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Ausgabe vom 05. Dezember 2023
165/2023
BVerwG: Zum Merkmal der Öffentlichkeit im Sinne des § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG (Beschluss vom 19.09.2023, 9 B 14/23)
Für das Merkmal der Öffentlichkeit i. S. d. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG genügt es, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten von einer mündlichen Verhandlung Kenntnis zu verschaffen, und dass der Zutritt im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2001, 2 BvR 1620/01, NJW 2002, 814; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2016, 9 B 64.15). Weist der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht auf einen Verfahrensfehler (Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz durch fehlende Anzeige der Verhandlung auf der elektronischen Anzeigetafel) hin, obwohl er den Verstoß kannte oder hätte kennen müssen, tritt nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 295 Abs. 1 ZPO Rügeverlust ein.
166/2023
BSG: Prüfung des Eingangs durch Vorlage der automatisierten Eingangsbestätigung (Beschluss vom 27.09.2023, B 2 U 1/23 R)
Kann bei Gericht ein fristwahrender Eingang einer elektronisch eingereichten Rechtsmittelschrift nach § 65a Abs 1 SGG nicht festgestellt werden, obliegt es zunächst dem Rechtsmittelführer, den Eingang durch Vorlage der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 65a Abs 5 Satz 2 SGG darzulegen. Ein elektronisch eingereichtes Dokument ist erst dann gemäß § 65a Abs 5 Satz 1 SGG wirksam bei Gericht eingegangen, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert worden ist. Den Nachweis darüber erbringt die dem Absender zu erteilende automatisierte Eingangsbestätigung nach § 65a Abs 5 Satz 2 SGG, die vom Absender zu kontrollieren und zu Nachweiszwecken zu archivieren ist. Der bloße Vortrag des Prozessbevollmächtigten und seiner Kanzleiangestellten, diese habe am 19.12.2022 sowohl den Status "Gesendet" als auch einen Zugang am BSG geprüft, genügt daher nicht den Anforderungen an einen Nachweis eines Eingangs auf dem Intermediär iS von § 65a Abs 5 Satz 1 SGG. Bei der Übermittlung eines Dokuments mit einer nicht-qualifiziert elektronischen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg durch einen Rechtsanwalt muss daher für den Empfänger feststellbar sein, dass die Nachricht von dem Rechtsanwalt selbst versandt wurde (§ 20 Abs 3 RAVPV). Entsprechend dürfen Inhaber eines beA gemäß § 23 Abs 3 Satz 5 RAVPV das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen übertragen. Der Versand von (nur) einfach signierten Schriftsätzen darf demnach auch nicht Kanzleimitarbeitern überlassen werden.
167/2023
KG Berlin: Preisanpassungsklauseln bei Streaming-Diensten (Urteil vom 15.11.2023, 23 U 112/22)
Preisanpassungsklauseln stellen eine Abweichung vom grundlegenden Prinzip der wechselseitigen Zustimmung im Vertragsrecht dar, da sie der Verwenderin einen einseitigen Eingriff in den ausgehandelten Vertrag erlauben. Sie sind gemessen an § 307 Abs. 1 BGB nur dann zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse der Verwenderin besteht. An einem berechtigten Interesse fehlt es, wenn das Vertragsverhältnis ohnehin mit kurzer Kündigungsfrist ausgestaltet ist und es der AGB-Verwenderin ohne nennenswerten Aufwand technisch möglich ist, den Kunden bei jeder Nutzung des Dienstes um Zustimmung zu dem geänderten Preis zu ersuchen. Die Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel ergibt sich darüber hinaus aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn die Klausel zwar eine Berechtigung der Verwenderin vorsieht, gestiegene Kosten zum Anlass von Preiserhöhungen zu machen, nicht hingegen die Verpflichtung, nach denselben Maßstäben gesunkene Gesamtkosten zum Anlass für eine Reduzierung des Preises zu nehmen (sog. Gebot der Reziprozität). Dieses Gebot gilt auch bei Verträgen über Streaming-Dienste. Die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, um die Preiserhöhung zu vermeiden, ist schon im Ansatz ungeeignet, das Fehlen eines berechtigten Interesses oder die mit einem Verstoß gegen das Gebot der Reziprozität verbundene unangemessene Benachteiligung des Kunden zu kompensieren. Der Kunde wird auch mit der Kündigungsmöglichkeit entweder mit einer Preiserhöhung oder aber mit der Mühe, den Vertrag, den er in dieser Form nicht gewollt und nicht abgeschlossen hat, zu beenden, belastet.
