JurPC Web-Dok. 11/2020 - DOI 10.7328/jurpcb202035111

OLG Frankfurt a.M.

Beschluss vom 21.11.2019

16 W 56/19

Kein Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte durch Netflix-Serie “Skylines”

JurPC Web-Dok. 11/2020, Abs. 1 - 26


Leitsatz (der Redaktion):

Die Verbreitung der Serie „Skylines“ ist durch die Kunstfreiheit geschützt. Sie verletzt weder das Persönlichkeitsrecht noch das Unternehmenspersönlichkeitsrecht des Antragstellers. Die künstlerische Gestaltung der Lebensläufe der Protagonisten und der Geschäftstätigkeit der Firma sind verselbständigt und ausreichend künstlerisch transzendiert worden, so dass Kunstbild und Urbild unterscheidbar bleiben.

Gründe:

I.Abs. 1
Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung der Verbreitung der Serie „Skylines“ des Autors und Produzenten H über die von ihr betriebene Internetseite „Netflix.de“ in Anspruch.Abs. 2
Der Antragsteller ist Rapper, Produzent und Inhaber des Musik-Labels „Firma1“. Als Künstler führt er den Namen „... A“. Er ist ferner Inhaber der Firma1, die seit 2008 ihren Sitz in Stadtteil1 hat. Er ist mit diesem Namen seit 2005 bei der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) mit einem sog. Labelcode erfasst. Zur Abgrenzung eines in England ansässigen Unternehmens gleichen Namens wird er bei der GVL seit 2008 als „Firma1 Germany“ geführt. Seit Juni 2006 besteht mit der GVL ein Wahrnehmungsvertrag als Tonträgerhersteller. Der Antragsteller hatte im November 2005 unter der Bezeichnung „Firma1“ Tonträger im Genre „Hip Hop“, Gewalt,… Rap“ mit den Titeln „X2“ und „Titel2“ veröffentlicht (ASt 20 und 22), 2006 den Titel „Titel3“ unter der Bezeichnung „Firma1 Germany“ (ASt 24) und im Jahr 2007 noch den Tonträger „A Classic“ (ASt 23). Bei iTunes waren 2014 unter „© 2014 Firma1“ und 2015 unter „© Firma1 Germany“ weitere Titel unter dem Namen „... A“, „Titel4“, „Titel5“, „Titel6“, „Titel7“ zum Download erhältlich, 2016 und 2019 daneben unter „© Firma1“ die Titel „Titel8“ (ASt 33) “Titel9”, „Titel10“ (ASt 33 und ASt 34). 2019 bot der Antragsteller unter seinem echten Namen dort weitere Titel („Titel11“ u.a., ASt 30) unter dem Künstlernamen „... A“ zum Download an (ASt 28, ASt 29). Zur Entwicklung seines Labels legt er mit Anlage ASt 35 „Firma1 - …“ eine Zusammenfassung seines Werdegangs als Künstler und Label-Inhaber vor. 2005 und 2006 berichteten die Magazine „(y).de“ und „(z).de“ über Titel von „X“ des Antragstellers (Anlagen ASt 36, ASt 37).Abs. 3
Am 27. September 2019 startete die Antragsgegnerin mit sechs Folgen einer ersten Staffel der Serie „Skylines“, die in Stadt1 spielt und die Geschichte eines Music-Labels namens „Skyline Records“ erzählt. Protagonisten sind der talentierte Hip-Hop-Musiker und Produzent „Jinn“, der von einem berühmten Label namens „Skyline Records“ entdeckt und von dessen Chef „Kalifa“ unter Vertrag genommen wird.Abs. 4
Die Serie war seit Oktober 2018 im Internet und anderen Medien beworben worden, der Drehbeginn war für den 29. November 2018 mitgeteilt, es wurde die Serie nach Konzept und Inhalt von der Antragsgegnerin vorgestellt (RS 12, Bl. 183 ff GA). Es wurde u.a. mitgeteilt, dass es im Jahr 2019 eine auf der Plattform „Netflix“ verbreitete Serie mit dem Namen „Skylines“ geben werde, in der es darum gehe, dass ein unbekannter Rapper „Jinn“ die Chance seines Lebens erhält, als er bei dem Label „Skyline Records“ einen Plattenvertrag unterschreibt. Dieser Text wurde in vielen anderen Medien, darunter u.a. (…) so in deren Online-Berichterstattung, aufgegriffen (Anlagen RS 111, RS 13, Bl. 133 bis 199 GA). Am 23. Januar 2019 gab die Stadt1 eine Pressemeldung über die Dreharbeiten in Stadt1 und