von der Behörde ausgedruckt wird. Scheitert die Übermittlung eines Widerspruchsschreibens per Fax drei Tage vor Ablauf der Widerspruchsfrist, so ist es dem Widerspruchsführer zumutbar, weitere und ggf. alternative Übermittlungsversuche zu unternehmen.Abs. 11

2. Einfache Signatur (§ 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO)

Abs. 12
BAG, Beschluss vom 14.09.2020, 5 AZB 23/20Abs. 13
Vorliegend war ein bestimmender Schriftsatz mit nur einfacher Signatur eingereicht worden.Abs. 14
Die einfache Signatur iSd. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift. Die einfache Signatur soll - ebenso wie die eigenhändige Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Das Fehlen der Signatur kann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn - ohne Beweisaufnahme - aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt übernommen hat. Die, aus dem verfassungsrechtlichen Gebot eines fairen Verfahrens erwachsende, gerichtliche Fürsorgepflicht, gebietet es - im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges - eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel, wie eine fehlende einfache Signatur in einem bestimmenden Schriftsatz, hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben. Wenn dieser Fehler ohne weiteres erkennbar ist, muss dieser Hinweis vor Ablauf der Frist notfalls auch per Telefon oder Telefax erfolgen, wenn dies ohne unzumutbare Anstrengung möglich ist.Abs. 15
LG Hamburg, Beschluss vom 15.01.2021, 322 T 92/20Abs. 16
Das Gericht ist der Ansicht, dass, sofern im Rahmen von § 130a ZPO eine qualifizierte Signatur benutzt wird, daneben nicht auch noch die einfache Signatur benutzt werden muss - auch nicht bei Verwendung eines sicheren Übermittlungswegs.Abs. 17

3. Nutzung von De-Mail

Abs. 18
OVG NRW, Beschluss vom 23.09.2020, 4 AR 18/20Abs. 19
Vorliegend war ein Antrag bei Gericht mittels De-Mail gestellt worden.Abs. 20
Eine Klageerhebung mittels elektronischen Dokuments ist nur nach Maßgabe des § 55a VwGO zulässig. Nach § 55a Abs 3 VwGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos ist gemäß § 55a Abs 4 Nr 1 VwGO nur dann ein sicherer Übermittlungsweg, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Abs 1 S 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt.Abs. 21

4. Übermittlung per Computerfax

Abs. 22
LSG Hamburg, Urteil vom 10.05.2021, L 4 AS 20/21Abs. 23
Streitig war die Wirksamkeit einer per Computerfax eingelegten Berufung.Abs. 24
Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung regelmäßig in schriftlicher Form einzulegen. Hierzu gehört die eigenhändige Unterschrift des Berechtigten. Ausnahmsweise ist eine fehlende eigenständige Unterschrift unschädlich, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt (BSG Beschluss vom 30. 3. 2015, B 12 KR 102/13 B). Das ist u. a. der Fall, wenn der Berufungskläger in einem Computerfax seine volle Anschrift sowie das Aktenzeichen des erstinstanzlichen Verfahrens angibt und das Schriftstück mit vollem Namen abschließt.Abs. 25

5. Container-Signatur

Abs. 26
LG Lübeck, Beschluss vom 14.07.2021, 7 T 293/21Abs. 27
In dem vorliegenden Fall waren ein Zwangsvollstreckungsauftrag und die Anlagen hierzu in einem einzigen elektronischen Dokument zusammengefasst worden. Fraglich war, ob damit eine verbotene Containersignatur vorliegt.Abs. 28
Werden der Zwangsvollstreckungsauftrag und Anlagen (§ 754a ZPO) in einem einzigen elektronischen Dokument zusammengefasst, welches qualifiziert signiert und sodann elektronisch übermittelt wird, so verstößt dies weder unmittelbar noch entsprechend gegen das Verbot der Containersignatur aus § 4 Abs. 2 ERVV.Abs. 29
FG Nürnberg, Urteil vom 27.10.2020, 2 K 483/18Abs. 30
Das Gericht stellte die Unzulässigkeit der Container-Signatur für Klageschriften beim Finanzgericht fest. Wegen der in §§ 52a Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 FGO, 4 Abs. 2 ERVV getroffenen Regelung ist eine Container-Signatur für die Einreichung von Klageschriften beim Finanzgericht nicht mehr zulässig.Abs. 31

