JurPC Web-Dok. 18/2024 - DOI 10.7328/jurpcb202439218

VG Sigmaringen

Urteil vom 22.01.2024

8 K 2488/21

Einfacher Fall des Informationszugangs i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 1 LIFG BW

JurPC Web-Dok. 18/2024, Abs. 1 - 64


Leitsätze:

1. Maßgebend dafür, ob ein „einfacher Fall“ des Informationszugangs i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 1 LIFG BW vorliegt, ist nicht der Umfang der erteilten Auskunft oder des Antwortschreibens, sondern der für die Bearbeitung des Zugangsbegehrens erforderliche Verwaltungsaufwand.

2. Ob ein „einfacher Fall“ i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 1 LIFG BW vorliegt, kann nur anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalles beurteilt werden.

3. Gebühren und Auslagen, die insgesamt den Betrag von 200 Euro nicht übersteigen und deshalb keine Vorabinformationspflicht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG auslösen, sind unter dem Blickwinkel des Verbots sogenannter „prohibitiver Gebühren“ gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 LIFG grundsätzlich unbedenklich.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Gebühr in Höhe von 167,40 €, die ihm für eine Auskunft nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) auferlegt wurde.Abs. 1
Der Kläger beantragte am 4. Januar 2021 beim Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg – Amt Tübingen – (nachfolgend: Amt) per E-Mail, ihm nach dem LIFG Auskunft darüber zu erteilen, „für welche Grundstücke (Gemarkung, Flur, Flurstück und Grundbuchblattnummer) im 2. Halbjahr 2020 der Verzicht auf das Aneignungsrecht“ erklärt wurde. Mit E-Mail vom 29. Januar 2021, 10:57 Uhr, teilte das Amt dem Kläger mit, dass eine Gebühr von 165 € für die Auskunft erhoben werde, und bat ihn um Nachricht, ob er die Auskunft im Hinblick auf diese Gebührenpflicht wünsche. Mit um 11:02 Uhr am gleichen Tag folgender E-Mail bestätigte der Kläger die Gebühr und teilte mit, dass er die Auskunft weiterhin wünsche.Abs. 2
Mit weiterer E-Mail von 11:06 Uhr beantwortete das Amt die Anfrage, indem es den Kläger darüber informierte, dass im Zuständigkeitsbereich des Amtes Tübingen vom Land Baden-Württemberg im 2. Halbjahr 2020 nicht auf die Ausübung des Aneignungsrechts auf herrenlose Grundstücke verzichtet worden sei. Der Gebührenbescheid werde dem Kläger mit gesonderter Post zugesandt.Abs. 3
Am gleichen Tag beanstandete der Kläger mit E-Mail von 11:31 Uhr die Höhe der in Aussicht gestellten Gebühren. Diese könnten erst nach Zusage seiner Kostenübernahme entstanden sein. Für vier Minuten Arbeit seien 165 € unangemessen. Andere Dienststellen sähen in der Regel bei der Auskunft, dass keine Verzichte vorliegen, von einer Gebührenerhebung ab.Abs. 4
Mit weiterer E-Mail von 12:12 Uhr antwortete ihm das Amt am gleichen Tag, die Auskunft erfordere, dass alle Sachbearbeiter der Abteilung zu der Anfrage angeschrieben würden. Diese müssten dann für ihren Bereich prüfen, ob sie auf das Aneignungsrecht verzichtet hätten, und dies mitteilen. Die Antworten und deren Rücklauf müssten überprüft, überwacht und ausgewertet werden, die Beantwortungsfrist müsse eingehalten, der Vorgang dokumentiert werden. Der Rundlauf sei am 14. Januar 2021 veranlasst worden, die letzte Rückantwort sei am 28. Januar 2021 hereingekommen. Die Gebühr setze sich somit zusammen aus (in Summe) 0,8 Stunden Arbeit für alle Sachbearbeiter des gehobenen Dienstes und 1,5 Stunden für die Sachbearbeitung im höheren Dienst. Es mache keinen wesentlichen Unterschied hinsichtlich des Bearbeitungsaufwands, ob ein Verzicht erklärt worden sei oder nicht. Die Vorarbeiten seien zu dem Zeitpunkt, als die Auskunft erteilt wurde, bereits geleistet worden. Denn inzwischen wisse man, dass der Kläger trotz des mitgeteilten Gebührenrisikos regelmäßig die betreffenden Auskünfte wünsche, wie er es auch diesmal bestätigt habe.Abs. 5
Mit weiterer E-Mail von 13:34 Uhr brachte der Kläger am gleichen Tag ergänzende Einwände vor. Er vertrat die Auffassung, es handele sich um eine einfache Auskunft gemäß § 10 Abs. 3 LIFG, für die keine Gebühr erhoben werden dürfe. Die Behörde habe die einzelnen Arbeitsschritte nachzuweisen, für die sie Gebühren erhebe. Die Ausführungen des Amtes seien widersprüchlich, weil die Tätigkeiten entweder nur von den Sachbearbeitern des gehobenen oder des höheren Dienstes verrichtet werden könnten. Er habe zudem zunächst nur einen bedingten Antrag nach dem LIFG gestellt, so dass die Behörde vor Mitteilung der Gebührenhöhe an ihn kein Recht gehabt habe, irgendwelche Handlungen auszuführen.Abs. 6
Mit Bescheid vom 7. April 2021 setzte das Amt gegenüber dem Kläger auf der Grundlage von §§ 1, 4 und 5 Landesgebührengesetz (LGebG) i.V.m. § 10 LIFG und Nr. 20.2.2. des Gebührenverzeichnisses der Verordnung des Innenministeriums über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums (GebVO IM) eine Gebühr für die Auskunft vom 29. Januar 2021 in Höhe von 167,40 € fest. Dabei wurde ein Personaleinsatz von acht Personen des gehobenen Dienstes (0,1 h pro Person, 63 € Pauschalsatz pro Stunde) und einer Person des höheren Dienstes (1,5 h, 78 € Pauschalsatz pro Stunde) zugrunde gelegt.Abs. 7