einen Besuch des B am Drehort heraus (RS 14, Bl. 224 GA). Am 23. Januar 2019 beantragte der Antragsteller Markenschutz für die Wortmarken „Skylines“ und „Skyline Record“ für Warenklasse 41, darunter Musikproduktionen, Filmproduktionen und Dienstleistungen eines Songwriters (RS 16, Bl. 228 - 231 GA). Am 24. Oktober 2018 hatte die Netflix Studios, LLC, Los Angeles bereits die Wortmarke „SKYLINES“ für Warenklasse 41 für Unterhaltung in Form einer Fernsehserie angemeldet (RS 17, Bl. 232 bis 233 GA), die seit 10. Januar 2019 eingetragen ist. Gegen die Marke des Antragstellers wurde Widerspruch eingelegt.Abs. 5
Ein erster Trailer der Serie wurde auf der Seite der Zeitung1 im Internet am 6. Juli 2019 veröffentlicht (RS 11, Blatt 181 f.GA), der offizielle Trailer erschien am 28. August 2019. Am 5. September 2019 mahnte der Antragsteller die Antragsgegnerin erfolglos ab.Abs. 6
Mit dem Antragsteller - einschließlich einer Schutzschrift der Antragsgegnerin vom 19. September 2019 - am 15. Oktober 2019 zugestellten Beschluss vom 14. Oktober 2019 hat das Landgericht Frankfurt den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verbreitung der Serie zurückgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, die Kunstfreiheit der Antragsgegnerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG überwiege hier das Schutzinteresse des Antragstellers. Danach bestehe für den Inhalt der Serie die Vermutung der Fiktionalität, die hier nicht zugunsten der Rechte des Antragstellers widerlegt sei. Es ist der Ansicht, der Antragsteller sei nicht hinreichend erkennbar das Vorbild für die Protagonisten der Serie, den jungen Rapper „Jinn“ und den Chef „Kalifa“ der Firma „Skyline Records“. Auch ein Unterlassungsanspruch aus dem Namensrecht des vom Antragsteller geführten Unternehmens „Firma1“ bestehe im Eilverfahren mangels Verfügungsgrund nicht. Denn der Antragsteller habe - auch nach dem ihm telefonisch erteilten Hinweis hierzu - nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er trotz der umfangreichen Berichterstattung über die Serie ab November 2018 vor Anfang September 2019 von dem Titel der Serie „Skyline“ keine Kenntnis erlangt habe. Der Senat nimmt wegen der Einzelheiten auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.Abs. 7
Dagegen richtet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Er ist weiter der Ansicht, mit den Figuren „Jinn“ und „Kalifa“ zeichne die Serie für Dritte erkennbar sein Leben und seinen Aufstieg als Hiphop und Rap-Künstler und Inhaber des Tonträger-Labels „Skyline Records“ nach. Hierzu meint er, die Figur des „Jinn“ trage ähnliche Gesichtszüge wie er selbst in jungen Jahren. Hierzu legt er in Anlagen ASt 41, 40 (I) und ASt 42 (C) Fotos vor. Genauso wie „Jinn“ stamme er aus gutbürgerlichen Verhältnissen, wie er habe er eine Schwester und sonst keine weiteren Geschwister. Schließlich sei auch der Musikstil ähnlich. Hierzu bezieht er sich auf Tonmitschnitte aus der Serie des Liedes „Titel12“ (ASt 38) und seines Titels „X1“ aus dem Jahr 2005 (ASt 39 und ASt 20). Er behauptet, er habe als einer der ersten im Hip-Hop Bereich sog. „Live-Beats“ der Musik hinterlegt. Dies sei vorher zwar im Bereich House und Techno, nicht aber bei Hip-Hop-Produzenten üblich gewesen. Diesen Stil nutzten in der Serie auch „Jinn“ und „Momo“ (ASt 51). Er sei auch tatsächlich von einem Fan der Serie erkannt worden, was eine E-Mail vom 6. Oktober 2019 (ASt 43) belege. Auch er habe im Jahr 2005 bereits mit einem Musiker namens „G“ zusammengearbeitet, was ein Bericht im Hip-Hop-Magazin „D“ aus dem Jahr 2008 belege (ASt 44). Da auch in der Serie der frühere Partner und Freund von „Jinn“ den Namen “Momo“ trage (ASt 45 bis ASt 48), weise dies auf seine Person hin. Auch habe er, wie der Protagonist „Jinn“ in der Serie, früher in einem Hotel gearbeitet (ASt 49 und ASt 50). Ebenso wie „Jinn“, der im realen Leben der Serie „E“ heiße, sei er unter einem Künstlernamen, nämlich „A“, als Musiker aufgetreten. Die Figur des „Kalifa“ in der Serie zeichne ihn schließlich als gereiften Produzent nach. Hierzu legt er einen Fotovergleich in Anlage ASt 52 und ASt 53 vor. Die Erkennbarkeit ergebe sich bereits daraus, dass sowohl er als auch die Figur des „Kalifa“ beide aktive Rapper und zugleich Label-Inhaber des Labels „Firma1“ seien.Abs. 8
Er ist der Ansicht, mit den Kunstfiguren der Serie der Antragsgegnerin werde sein Persönlichkeitsbild verfälscht und werde seine Unternehmerpersönlichkeitsrecht durch Inbeziehungsetzung zur Drogenszene verletzt. Er werde als Person und mit seiner Firma dem gewaltbereiten organisierten kriminellen Milieu und dem Drogenhandel zugeordnet, was eine schwerwiegende Entstellung und Herabwürdigung bedeute. Es werde erzählt, das Label des Antragstellers „Firma1“ sei mit Drogengeldern aufgebaut, das seine Ziele mit Mord, Gewalt und Erpressung durchsetze. Das Publikum der Serie werde mangels hinreichender Fiktionalisierung seine Firma mit dem Label der Serie verwechseln und das dort gezeichnete negative Bild auf ihn als Person und auf seine Firma übertragen. Es liege keine hinreichende Verfremdung des Abbildes vom Urbild vor. Da seine Firma lange schon in Stadt1 ansässig sei, werde durch die Namensübereinstimmung der Zuschauer nicht mehr zwischen Serienplattenfirma, Darstellern und ihm unterscheiden. Zuschauer heute seien an Formate wie „Doku-Dramen“ gewohnt, weshalb eine Verwechslung unvermeidbar sei.Abs. 9
Der Antragsteller rügt Verfahrensfehler des Landgerichts. Die Kammer habe ihn telefonisch nur darauf hingewiesen, er müsse noch vortragen, wann er von dem in der Antragsschrift benannten Trailer Kenntnis erlangt habe. Dass er den Hinweis ersichtlich so verstanden habe, sei seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2019 zu entnehmen, weshalb hier eine Klarstellung und Wiederholung des Hinweises vom 11. Oktober 2019 durch das Landgericht erforderlich gewesen wäre.Abs. 10
Er rügt weiter, die Kammer habe sich unzureichend mit seinen Argumenten aus der Antragsschrift befasst, sie habe sich außerdem zu stark von der von der Antragsgegnerin eingereichten Schutzschrift leiten lassen. Das Gericht habe übersehen, dass der Antragsteller Produzent und Rapper sei, der Protagonist „Jinn“ dagegen nur Produzent. Das Landgericht habe beides vermischt. Aus der Schutzschrift sei auch fehlerhaft übernommen worden, dass das große Major-Label der Serie, mit dem „Firma1“ in der Serie einen „Deal“ abgeschlossen habe, in der Serie selbst als „Global“ bezeichnet werde und nicht etwa als „Universal Music“, was der Schutzschrift entnommen sei. Das Gericht habe die Anforderungen an die Glaubhaftmachungslast überspannt. Mit der eingehenden und vertieften Abwägung der Kunstfreiheit mit den Interessen des Antragstellers sei bereits die Hauptsache vorweggenommen. Die Glaubhaftmachungsmittel des Antragstellers seien jedenfalls für ein Eilverfahren ausreichend gewesen. Hierzu verweist der Antragsteller erneut auf die Antragsschrift vom 8. Oktober 2019.Abs. 11
Der Antragsteller rügt ferner die Äußerungen der Pressesprecherin des Landgerichts Frankfurt. Deren Aussage, „dass es sich nach Ansicht der Kammer in der Serie um ein großes, potentes Label handele, bei dem Label des Antragstellers dagegen jedoch eher nicht“, sei polemischer Natur, was jedenfalls auch auf sachfremde Erwägungen des Gerichts schließen lasse. Tatsächlich sei nämlich sein Label bei der GVL das einzige dieses Namens in Stadt1 und wohl auch in Deutschland.Abs. 12