6. Einzelfragen

Abs. 32
ArbG Lübeck, Urteil vom 01.10.2020, 1 Ca 572/20Abs. 33
Vorliegend war streitig, ob eine durch technische Gründe bedingte vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente an das Arbeitsgericht gegeben war und wie dies ggf. glaubhaft zu machen ist.Abs. 34
§ 46g Satz 4 ArbGG verlangt die Glaubhaftmachung der durch technische Gründe bedingten vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente an das Arbeitsgericht auch bei Kenntnis des Arbeitsgerichts von einer technischen Störung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs am Tag der versuchten Übermittlung. Die Glaubhaftmachung hat mit der Ersatzeinreichung nach § 46g Satz 3 und Satz 4 ArbGG oder unverzüglich danach zu erfolgen. Eine Glaubhaftmachung 17 Tage nach der Ersatzeinreichung ist nicht unverzüglich. Glaubhaft zu machen ist die durch technische Gründe bedingte vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente an das Arbeitsgericht. Aus wessen Sphäre die technischen Gründe stammen, ist unerheblich. § 46g ArbGG ist mit dem aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Justizgewährungsanspruch vereinbar. § 46c Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 5 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) i.V.m Nr. 1 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2019 (ERVB 2019) erfordert die Einbettung sämtlicher in einer übermittelten PDF-Datei verwendeten Schriftarten. Nur die Einreichung einer den rechtlichen Anforderungen des § 46g ArbGG und § 46c ArbGG entsprechenden Kündigungsschutzklage wahrt die Frist des § 4 KSchG.Reicht ein Rechtsanwalt eine Kündigungsschutzklage binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung als nicht zur Bearbeitung durch das Gericht geeignetes elektronisches Dokument i.S.d. § 46 Abs. 2 ArbGG bei Gericht ein und macht trotz eines rechtzeitigen gerichtlichen Hinweises von der Möglichkeit des § 46c Abs. 6 S. 2 ArbGG, das elektronische Dokument unverzüglich in zur Bearbeitung durch das Gericht geeigneter Form nachzureichen und dessen inhaltliche Übereinstimmung mit dem zuvor eingereichten elektronischen Dokument glaubhaft zu machen, keinen Gebrauch, so ist eine weitere, nach Ablauf von drei Wochen nach Zugang der Kündigung und nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 46c Abs. 6 S. 2 ArbGG eingereichte Kündigungsschutzklage nicht gem. § 5 KSchG nachträglich zuzulassen.Abs. 35
BSG, Beschluss vom 28.10.2020, B 9 V 37/20 BAbs. 36
Streitig war, ob ein sog. Notanwaltsantrag auch per einfacher E-Mail gestellt werden kann und wie dieser Antrag auszugestalten ist.Abs. 37
Ein Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts (hier zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach Mandatsniederlegung des Prozessbevollmächtigten) kann nicht per einfacher E-Mail gestellt werden (vgl. zum Formerfordernis eines Antrags auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts: BSG vom 30.1.2017 - B 1 KR 14/16 S = NZS 2017, 265). Nach der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes muss ein Beteiligter, der die Beiordnung eines Notanwalts begehrt, die von ihm zu seiner Vertretung ersuchten Rechtsanwälte namentlich bezeichnen (vgl. BVerwG vom 18.4.1991 - 5 ER 611/91) und deren Ablehnungsschreiben vorlegen oder sonst glaubhaft machen, in welcher Weise er Kontakt mit ihnen aufgenommen hat (vgl. BSG vom 3.1.2005 - B 9a/9 SB 39/04 B und vom 3.3.1997 - 4 BA 155/96).Abs. 38
OLG Rostock, Beschluss vom 02.12.2020, 4 U 70/20Abs. 39
Nach § 130a Abs. 6 ZPO gilt: „Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.“ Vorliegend war streitig, ob und wann die Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind.Abs. 40
Nach dem Regelungsgefüge des § 130a Abs. 6 ZPO ist das Ereignis, im Verhältnis zu welchem sich die Unverzüglichkeit der Reaktion des Absenders als Voraussetzung für das Eingreifen der Heilungsmöglichkeit bemisst, der nach Satz 1 der Vorschrift seitens des Gerichts zu erteilende Hinweis auf die Unwirksamkeit des (ursprünglichen) Eingangs und die geltenden technischen Rahmenbedingungen. Damit die in § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO vorgesehene Mitteilung die beabsichtigte Möglichkeit einer (rückwirkenden) Rechtswahrung durch den Absender überhaupt effektiv erfüllen kann sowie unter dem Gesichtspunkt des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden allgemeinen Begründungserfordernisses, muss sich ihr entnehmen lassen, warum eine Bearbeitung des eingereichten elektronischen Dokumentes durch das Gericht ausscheidet.Abs. 41
BGH, Beschluss vom 17.12.2020, III ZB 31/20Abs. 42
Streitig war vorliegend die Zumutbarkeit der Benutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zur Übermittlung der Berufungsbegründung an das Berufungsgericht bei Scheitern der Übermittlung per Telefax wegen eines Defekts des gerichtlichen Empfangsgerätes.Abs. 43
Am Abend des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist war eine Übermittlung per Telefax aus von der Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers nicht zu vertretenden Gründen scheitert (Defekt des gerichtlichen Empfangsgerätes) gescheitert und der Anwalt war mit der aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht vertraut.Abs. 44
Der BGH entschied, dass die Benutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nach gescheiterter Übermittlung per Telefax jedenfalls dann kein zumutbarer, nur geringfügigen Aufwand verursachender alternativer Übermittlungsweg ist, wenn der Prozessbevollmächtigte der Partei das besondere elektronische Anwaltspostfach bisher nicht aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt hat und mit seiner Nutzung nicht vertraut ist (entgegen OLG Dresden, 18. November 2019, 4 U 2188/19, MDR 2020, 306 und LG Krefeld, 10. September 2019, 2 S 14/19, NJW 2019, 3658; Bestätigung LG Mannheim, 17. Januar 2020, 1 S 71/19, NJW 2020, 940).Abs. 45
AG Frankenthal, Urteil vom 26.02.2021, 3c C 59/20Abs. 46
Streitig war in diesem Fall, wie der Nachweis des Eingangs eines Schriftstückes im Rahmen des § 130a Abs. 5 ZPO zu erfolgen hat.Abs. 47
Der Nachweis des Eingangs eines Schriftstückes auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts im Sinne des § 130a Abs. 5 ZPO obliegt auch bei Übersendung eines elektronischen Dokumentes derjenigen Partei, die sich darauf beruft, bei einer Klageschrift, mit deren Eingang die Verjährung gehemmt werden soll, also der Klagepartei. Zum Nachweis des Eingangs reicht ein Transfervermerk, aus dem hervorgeht, dass ein Dokument zu einem bestimmten Zeitpunkt an das Gericht übermittelt wurde, nicht aus, weil aus ihm der Eingang bei Gericht gerade nicht entnommen werden kann; insbesondere ist ein derartiger, softwaregenerierter Vermerk nicht geeignet, die automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu ersetzen.Abs. 48
Bleibt eine automatisierte Empfangsbestätigung bezüglich einer auf elektronischem Weg versandten Akte aus und kommt es in der Folge auch nicht zu einer Anforderung des Gerichtskostenvorschusses durch das Gericht, trifft die Klagepartei eine Nachfrageobliegenheit, nach der sie den Gründen dafür innerhalb eines angemessenen Zeitraums nachzugehen hat. Ein Zeitraum von über 9 Wochen nach Fristablauf/Verjährungseintritt ist dabei jedenfalls deutlich zu lange, als dass eine anschließende Zustellung der Klage noch als „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO angesehen werden könnte.Abs. 49