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14. April 2021 Widerspruch ein. Er begründete ihn unter Bezug auf den zuvor geführten Schriftverkehr und vertiefte diesen im Wesentlichen dahin, dass sein unbedingter Auskunftsantrag erst mit Bestätigung der Gebühr am 29. Januar 2021 um 11:02 Uhr beim Beklagten eingegangen sei und der Beklagte bereits um 11:06 Uhr die gewünschte Auskunft erteilt habe. Vor diesem Zeitpunkt habe er keinen Anlass für ein Tätigwerden der Behörde gegeben, weil sein Antrag vom 4. Januar 2021 bedingt gestellt gewesen sei. Innerhalb von vier Minuten könne kein Arbeitsaufwand angefallen sein, der die festgesetzte Gebühr rechtfertige. Wenn die Mitarbeiterin des Amtes ausgeführt habe, dass sie acht Sachbearbeiter angefragt habe, die ihr mitgeteilt hätten, ob sie für ihren jeweiligen Bereich auf das Aneignungsrecht verzichtet haben, handele es sich um eine Lüge, weil der Beklagte sein Recht zum Verzicht nicht auf acht Sachbearbeiter im gehobenen Dienst übertrage. Auch erschließe sich nicht, welche Aktivitäten die Mitarbeiterin des höheren Dienstes in den von ihr angegebenen 1,5 Stunden ausgeübt haben wolle.Abs. 8
Durch Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2021 wies der Landesbetrieb für Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Betriebsleitung Stuttgart, den Widerspruch unter Erhebung einer Widerspruchsgebühr von (ebenfalls) 167,40 € zurück.Abs. 9
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids seien – da der Landesbetrieb Vermögen und Bau dem Geschäftsbereich des Finanzministeriums zuzuordnen sei – richtigerweise §§ 1, 2 der Verordnung des Finanzministeriums über Gebühren und Auslagen für öffentliche Leistungen nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz im Geschäftsbereich des Finanzministeriums (GebVO LIFG FM) vom 06.12.2018 in Verbindung mit Ziff. 2.2 des Gebührenverzeichnisses der GebVO LIFG FM.Abs. 10
Der formell rechtmäßige Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Gemäß § 10 Abs. 1 LIFG bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz Gebühren und Auslagen nach dem für die informationspflichtige Stelle jeweils maßgebenden Gebührenrecht zu erheben. Die Gebührenerhebung sei nicht nach § 10 Abs. 3 Satz 1 LIFG ausgeschlossen, denn es habe sich nicht um eine einfache Auskunft gehandelt. Bei der Konkretisierung des Begriffs „einfach“ müsse der für die Bearbeitung des Zugangsbegehrens erforderliche Verwaltungsaufwand Maßstab sein und nicht der Umfang der Auskunft selbst. Eine „einfache Auskunft“ liege demnach grundsätzlich dann vor, wenn ihre Vorbereitung gar keinen oder zumindest nur einen sehr geringen Verwaltungsaufwand verursache. Dies sei nicht der Fall, weil eine behördeninterne Abstimmung erforderlich gewesen sei. Die Anfrage des Widerspruchführers werde an alle zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergeleitet, die ihren jeweiligen Arbeitsbereich prüfen und rückmelden müssten, woraufhin die Rückmeldungen in einer Antwort an den Kläger zusammengefasst würden. Hierbei handele es sich um eine behördeninterne Abstimmung. Im Rahmen der dem Amt zustehenden Organisationshoheit sei jeder Sachbearbeiter in dem ihm zugeordneten Bereich für die Ausübung der Vorkaufsrechte zuständig.Abs. 11
Die Gebühr entfalte keine abschreckende Wirkung. Gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 LIFG hätten informationspflichtige Stellen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 LIFG die Gebühren auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang nach § 1 Abs. 2 LIFG BW wirksam in Anspruch genommen werden könne. Eine abschreckende Wirkung gehe von der erhobenen Gebühr insoweit nicht aus. Dies ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass der Kläger seinen Antrag nach dem LIFG nicht zurückgezogen habe, als ihm die Höhe der entstehenden Gebühren bekannt gewesen sei.Abs. 12
Unerheblich sei, wann der Aufwand entstanden sei. Die kurze Zeitspanne zwischen Bestätigung der Anfrage nach dem LIFG trotz anfallender Kosten und der Erteilung der Auskunft könne daher nicht zur Unverhältnismäßigkeit führen. Für den tatsächlich entstandenen Aufwand werde auf eine Übersicht verwiesen, in der den einzelnen Tätigkeiten der Sachbearbeiterin des höheren Dienstes (Ziff. 1.-13.) und dem jeweiligen Einsatz von insgesamt acht Sachbearbeitern des gehobenen Dienstes (je 6 Minuten) Minutenwerte zugeordnet seien. Der Widerspruchsführer habe bis zu seiner schriftlichen Zustimmung die Möglichkeit gehabt, die Anfrage mit der Folge zurückzuziehen, dass die Kosten dem Amt verblieben wären.Abs. 13
Die Gebührenerhebung für die Erstellung des Widerspruchsbescheids folge aus §§ 1, 2 GebVO LIFG FM i.V.m. Ziff. 6 des Gebührenverzeichnisses. Für die Überprüfung des Ausgangsbescheids sei ein Zeitaufwand in Höhe von 3,5 Stunden im höheren Dienst entstanden. Ausgehend von einem Satz von 79,00 € pro Stunde für den höheren Dienst, ergebe sich somit ein Gesamtbetrag in Höhe von 276,50 €, der nach Ziff. 6 der GebVO LIFG FM auf die Höhe der für den angefochtenen Verwaltungsakt festgesetzten Gebühr begrenzt, d.h. auf 167,40 € zu kürzen sei.Abs. 14
Am 8. Juli 2021 hat der Kläger hiergegen die vorliegende Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, das den Rechtsstreit mit am 26. August 2021 eingegangenem Beschluss an das Verwaltungsgericht Sigmaringen verwiesen hat. Er trägt zur Begründung seiner Klage vor, die angefochtenen Bescheide seien formell und materiell rechtswidrig:Abs. 15
