JurPC Web-Dok. 283/2003 - DOI 10.7328/jurpcb/20031811291

Thomas Stadler *

Die Zulässigkeit sog. Deep-Links - Eine Anmerkung zur Paperboy-Entscheidung des BGH = JurPC Web-Dok. 274/2003

JurPC Web-Dok. 283/2003, Abs. 1 - 30


Inhaltsübersicht:

1. Vervielfältigung (§ 16 UrhG)
2. Öffentliche Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) und öffentliches Zugänglichmachen (§ 19 a UrhG)
3. Datenbankschutz (§§ 87a ff. UrhG)
4. Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz
Mit der Paperboy-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ein Stück Rechtssicherheit für Internetanbieter geschaffen. Der BGH bestätigt die grundsätzliche Zulässigkeit sog. Deep-Links in urheber- und wettbewerbsrechtlicher Hinsicht. Die Entscheidung ist nicht nur für Betreiber von Websites von Bedeutung, die (manuell) Hyperlinks anbringen, sondern insbesondere auch für Suchdienste und Suchmaschinen.JurPC Web-Dok.
283/2003, Abs. 1
Der beklagte Suchdienst Paperboy durchsucht automatisiert und systematisch die Online-Ausgaben von Nachrichtenanbietern und Tageszeitungen. Auf eine konkrete Suchanfrage hin liefert Paperboy seinen Nutzern eine Auflistung der Fundstellen von Zeitungsartikeln, die den durch den Nutzer vorgegebenen Suchkriterien entsprechen. Das Suchergebnis präsentiert Paperboy in Form direkter Hyperlinks (Deep-Links)(1) auf die einzelnen Zeitungsartikel. Darüber hinaus kann sich der Nutzer bei Paperboy eine "persönliche Tageszeitung" bestellen. Hierbei werden anhand der vom Nutzer vorgegebenen Suchbegriffe, wiederum Fundstellen von Zeitungsartikeln in Form von Deep-Links zusammengestellt und dem Nutzer per E-Mail übermittelt.Abs. 2
Die Klägerin, ein großer deutscher Zeitungsverlag, sah durch die geschilderte Auswertung der Onlinefassungen ihrer Zeitungen ihre Urheberrechte verletzt und erachtete das Verhalten von Paperboy zudem als wettbewerbswidrig.Abs. 3
Die maßgeblichen Rechtsfragen sind bislang in Literatur(2) und Rechtsprechung(3) unterschiedlich beantwortet worden. Mit seiner Entscheidung verneint der BGH sowohl eine Verletzung des Urheber- als auch des Wettbewerbsrechts und weist die Revision des Verlags zurück.Abs. 4
Der BGH erörtert die in Betracht kommenden Eingriffe in urheberrechtliche Verwertungsrechte, den Datenbankschutz nach §§ 87 a ff. UrhG sowie den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.Abs. 5

