JurPC Web-Dok. 167/2023 - DOI 10.7328/jurpcb20233812167

KG Berlin

Urteil vom 15.11.2023

23 U 112/22

Preisanpassungsklauseln bei Streaming-Diensten

JurPC Web-Dok. 167/2023, Abs. 1 - 61


Leitsätze:

1. Preisanpassungsklauseln stellen eine Abweichung vom grundlegenden Prinzip der wechselseitigen Zustimmung im Vertragsrecht dar, da sie der Verwenderin einen einseitigen Eingriff in den ausgehandelten Vertrag erlauben. Sie sind gemessen an § 307 Abs. 1 BGB nur dann zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse der Verwenderin besteht.

2. An einem berechtigten Interesse fehlt es, wenn das Vertragsverhältnis ohnehin mit kurzer Kündigungsfrist ausgestaltet ist und es der AGB-Verwenderin ohne nennenswerten Aufwand technisch möglich ist, den Kunden bei jeder Nutzung des Dienstes um Zustimmung zu dem geänderten Preis zu ersuchen.

3. Die Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel ergibt sich darüber hinaus aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn die Klausel zwar eine Berechtigung der Verwenderin vorsieht, gestiegene Kosten zum Anlass von Preiserhöhungen zu machen, nicht hingegen die Verpflichtung, nach denselben Maßstäben gesunkene Gesamtkosten zum Anlass für eine Reduzierung des Preises zu nehmen (sog. Gebot der Reziprozität). Dieses Gebot gilt auch bei Verträgen über Streaming-Dienste.

4. Die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, um die Preiserhöhung zu vermeiden, ist schon im Ansatz ungeeignet, das Fehlen eines berechtigten Interesses oder die mit einem Verstoß gegen das Gebot der Reziprozität verbundene unangemessene Benachteiligung des Kunden zu kompensieren. Der Kunde wird auch mit der Kündigungsmöglichkeit entweder mit einer Preiserhöhung oder aber mit der Mühe, den Vertrag, den er in dieser Form nicht gewollt und nicht abgeschlossen hat, zu beenden, belastet.

Gründe:

I.Abs. 1
Im Streit steht die Wirksamkeit der Preisanpassungsklausel der Beklagten in ihren AGB, die der Kläger ... beanstandet.Abs. 2
Die Beklagte mit Sitz in ... betreibt in Deutschland seit 2012 unter der Webseite ... einen Streaming-Dienst für Musik, Videos, Podcasts und sonstige Inhalte, der im Wege von Abonnements vertrieben wird.Abs. 3
Für die von der Beklagten mit ihren Nutzern mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Verträge verwendet die Beklagte die als Anlage K 3 vorgelegten Allgemeinen Nutzungsbedingungen (im Folgenden: AGB), die gemäß Ziff. 1 für die Dienste „zum Streamen von Musik und sonstigen Inhalten, einschließlich der damit verbundenen Websites und Softwareanwendungen (zusammen die '...-Dienste') sowie der Musik, Videos, Podcasts oder sonstige Inhalte oder Materialien, die durch die ...-Dienste zur Verfügung gestellt werden ('Inhalte')“ gelten und die gemäß Ziff. 19 die Geltung deutschen Rechts vorsehen.Abs. 4
In Ziff. 4.3 ist unter der Überschrift „Preisänderungen“ folgende Klausel enthalten:Abs. 5
„... kann nach billigem Ermessen die Abonnementgebühren und sonstige Preise ändern, um die gestiegenen Gesamtkosten für die Bereitstellung der ...-Dienste auszugleichen. Für die Berechnung der Gesamtkosten maßgeblich sind beispielsweise die Kosten der Inhalte (Produktions- und Lizenzkosten), Verwaltungskosten, die Kosten der Pflege und des Betriebs unserer IT-Infrastruktur, allgemeine Gemeinkosten (Kosten des Vertriebs und des Marketings, Personalkosten, Miete, externe Dienstleister), sowie Finanzierungskosten, Steuern, Gebühren und sonstige Abgaben. ... ist im Falle einer Änderung der gesetzlichen Umsatzsteuer berechtigt, die Abonnementgebühren entsprechend anzupassen.Abs. 6
... kann etwa eine Preiserhöhung erwägen, wenn z.B. die Kosten für Inhalte, die Kosten für die IT-Infrastruktur von ... und die allgemeinen Gemeinkosten steigen, was zu einer Erhöhung der Gesamtkosten für die Bereitstellung der ...-Dienste führt.Abs. 7
Alle Preisänderungen treten frühestens 30 Tage, nachdem ... Sie benachrichtigt hat, mit Beginn des nächsten Abrechnungszeitraums für Ihr Abonnement in Kraft. Ihr ordentliches Kündigungsrecht gemäß Ziffer 12 bleibt unberührt.“Abs. 8
Gemäß Ziff. 12 kann der Vertrag jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende gekündigt werden.Abs. 9
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat der Klage mit Urteil vom 28.06.2022 stattgegeben und es der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel antragsgemäß untersagt, in Bezug auf Verträge über Streamingdienste die Ziff. 4.3 ihrer AGB oder mit diesen inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ausgenommen gegenüber einer Person, die in ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer), zu verwenden sowie sich auf die Klauseln bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen (Tenor zu 1.). Des Weiteren hat es die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von 242,99 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt (Tenor zu 2.). Die angegriffene Klausel halte der Inhaltskontrolle nicht stand. Es fehle an einer dem Recht zur Preiserhöhung korrespondierenden Verpflichtung der Beklagten, im Falle von Kostensenkungen die Preise zu senken. Das Recht zur Kündigung vermöge nur ausnahmsweise einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen. Ein solcher Ausnahmefall sei hier nicht gegeben. Das Kündigungsrecht entspreche zudem nicht den Interessen des Kunden, da er im Falle der Kündigung und dem Wechsel zu einem anderen Anbieter die von ihm angelegten oder gespeicherten Playlists sowie andere Einstellungen verliere.Abs. 10
Das Urteil ist der Beklagten am 08.07.2022 zugestellt worden, die am 08.08.2022 Berufung eingelegt hat. Die Berufungsbegründung ist nach Fristverlängerung bis zu diesem Tag am 10.10.2022 eingegangen. Die Beklagte begründet die Berufung einerseits mit der Notwendigkeit einer Preisanpassungsoption. Die Mehrheit ihrer Nutzerschaft sei über einen längeren Zeitraum bei ihr registriert. Sie baue kontinuierlich ihr Angebot hinsichtlich Inhalt und Funktionalität weiter aus, habe aber seit dem Beginn ihrer Tätigkeit auf dem deutschen Markt im Jahr 2012 ihre Preise nicht erhöht. Es handle sich um ein Massengeschäft, bei dem kein Vertrag ausgehandelt werde. Die Option, Preiserhöhungen durch eine Änderungskündigung weiterzugeben, sei aufgrund der Vielzahl betroffener Verträge unwirtschaftlich. Die Rechtsprechung des VIII. Senats des BGH zu Preisanpassungsklauseln sei für die von ihr angebotenen Dienste nicht einschlägig. Diese sei zu Energielieferverträgen ergangen, d.h. zu einem Leistungsgegenstand der „Grundversorgung“, auf den der Vertragspartner angewiesen sei. Ähnlich