Der Widerspruchsbescheid sei formell rechtswidrig, weil er die erlassende Behörde nicht hinreichend erkennen lasse. Insbesondere teile er keine Adresse mit, so dass nicht erkennbar sei, von welcher Stelle des Landesbetriebs Vermögen und Bau der Widerspruchsbescheid stamme.Abs. 16
Die Bescheide seien auch materiell rechtswidrig. Die Gebührenerhebung sei dem Grunde nach ausgeschlossen, weil es sich um eine einfache Auskunft gehandelt habe, für die gemäß § 10 Abs. 3 LIFG keine Gebühren erhoben werden dürften. Zur Konkretisierung des Begriffs „einfach“ sei auf die Anlage zu § 1 der Gebührenverordnung des Innenministeriums zu verweisen. Darin werde erläutert, wann es sich um eine einfache, gebührenfreie Auskunft handele. Danach seien „einfach“ solche Fälle, „bei denen die Gewährung des Informationszugangs der Auskunft gebenden Stelle anhand ihr unmittelbar zugänglicher Informationsquellen möglich ist, ohne dass dabei eine Auswertung von Archivgut, eine behördeninterne Abstimmung oder eine besondere rechtliche Wertung erforderlich ist.“ Der Beklagte habe mit E-Mail vom 29. Januar 2021, 12:12 Uhr, selbst ausgeführt, dass keine Dritten beteiligt worden seien, sondern nur Sachbearbeiter der eigenen Abteilung. Damit handele es sich um eine unmittelbar zugängliche Informationsquelle bei der auskunftserteilenden Behörde. Die Kommunikation mit den Sachbearbeitern stelle keine behördeninterne Abstimmung dar, weil eine solche Wahlmöglichkeiten, Interpretationsräume oder einen Meinungsaustausch voraussetze. Bei der vorliegenden Auskunft sei es jedoch nur um Fakten gegangen, ohne dass eine rechtliche Wertung erforderlich gewesen sei. Damit seien die Voraussetzungen des Begriffs „einfach“ erfüllt. Wenn der Beklagte argumentiere, dass die hausinterne Anfrage an alle zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in ihrem jeweiligen Arbeitsbereich prüfen und rückmelden müssten, eine „behördeninterne Abstimmung“ darstelle, gehe dies fehl. Diese Art der Abstimmung sei von dem Begriff „behördeninterne Abstimmung“ nicht umfasst. Im Übrigen sei die Abstimmung nur im Wege einer einzigen E-Mail an den Abteilungsverteiler erfolgt, mit der alle Sachbearbeiter erreicht worden seien. Auch seien deren Antworten inhaltlich gleichlautend gewesen – alle hätten in der Sache mit „nein“ geantwortet. Dass der Beklagte für Rückmeldungen von acht Sachbearbeitern wie „nein“, „null“ oder „Fehlanzeige“ einen Zeitaufwand von insgesamt 48 Minuten ansetze, sei nicht nachvollziehbar. Behördeninterne Korrespondenz, bei der lediglich Sachbearbeiter beteiligt würden, die mit „nein“ antworteten, was sodann zu einem einheitlichen „nein“ als Antwort zusammengeführt werde, erfülle nicht den Tatbestand einer „behördeninternen Abstimmung“.Abs. 17
Die Gebühr sei auch der Höhe nach rechtswidrig. Es sei nicht nachvollziehbar und werde bestritten, dass für eine Mitarbeiterin im höheren Dienst ein Aufwand von 1,5 Stunden angefallen sei. Sie müsse lediglich eine E-Mail an den maßgeblichen Verteiler senden, die Antworten und deren Rücklauf überprüfen, überwachen, auswerten und dokumentieren, was in der Summe höchstens 10 Minuten dauere. Wenn der Widerspruchsbescheid zur weiteren Begründung der 1,5 Stunden die Tätigkeiten der Mitarbeiterin in 13 Einzelpositionen mit Minutenzuordnung aufschlüssele, halte er jede einzelne Position für rechtsfehlerhaft. Die unter Ziff. 1 und 2 genannten Tätigkeiten seien Tätigkeiten der Sachbearbeiter, die nicht im höheren, sondern im gehobenen Dienst anfielen. Jedenfalls könne denklogisch nicht ein und derselbe Beschäftigte Akten anfordern, suchen und holen. Er bestreite, dass die Tätigkeiten Ziff. 3, 4, 6 und 9 jeweils auch nur fünf Minuten gedauert hätten; andernfalls arbeiteten die Beschäftigten des Beklagten sehr ineffizient, was dem Kläger nicht anzulasten sei. Gleiches gelte, soweit es einer Erinnerung an die Beantwortung bedürfe (Ziff. 7). Die Tätigkeiten unter Ziff. 5 rechtfertigten keine Gebührenerhebung, weil es sich – wie dargelegt – um einen einfachen Fall handele, in dem keine behördeninterne Abstimmung erforderlich sei. In Ziff. 9 werde diese Tätigkeit letztlich wiederholt. Die Ziff. 8 und 10-13 beträfen die Kalkulation der Gebühren bzw. die Gebührenerhebung durch gesonderten Bescheid; hierbei handele es sich nach der Rechtsprechung nicht um Verwaltungsaufwand, der mit der Auskunft nach dem LIFG im Zusammenhang stehe, weshalb er dem Kläger nicht angelastet werden dürfe.Abs. 18
Der Kläger beantragt schriftsätzlich (sachdienlich gefasst),Abs. 19
den Gebührenbescheid des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Tübingen, vom 7. April 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Betriebsleitung Stuttgart, vom 22. Juni 2021 aufzuheben.Abs. 20
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,Abs. 21
die Klage abzuweisen.Abs. 22
Der Beklagte wiederholt und vertieft zur Begründung im Wesentlichen seine Darlegungen im Widerspruchsbescheid. Er ergänzt, der Widerspruchsbescheid sei zwar versehentlich ohne Angabe des Behördensitzes ergangen, jedoch sei die erlassende Behörde klar erkennbar. Ein einfacher Fall liege nicht vor, denn beim Begriff der behördeninternen Abstimmung gehe es gerade um den dadurch entstehenden Aufwand, dass mehrere Beschäftigte in den Prozess der Beantwortung einbezogen und koordiniert werden müssten.Abs. 23