1. Vervielfältigung (§ 16 UrhG)

Nach einhelliger Auffassung wird durch die Anbringung von Hyperlinks auf urheberrechtlich geschützte Werke keine Vervielfältigung dieser Werke vorgenommen(4). Dieser Auffassung schließt sich der BGH ohne große Umschweife an, um sodann festzustellen, dass es allerdings beim Nutzer zu einer Vervielfältigung kommen kann, wenn dieser den Link anklickt und die verlinkte Seite aufruft. Der Senat lässt es hierbei bewenden und beantwortet die Frage, ob der Nutzer des Suchdienstes Paperboy durch den Aufruf von Zeitungsartikeln der Klägerin eine Vervielfältigung vornimmt, im Ergebnis nicht. In der Literatur(5) wird eine Vervielfältigung überwiegend bereits dann angenommen, wenn lediglich eine kurzzeitige Kopie im Arbeitsspeicher eines Computers erzeugt wird. Diese Auffassung ist im Hinblick auf die kurzfristige Zwischenspeicherung bei der Nutzung des WWW vereinzelt in Frage gestellt worden(6). Die neue Vorschrift des § 44 a UrhG, die in Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG(7) eingefügt wurde, enthält hierzu nunmehr eine Regelung. Danach ist insbesondere das Browsing als (vorübergehende) Vervielfältigungshandlung zu qualifizieren.Abs. 6
Da der Linksetzer diese Vervielfältigungshandlung des Nutzers in kausaler Weise beeinflusst bzw. herbeiführt, ist in der Literatur(8) eine Urheberrechtsverletzung des Linkenden unter dem Aspekt der Störung oder der Teilnahme diskutiert worden. Nachdem der BGH über Unterlassungs- und nicht über Schadensersatzansprüche zu befinden hatte, greift er konsequenterweise lediglich die Frage der Störerhaftung des Linkenden auf. Insoweit führt der BGH dann aus, dass durch das Setzen eines Links kein urheberrechtlicher Störungszustand geschaffen wird, wenn das Werk bereits durch den Berechtigten selbst ohne jegliche Schutzmaßnahmen ins Netz gestellt wurde. Die Möglichkeit des Abrufs und der Nutzung des Werks ist durch den Berechtigten selbst geschaffen worden und jeder beliebige Nutzer ist deshalb in der Lage, das Werk auch ohne Verwendung des Hyperlinks aufzurufen. In erfreulicher Klarheit weist der BGH sodann darauf hin, dass dem (Deep-)Link in dieser Situation lediglich die Funktion einer technischen Erleichterung für den Abruf der ohnehin zugänglichen Datei zukommt und letztlich nur die ansonsten durch den Nutzer vorzunehmende Eingabe der URL in das Adressfeld des Browsers ersetzt wird. Der BGH betrachtet den Hyperlink somit grundsätzlich lediglich als Fundstelleninformation(9).Abs. 7
Hieraus folgert der BGH, dass es bereits an einer juristisch relevanten Störung durch den Linksetzenden fehlt, weshalb nach Ansicht des Senats die Frage, ob der Berechtigte durch das Einstellen seines Werkes eine (stillschweigende) Zustimmung zur Vervielfältigung durch bestimmungsgemäßen Abruf des Nutzers erteilt hat, nicht mehr entscheidungserheblich ist.Abs. 8
Insoweit geht der BGH sogar über das hinaus, was bislang in der Literatur vertreten worden ist. Diejenigen Autoren, die das Deep-Linking als zulässig erachten, bejahen zumeist eine Störung, nehmen aber eine Einwilligung des Berechtigten an(10).Abs. 9
Auch im Lichte der neuen Vorschrift des § 44 a UrhG, die erst nach der Entscheidung des BGH in Kraft getreten ist, erscheint die Annahme einer Störung durch den Linkenden zweifelhaft. Mit § 44 a UrhG hat der Gesetzgeber kurzfristige und technisch notwendige Kopien vom ausschließlichen Verfügungsrecht des Urhebers über die Vervielfältigung ausgenommen(11). Damit ist klargestellt, dass die Zwischenspeicherung beim Browsing zulässig ist, ohne dass es auf eine Zustimmung des Berechtigten ankommt. Die Annahme einer Urheberrechtsverletzung durch den Linkenden beruhte allerdings bislang gerade auf der Vorstellung, dass eine (stillschweigende) Einwilligung des urheberrechtlich Berechtigten zu der durch den Deep-Link vermittelten Nutzung des Werks nicht anzunehmen sei(12). Nachdem es nunmehr aber auf die Frage der Zustimmung des Berechtigten nicht mehr ankommt, ließe sich eine Urheberrechtsverletzung durch den Linkenden nur dann begründen, wenn man die durch den Link vermittelte Nutzung des Werks nicht dem Anwendungsbereich von § 44 a UrhG unterstellt. Dies dürfte allerdings schwerlich möglich sein, nachdem der Nutzer lediglich diejenige Nutzungshandlung vornimmt, die der Berechtigte vorgesehen hat. Nachdem die Handlung des Nutzers gesetzlich gestattet ist, kann die Anregung dieser Handlung durch den Linkenden nicht als Störung bzw. Beteiligung an einer Urheberrechtsverletzung angesehen werden. Somit spricht auch die neue Vorschrift des § 44 a UrhG für die Zulässigkeit von Deep-Links auf urheberrechtlich geschützte Webseiten.Abs. 10
Der BGH weist ergänzend darauf hin, dass das von ihm gefundene Ergebnis dann anders ausfallen kann, wenn der Berechtigte technische Schutzmaßnahmen gegen die unmittelbare und direkte Aufrufbarkeit seiner Inhalte im Wege des Deep-Links ergriffen hat. Damit stellt das Gericht auch klar, dass ein schützenswertes Interesse des Anbieters, dem Nutzer den Zugang ausschließlich über seine Eingangsseite zu gewähren, nicht gegeben ist. Solange einzelne Dokumente eines Webangebots unmittelbar und ohne Beschränkung aufrufbar sind, ist es nach der Entscheidung des BGH auch legitim und zulässig, hierauf mittels eines sog. Deep-Links zu verweisen.Abs. 11