II. sicherer Übertragungsweg

VerfGH NRW, Beschluss vom 10.11.2020, 156/20.VB-3Abs. 50
Vorliegend war ein Antrag beim Verfassungsgerichtshof mit einfacher E-Mail gestellt worden.Abs. 51
Gemäß § 18 Abs 1 S 1, § 18a Abs 1 VGHG NW iVm § 55a Abs 1 und 3 VwGO sind Anträge an den Verfassungsgerichtshof, die auf elektronischem Wege übersandt werden, mit qualifizierter elektronischer Signatur oder auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 55a Abs 3 VwGO einzulegen. Eine einfache E-Mail ist nicht ausreichend.Abs. 52
Vergabekammer München, Beschluss vom 28.09.2020, 3194.Z3-3_01-20-11Abs. 53
In dem vorliegenden Fall war ein Nachprüfungsantrag über das besondere elektronische Anwaltspostfach gestellt worden.Abs. 54
Ein Nachprüfungsantrag kann auch mittels eines mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur i.S.d. Art. 3 Nr. 11 i.V.m. Art. 26 VO (EU) Nr. 910/2014 versehenen Dokuments über den Übertragungsweg vom Anwaltspostfach auf ein besonderes Behördenpostfach der Vergabekammer gestellt werden, wenn die Vergabekammer diesen Kommunikationsweg eröffnet hat. Die Regelung des § 130a Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 ZPO ist auf die Übermittlung von Nachprüfungsanträgen vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach auf das besondere elektronische Behördenpostfach der Vergabekammer sinngemäß anzuwenden, weil hier eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.Abs. 55
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.10.2020, 4 E 770/20Abs. 56
Streitig war die Einreichung von Anträgen mittels elektronischem Dokument und die Frage, ob ein sicherer Übertragungsweg gewählt worden war.Abs. 57
Schriftlich einzureichende Anträge sind mittels elektronischem Dokument nur nach Maßgabe des § 55a VwGO zulässig. Nach § 55a Abs. 3 VwGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos ist gemäß § 55a Abs. 4 Nr. 1 VwGO nur dann ein sicherer Übermittlungsweg, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt.Abs. 58
VG Karlsruhe, Urteil vom 29.03.2021, 2 K 3855/20Abs. 59
Der Absender hatte ein elektronisches Dokument über ein De-Mail-Konto eingereicht. Fraglich war vorliegend, ob eine sichere Anmeldung zu dem De-Mail-Konto vorlag.Abs. 60
Die sichere Anmeldung des Absenders eines elektronischen Dokuments über ein De-Mail-Konto und die Bestätigung der sicheren Anmeldung („Absenderbestätigung“) sind Voraussetzungen für eine wirksame Einreichung des Dokuments im Sinne des § 55a Abs. 1 VwGO. Vom Nichtvorliegen der Bestätigung einer sicheren Anmeldung eines Absenders beim De-Mail-Versand ist auszugehen, sofern in der Kopfzeile der Ausgangsnachricht der Metadaten-Parameter „X-de-mail-authoritative“ mit dem Wert „no“, ausgewiesen wird und eindeutige anderweitige Anzeichen, die auf eine Anmelde- bzw. Absenderbestätigung des Versenders der De-Mail oder einen Fehler in der Darstellung des Nachrichteninhalts beim Empfänger hindeuten, fehlen.Abs. 61
OVG Schleswig, Beschluss vom 14.04.2021, 5 MB 9/21Abs. 62
In diesem Fall war ein Dokument aus einem De-Mail-Konto versandt worden und es war streitig, ob ein sicherer Übermittlungsweg vorlag.Abs. 63
Die Übersendung aus einem De-Mail-Konto ist nur dann ein sicherer Übermittlungsweg, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Abs 1 S 1 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt (§ 55a Abs 4 Nr 1 VwGO). Das ist nicht der Fall, wenn das eingegangene Dokument laut Prüfvermerk von einem De-Mail-Konto ohne entsprechende Absenderbestätigung versendet worden ist.Abs. 64
LSG Schleswig, U. v. 2.6.2021 - L 5 KR 230/20Abs. 65
Im Streit war die formgerechte Einreichung einer Berufungsschrift per De-Mail, dabei insbesondere die Personenidentität zwischen signierender und verantwortender Person.Abs. 66