Die Antragsgegnerin hatte in ihrer Schutzschrift vom 19. September 2019 bereits behauptet, der Antragsteller habe seit Oktober 2018 Kenntnis davon gehabt, dass es eine Serie mit der Bezeichnung „Skylines“ geben werde, bei der der Protagonist „Jinn“, bei einem Musiklabel „Firma1“ einen Vertrag unterschreibe und dass diese Serie in Stadt1 spielen werde. Der Verfügungsantrag sei deshalb verspätet eingereicht. Der Antragsteller habe die Marke „Skylines“ und „Firma1“ am 23. Januar 2019 ersichtlich aufgrund der Berichterstattung über den Drehstart in Stadt1 an diesem Tag angemeldet.Abs. 13
Beidem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Er meint, er habe erst nach Sichtung der Serie nach ihrem Erscheinen am 27. September 2019 eine umfassende Abwägung seiner Rechte und der gezeigten Übereinstimmungen vornehmen können.Abs. 14
II.Abs. 15
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.Abs. 16
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1 und 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Verbreitung der Serie „Skylines“ über die Plattform „Netflix“ und anderer Medien hat. Zutreffend und ohne Fehler ist das Gericht der ersten Instanz davon ausgegangen, dass die Verbreitung der Serie durch die Kunstfreiheit der Antragsgegnerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt ist und das Verbreitungsinteresse der Antragsgegnerin das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und das Unternehmerpersönlichkeitsrecht seines Unternehmens „Firma1“ hier überwiegen. Der vom Landgericht herangezogene rechtliche Beurteilungsrahmen für die zu vollziehende Interessenabwägung ist zutreffend den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu ausgeformten Grundsätzen entnommen (vgl. BVerfGE 30, 173 ff. = NJW 1971, S. 1645 ff. - „Mephisto“; BVerfGE 119, 1 ff. - „Esra“). Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug. Auch die danach vom Landgericht vorgenommene Abwägung aller Gesamtumstände würdigt alle Umstände vollständig und ist ohne Fehler. Der Senat schließt sich der Bewertung der Kammer des Landgerichts an, dass die künstlerische Gestaltung des Lebensläufe von „Jinn“ und „Kalifa“ und der Geschäftstätigkeit der Firma „Firma1“ der Serie durch deren Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus der Filmserie in einer Weise verselbständigt und in der Darstellung ausreichend künstlerisch transzendiert ist, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der Figuren „Jinn“ und „Kalifa“ und der Firma „Firma1“ genügend objektiviert erscheint (vgl. dazu: BVerfG Entscheidung vom 24. Februar 1971, 1 BvR 435/68, - „Mephisto“ -Rn 68, juris; BVerfG - Urteil vom 13. Juni 2007, 1 BvR 1783/05 -„Esra“, Rn 83, juris). Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug und macht diese sich zu Eigen.Abs. 17
Die vom Antragsteller in der Beschwerde geltend gemachten und im Wesentlichen bereits im Antrag angeführten Argumente, führen zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat folgt dem Antragsteller nicht in der Bewertung, wonach die von ihm hervorgehobenen Anknüpfungspunkte der Serie an Umstände aus seinem eigenen Werdegang sich hier in einer Weise verdichten, dass Kunstbild und Urbild der der Figuren nicht mehr voneinander unterscheidbar wären. Zwar bestehen offensichtliche Übereinstimmungen zwischen seinem Werdegang als Künstler und dem der Serienprotagonisten „Jinn“ und „Kalifa“. Diese Übereinstimmungen sind aber nicht von einem solchen Gewicht, dass hierdurch für den Durchschnittsbetrachter der Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit aufgehoben und auf diese Weise die Eigenschaften der dargestellten Personen gerade dem Antragsteller oder dessen Unternehmen zugeschrieben werden. Es liegen zu wenige konkrete Übereinstimmungen der Lebensläufe vor, um den Antragsteller erkennbar werden zu lassen. Denn es trifft zu, dass sich in der Musikbranche Künstlerkarrieren eher häufig genauso entwickeln, wie dies im Werdegang des „Jinn“ in der Serie erzählt wird. Dabei ist der Umstand, dass ein über viele Jahre nicht der breiten Öffentlichkeit bekannter Musiker eines Tages von einem berühmten Plattenlabel „entdeckt“ wird und dort - unter Zurücklassung von Musikerkollegen und Freunden - unter Vertrag genommen und auf diese Weise erfolgreich wird, noch kein besonders herausgehobenes Merkmal, das für den Zuschauer deutlich auf die Person des Antragstellers verweisen würde und die Vermutung der Fiktionalität des Filmgeschehens aufheben kann. Denn über diese wenigen, in Künstlerkarrieren typischerweise vorkommenden Umstände hinaus, bestehen keine wesentlichen Übereinstimmungen mit der Biographie des Antragstellers. So finden zahlreiche weitere Einzelheiten der Handlung, wie zum Beispiel die geschilderte Liebesgeschichte zwischen der Schwester der Filmfigur „Jinn“ und dem früheren Partner „Momo“, keine Entsprechung im Leben des Antragstellers. Soweit der Antragsteller erneut geltend gemacht hat, die in der Serie benutzte Musik weise stilistisch eindeutig auf ihn hin, vermag der Senat nach Anhören der vorgelegten Musikausschnitte keine den Antragsteller besonders kennzeichnende Ähnlichkeit zu entdecken. Kompositionsweise und Akkordfolgen und die benutzten „Beats“ des Songs „Titel12“ der Serie sind nicht derart prägend oder von besonderer Schöpfungshöhe, dass dies den Musikstil des Antragstellers erkennen lässt. Ob daneben die Nutzung sog. „Live Beats“ im Bereich des Hip-Hop gerade vom Antragsteller erfunden sein mag, wird von diesem weder näher belegt noch in der für ein einstweiliges Verfügungsverfahren nach § 294 Abs. 1 ZPO gebotenen Form glaubhaft gemacht. Allein in der elektronischen Erzeugung von sog. „Beats“, wie in dem vom Antragsteller vorgelegten Beispiel gezeigt, lässt jedenfalls keinen neuen originellen Musikstil erkennen, für den gerade der Antragsteller steht. Zwar geht auch der Senat davon aus, dass die äußere Erscheinung des jungen „Jinn“ in Kopfform und Gesichtszügen gewisse Ähnlichkeit mit dem vom Antragsteller vorgelegten ihn zeigenden Foto (vgl. Anlage ASt 42) hat. Diese sind aber nicht so markant, dass hierdurch der Zuschauer eindeutig den Antragsteller identifizieren und als im Film tatsächlich porträtierte Person erkennen wird. Schließlich tritt hinzu, dass in der Serie gerade die Lebensläufe von „Kalifa“ und „Jinn“ als eigene Personen geschildert werden, die zeitgleich auftreten und miteinander agieren. Jinn wird dabei von Kalifa entdeckt und unter Vertrag seiner eigenen Firma genommen. Jinn selbst hat dabei keine eigene Firma.Abs. 18
Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelt es sich bei der Serie „Skylines“ der Antragsgegnerin auch nicht um ein sog. „Dokudrama“, sondern ersichtlich um eine rein fiktionale Serie, die in Darstellungsform und der Erzählweise den für fiktionale Serien typischen Gestaltungsprinzipien folgt. Nichts weist darauf hin, dass der Zuschauer dies als Dokudrama auffassen könnte. Es gibt keine Rahmenhandlung oder andere Merkmale, wie begleitende Kommentare, Interviews, Bildunterschriften, Bezüge zum Zeitgeschehen oder andere Elemente, die irgendeinen Bezug zu einem realen Geschehen erkennen lassen.Abs. 19