2. Öffentliche Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) und öffentliches Zugänglichmachen (§ 19 a UrhG)

In einem weiteren Schritt führt der BGH aus, dass durch Setzung von Deep-Links auch nicht in das Recht des Urhebers auf öffentliche Wiedergabe eingegriffen wird.Abs. 12
Der BGH begründet dies damit, dass der Linkende weder das geschützte Werk selbst öffentlich zum Abruf bereit hält, noch dieses Werk an Dritte übermittelt. Der Senat konzediert zunächst, dass einem Nutzer, der die Fundstelle nicht kennt, erst durch den Link der Zugang zu dem Werk ermöglicht und damit das Werk im Wortsinn zugänglich gemacht wird. Gleichzeitig weist der BGH aber darauf hin, dass insoweit kein Unterschied zu einer Fußnote in einem Druckwerk besteht. Entscheidend ist aus Sicht des BGH somit, dass das Werk ohne Zutun des Linkenden bereits online und damit für jedermann zugänglich ist. Der Link weist somit nur auf den bereits bestehenden Zugang zum Werk hin und erleichtert dadurch lediglich die Auffindbarkeit des Werks.Abs. 13
Schließlich geht der BGH auch noch auf das durch die Richtlinie 2001/29/EG(13) begründete neue Verwertungsrecht der öffentlichen Zugänglichmachung ein, das zwischenzeitlich als § 19 a Eingang in das UrhG gefunden hat. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung(14) sieht der BGH im Anbringen von Deep-Links auch kein öffentliches Zugänglichmachen i.S.d. Richtlinie.Abs. 14
Auch wenn der Wortlaut der Richtline und der Vorschrift des § 19 a UrhG es als möglich erscheinen lässt, das Setzen von Links als Zugänglichmachen aufzufassen, sprechen die besseren Gründe für die Annahme, dass nur die Bereitstellung und das tatsächliche Bereithalten von Inhalten eine Zugänglichmachung darstellen(15). Die englischsprachige Fassung der Richtlinie spricht auch von einem "making available"(16), was wesentlich stärker als die nicht sonderlich geglückte deutsche Formulierung des "Zugänglichmachens" darauf hindeutet, dass nur die eigentliche Bereitstellung zum Abruf umfasst ist und nicht der Verweis mittels eines Hyperlinks(17). Für diese Auslegung spricht ferner auch der Umstand, dass der Linksetzer keinerlei Einfluss auf die tatsächliche Verfügbarkeit des Werks hat. Diese hängt einzig und allein davon ab, ob das Werk, an seiner Quelle weiterhin zum Abruf bereit gehalten wird. Sobald das nicht mehr der Fall ist, geht der Link ins Leere. Ein Werk wird deshalb nur von demjenigen zugänglich gemacht - in dem Sinne, dass es der Allgemeinheit an beliebigen Orten und zu beliebigen Zeiten zum Abruf bereit steht - der es ins Netz stellt und zum Abruf bereit hält.Abs. 15
Selbst wenn man in einer Verlinkung ein Zugänglichmachen sehen wollte, müsste jedenfalls davon ausgegangen werden, dass eine solche Verwertungshandlung durch eine (stillschweigende) Einwilligung des Berechtigten gedeckt ist. Nach Auffassung des Autors wäre eine Verweigerung des Berechtigten, der Verlinkung seines Werkes zuzustimmen als rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich anzusehen(18). Wer Inhalte ins WWW bringt, stellt diese der Allgemeinheit zum Abruf zur Verfügung und schafft damit selbst die Voraussetzung dafür, dass Dritte entsprechend den Gepflogenheiten des Web Hyperlinks auf das Werk setzen. Der Hyperlink ist seiner ursprünglichen Bestimmung nach ein Instrumentarium zum Verweis auf konkrete Einzeldokumente. Der Berechtigte muss deshalb mit Deep-Links auf Unterseiten seins Inhaltsangebots rechnen und kann solche Links redlicherweise auch nicht untersagen.Abs. 16