Das Gericht entscheidet zeitgleich im Parallelverfahren 8 K 2489/21, das den in gleicher Höhe ergangenen Gebührenbescheid für ein Auskunftsverlangen des Klägers aus dem Juli 2020 zum Gegenstand hat.Abs. 24
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 8. Juli 2021, der Beklagte mit Schriftsatz vom 3. August 2021 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.Abs. 25
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 18. Januar 2024 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.Abs. 26
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der elektronisch geführten Gerichtsakten, auch im den Beteiligten bekannten Verfahren 8 K 2489/21, und der vorliegenden Behördenakten des Beklagten (1 Band) sowie insbesondere auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.Abs. 27

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet über die Klage mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).Abs. 28
Die zulässige Klage hat lediglich im tenorierten Umfang Erfolg, denn sie ist überwiegend unbegründet. Soweit in den angefochtenen (und insoweit teilbaren) Bescheiden eine Gebühr bzw. eine Widerspruchsgebühr von 122,10 € gegenüber dem Kläger festgesetzt wird, ist die Klage unbegründet und abzuweisen, denn die Bescheide sind in dieser Höhe rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im darüber hinaus gehenden Umfang sind die Gebührenfestsetzungen dagegen rechtswidrig, verletzen den Kläger in seinen Rechten und sind daher aufzuheben.Abs. 29
I. Die Klage ist unbegründet, soweit der Beklagte einen Betrag in Höhe von jeweils 122,10 € sowohl als Ausgangs- als auch als Widerspruchsgebühr festgesetzt hat. In diesem Umfang ist der Gebührenbescheid des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Tübingen, vom 7. April 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Betriebsleitung Stuttgart, vom 22. Juni 2021 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).Abs. 30
1. Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer Gebühr für die Erteilung der Auskunft nach dem LIFG am 29. Januar 2021 ist, wie der Beklagte jedenfalls im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt hat, § 10 Abs. 1 LIFG i.V.m. §§ 1, 2 der Verordnung des Finanzministeriums über Gebühren und Auslagen für öffentliche Leistungen nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz im Geschäftsbereich des Finanzministeriums (GebVO LIFG FM) vom 06.12.2018 (GBI. 2018, 1562, 1565) i.V.m. Ziff. 2.2 des Gebührenverzeichnisses der GebVO LIFG FM (GebVerzLIFG-FM).Abs. 31
Nach diesen Vorschriften können für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz Gebühren und Auslagen nach dem für die informationspflichtige Stelle jeweils maßgebenden Gebührenrecht erhoben werden (§ 10 Abs. 1 LIFG, § 1 Satz 1 GebVO LIFG FM), wobei sich die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren aus der Anlage zur GebVO LIFG FM, dem Gebührenverzeichnis (GebVerzLIFG-FM), ergeben. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LIFG und der Anmerkung zum GebVerzLIFG-FM sind die Gebühren auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang nach § 1 Absatz 2 LIFG wirksam in Anspruch genommen werden kann; im Übrigen richtet sich die Gebührenfestsetzung nach dem Landesgebührengesetz.Abs. 32
2. In formeller Hinsicht begegnen die angefochtenen Bescheide keinen durchgreifenden Bedenken.Abs. 33
Insbesondere war das Amt Tübingen des Landesbetriebs Vermögen und Bau, eines rechtlich unselbstständigen, organisatorisch abgetrennten Teils der unmittelbaren Landesverwaltung (vgl. § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung des Landesbetriebs „Vermögen und Bau Baden-Württemberg“ vom 14.12.2004), als Behörde, die die öffentliche Leistung erbracht hat, auch für die Festsetzung der Gebühren zuständig (vgl. § 4 Abs. 1 LGebG). Gemäß Ziff. 5 der Verwaltungsvorschrift des Finanz- und Wirtschaftsministeriums über die Verwaltung und Organisation des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg (VwV Statut VB-BW) vom 01.06.2015 war für den Erlass des Widerspruchsbescheids bei der Durchführung von förmlichen Verfahren die Betriebsleitung des Landesbetriebs zuständig.Abs. 34
Auch die Form der Bescheide, insbesondere des Widerspruchsbescheids, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es ist insoweit unschädlich, dass der Widerspruchsbescheid in der Tat – wohl versehentlich – auf dem E-Mail-Briefkopf des Landesbetriebs Vermögen und Bau erstellt wurde, der keine (vollständige) Adresse enthält. Gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 LVwVfG muss ein schriftlicher Verwaltungsakt u.a. die erlassende Behörde erkennen lassen; gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG ist ein Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 LVwVfG nichtig, der schriftlich erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt.Abs. 35