Auch das Argument des Antragstellers, durch die Übernahme der Bezeichnung seines Plattenlabels „Firma1“ als Name der in der Serie im Mittelpunkt stehenden Plattenfirma „Firma1“ und der Wahl der Stadt1 als Handlungsort ändert hieran in der Gesamtbewertung nichts. Zwar ist es richtig, dass mit der identischen Namensgebung in den Verkehrskreisen, in denen der Antragsteller mit seinen Musikproduktionen bekannt ist, eine direkte Verbindung zwischen Antragssteller und der Serie hergestellt wird. Allerdings ist der Senat der Ansicht, dass trotz der Namensübereinstimmung der Zuschauer keine Übertragung der geschilderten Gegebenheiten und Eigenschaften von Protagonisten und deren Geschäftsgebaren auf den Antragssteller und seinem Musiklabel vornehmen wird. Die Vermutung der Fiktionalität wird trotz der Namensübereinstimmung nicht aufgehoben. Denn die Handlungsweisen von „Kalifa“ und der anderen Verantwortlichen der Firma „Firma1“ der Serie sind in so hohem Maß von Gewaltexzessen, extremer Brutalität und schwerwiegenden Verbrechen und kriminellen Handlungen geprägt, dass der durchschnittliche Zuschauer hierin eine in Filmwerken dieses Genres üblicherweise vorkommende, filmische Übertreibung und Überzeichnung erkennt, mit der ausschließlich fiktionale Spannung erzeugt und das Interesse von Menschen, die sich im Film gerne solche, von exzessiver Gewalt geprägten Szenen anschauen, geweckt werden soll. Es bleibt dem Zuschauer aufgrund der gewählten filmischen Mittel (Schnittfolgen, Musikunterlegung, Licht- und Kameraführung) jederzeit bewusst, dass hier nicht der Werdegang und die Geschäftspraktiken einer in Stadt1 tatsächlich ansässigen Plattenfirma gleichen Namens nacherzählt wird, sondern die Figuren fiktionalen typisierenden Charakter haben. Hinzu kommt, dass auch die Stadt1 mit ihren Eigenschaften durch die Lichtführung und Auswahl der Szenen deutlich überzeichnet wird, wobei hier die allgemeinen Merkmale eines durch die Begehung von Verbrechen geprägten Milieus typisierend hervorgehoben werden. Eine Rückkopplung auf das reale Geschehen erfolgt bei dem Zuschauer dabei nicht.Abs. 20
Soweit der Antragsteller noch die Äußerungen der Pressesprecherin als unangemessen gerügt hat, ist nicht ersichtlich, welcher Bezug zwischen dieser Äußerung und der Entscheidungsfindung der Kammer bestehen kann.Abs. 21
2. Dem Antragsteller steht gegen die Verbreitung der Serie im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens im Ergebnis auch kein Unterlassungsanspruch aus dem Recht an einem Unternehmenskennzeichen nach §§ 5 Abs. 1, 2, 15 Abs. 2 MarkenG oder aus dem Namensrecht nach § 12 BGB zu.Abs. 22
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin besteht für den Begriff „Firma1“ zugunsten des Antragstellers zwar ein Unternehmenskennzeichenschutz nach § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG und ferner auch Titelschutz nach § 5 Abs. 3 MarkenG, da er hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass er den Begriff „Firma1“ zum einen zur Bezeichnung verschiedener Tonwerke titelmäßig und zur Bezeichnung seines Musiklabels seit 2005 geschäftsmäßig benutzt hat. Denn die Eintragung einer Firma ins Handelsregister, ein besonderer Umfang des Geschäftsbetriebes oder eine besondere Marktdurchsetzung der hiermit bezeichneten Musikwerke oder des Geschäftsbetriebes ist für das Bestehen von Schutzrechten nach § 5 Abs. 1, 2 und 3 MarkenG nicht erforderlich. Es genügt, dass die Bezeichnung „Firma1“ entweder für ein Unternehmens als Ganzes oder einen bestimmten Geschäftsbetrieb charakterisierend und für den angesprochenen Personenkreis hinreichend kennzeichnungskräftig ist und so tatsächlich benutzt wird (vgl. zum Ganzen: Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. 