168/2023
Hamburgisches OVG: Beschwerdeerhebung unter Missachtung der erforderlichen qualifizierten elektronischen Signatur (Beschluss vom 21.09.2023, 3 Bs 88/23)
Ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo) im Sinne des § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 Nr. 3 VwGO eingereicht, wenn dem elektronischen Dokument der gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 ERVV nötige Vertrauenswürdige Herkunftsnachweis (VHN) beigefügt war. Eine wirksame ein Verschulden im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ausschließende Ausgangskontrolle setzt bei Nutzung eines beBPos voraus, dass die Organisation der Geschäftsprozesse und die Einrichtung der dabei verwendeten IT-Systeme und Anwendungen so gestaltet ist, dass eine Fristversäumung infolge des Versendens von Nachrichten via beBPo ohne VHN grundsätzlich vermieden wird. Das Versäumnis eines mit der Betreuung der IT-Systeme und Anwendungen beauftragten externen Dienstleisters, das erforderliche beBPo-VHN-(Signatur-)Zertifikat auf einem Server zu hinterlegen, stellt ein Organisationsverschulden der Behörde dar, wenn sie nicht in geeigneter Art und Weise dafür Sorge getragen hat, dass dieser in hinreichend detaillierter Form beauftragt und angeleitet, angewiesen sowie überwacht wird, die entsprechenden Vorkehrungen und Sicherungsmaßnahmen zu realisieren und ggf. so auszugestalten, dass auch ihr und ihren Sachbearbeitern das Erkennen eines unbeabsichtigten Versendens von Nachrichten via beBPo ohne VHN ermöglicht wird.
Ausgabe vom 29. November 2023
161/2023
BGH: Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der Bezeichnung des Empfangsgerichts in beA (Beschluss vom 10.10.2023, VIII ZB 60/22)
Zu den an einen Rechtsanwalt zu stellenden Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der Bezeichnung des Empfangsgerichts im besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA), wenn der Rechtsanwalt die Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über das beA selbst ausführt.
162/2023
LG Saarbrücken: Bild-Ton-Aufzeichnung einer Vernehmung (Beschluss vom 26.09.2023, 3 KLs 27/23)
Die mit der Regelung des § 58a StPO verfolgten Gesetzeszwecke einer Bild-Ton-Aufzeichnung einer Vernehmung, namentlich die Vermeidung belastender Mehrfachvernehmungen von schutzwürdigen Zeugen sowie die Beweissicherung, können im Stadium des Zwischenverfahrens regelmäßig nicht mehr erreicht werden. Bei der Regelung des § 58a StPO geht es nicht darum, eine Vernehmung vernehmungsersetzend in die Hauptverhandlung einzuführen (§ 255a Abs. 2 StPO), ohne dass einer der mit ihr verfolgten Gesetzeszwecke erreicht wird, da die Vorschrift keine Notwendigkeit einer Zeugeneinvernahme begründet, sondern diese Notwendigkeit vielmehr voraussetzt und die Durchführung der richterlichen Videovernehmung regelt. Mit Anklageerhebung geht die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters und dessen Befugnisse auf das nun mit der Sache befasste Gericht über (§ 162 Abs. 3 Satz 1 StPO), das als sachnächste Stelle ohne Bindung an Anträge der Staatsanwaltschaft im Rahmen seiner pflichtgemäßen Ermessensbetätigung darüber zu befinden hat, ob die Beweiserhebung für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens erheblich ist, mithin die Frage des hinreichenden Tatverdachts beeinflussen kann. Die bloße Verstärkung eines ohnehin schon bestehenden Tatverdachts rechtfertigt hingegen keine weiteren Untersuchungshandlungen.
163/2023
LG Flensburg: Schmerzensgeld bei wahrheitswidriger Behauptung einer Stasi-Mitgliedschaft (Urteil vom 14.06.2023, 7 O 140/20)
Die wahrheitswidrige öffentliche Behauptung, eine Person sei Mitglied der Staatssicherheit (Stasi) gewesen, kann einen Unterlassungsanspruch und einen Schmerzensgeldanspruch begründen.
164/2023
VG Weimar: Klageerhebung per Fax; unverzügliche Glaubhaftmachung des technischen Defekts (Urteil vom 13.09.2023, 4 K 145/23 We)
Der Vortrag, dass eine elektronische Versendung der Klage nicht möglich gewesen sei, weshalb eine Ersatzeinreichung vorgenommen worden sei, welcher nach mehr als 5 Wochen nach der Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht, stellt keine unverzügliche Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung im Sinne von § 55d Satz 3 und 4 VwGO dar.
Ausgabe vom 21. November 2023
157/2023
BGH: Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit (Beschluss vom 10.10.2023, XI ZB 1/23)
Zur Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit gemäß § 130d Satz 3 ZPO durch Vorlage eines Screenshots.
158/2023
BGH: Wirksamkeit der Autorisierung des Zahlers (Urteil vom 19.09.2023, XI ZR 343/22)
Ein Verstoß des Zahlungsdienstleisters gegen das Verbot der Mitwirkung an einer Zahlung im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 des Glücksspielstaatsvertrags 2011 lässt die Wirksamkeit der Autorisierung des Zahlers unberührt.
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