Eine solche Nichtigkeit liegt hier entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor, weil die Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 1 LVwVfG erfüllt sind. Das o.g. Erfordernis dient einerseits der Rechtssicherheit und Klarstellung, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt, und hat andererseits Bedeutung mit Blick darauf, dass die Einlegung von Rechtsbehelfen nicht wesentlich erschwert werden soll (vgl. nur Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 37 Rn. 29). Der Widerspruchsbescheid ist mit „Vermögen und Bau Baden-Württemberg / Betriebsleitung“ überschrieben und enthält als Ausstellungsort die Angabe „Stuttgart“, so dass keinerlei berechtigte Zweifel an der ausstellenden Behörde aufkommen können und auch sonst die Einlegung von Rechtsbehelfen nicht (wesentlich) erschwert wird. Den vorgenannten Erfordernissen ist damit Genüge getan.Abs. 36
3. Soweit der Ausgangsbescheid vom 7. April 2021 eine Gebühr von 122,10 € festsetzt, ist dies auch materiell-rechtlich weder dem Grunde (nachfolgend a)) noch der Höhe (b)) nach zu beanstanden.Abs. 37
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung einer Gebühr nach § 10 Abs. 1 LIFG lagen dem Grunde nach vor. Die Anfrage des Klägers nach dem LIFG wurde durch das Amt Tübingen am 29. Januar 2021 beantwortet. Ziff. 2.2 GebVerzLIFG-FM sieht für die Erteilung einer schriftlichen oder elektronischen Auskunft, auch bei zusätzlicher Zurverfügungstellung von Informationen in sonstiger Weise, eine Gebühr von 30 € bis 200 € vor.Abs. 38
Die Erhebung einer Gebühr war nicht nach § 10 Abs. 3 Satz 1 LIFG und Ziff. 2.1 GebVerzLIFG-FM ausgeschlossen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 LIFG dürfen informationspflichtige Stellen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 LIFG, also Stellen des Landes wie hier der Landesbetrieb Vermögen und Bau, für den Informationszugang in einfachen Fällen keine Gebühren und Auslagen erheben. Maßgebend für die Beurteilung der „Einfachheit“ des Falles ist dabei nach einhelliger Auffassung, die das Gericht teilt, nicht der Umfang der erteilten Auskunft oder des Antwortschreibens, sondern der für die Bearbeitung des Zugangsbegehrens erforderliche Verwaltungsaufwand (vgl. nur VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 21.07.2014 - 10 S 2501/13 -, S. 4 (n.v.); VG Köln, Gerichtsbescheid vom 27.08.2021 - 22 K 2185/20 -, juris Rn. 28; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz (2. Auflage 2016), § 10 Rn. 53 f. (m.w.N.); Debus, in: ders., Informationszugangsrecht Baden-Württemberg (1. Auflage 2017), § 10 LIFG Rn. 63). Dies ergibt sich für das Landesrecht schon daraus, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 LIFG – im Unterschied zu § 10 Abs. 1 Satz 2 IFG („Erteilung einfacher Auskünfte“) – von „einfachen Fällen“ spricht. Aber selbst nach Bundesrecht liegt eine „einfache Auskunft“ grundsätzlich nur dann vor, wenn die Vorbereitung der Zugangsentscheidung gar keinen oder zumindest nur einen sehr geringen Verwaltungsaufwand verursacht hat (VG Köln, Gerichtsbescheid vom 27.08.2021 - 22 K 2185/20 -, juris Rn. 28; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz (2. Auflage 2016), § 10 Rn. 53).Abs. 39
Ob eine einfacher Fall vorliegt, kann nur anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (Sicko, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, 35. Edition (Stand: 01.02.2022), § 10 IFG Rn. 21; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz (2. Auflage 2016), § 10 Rn. 52 (m.w.N.)) und entzieht sich einer fallübergreifenden Klärung (VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 21.07.2014 - 10 S 2501/13 -, S. 4 (n.v.)). Indikatoren insoweit sind etwaige Recherchen, Vorgespräche und eine Korrespondenz mit anderen Stellen; der Aufwand für die Absetzung z.B. eines Antwortschreibens an den Antragsteller tritt hinzu (Schoch, Informationsfreiheitsgesetz (2. Auflage 2016), § 10 Rn. 53). Die (auf die bundesrechtliche Vorschrift bezogene) Gesetzesbegründung hält lediglich beispielhaft fest, dass hierunter „insbesondere mündliche Auskünfte ohne Rechercheaufwand fallen“ können (BT-Drs. 15/4493, S. 16).Abs. 40
Ziff. 2.1 GebVerzLIFG-FM sieht Gebührenfreiheit insoweit vor für die Erteilung einer mündlichen oder einfachen schriftlichen oder elektronischen Auskunft, auch bei zusätzlicher Zurverfügungstellung von Informationen in sonstiger Weise in geringem Umfang, wobei in der Anmerkung zu dieser Ziffer der Verordnung festgehalten ist: „Einfach sind solche Fälle, bei denen die Gewährung des Informationszugangs der Auskunft gebenden Stelle anhand ihr unmittelbar zugänglicher Informationsquellen möglich ist, ohne dass dabei eine Auswertung von Archivgut, eine behördeninterne Abstimmung oder eine besondere rechtliche Wertung erforderlich ist.“Abs. 41
Nach diesen Maßstäben handelte es sich vorliegend nicht um den „einfachen“ Fall des Informationszugangs. Maßgeblich für die Gebührenfreiheit ist der Begriff „einfach“, weshalb es nicht zu überzeugen vermag, wenn der Kläger unter Bezug auf das konkretisierend benannte Indiz der „behördeninternen Abstimmung“ argumentiert, gefordert seien stets Wahlmöglichkeiten, Interpretationsräume oder ein Meinungsaustausch. Für eine derart einschränkende Auslegung des gesetzlichen Tatbestands „einfach“ fehlen jegliche Anhaltspunkte. Vielmehr ist es mit diesem Wortlaut und den oben dargelegten Maßstäben für dessen Auslegung ohne Weiteres vereinbar, Vorgänge, bei denen mehrere Sachbearbeiter mit einem Anliegen befasst werden und jeweils Recherchen im eigenen Zuständigkeitsbereich vornehmen müssen, nicht mehr als „einfach“ anzusehen. Ohne, dass es darauf noch ankäme, lassen sich solche Vorgänge darüber hinaus zwanglos auch mit dem Begriff der „behördeninternen Abstimmung“ in Einklang bringen.Abs. 42