Eine per De-Mail an das EGVP des Gerichts versandte Berufungsschrift genügt nur dann der elektronischen Form, wenn sich der Absender die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs 5 De-Mail-G bestätigen lässt. Die Absenderauthentifizierung muss sich grundsätzlich aus dem Prüf- oder Transfervermerk des Gerichts ergeben (§ 5 Abs 5 S 5 De-Mail-G). Die wirksame Einreichung per De-Mail setzt voraus, dass die Person, deren (einfache) Signatur auf dem Dokument aufgebracht ist, mit der verantwortenden Person identisch ist. Dies gilt auch dann, wenn eine Vollmacht der verantwortenden Person für die Person, deren Signatur auf dem Dokument aufgebracht ist, nach § 73 Abs 6 S 3 SGG unterstellt werden könnte. Bei einer auf dem Postweg übersandten Berufungsschrift ist die Schriftform grundsätzlich nicht gewahrt, wenn das Dokument mit einer eingescannten Unterschrift versehen ist.Abs. 67
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.04.2021, L 12 AS 279/21 B ERAbs. 68
In dem vorliegenden Fall war eine Klage mit dem sog. E-Mail-to-Fax-Verfahren eingereicht worden.Abs. 69
Nach § 65a Abs. 3 S. 1 SGG muss ein elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von dieser signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Diese Mindestanforderungen erfüllt ein sog. E-Mail-to-Fax als Internetfax nicht. Der Anbieter wandelt lediglich ein Dokument in das zu übermittelnde technische Format um, ohne zuvor zu prüfen, ob das Dokument der Person zugeordnet werden kann. In einem solchen Fall liegt daher ein rechtswirksamer Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bzw. eine rechtswirksam erhobene Klage nicht vor.Abs. 70
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.08.2021, 16 E 579/21Abs. 71
Im Streit waren die Voraussetzungen für eine qualifizierte elektronische Signatur.Abs. 72
Privatpersonen steht als einziger sicherer Übermittlungsweg unter den in § 55a Abs. 4 Nr. 1 bis 4 VwGO genannten Kommunikationswegen das (absenderbestätigte) DE-Mail-Postfach i. S. v. § 55a Abs. 4 Nr. 1 VwGO offen. Eine über das elektronische Gerichts- und Behördenpostfach (EGVP) eingereichte Beschwerde genügt nur dann der Übermittlungsbestimmung des § 55 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. VwGO, wenn die Beschwerdeschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Gemäß § 4 Abs. 2 ERVV dürfen mehrere elektronische Dokumente nicht (mehr) mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden. Dies gilt über den Wortlaut des § 4 Abs. 2 ERVV hinaus auch dann, wenn dem Gericht lediglich ein einziges formbedürftiges Dokument in einem signierten Container übermittelt wird.Abs. 73
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.06.2021, 3 M 110/21Abs. 74
In diesem Fall war eine Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument übermittelt worden. Vorliegend war es dabei zu einer Abweichung des Namens der Signatur des Schriftsatzes zu dem Inhaber der qualifizierten elektronischen Signatur gekommen.Abs. 75
Die ordnungsgemäße Übermittlung eines elektronischen Dokuments i.S. des § 55 Abs 3 Alt 1 VwGO verlangt die qualifizierte elektronische Signatur (qeS) der verantwortenden Person und einen zugelassenen Übermittlungsweg. Der Umstand, dass die (einfache) Signatur am Ende des Schriftsatzes nicht auf denselben Namen lautet wie derjenige, von dem die qeS stammt, steht einer ordnungsgemäßen Übermittlung nicht entgegen, wenn ein Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt des elektronischen Dokuments übernommen hat und damit zur „verantwortenden Person“ i.S. des § 55a Abs 3 VwGO wird. Zur Erfüllung der Anforderungen des § 55 Abs 3 Alt 1 VwGO ist ein sicherer Übermittlungsweg i.S. des § 55 Abs 4 VwGO nicht erforderlich.Abs. 76

