Ausgabe vom 31. Mai 2023
69/2023   BVerwG: Versand eines einfach signierten Dokuments (Beschluss vom 15.03.2023, 1 B 60/22)
 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass nur ein mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person, hier des Rechtsanwalts, versehenes Dokument auch dann formwirksam und damit fristwahrend bei Gericht eingeht, wenn es von einer anderen als der verantwortenden Person an das Gericht übermittelt wird. Lediglich einfach signierte Dokumente unterfallen hingegen der zweiten Alternative des § 55 Abs. 3 Satz 1 VwGO und müssen folglich auf einem sicheren Übermittlungsweg, etwa über das besondere elektronische Anwaltspostfach, eingereicht werden. Dies erfordert, dass die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet.
70/2023   OLG Hamm: Keine Panoramafreiheit von Drohnenaufnahmen (Urteil vom 27.04.2023, 4 U 247/21)
 Die Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen urheberrechtlich geschützter Werke ist von der Schrankenregelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG (Panoramafreiheit) nicht gedeckt.
71/2023   OLG Hamm: Anhörung eines Sicherungsverwahrten mittels Videotechnik (Beschluss vom 18.04.2023, 3 Ws 76/23)
 Gemäß § 463e Abs. 1 Satz 3 StPO muss ein Sicherungsverwahrter grundsätzlich persönlich angehört werden, auch wenn dieser in den Einsatz von Videotechnik einwilligt. Ausnahmsweise ist eine Anhörung im Wege der Videokonferenz dann zulässig, wenn im Sinne bestmöglicher Sachaufklärung ausgeschlossen ist, dass durch eine Anhörung in persönlicher Anwesenheit bessere Erkenntnisse erzielt werden können, sich der Sicherungsverwahrte nicht lediglich erst während seiner Anhörung mit dem Einsatz der Videotechnik bereit erklärt, sondern der Einsatz der Videotechnik ohne Veranlassung des Gerichts auf einen von ihm selbst bereits vor dem Anhörungstermin geäußerten Wunsch zurückgeht und er sich im Rahmen des Anhörungstermins auch tatsächlich äußern kann.
72/2023   LG Köln: Qualifizierte elektronische Signatur eines gerichtlichen Beschlusses (Urteil vom 04.05.2023, 14 O 297/22)
 Zur qualifiziert elektronischen Signatur eines gerichtlichen Beschlusses, wenn in der elektronisch erstellten Signaturübersicht zwei von drei Signaturen der Kammermitglieder als "(ungeprüft)" ausgewiesen sind bzw. eine "gelbe Signaturnadel" aufweisen. Zur Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung, wenn die angegriffene Handlung bereits vor Erlass der einstweiligen Verfügung eingestellt worden ist. Bei der Geltendmachung von urheberrechtlichen Ansprüchen in gewillkürter Prozesstandschaft muss der Antrag nicht auf Leisung (bzw. Unterlassung) gegenüber dem Rechteinhaber lauten. Zum Anspruch des Eigentümers des "Kölner Doms" auf Unterlassung der gewerblichen Verwendung von Fotoaufnahmen aus dem Innenraum aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB.
 
Ausgabe vom 24. Mai 2023
65/2023   OLG Frankfurt a.M.: Unterlassungsansprüche bei Verstößen gegen die DSGVO (Urteil vom 30.03.2023, 16 U 22/22)
 Dem von einer unzulässigen Datenübermittlung an Dritte Betroffenen steht kein Anspruch auf Unterlassung aus Art. 17 DSGVO zu. Ein Unterlassungsanspruch aus Art. 82 DSGVO ist nur dann gegeben, wenn der Betroffene einen Schaden erlitten hat und entweder die erfolgte Verletzungshandlung noch andauert oder der pflichtwidrig geschaffene Zustand fortdauert. Unterlassungsansprüche nach nationalem Recht, insbesondere ein Anspruch aus den §§1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 2 BGB i.V.m, der verletzten Norm der DSGVO, sind wegen der durch die DSGVO unionsweit abschließend vereinheitlichten Regelung des Datenschutzrechts ausgeschlossen.
66/2023   OLG Frankfurt a.M.: Unterlassung der Verknüpfung mit Autocomplete-Funktion (Urteil vom 20.04.2023, 16 U 10/22)
 Es besteht kein Anspruch eines Unternehmers gegen den Suchmaschinenbetreiber auf Unterlassung der Verknüpfung seines Namens mit dem Begriff "bankrott" über die Autocomplete-Funktion der Suchmaschine.
67/2023   OLG Zweibrücken: Keine Sachverständigenanhörung per Videotechnik (Beschluss vom 14.03.2023, 1 Ws 9/23)
 Bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist es gemäß § 463e Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 StPO unzulässig, die mündliche Anhörung des Sachverständigen im Wege der Bild- und Tonübertragung durch Zuschaltung zum Termin über Videokonferenztechnik durchzuführen.
68/2023   LAG Mecklenburg-Vorpommern: Verdachtskündigung wegen fehlerhafter Arbeitszeiterfassung (Urteil vom 28.03.2023, 5 Sa 128/22)
 Der dringende Verdacht einer fehlerhaften Arbeitszeiterfassung kann eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn sich ein Arbeitnehmer aller Wahrscheinlichkeit nach von zu Hause aus im Zeiterfassungssystem eingebucht hat, die Arbeit aber erst später im Dienstgebäude aufnimmt.
 
Ausgabe vom 09. Mai 2023
61/2023   BGH: Glaubhaftmachung des rechtzeitigen Eingangs eines Fristverlängerungsantrages (Beschluss vom 30.03.2023, III ZB 13/22)
 Zur Glaubhaftmachung des rechtzeitigen Eingangs eines nicht zu den Gerichtsakten gelangten Fristverlängerungsantrags (hier: Berufungsbegründungsfrist) bei Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs.
62/2023   BFH: Anforderungen an einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Kenntnis des Steuerberaters von der Möglichkeit der Priorisierung der Registrierung ("fast lane") (Beschluss vom 28.04.2023, XI ZB 101/22)
 Steuerberatern steht seit dem 01.01.2023 mit dem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung, so dass sie in finanzgerichtlichen Verfahren seit diesem Zeitpunkt vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen als elektronische Dokumente übermitteln müssen. Beantragt ein Steuerberater wegen Nichtnutzung des beSt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, muss er darlegen, weshalb er nicht von der Möglichkeit der Priorisierung seiner Registrierung (sog. fast lane) Gebrauch gemacht hat.