3. Datenbankschutz (§§ 87a ff. UrhG)

Der BGH erörtert in der Paperboy-Entscheidung schließlich noch die Verletzung der Rechte eines Datenbankherstellers. Dieser Aspekt war für die Entscheidung deshalb von Bedeutung, weil die Beklagte nicht lediglich einzelne Hyperlinks auf Zeitungsartikel des klagenden Verlags gesetzt hatte, sondern vielmehr eine automatisierte Suchroutine verwendet und dem Nutzer auch Stichworte und kurze Textauszüge zur Darstellung des Inhalts der verlinkten Artikel übermittelt hat.Abs. 17
Das Urteil ist aus diesem Grunde nicht nur für die Frage der Zulässigkeit von Deep-Links von Relevanz, sondern darüber hinaus auch für die Arbeitsweise von Suchdiensten und Suchmaschinen.Abs. 18
Nachdem der BGH das Setzen von Deep-Links nicht als urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung betrachtet, ist es nur konsequent, dass er insoweit auch keine unter § 87 b UrhG fallende Nutzungshandlung angenommen hat. Der Zeitungssuchdienst Paperboy geht allerdings wie gesagt über die bloße Verlinkung hinaus und gibt zusätzlich den Titel des Zeitungsartikels, sowie Stichworte und Satzteile aus der Veröffentlichung wieder, um deren Inhalt näher zu beschreiben. Dies stellt in jedem Fall eine Vervielfältigung bzw. öffentliche Wiedergabe kleiner Teile der Datenbank dar. Aus diesem Grunde hatte der BGH zudem der Frage nachzugehen, ob ein Verstoß gegen § 87 b Abs. 1 S. 2 UrhG in Betracht kommt.Abs. 19
Der BGH stellt deshalb zunächst auch klar, dass der Suchdienst Paperboy bei seiner Auswertung von Internetauftritten wiederholt und systematisch i.S.v. § 87 b Abs. 1 S. 2 UrhG vorgeht. Diese Handlung läuft nach Auffassung des Senats aber einer normalen Auswertung der Datenbank nicht zuwider, weshalb ein Verstoß insoweit auch nicht bejaht wird. Begründet wird dies mit der Erwägung, dass den Nutzern von Paperboy lediglich einzelne splitterhafte Kleinbestandteile aus Presseartikeln mitgeteilt werden und hierdurch nur der Inhalt der Artikel angedeutet wird. Durch diese Vorgehensweise wird nach Ansicht des BGH die Benutzung der Datenbank nicht ersetzt, sondern allenfalls angeregt. Selbst durch wiederholte Zugriffe auf eine einzelne Datenbank summieren sich nach Auffassung des Senats die mitgeteilten Artikelbestandteile nicht zu wesentlichen Teilen der Datenbank.Abs. 20
Der BGH kombiniert letztlich verschiedene Argumentationsansätze. Nachdem ein Verstoß gegen § 87 b Abs. 1 S. 2 UrhG nur dann vorliegt, wenn die wiederholte Nutzung unwesentlicher Teile in der Summe das Ausmaß der Nutzung eines wesentlichen Teils der Datenbank erreicht(19), lehnt der BGH einen Verstoß deshalb ab, weil er eine Nutzung in diesem Umfang quantitativ offenbar als nicht gegeben ansieht. Darüber hinaus ist der BGH aber auch der Auffassung, dass eine normale Auswertung der Datenbank vorliegt. Dahinter steckt die Überlegung, dass der Nutzer durch die Übermittlung kleiner Textauszüge lediglich dazu angeregt wird, den Volltext des Zeitungsartikels aus der Datenbank des Verlages zu beziehen und damit im Ergebnis genau das macht, was der Intension der Klägerin entspricht. Der BGH hat erkannt, dass der Dienst Paperboy mit seinen Deep-Links auf die Artikel des klagenden Verlags nichts weiter tut, als der Klägerin Nutzer zuzuführen. Genau das ist es aber, was der Verlag selbst durch sein Angebot erreichen möchte.Abs. 21
Man wird ergänzend auch dahingehend argumentieren können, dass eine Auswertung durch Suchdienste den Gepflogenheiten und den allgemein akzeptierten Grundsätzen der Informationsbeschaffung im WWW entspricht. Derjenige, der eine Datenbank offen ins Web einstellt, muss redlicherweise mit einer solchen Nutzung und Auswertung rechnen wie sie Paperboy vornimmt(20).Abs. 22

4. Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz

Unter Hinweis auf seine neuere Rechtsprechung(21) macht der BGH zunächst deutlich, dass beim Fehlen urheberrechtlicher Unterlassungsansprüche ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz überhaupt nur dann in Betracht kommen kann, wenn weitere, besondere Umstände hinzutreten.Abs. 23
Solche zusätzlichen Umstände vermochte der Senat nicht zu erkennen.Abs. 24
Eine Übernahme der klägerischen Leistungen durch den Suchdienst Paperboy wird vom BGH mit dem zutreffenden Argument verneint, dass lediglich der Zugriff auf Artikel erleichtert wird, die der Öffentlichkeit durch den Verlag selbst zur Verfügung gestellt worden sind.Abs. 25
Auch eine Irreführung sieht der BGH nicht als gegeben an, nachdem die Herkunft der Artikel nicht verschleiert wird und für den Nutzer klar ersichtlich bleibt, dass er Artikel aus dem Angebot des klagenden Verlags aufruft.Abs. 26
Schließlich geht der BGH noch auf den in der Literatur(22) viel diskutierten Aspekt der Umgehung der Eingangsseite und damit auch der Umgehung der klägerischen Werbeeinblendungen ein. Er erteilt hierbei der in der Literatur häufiger anzutreffenden Einschätzung, wonach der Nutzer durch den Deep-Link in wettbewerbswidriger Art und Weise an der Homepage vorbeigeschleust würde(23), eine klare Absage. Zu Recht nimmt der BGH an, dass ein schutzwürdiges Interesse des Webseitenbetreibers daran, dem Nutzer den Einstieg in sein Webangebot ausschließlich über seine Eingangsseite gestatten zu wollen, nicht gegeben ist.Abs. 27
Der BGH stellt insoweit das Allgemeininteresse in den Vordergrund und weist darauf hin, dass derjenige, der das Internet für seine Angebote nutzt, auch die Beschränkungen in Kauf nehmen muss, die sich aus den Interessen der Allgemeinheit an der Funktionsfähigkeit des Internets ergeben. Der Senat hat insoweit erkannt, dass der Hyperlink, gerade auch in Form des Deep-Links, das Rückgrat des World Wide Web bildet und der Deep-Link die übliche und allgemein anerkannte Form der Verlinkung darstellt, ohne dessen Einsatz die sinnvolle Nutzung des Web praktisch nicht möglich wäre. Eine sozial nützliche und nach der Verkehrsauffassung übliche und erwünschte Vorgehensweise kann aber keinesfalls als unlauter i.S.d. UWG eingestuft werden(24). Ein Berechtigter, der die Vorteile des World Wide Web für seine Angebote in Anspruch nimmt, muss deshalb auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht dulden, dass auf einzelne Teile seines Angebots mittels sog. Deep-Links verwiesen wird. Möchte er dies vermeiden, so steht es ihm frei, technische Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die dies oder allgemein die Abrufbarkeit seiner Inhalte unterbindet.Abs. 28
Abschließend soll noch auf einen weiteren, vom BGH nicht ausdrücklich erörterten Punkt hingewiesen werden, der das Argument der Werbebehinderung bereits in tatsächlicher Hinsicht in Frage stellt. Durch die Deep-Links von Paperboy werden der Klägerin Nutzer zugeführt, die ansonsten den Weg zum klägerischen Angebot u.U. gar nicht gefunden hätten. Zumindest ein Teil der Internetnutzer die einem Deep-Link folgen, wechselt anschließend auch noch auf die Startseite des Angebots. Es drängt sich daher die Schlussfolgerung auf, dass die Attraktivität des klägerischen Angebots für die Werbewirtschaft durch Paperboy sogar erhöht worden ist. Aus diesem Grunde sind bereits die tatsächlichen Voraussetzungen einer Werbebehinderung mehr als zweifelhaft. Das eigentliche Interesse der Klägerin kann deshalb auch nicht ernsthaft in einer Unterbindung dieser angeblichen Werbebehinderung zu sehen sein. Vielmehr geht es der Klägerin wohl primär um den Aspekt der Kundenbindung, dem Angebote wie Paperboy im Wege stehen. Die Klägerin hat ein Interesse daran, dass die Nutzer ausschließlich auf ihr Angebot zurückgreifen und nicht über einen neutralen Mittler wie Paperboy eine Vorauswahl aus den verschiedensten Angeboten vornehmen(25). Paperboy steht deshalb lediglich dem Interesse des Verlages, sich gegenüber Mitbewerbern am Onlinemarkt zu positionieren im Wege. Der klagende Verlag hat also erkennbar versucht, das Wettbewerbsrecht zur Verhinderung von Wettbewerb einzusetzen.Abs. 29
Die Entscheidung ist auch deshalb zu begrüßen, weil sie deutlich macht, dass sowohl das sog. Deep-Linking als auch Suchdienste und Suchmaschinen sozial nützliche Instrumente darstellen, denen für die Informationsbeschaffung und -vermittlung über das Internet eine zentrale Rolle zukommt.
JurPC Web-Dok.
283/2003, Abs. 30