B. Einreichung per beA / Sorgfaltspflichten des Anwalts

Abs. 77
OVG Berlin/Brandenburg, Beschluss vom 11.11.2020, OVG 6 S 49/20Abs. 78
Streitig war eine per elektronischem Anwaltspostfach übersandte EGVP-Nachricht und die hierbei zu beachtenden Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts.Abs. 79
Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten gebieten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per besonderem elektronischen Anwaltspostfach - beA - eine Kontrolle des Versandvorgangs durch Überprüfung der Eingangsbestätigung nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO. Das durch den Server des beA erstellte Prüfprotokoll und darin enthaltene Angaben über ein positives Gesamtprüfergebnis sowie einen rechtzeitigen "Eingang auf dem Server" vermögen eine Eingangsbestätigung im Sinne des § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO nicht zu ersetzen. Denn aus dem Prüfprotokoll ergibt sich nicht, ob die Nachricht vollständig auf dem Justizserver gespeichert worden ist. Diese Information lässt sich nur der Eingangsbestätigung im Sinne des § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO entnehmen, die bei ordnungsgemäßem Zugang automatisch durch den Justizserver erzeugt und an den Absender übermittelt wird.Abs. 80
OLG Braunschweig, Beschluss vom 18.11.2020, 11 U 315/20Abs. 81
Es ging in diesem Fall um die Anforderungen an die Prüfung einer qualifizierten elektronischen Signatur.Abs. 82
Wenn bei der Erstellung einer qualifizierten elektronischen Signatur ein Warnsymbol aufleuchtet, hat der Prozessbevollmächtigte sich über die Bedeutung des Symbols zu informieren oder durch Kontrolle der Signatur im besonderen elektronischen Anwaltspostfach zu vergewissern, dass eine ordnungsgemäße Signatur vorliegt. Andernfalls trifft ihn ein Verschulden am Vorliegen einer ungültigen Signatur. Soll seitens des Büropersonals eine Prüfung der elektronischen Signatur erfolgen, bedarf es einer eindeutigen Anweisung seitens des Prozessbevollmächtigten. Die Anweisung, den ordnungsgemäßen Versand zu kontrollieren, reicht nicht aus.Abs. 83
BSG, Beschluss vom 18.11.2020, B 1 KR 1/20 BAbs. 84
Streitig war die Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs und das Problem der fehlenden Übereinstimmung von signierender und verantwortender Person.Abs. 85
Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen Anwaltspostfach versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.Abs. 86
LG Münster, Urteil vom 04.12.2020, 108 O 4/20Abs. 87
In dem vorliegenden Fall war eine Einspruchsschrift nur einfach signiert eingereicht worden.Abs. 88
Die formwirksame Einreichung einer Einspruchsschrift gemäß § 340 Abs. 1 ZPO mittels eines einfach signierten elektronischen Dokuments gemäß § 130a Abs. 3 S. 1 Var. 2 ZPO setzt die Identität der den Schriftsatz verantwortenden Person mit der den Schriftsatz einreichenden Person voraus. D.h.: Der Signateur muss den Schriftsatz über sein eigenes beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) einreichen. Dass der signierende Rechtsanwalt seiner Unterschrift einen Vertretungsvermerk hinzusetzt, ist ohne Bedeutung. Denn ungeachtet des Vertretungsvermerks übernimmt der signierende Rechtsanwalt mit seiner Unterschrift die Verantwortung für den Schriftsatz.Abs. 89
OLG Oldenburg, Beschluss vom 09.12.2020, 6 W 68/20Abs. 90
Es ging in diesem Fall um die Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges im Sinne von § 130a Abs. 4 ZPO.Abs. 91
Auf die qeS kann verzichtet werden, wenn ein sicherer Übermittlungsweg gewählt wird. Die sicheren Übermittlungswege sind in § 130 a Abs. 4 ZPO definiert. Dazu zählt nach § 130 a Abs. 4 Nr. 2 ZPO der Übermittlungsweg zwischen dem beA oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Der Kostenfestsetzungsantrag wurde von dem Klägervertreter einfach signiert. Die Übermittlung erfolgte per beA; sie wurde jedoch nicht durch den Klägervertreter selbst, sondern durch dessen Mitarbeiterin vorgenommen. Ob das ordnungsgemäße Einreichen eines elektronischen Dokuments ohne qeS voraussetzt, dass derjenige, der das elektronische Dokument signiert hat, mit dem tatsächlichen Versender aus dem beA übereinstimmt, ist umstritten. Die h. M. bejaht dies. Der h.M. ist zuzustimmen.Abs. 92
BGH, Beschluss vom 11.05.2021, VIII ZB 9/20Abs. 93
Fraglich war in diesem Fall u.a., zu welchem Zeitpunkt ein Dokument, das über beA versandt wurde, bei Gericht eingegangen ist.Abs. 94
Ein über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichtes elektronisches Dokument ist i.S.v. § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO wirksam bei Gericht eingegangen, wenn es auf dem für dieses eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert worden ist. Ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, ist demgegenüber unerheblich (Fortführung BGH, 14. Mai 2020, X ZR 119/18, WM 2021, 463 und BGH, 25. August 2020, VI ZB 79/19, NJW-RR 2020, 1519). Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt wurde. Hat der Rechtsanwalt eine solche Eingangsbestätigung erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 7. August 2019 - 5 AZB 16/19, BAGE 167, 221 Rn. 20 mwN [zu der mit § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO gleichlautenden Vorschrift des § 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG]). Versendet ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze über das beA an das Gericht, hat er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend anzuweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren ist. Er hat zudem diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 7. August 2019 - 5 AZB 16/19, aaO Rn. 23 mwN).Abs. 95
OLG Dresden, Beschluss vom 01.06.2021, 4 U 351/21Abs. 96
Streitig waren die Sorgfaltspflichten bei Versendung fristgebundener Schriftsätze über das beA.Abs. 97
Ein Berufungskläger, der sein Verlängerungsgesuch auf Erschwernisse infolge der Corona-Pandemie stützt, darf regelmäßig ohne Nachfrage bei dem Berufungsgericht davon ausgehen, dass seinem Antrag entsprochen wird. Vor der Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach ist durch Organisationsanweisung sicherzustellen, dass der Schriftsatz mit einem die hinreichende Individualisierung ermöglichenden Dateinamen versehen und die Prüfung des Sendevorgangs auf den Ausschluss von Dateiverwechslungen erstreckt wird. Die bloße Kontrolle von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung auf technische Übermittlungsfehler reicht insofern nicht aus.Abs. 98
OVG Hamburg, Beschluss vom 04.06.2021, 3 Bs 130/21Abs. 99
Streitig war, wann ein sicherer Übermittlungsweg i. S. d. § 55a Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 VwGO vorliegt.Abs. 100
Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach versendet wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg i. S. d. § 55a Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 VwGO eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders und Inhabers des elektronischen Postfachs übereinstimmt. Allein der Umstand, dass in einer Kanzlei mehrere Rechtsanwälte mit dem gleichen Nachnamen beschäftigt sind, vermag Zweifel daran, dass derjenige, der das elektronische Dokument – ausschließlich mit seinem Nachnamen – signiert hat, auch mit dem tatsächlichen Versender und Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (gleichen Nachnamens) übereinstimmt, nicht zu begründen.Abs. 101
ThürOLG, Beschluss vom 23.09.2020, 1 OLG 171 SsRs 195/19Abs. 102
Streitig waren die Schriftform einer Rechtsbeschwerde und die Einhaltung des sicheren Übermittlungsweges, wenn der Rechtsanwalt eine eingescannte Unterschrift verwendet.Abs. 103
Zitat aus der Entscheidung:Abs. 104
„Ungeachtet der Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr (dazu sogleich) genügen die Schriftsätze bereits den allgemeinen Anforderungen an die Schriftform (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 26.03.1981 - 1 StR 206/80 -, juris, Rn. 5 ff.; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl. 2019, StPO § 341 Rn. 11; BeckOK StPO/Wiedner, 35. Ed. 1.10.2019, StPO § 341 Rn. 19; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, 1. Aufl. 2019, StPO § 341 Rn. 24) und die erforderliche Verteidigerunterschrift (vgl. dazu etwa KK-StPO/Gericke, a.a.O., § 345 Rn. 12, 17), da die jeweils als Ausdruck zur Akte genommenen Schriftsätze verkörperte Schriftstücke sind und von dem Verteidiger des Rechtsmittelführers herrühren, dessen Urheberschaft zweifelsfrei aus dem verwendeten Briefkopf und der aufgebrachten Unterschrift hervorgeht.Abs. 105
Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Unterschrift des Verteidigers erkennbar um die elektronische Reproduktion einer eingescannten Unterschrift handelt. Aufgrund der aktuellen Praxis der Thüringer Justizverwaltung, im elektronischen Rechtsverkehr eingehende elektronische Dokumente während der Übergangszeit bis zur Einführung der elektronischen Akte auszudrucken und in Papierform verkörpert zur Akte zu nehmen, ist die hier erfolgte Übermittlung nicht anders zu bewerten, als bei der Nutzung eines von der Rechtsprechung als formwahrend anerkannten - ebenfalls nur mittels einer eingescannten Unterschrift versehenen - Computerfaxes (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 05.04.2000 - GmS-OGB 1/98 -, juris; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 04.07.2002 - 2 BvR 2168/00 -, juris; weitergehend OLG München, Beschluss vom 11.0o9.2003 - 2 Ws 880/03 - juris, Rn. 6), da durch den Ausdruck neben dem elektronischen Dokument, das (nur) aus einer in einer elektronischen Datei enthaltenen Datenfolge besteht, ein sich davon unterscheidendes körperliches Dokument hergestellt wird (vgl. zu dieser Unterscheidung: BGH, Beschluss vom 14.10.2014 - XI ZB 13/13 -, juris), dessen Form und Herkunft ohne weiteres visuell prüfbar ist. Wenn Ausdrucke der elektronischen Post zu den Akten gelangen, sind (auch) diese unabhängig davon, auf welchem Wege sie Eingang in die die Gerichtsakte gefunden haben, Gegenstand der Prüfung, ob sie ein form- und fristgerecht angebrachtes Rechtsmittel beinhalten (OLG Rostock, Beschluss vom 06.01.2017 - 20 Ws 311/16 -; juris, Rn. 15; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26.03.1981 - 1 StR 206/80 -, juris, Rn. 15).Abs. 106
Die im elektronischen Rechtsverkehr bei Gericht eingegangenen Verteidigerschriftsätze vom 29.05. und 25.06.2019, mit denen die Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet worden ist, genügen auch den Voraussetzungen des § 32a StPO.Abs. 107
Nach § 32a Abs. 3 StPO muss ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein (Alternative 1) oder - wenn eine solche wie hier fehlt - von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (Alternative 2). Während sich die qualifizierte elektronische Signatur unmittelbar auf das mit ihr versehene Dokument bezieht und dadurch das Dokument als solches gesichert ist, ist bei der alternativen Verwendung eines zugelassenen sicheren Übermittlungsweg die Übermittlung des Dokumentes durch die besonderen Eigenschaften des Übermittlungsweges als gleichwertig anzusehen (KK-StPO/Graf, 8. Aufl. 2019, StPO § 32a Rn. 10; Valerius, in: BeckOK StPO, § 32a, Rn. 14).Abs. 108
Ein sicherer Übermittlungsweg ist gemäß § 32a Abs. 4 Nr. 2 StPO unter anderem der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a BRAO (beA) oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle der Behörde oder des Gerichts. Sendet der Rechtsanwalt als Postfachinhaber seinen Schriftsatz selbst über das ihm zugeordnete besondere elektronische Anwaltspostfach, wird ein sogenannter vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (VHN) generiert, mit dem der Nachweis über den Versand einer Nachricht aus einem bestimmten Postfach erbracht wird und bei dessen Vorliegen im Eingangsblatt der Hinweis auf den sicheren Übermittlungsweg (zum Beispiel: „beA“) angegeben wird.Abs. 109
Dem bei Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges (einfachen) Signaturerfordernis des § 32a Abs. 3 Alternative 2 StPO wird durch die bloße Angabe des Urhebers oder Absenders Rechnung getragen. Die Einhaltung einer bestimmten Form ist hierfür nicht vorgeschrieben.Abs. 110
Einfache Signatur kann beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter einem Schriftsatz sein oder eine eingescannte Unterschrift (Mueller, E-Justice-Praxishandbuch, 4. Aufl. 2019, Seite 133; vgl. auch zu § 130a ZPO: Bacher, NJW 2015, 2753; OLG Braunschweig, Beschluss vom 08.04.2019 - 11 U 146/18 -, juris, Rn. 38).Abs. 111
Gemessen daran sind die Verteidigerschriftsätze vom 29.05. und 25.06.2019 formgerecht bei Gericht eingegangen. Beide Schriftsätze wurden ausweislich des jeweils vorgehefteten Eingangsblattes auf dem Übermittlungsweg „beA“ übermittelt, mithin einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 32a Abs. 2 Nr. 2 StPO, und stammen von dem Verteidiger als absendender Person. Des Weiteren wurden beide Schriftsätze durch den absendenden Verteidiger mittels Wiedergabe seines maschinenschriftlichen Namenszuges und seiner eingescannten Unterschrift ordnungsgemäß im Sinne des § 32a Abs. 3 StPO signiert. Insoweit steht auch nicht zu besorgen, dass Dritte nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente unter Nutzung des Postfachs des Verteidigers versandt haben - was der Stellungnahme der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom 02.09.2019 andeutungsweise zu entnehmen ist -, da sich Rechtsanwälte als Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur mit dem ihnen zugeordneten Zertifikat und der zugehörigen Zertifikats-PIN anmelden können (§ 24 RAVPV) und das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signiert Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, durch den Rechtsanwalt nicht auf andere Personen übertragen werden kann (§ 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV).“ Daran ist festzuhalten.“Abs. 112