2010, ( § 5, Rn. 27 und 29). Das ist hier der Fall. Denn jedenfalls steht fest, dass der Antragsteller unter der Bezeichnung „Firma1“ bei der Gesellschaft für die Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten registriert ist und mit dieser bereits seit 2006 ein Wahrnehmungsvertrag besteht. Die Bezeichnung wird ferner in diesem Zusammenhang jedenfalls seit 2005 als Sammelbezeichnung für Musikwerke des Musiklabels des Antragstellers benutzt, was sich aus den hierzu vorgelegten Anlagen ASt 20, 22, 23, 24 und ASt 35 und ferner den Berichterstattungen aus dem Jahr 2008 und 2005 über diese Musikveröffentlichungen unter dieser Bezeichnung ergibt (ASt 44, Ast 35 und 37). Die Bezeichnung „Firma1“ wurde jedenfalls in den angesprochenen Verkehrskreisen der Tonträgerindustrie bereits 2005 und 2006 als Hinweis auf die Musiktitel des Antragstellers angesehen. Diesen tatsächlichen Umständen ist die Antragsgegnerin in ihrer Schutzschrift auch nicht hinreichend detailreich entgegengetreten. Sie hat lediglich argumentiert, die Internetdomain www.(firma1).de sei für den Antragssteller noch nicht in dieser Zeit registriert gewesen, er sei lediglich unter dem Label „F“ und seinem Künstlernamen „A“ aufgetreten. Ferner ist es unerheblich, dass die Bezeichnung „Firma1“ auch rein beschreibende Elemente enthält, da dies dem Kennzeichenschutz nicht entgegensteht (BGH NJW 2001, 210 (212) „Windsurfing Chiemsee“). Denn jedenfalls ergibt sich aus dem E-Mailschreiben der GVL vom 24. Juli 2019 (ASt 14), dass mit dem Antragsteller dort seit 15. Juni 2006 ein Wahrnehmungsvertrag i.S. des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (UrhWahrnG, aufgehoben am 31.05.2016) bestand und damit diesem als Tonträgerhersteller einzelne Musikwerke für die Abrechnung von Leistungsschutzrechten nach §§ 85, 86 UrhG und ggf. auch nach § 72 UrhG im Geschäftsverkehr unterscheidungskräftig zugeordnet werden.Abs. 23
b) Allerdings fehlt es für die Geltendmachung derartiger Ansprüche an der für die im einstweiligen Rechtsschutz für den Erlass einer Verbotsverfügung erforderlichen Dringlichkeit i.S. des §§ 940, 917 Abs. 1 ZPO (Verfügungsanspruch). Denn der Antragsteller hat auch im Beschwerdeverfahren den Vortrag der Antragsgegnerin nicht bestritten, dass er von den Werbemaßnahmen und der Berichterstattung zur Serie ab Oktober 2018, jedenfalls aber im Zeitpunkt der Beantragung der Marken „Skylines“ und „Skyline Records“ am 23. Januar 2019 Kenntnis erlangt hat. Hiervon war vorliegend auszugehen. Soweit er in diesem Zusammenhang noch argumentiert, er habe erst den Inhalt der Serie vollständig würdigen müssen, um Rechtsverletzungen zu prüfen, verfängt dies für die Geltendmachung von Unternehmenskennzeichen- und Werktitelrechten nicht. Denn aus den von der Antragstellerin vorgelegten Beispielen aus der Presseberichterstattung hierzu ergibt sich bereits, dass in der angegriffenen Serie die Bezeichnung „Firma1“ als Unternehmenskennzeichen für ein Tonträgerunternehmen benutzt werden soll und ferner dass das Wort „Skylines“ jedenfalls als Titel eines Filmwerks benutzt werden wird. Diese Kenntnis wäre aber zur Geltendmachung unternehmenskennzeichen- und titelschutzrechtlicher Ansprüche bereits im Jahr 2018 ausreichend gewesen. Ob und wie der Antragsteller dabei den Hinweis des Gerichts verstehen durfte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.Abs. 24
III.Abs. 25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.Abs. 26

(online seit: 21.01.2020)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Frankfurt a.M., OLG, Kein Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte durch Netflix-Serie "Skylines" - JurPC-Web-Dok. 0011/2020