Fußnoten:

(1) Zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Hyperlinks aus juristischer und technischer Sicht, vgl. die Darstellung bei Schmidbauer, Tour de Link, online unter: http://www.i4j.at/link/tour01.htm.
(2) Einen Urheberrechtsverstoß nehmen beispielsweise an: Schack, MMR 2001, 9 , 14; Ernst/Wiebe, MMR-Beilage 8/2001, 20, 21; Hartmann/Koch, CR 2002, 441, 443 f. (allerdings differenzierend). Einen Urheberrechtsverstoß verneinen: Nolte, ZUM 2003, 540, 541 ff.; Sosnitza, CR 2001, 693, 700; Plaß, WRP 2000, 599, 603 f.
(3) Siehe z.B. LG München I, MMR 2002, 58, online unter: http://www.newsclub.de/prozess/newsclub-lgm.html (abgerufen am 07.10.03); LG Berlin, JurPC Web-Dok. 185/2001, online unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20010185.htm; LG München I, CR 2002, 452 = JurPC Web-Dok. 121/2002, online unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020121.htm; OLG Köln, CR 2001, 708, online unter: http://www.bonnanwalt.de/entscheidungen/OLG-Koeln6U71-00.html (abgerufen am 07.10.03).
(4) Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Aufl., § 16 Rdnr. 22; Ernst/Wiebe, MMR-Beilage 8/2001, 20 m.w.N.
(5) Vgl. Bechtold, GRUR 1998, 18, 24 f., m.w.N.
(6) Vgl. z.B. v. Bonin, Die Kontrolle digitaler Kommunikationsinhalte - Grenzen staatlicher Regelung und Möglichkeiten, 71 f., online unter: http://www.a-von-bonin.de/Diss/Dissmaster.html, abgerufen am 07.10.03; Dieselhorst, CR 2001, 706, 707.
(7) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, Abl. L 167 vom 22.06.2001, 10.
(8) Schack, MMR 2001, 9, 13; Sosnitza, CR 2001, 693, 698; Bechtold, ZUM 1997, 427, 433.
(9) So z.B. auch Wenning, JurPC Web-Dok. 46/1998, Abs. 19, online unter: http://www.jurpc.de/aufsatz/19980046.htm; Stadler, JurPC Web-Dok. 2/2003, Abs. 25, online unter: http://www.jurpc.de/aufsatz/20030002.htm.
(10) Plaß, WRP 2000, 599, 603 f.; Sosnitza, CR 2001, 693, 699 f.; weitergehend z.B. bereits Schmidbauer, JurPC Web-Dok. 176/2003, Abs. 24, online unter: http://www.jurpc.de/aufsatz/20030176.htm, der dem Hyperlink, ähnlich wie nun der BGH, keinerlei urheber- und wettbewerbsrechtliche Relevanz beimisst.
(11) So ganz ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/38, 18.
(12) So z.B. Schack, MMR 2001, 9, 13 f.
(13) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, Abl. L 167 vom 22.06.2001, 10.
(14) Stomper, ÖBl 2002, 212, 213, online unter: http://www.hugelaw.com/new/texte/linksurhg.pdf (abgerufen am 07.10.03); Marwitz, K&R 1998, 369, 373.
(15) So auch Nolte, ZUM 2003, 540, 542; Schmidbauer, JurPC Web-Dok. 176/2003, Abs. 23, online unter: http://www.jurpc.de/aufsatz/20030176.htm.