Der Beklagte hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass die Informationen nicht unmittelbar zur Verfügung standen, sondern nach entsprechender Aufforderung von mehreren Sachbearbeitern in ihrem jeweiligen (räumlichen) Zuständigkeitsbereich recherchiert und schließlich zu der Auskunft gebündelt werden mussten. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass die Informationsgewährung gar keinen oder zumindest nur einen sehr geringen Verwaltungsaufwand verursacht hätte. Dass vorliegend sämtliche Sachbearbeiter nach entsprechender Recherche Fehlanzeige erstatteten, ist nach o.g. Maßstäben nicht nur unerheblich, sondern auch – wie der Vorgang im Parallelverfahren 8 K 2489/21 zeigt, in dem der Kläger nach entsprechender Recherche die detaillierten Grundstücksdaten eines Verzichtsvorgangs mitgeteilt erhielt, – bloßer Zufall und besagt nichts über den vorausgegangenen behördeninternen Rechercheaufwand.Abs. 43
b) Der angefochtene Gebührenbescheid ist auch der Höhe nach rechtmäßig, soweit die Gebühr den Betrag von 122,10 € nicht übersteigt. Die Festsetzung der Gebühr ist in dieser Höhe insbesondere nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Der Beklagte hat insoweit weder die Grenzen des ihm durch den einschlägigen Gebührentatbestand eingeräumten Rahmenermessens (30 € bis 200 €) überschritten, noch hat er von dem Rahmenermessen in einer dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, § 114 Satz 1 VwGO.Abs. 44
Der Behörde steht bei der Festsetzung der aus dem vorstehenden Gebührenrahmen zu ermittelnden konkreten Gebühr ein Ermessen zu, das gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die gerichtliche Überprüfung erstreckt sich gemäß § 114 Satz 1 VwGO darauf, ob die Behörde bei der Gebührenfestsetzung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ein Verwaltungsakt ist insbesondere dann ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen oder unvollständigen tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgeht oder wesentliche Gesichtspunkte außer Acht lässt, die zu berücksichtigen gewesen wären.Abs. 45
Ausgangspunkt für die Überprüfung der Ermessenserwägungen sind die Maßstäbe für die Gebührenbemessung im Rahmen des LIFG. Die insoweit zu beachtenden Vorgaben des § 10 Abs. 3 Satz 2 LIFG hat der Beklagte eingehalten (1). Wann der Aufwand bei der Behörde angefallen ist, ist unerheblich (2). Auch nach allgemeinem Gebührenrecht und unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung sind Ermessensfehler nicht ersichtlich (3) Allerdings durfte der Beklagte nur individuell zurechenbare Leistungen „nach diesem Gesetz“ in Ansatz bringen (vgl. § 10 Abs. 1 LIFG), was hier lediglich im Umfang von 122,10 € der Fall war (4).Abs. 46
(1) Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LIFG haben die Behörden die Gebühren auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang nach § 1 Abs. 2 LIFG wirksam in Anspruch genommen werden kann. Nach der zu § 10 Abs. 2 IFG ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13.10.2020 - 10 C 23.19 -, juris), dem die vorgenannte Vorschrift des LIFG ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich nachgebildet ist (LT-Drs. 15/7720, S. 19) und im Wesentlichen auch entspricht (deshalb ebenfalls dieser Rechtsprechung für das baden-württembergische Landesrecht folgend: VGH Bad.Württ., Beschluss vom 02.03.2021 - 10 S 2102/20 -, juris Rn. 4 f.), lassen sich daraus zwei Gebührenzwecke ableiten (BVerwG, ebd., Rn. 15 f.): Danach soll einerseits der Verwaltungsaufwand bei der Gebührenbemessung berücksichtigt werden; andererseits darf dies nur in einer Weise geschehen, die gewährleistet, dass der Informationszugang nach § 1 IFG (bzw. § 1 Abs. 2 LIFG) wirksam in Anspruch genommen werden kann. Dies ist hier erfolgt:Abs. 47
(a) Der Beklagte hat bei der Bemessung der Gebühr den Verwaltungsaufwand berücksichtigt. Dies ergibt sich schon aus den Darlegungen der zuständigen Sachbearbeiterin im Vorfeld der Gebührenfestsetzung, darüber hinaus aber auch aus der – dem Widerspruchsbescheid beigefügten – Auflistung erforderlicher Aktivitäten und dem Inhalt der Behördenakten. Diese dokumentieren insbesondere den Rechercheauftrag an die Mitarbeiter der zuständigen Abteilung und deren Rückantworten; zudem kam es kurz vor Fristablauf zu einer Rückfrage bei einem Sachbearbeiter. Wenn der Kläger demgegenüber in der Auflistung benannte Tätigkeiten u.a. als widersprüchlich oder fehlerhaft zugeordnet beanstandet und die jeweils genannten Minutenwerte bestreitet oder für übertrieben hält, geht dies ins Leere. Denn der Kläger übersieht, dass das Gesetz insoweit eine gewisse Pauschalierung ermöglicht: Da nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LIFG die Gebührenbemessung lediglich „auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes“ zu erfolgen hat, ist eine exakte, minutengenaue Abrechnung der tatsächlichen Arbeitsleistung entbehrlich (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 25.06.2020 - 6 K 2060/20 -, juris Rn. 22 (m.w.N.); Schoch, Informationsfreiheitsgesetz (2. Auflage 2016), § 10 Rn. 72 (m.w.N.); Debus, in: ders., Informationszugangsrecht Baden-Württemberg (1. Auflage 2017), § 10 LIFG Rn. 65). Damit besteht weder eine Verpflichtung zur kostendeckenden Erhebung noch ein absolutes Verbot der Kostenüberdeckung (Debus, in: ders., Informationszugangsrecht Baden-Württemberg (1. Auflage 2017), § 10 LIFG Rn. 66). Es kommt insoweit also gerade nicht darauf an, welcher Mitarbeiter eine Akte aus dem Schrank genommen hat, ob ein Sachbearbeiter für seine Recherche sechs oder neun Minuten gebraucht hat, ob sechs oder sieben Sachbearbeiter mit dem Vorgang befasst wurden, ob lediglich eine E-Mail geschrieben und zur Akte genommen oder stattdessen ein Papierausdruck gefertigt werden musste usw.Abs. 48