C. Neue Rechtsprechung zu (elektronischen) Fristenkalendern

Abs. 113
BGH, Beschluss vom 15.09.2020, VI ZR 544/19Abs. 114
Dieser Beschluss des BGH stellt auf die Überprüfung durch den Anwalt anhand der Handakte ab, ob eine durch Bekanntgabe des Beschlusses in Lauf gesetzte Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ordnungsgemäß notiert ist.Abs. 115
Wird ein Beschluss über die Gewährung von Prozesskostenhilfe dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gemäß § 174 Abs. 1 ZPO gegen Empfangsbekenntnis zugestellt, so hat der Prozessbevollmächtigte bei Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses anhand der Handakte zu überprüfen, ob eine durch Bekanntgabe dieses Beschlusses in Lauf gesetzte Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ordnungsgemäß notiert ist. Unterlässt er dies, so liegt bereits hierin ein Verschulden im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO; unterbleibt infolge des Versäumnisses die rechtzeitige Stellung des Wiedereinsetzungsantrags, so scheidet eine Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist aus (Fortführung Senatsbeschlüsse vom 2. Februar 2010 - VI ZB 58/09, NJW 2010, 1080 Rn. 6; vom 12. Januar 2010 - VI ZB 64/09, NJW-RR 2010, 417 Rn. 9; vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 12. September 2019 - IX ZB 13/19, MDR 2019, 1397 Rn. 13 mwN).(Rn.7)Abs. 116
BGH, Beschluss vom 26.05.2021, VIII ZB 55/19Abs. 117
Der Beschluss befasst sich mit den Sorgfaltsanforderungen des Rechtsanwalts bei fristgebundenen Schriftsätzen.Abs. 118
Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierbei hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen.Abs. 119
Hierzu gehört unter anderem die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Schriftsätzen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine beauftragte Bürokraft überprüft wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 8; vom 25. Februar 2016 - III ZB 42/15, NJW 2016, 1742 Rn. 10; vom 24. Januar 2019 - I ZB 47/18, juris Rn. 10; jeweils mwN).Abs. 120
Eine wirksame Ausgangskontrolle hat sich dabei auch darüber Gewissheit zu verschaffen, dass die fristwahrende Handlung in einer im Fristenkalender als erledigt vermerkten Sache auch tatsächlich vorgenommen wurde. Deshalb ist die Bürokraft anzuweisen, gegebenenfalls anhand der Akten zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze auch abgesandt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2019 - I ZB 47/18 aaO; vom 25. Februar 2016 - III ZB 42/15 aaO; vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, aaO Rn. 9; jeweils mwN).Abs. 121
Eine allgemeine Anweisung an die mit der Fristenkontrolle betraute Kanzleimitarbeiterin, eine Frist erst zu streichen, wenn die Erledigung der Frist entweder aus einem entsprechenden Vermerk im elektronischen Fristenkalender hervorgehe oder vom betreffenden Sachbearbeiter oder der zuständigen Fachangestellten mitgeteilt worden sei, gewährleistet eine effektive Ausgangskontrolle nicht, da auch bei deren Befolgung ungeprüft bleibt, ob die fristwahrende Handlung auch tatsächlich vorgenommen wurde.Abs. 122
BGH, Beschluss vom 02.02.2021, X ZB 2/20Abs. 123
In diesem BGH-Fall war fraglich, ob die (strengen) Anforderungen an die Kalenderführung durch den Rechtsanwalt auch in der Phase der Umstellung von herkömmlicher zu elektronischer Aktenführung gelten. Der BGH bejaht die Frage.Abs. 124
Auch in der Phase einer Umstellung von herkömmlicher zu elektronischer Kalenderführung eines Prozessbevollmächtigten darf die elektronische Kalenderführung keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ein herkömmlicher Fristenkalender, so dass grundsätzlich auch weiterhin die Fertigung eines Kontrollausdrucks erforderlich ist. Es ist grundsätzlich die Fertigung eines Kontrollausdrucks erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des eingesetzten Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können (Festhaltung BGH, 28. Februar 2019, III ZB 96/18, NJW 2019, 1456).Abs. 125
Die allgemeine Anordnung, einen solchen Kontrollausdruck in die Handakte aufzunehmen, gewährleistet, dass der Rechtsanwalt, wenn ihm die Handakte vorgelegt wird, eine eigenverantwortliche Fristenkontrolle durchführen kann. Von der Anfertigung eines Kontrollausdrucks kann auch im Fall rein elektronischer Aktenführung allenfalls dann abgesehen werden, wenn andere Vorkehrungen getroffen werden, die ein vergleichbares Maß an Sicherheit ermöglichen. Bemerkt der Prozessbevollmächtigte mangels entsprechender Prüfung das Fehlen eines Kontrollausdrucks bezüglich der Berufungsbegründungsfrist bei Vorlage der Handakten anlässlich der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils nicht, beruht ein entsprechendes Fristversäumnis auf seinem Verschulden und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht.Abs. 126
BSG, Beschluss vom 05.08.2020, B 4 AS 6/20 RAbs. 127
In diesem Fall war die Löschung von Fristen im elektronischen Fristenkalender bei beantragten Fristverlängerungen gegenständlich.Abs. 128
Es hätte, so das Gericht, durch organisatorische Vorkehrungen sichergestellt werden müssen, dass der Bevollmächtigte eine Kontrolle über den maßgebenden Vorgang einer Verlängerung der Frist des § 164 Abs 2 Satz 2 SGG behält und die Löschung bzw. der Neueintrag einer Frist zur Begründung der Revision in den elektronischen Fristenkalender erst erfolgt, wenn eine solche Fristverlängerung gerichtlich bestätigt ist (vgl BSG vom 28.6.2018 - B 1 KR 59/17 B - SozR 4-1500 § 67 Nr 15 = juris Rd- Nr 9 zur geforderten Überprüfungssicherheit auch bei einer elektronischen Kalenderführung). Die Überwachung von Fristen im Revisionsverfahren gehört regelmäßig nicht zu den delegierbaren Routineangelegenheiten, sodass gesteigerte Anforderungen bestehen (vgl etwa BSG vom 1.11.2017 - B 14 AS 26/17 R – juris RdNr 7 mwN; BSG vom 5.12.2017 - B 12 P 2/16 R - juris RdNr 11).Abs. 129