(16) Die Formulierung "making available" ist bereits seit 1996 in Art. 8 WCT (WIPO Copyright Treaty) und Art. 10 und Art. 14 WPPT (WIPO Performances and Phonograms Treaty) enthalten und wurde in diese Verträge auf Vorschlag der EU aufgenommen (vgl. hierzu v. Lewinski, in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia Recht, Teil 7.9, Rdnr. 26). Die Formulierung "making available" wurde aus den WIPO-Verträgen in die Richtlinie übernommen und in der deutschen Fassung nicht ganz zutreffend mit "zugänglich machen" übersetzt.
(17) Das "making available" wird in der Literatur (vgl. Lehmann, CR 2003, 553, 555) z.T. aber auch im Sinne eines Wahrnehmbarmachens verstanden. Dieses Verständnis des Wortlauts würde eine Einbeziehung des Setzens von Links nahe legen. Ein solches Verständnis des "making available" geht allerdings über die Formulierung in Art. 8 WCT und Art. 10 und 14 WPPT hinaus. Die Richtlinie wollte aber insoweit lediglich das Europäische Recht an die WIPO-Verträge anpassen und keinesfalls über sie hinausgehen.
(18) Vgl. hierzu Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 208.
(19) Schricker/Vogel, Urheberrecht, 2.Auflage, § 87 b Rdnr. 22.
(20) A.A. bzgl. Meta-Suchmaschinen: Hoeren, MMR-Beilage 8/2001, 2, 3 ff., online unter: http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/INHALTE/publikationen/Meta-Suche2.pdf, abgerufen am 08.10.03.
(21) BGH, JurPC Web-Dok. 302/2002, online unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020302.htm = CR 2002, 827 (elektronische Pressespiegel); BGH, JurPC Web-Dok. 6/1997, online unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/19970006.htm = CR 1997, 403 (CB-Infobank I); BGH, JurPC Web-Dok. 113/1999, online unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/19990113.htm = CR 1999, 614 (Kopienversand öffentlicher Bibliotheken).
(22) Vgl. z.B. Hoeren, MMR-Beilage 8/2001, 2, 5, online unter: http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/INHALTE/publikationen/Meta-Suche2.pdf, abgerufen am 08.10.03; Joppich, CR 2003, 504, 509; Wiebe, WRP 1999, 734, 739; Dittrich, JurPC Web-Dok. 72/2002, Abs. 26, online unter: http://www.jurpc.de/aufsatz/20020072.htm.
(23) So ausdrücklich z.B. Moritz/Hermann in Moritz/Dreier, Rechts-Handbuch zum E-Commerce, Teil D, Rdnr. 469 ff.
(24) Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 255.
(25) Nolte, ZUM 2003, 540, 548 spricht insoweit von der Hoffnung größerer Anbieter, dass sich die Nutzer in einer Welt ohne Paperboy mit ihrem Angebot begnügen.
* Thomas Stadler ist als Rechtsanwalt in der Kanzlei Alavi Frösner Stadler, Freising (http://www.afs-rechtsanwaelte.de) tätig.
[online seit: 03.11.2003]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Stadler, Thomas, Die Zulässigkeit sog. Deep-Links – Eine Anmerkung zur Paperboy-Entscheidung des BGH = JurPC Web-Dok. 274/2003 - JurPC-Web-Dok. 0283/2003