Gemessen an diesem Maßstab, sind die hier – erkennbar pauschal – vom Beklagten beschriebenen Tätigkeiten und zugrunde gelegten Bearbeitungszeiten vielmehr nicht zu beanstanden.Abs. 49
(b) Bei dem weiteren Gebot, die Gebühr so zu bemessen, dass der Informationszugang wirksam in Anspruch genommen werden kann, handelt es sich um ein Verbot prohibitiver Gebühren bzw. ein sogenanntes Abschreckungsverbot. Die Bemessung der Gebühren hat die wirksame Inanspruchnahme des Informationszugangs in vollem Umfang zu gewährleisten; die Gebühren dürfen also nicht abschreckend wirken. Für die Frage einer abschreckenden Wirkung der Gebührenbemessung ist entscheidend, ob die Gebühr ihrer Höhe nach objektiv geeignet ist, potentielle Antragsteller von der Geltendmachung eines Anspruchs auf Informationszugang abzuhalten. Der Behörde ist es verwehrt, hierbei die individuellen Verhältnisse des Antragstellers oder dessen Motivlage zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 13.10.2020 - 10 C 23.19 -, juris Rn. 20).Abs. 50
Die danach objektiv zu bestimmende Obergrenze für die Gebührenhöhe hat der Gesetzgeber – auch im Landesrecht – nicht selbst festgelegt. Allerdings lässt sich der Begründung des Gesetzentwurfs zum (bundesrechtlichen) Informationsfreiheitsgesetz entnehmen, dass eine Obergrenze von 500 € für angemessen gehalten wurde. Dort heißt es, dass je nach Verwaltungsaufwand Gebühren bis zu 500 € erhoben werden können; dies sei ein Höchstsatz (BT-Drs. 15/4493, S. 16). Gebühren bis zu dieser Höhe begegnen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf das Abschreckungsverbot deshalb keinen grundsätzlichen Bedenken (BVerwG, ebd., Rn. 22). Soweit sich die Behörde an die Vorgaben der jeweils einschlägigen Informationsgebührenverordnung hält und diese ihrerseits das Abschreckungsverbot – etwa mit differenzierten Tatbeständen und unterschiedlich hohen Maximalgebühren – wirksam umsetzt, liegt im Hinblick auf das Abschreckungsverbot auch kein Ermessensfehler vor (BVerwG, ebd., Rn. 23).Abs. 51
Nach diesen Maßstäben erweisen sich hier weder die angekündigte noch die letztlich festgesetzte Gebühr als abschreckend i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 2 LIFG oder sonst im Hinblick auf das Abschreckungsverbot ermessensfehlerhaft. Denn der einschlägige Gebührenrahmen der maßgeblichen Gebührenordnung ist in jedem Fall eingehalten. Das GebVerzLIFG-FM sieht zudem eine Staffelung der Gebühren und auch gänzlich gebührenfreie Tatbestände vor. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in § 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG eine vorlaufende Informationspflicht über die voraussichtliche Höhe entstehender Gebühren und Auslagen erst in Fällen vorgesehen hat, in denen die Gebühren und Auslagen zusammen voraussichtlich die Höhe von 200 € übersteigen. Wenn demnach Kosten unterhalb dieser Schwelle noch nicht einmal eine vorlaufende Pflicht zur Information des Antragstellers auslösen, ergibt sich daraus erst recht, dass der Gesetzgeber jedenfalls Beträge unterhalb dieser Schwelle im Hinblick auf das Abschreckungsverbot als unbedenklich ansieht. Diese Schwelle wurde hier nicht überschritten. Ob schließlich der Kläger sich von der Gebühr konkret-individuell hat abschrecken lassen oder nicht, ist indes nicht ausschlaggebend.Abs. 52
(2) Unerheblich ist, dass der bei der Gebührenbemessung berücksichtigte Aufwand vorliegend im Wesentlichen angefallen ist, bevor der Kläger die prognostizierte Gebühr bestätigt hat. Seine Auffassung, der Beklagte dürfe nur den nach der Bestätigung vom 29. Januar 2021 angefallenen Aufwand in Ansatz bringen, zumal sein Antrag vom 4. Januar 2021 unter einer Bedingung gestanden habe, trifft nicht zu.Abs. 53
So ist seinem Antrag schon keine Bedingung, sondern lediglich die Bitte um eine Vorabauskunft über die Höhe der voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen zu entnehmen. Eine solche Bedingung ist auch nach der gesetzlichen Systematik des Auskunftsanspruchs nach §§ 1 Abs. 2, 7 Abs. 1, 2 und 7 LIFG nicht vorgesehen. Vielmehr löst bereits der – wie hier – hinreichend bestimmte Antrag die Beantwortungsfrist nach §§ 7 Abs. 7 Satz 1 und 2, 9 Abs. 1 LIFG aus, so dass die Behörde (bereits) auf den Antrag hin tätig werden muss. Für den Beginn der Antragsbearbeitung (und den Lauf bzw. die Hemmung der Beantwortungsfrist) sieht die Gesetzessystematik in Abhängigkeit von der sodann zu prognostizierenden Kostenhöhe zwei Varianten vor: Die Behörde beginnt mit der eigentlichen Antragsbearbeitung sogleich, wenn die Prognose Kosten bis zu 200 € ergibt, bei der Prognose höherer Kosten demgegenüber erst dann, wenn der Antrag nach entsprechender Information über die höheren Kosten weiterverfolgt wird; im letzten Fall ist der Ablauf der Beantwortungsfrist in der Zwischenzeit gehemmt (§ 10 Abs. 2 Satz 3 LIFG; vgl. hierzu Debus, in: ders., Informationszugangsrecht Baden-Württemberg (1. Auflage 2017), § 10 LIFG Rn. 54). Nachdem die Schwelle von 200 € hier nicht überschritten war, ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Behörde sogleich nach dem Eingang des Antrags Tätigkeiten entfaltet und diese später bei der Bemessung der Gebühren „berücksichtigt“ hat.Abs. 54