D. Neue Rechtsprechung zu „Legal Tech“

Abs. 130
Im Berichtszeitraum gab es zwei Entscheidungen, die sich mit der Frage befassen, ob Legal-Tech-Anwendungen im Bereich der Unterstützung des Inkassos als Inkassodienstleistungen im des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG anzusehen sind. Zwei weitere Entscheidungen des Bundespatentgerichtes betreffen Fragen im Zusammenhang mit der Anmeldung des Wortzeichens „Law Machine“ als Wortmarke für eine Legal-Tech-Anwendung.Abs. 131
BGH, Urteil vom 13.07.2021, II ZR 84/20Abs. 132
Der Inkassobegriff der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG umfasst Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen. Dies gilt auch im Fall des sogenannten "Sammelklage-Inkasso". Die Kritik der Gegenansicht an der Ausdehnung des Inkassobegriffs und der damit verbundenen Öffnung des Rechtsdienstleistungsmarkts für Anbieter eines sogenannten Legal-Tech-Inkassos wird vielfach damit begründet, hierdurch entstehe ein struktureller Wettbewerbsnachteil der Rechtsanwaltschaft (vgl. Freitag/Lang, ZIP 2020, 1201, 1203 ff.; Greger, MDR 2018, 897, 899; Henssler, NJW 2019, 545, 547; AnwBl Online 2020, 168, 172; Prütting, ZIP 2020, 1434, 1441 f.; Remmertz, AnwBl Online 2020, 186, 188; Römermann, VuR 2020, 43, 51). Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt keine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Inkassodienstleister.Abs. 133
LG Hannover, Urteil vom 01.02.2021, 18 O 34/17Abs. 134
Die Geltendmachung einer Vielzahl abgetretener Schadensersatzforderungen von Zedenten unterschiedlicher Marktstufen bzgl. bestimmter Zuckerlieferungen stellt jedenfalls dann einen Verstoß gegen § 4 RDG dar, wenn teilweise dieselben (weitergelieferten) Zuckermengen betroffen sind. Werden so durch eine Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts und registrierten Rechtsdienstleister gleichzeitig Schadensersatzansprüche von direkten Abnehmern und indirekten Abnehmern geltend gemacht, liegt darin ein grundsätzlicher und unauflösbarer Interessenwiderspruch. Aus dem Verstoß gegen § 4 RDG folgt eine Nichtigkeit der jeweiligen Abtretungen. Die Klage wird auch nicht dadurch zulässig und begründet, dass sich die klagende Aktiengesellschaft (hilfsweise) auf gewillkürte Prozessstandschaft, d.h. auf Einziehungsermächtigungen der Zedenten an die Klägerin, ihre Schadensersatzansprüche im eigenen Namen gerichtlich durchzusetzen und einzuziehen, beruft. Es muss jedenfalls in der vorliegenden Konstellation die Nichtigkeit der Abtretung auch auf die Einziehungsermächtigungen durchschlagen, um den durch das RDG bezweckten Schutz für die Zedenten zu erreichen.Abs. 135
BPatG München, Beschluss vom 26.11.2020, 30 W (pat) 30/19Abs. 136
Das angemeldete Wortzeichen "Law Machine" ist als Herkunftshinweis geeignet, besitzt die erforderliche Unterscheidungskraft und unterliegt auch keinem Freihaltungsbedürfnis. Die Wortkombination "Law Machine" beschreibt in erster Linie ein staatliches (Rechts-)System sowie dessen Organe; ferner wird sie im Sinne der deutschen Begriffe "Gesetzesmaschine" bzw. "Gesetzesmaschinerie" verwendet. Mit diesen Bedeutungen beschreibt die Wortmarke aber nicht die beanspruchten (juristischen und sonstigen) Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 38, 42 und 45. Auch ein die Unterscheidungskraft ausschließender enger beschreibender Bezug kann insoweit nicht bejaht werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass sich das Anmeldezeichen zu einer gebräuchlichen Bezeichnung bzw. zu einem Schlagwort für ("automatisierte") Rechtsdienstleistungen entwickelt hätte.Abs. 137
BPatG München, Beschluss vom 26.11.2020, 30 W (pat) 27/19Abs. 138
Das angemeldete Wortzeichen "www.law-machine.de" ist als Herkunftshinweis geeignet, besitzt die erforderliche Unterscheidungskraft und unterliegt auch keinem Freihaltungsbedürfnis. Der Verkehr misst den Top-Level-Domains (hier: ".de") ebenso wie den Bestandteilen höherer Ordnung (hier: www.) ausschließlich eine technisch funktionale Bedeutung und keine individualisierende Wirkung bei, so dass der kennzeichnende Gesamteindruck nur durch die jeweilige Second-Level-Domain bestimmt wird. Die Wortkombination "law machine" beschreibt in erster Linie ein staatliches (Rechts-)System sowie dessen Organe; ferner wird sie im Sinne der deutschen Begriffe "Gesetzesmaschine" bzw. "Gesetzesmaschinerie" verwendet. Mit diesen Bedeutungen beschreibt die Wortmarke aber nicht die beanspruchten (juristischen und sonstigen) Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 38, 42 und 45. Auch ein die Unterscheidungskraft ausschließender enger beschreibender Bezug kann insoweit nicht bejaht werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass sich "law machine" zu einer gebräuchlichen Bezeichnung bzw. zu einem Schlagwort für ("automatisierte") Rechtsdienstleistungen entwickelt hätte.Abs. 139

Fußnoten:

[*] Wolfgang Kuntz ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht in Saarbrücken. Der Beitrag arbeitet einen in Arbeitsteilung mit VRiBVerwG Prof. Dr. Uwe-Dietmar Berlit in dem Arbeitskreis "Aktuelle Rechtsprechung zu eGovernment und eJustice" für den 30. Deutschen EDV-Gerichtstag am 24.09.2021 in Saarbrücken vorgesehenen Vortrag aus; auf den virtuellen Vortrag wurde verzichtet. Die Beiträge schließen an an die Berichte zum 24. Deutschen EDV-Gerichtstag 2015 (Berlit, JurPC Web-Dok. 176/2015 (Teil I); Kuntz, JurPC Web-Dok. 202/2015 (Teil II)), zum 25. Deutschen EDV-Gerichtstag 2016 (Kuntz, JurPC Web-Dok. 145/2016 (Teil I); Berlit, JurPC Web-Dok. 149/2016 (Teil II)), zum 26. Deutschen EDV-Gerichtstag 2017 (Kuntz, JurPC Web-Dok. 160/2017 (Teil I); Berlit, JurPC Web-Dok. 164/2017 (Teil II)), zum 27. Deutschen EDV-Gerichtstag 2018 (Berlit, JurPC Web-Dok. 146/2018 (Teil I), Kuntz, JurPC Web-Dok. 158/2018 (Teil II)), zum 28. Deutschen EDV-Gerichtstag 2019 (Berlit, JurPC Web-Dok. 117/2019 (Teil I), Kuntz, JurPC-Web-Dok. 129/2019 (Teil II)) sowie zum 29. Deutschen EDV-Gerichtstag 2020 (Berlit, JurPC Web-Dok. 129/2020 (Teil I), Kuntz, JurPC-Web-Dok. 130/2020 (Teil II)) und erfassen im Kern den Berichtszeitraum August/September 2020 bis August 2021. Das Manuskript wurde im September 2021 abgeschlossen.

[online seit: 05.10.2021]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Kuntz, Wolfgang, Rechtsprechungsübersicht zu e-Justice und e-Government 2020/2021 (Teil 1) - JurPC-Web-Dok. 0130/2021