Im Übrigen trägt der Beklagte darüber hinaus vor, dass der Kläger den Antrag bis zur Mitteilung der Gebührenhöhe kostenfrei hätte zurücknehmen können. Dies entspricht der o.g. Systematik nach dem LIFG, nach der jedenfalls in Fällen der vorlaufenden Mitteilungspflicht – in Abweichung von § 3 Nr. 1 LGebG – nicht schon der Antrag selbst oder die Tätigkeit der Behörde als solche (der Verwaltungsaufwand) die Gebühren- und Auslagenschuld entstehen lässt, sondern erst die Erteilung der Auskunft die Gebührenpflicht auslöst. Auch Ziff. 2.2 GebVerzLIFG-FM sieht als gebührenpflichtigen Tatbestand erst die Erteilung der jeweiligen Auskunft vor. Der Beklagte hat den vorliegenden Fall, in dem der Kläger von sich aus um eine vorlaufende Mitteilung der voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen gebeten hatte, entsprechend dieser Systematik behandelt und dem Kläger Gelegenheit zur (gebührenfreien) Rücknahme des Antrags vor Erteilung der Auskunft gegeben, so dass es auch deshalb nicht auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem der Verwaltungsaufwand angefallen ist.Abs. 55
(3) Stichhaltige Anhaltspunkte für eine Gebührenerleichterung aus Gründen der Billigkeit (§ 11 LGebG) lagen nicht vor. Auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz hat der Kläger mit dem bloßen Hinweis, in anderen Fällen werde bei Negativauskünften von einer Gebührenerhebung abgesehen, nicht substantiiert dargetan. Sein Hinweis auf eine frühere Behördenpraxis (aus dem Jahr 2017) geht insoweit schon deshalb fehl, weil seither mit der GebVO LIFG FM vom 6. Dezember 2018 eine neue Rechtslage in Kraft getreten ist.Abs. 56
(4) Festsetzungsfähig nach § 10 Abs. 1 LIFG sind im Ausgangspunkt allerdings nur Gebühren „für Leistungen nach diesem Gesetz“, wie der Kläger (teilweise) zu Recht beanstandet.Abs. 57
Nach – soweit ersichtlich – unbestrittener Auffassung in obergerichtlicher Rechtsprechung und Literatur muss sich der kostenrelevante Verwaltungsaufwand auf die Auskunftserteilung als solche beziehen; nicht zu berücksichtigen sind daher z.B. der Verwaltungsaufwand für die Erstellung des Gebührenbescheids, die Überwachung des Zahlungseingangs oder der als Folge der Auskunftserteilung eventuell entstehende weitere Verwaltungsaufwand (VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 21.07.2014 - 10 S 2501/13 -, S. 3 (n.v.); Schoch, Informationsfreiheitsgesetz (2. Auflage 2016), § 10 Rn. 53). Ungeachtet der o.g. Möglichkeit zur Pauschalierung lässt die dem Widerspruchsbescheid beigefügte Übersicht erkennen, dass der Beklagte bei der Bemessung der Gebühr insoweit teilweise von einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab ausgegangen ist:Abs. 58
Zwar lassen sich die dort genannten Tätigkeiten 1.-9. (im höheren Dienst) und sieben Sachbearbeitungen im gehobenen Dienst ohne Weiteres der Beantwortung des Auskunftsersuchens zuordnen. Dies gilt insbesondere auch für die Tätigkeit Ziff. 8 (Gebührenkalkulation), weil diese für die gesetzlich geforderte Prognose (s.o. (2)) erforderlich war. Der Gebührenbescheid ist deshalb in der darauf entfallenden Höhe von 122,10 € rechtmäßig.Abs. 59
Hingegen sind die unter Ziff. 10.-13. beschriebenen und mit insgesamt 30 Minuten veranschlagten Tätigkeiten im höheren Dienst sowie die Tätigkeit eines Sachbearbeiters im gehobenen Dienst (6 Minuten) eindeutig dem anschließenden Verwaltungsvorgang der Gebührenerhebung zuzuordnen und hätten deshalb bei der Bemessung nicht „berücksichtigt“ werden dürfen.Abs. 60
II. In der einen Betrag von 122,10 € übersteigenden Höhe ist der Gebührenbescheid vom 7. April 2021 aufzuheben, denn er ist insoweit nach vorstehenden Ausführungen rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).Abs. 61
III. Gegen die Gebührenentscheidung im Widerspruchsbescheid hat der Kläger nichts gesondert eingewandt. Da allerdings die Widerspruchsgebühr gemäß Ziff. 6 GebVerzLIFG-FM durch die (rechtmäßige) Höhe der im angefochtenen Verwaltungsakt festgesetzten Gebühr gedeckelt ist, war der Widerspruchsbescheid ebenfalls insoweit aufzuheben, als darin eine Widerspruchsgebühr über den Betrag von 122,10 € hinaus festgesetzt wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).Abs. 62
Im Übrigen ist die Entscheidung über die Widerspruchsgebühr rechtlich nicht zu beanstanden. Das Gericht folgt insoweit gemäß § 117 Abs. 5 VwGO der Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheids und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.Abs. 63
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.Abs. 64

(online seit: 06.02.2024)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Sigmaringen, VG, Einfacher Fall des Informationszugangs i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 1 LIFG BW - JurPC-Web-Dok. 0018/2024