sei es mit den Giroverträgen, zu denen der XI. Zivilsenat über Preisanpassungsklausel entschieden habe. Anders liege es aber bei ihrem Vertragsgegenstand, einer Dienstleistung des Freizeitbereiches. Es könnten hierfür nicht die gleichen strengen Anforderungen an den Schutz des Kunden gestellt werden, da der Kunde den Vertrag mit ihr jederzeit kündigen könne, ohne elementare Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass es in dem weitaus größten Komplex ihrer Kosten – der für Lizenzen und Produktion – keine Kostensenkungen gäbe, weshalb nicht die Notwendigkeit bestehe, ihre Verpflichtung zur entsprechenden Weitergabe an den Kunden in die Klausel aufzunehmen. Die Beklagte meint, sie habe ein berechtigtes Interesse an einer Preisanpassungsklausel. Eine mit der Möglichkeit der Preiserhöhung korrespondierende Pflicht zur Preissenkung würde sie in ihren Grundrechten verletzen und sei unionsrechtswidrig.Abs. 11
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,Abs. 12
das Urteil des Landgerichts Berlin – 52 O 296/21 – abzuändern und die Klage abzuweisen.Abs. 13
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,Abs. 14
die Berufung zurückzuweisen.Abs. 15
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.Abs. 16
II.Abs. 17
Die zulässige, gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.Abs. 18
A.Abs. 19
Gegen die vom Landgericht mit Recht angenommene Zulässigkeit der Klage wendet sich die Berufung nicht.Abs. 20
B.Abs. 21
Die Klage ist auch begründet. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Ziff. 4.3. der AGB der Beklagten ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil die Bestimmung die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.Abs. 22
1.Abs. 23
Wie bereits von dem Landgericht richtig zugrunde gelegt, richtet sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach deutschem Recht, Art. 4 Abs.1 Rom-II-VO. Das besagt aber noch nichts über die Frage, nach welchem Recht die Wirksamkeit der Klausel zu beurteilen ist. Hierfür kommt es auf das Vertragsstatut an (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2009 – Xa ZR 19/08 –, BGHZ 182, 24, Rn. 15, 29). Das ist bei den von der Beklagten angebotenen Verträgen aufgrund der nach Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO zulässigen Rechtswahl in Nr. 19 der AGB deutsches Recht.Abs. 24
2.Abs. 25
Ziff. 4.3. der AGB der Beklagten benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben in unangemessener Weise. In Rede steht hier eine Preisanpassungsklausel in der Form einer Leistungsvorbehaltsklausel, die der AGB-Kontrolle unterfällt (a.). Für eine solche Klausel mangelt es der Beklagten unter den Besonderheiten des hiesigen Vertragsverhältnisses an einem berechtigten Interesse (b.). Ob die Klausel auch gegen das Transparenzgebot verstößt, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen (c.). Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Klausel der Beklagten die einseitige Möglichkeit zur Preiserhöhung einräumt, ohne eine korrespondierende Verpflichtung zur Preissenkung vorzusehen (d.).Abs. 26
a.Abs. 27
Preisanpassungsklauseln in AGB, welche es der AGB-Verwenderin gestatten, den zunächst vereinbarten Preis über eine wie auch immer geartete Klausel einseitig zu ändern, ergänzen das dispositive Recht, welches grundsätzlich von einer bindenden Preisvereinbarung der Parteien ausgeht; sie fallen daher nicht in den kontrollfreien Raum von § 307 Abs. 3 BGB, sondern sind – wie allgemein anerkannt – an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen (vgl. Graf von Westphalen/Mock, in Westphalen, Graf von/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Werkstand: 48. EL März 2022, Preisanpassungsklauseln, Rn. 22, Fn. 78 und 79 m.w.N.). Bei der hier zu beurteilenden Regelung handelt es sich um eine Preisanpassungsklausel in der Form einer Leistungsvorbehaltsklausel im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 PrKG. Anders als bei einer Kostenelementeklausel (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 PrKG) erfolgt eine Preisänderung bei einer Leistungsvorbehaltsklausel nicht aufgrund feststehender rechnerischer Bezugsgrößen, sondern der Verwenderin wird hinsichtlich des Ausmaßes der Preisänderung ein Ermessensspielraum eröffnet, der es ermöglicht, die neue Höhe der Geldschuld nach Billigkeitsgrundsätzen zu bestimmen. Da derartige Klauseln der Verwenderin einen einseitigen Eingriff in den ausgehandelten Vertrag ermöglichen, sind sie gemessen an § 307 Abs. 1 BGB nur dann zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse der Verwenderin hieran besteht und sowohl Anlass, Voraussetzungen als auch Umfang des Leistungsbestimmungsrechts so hinreichend konkretisiert sind, dass der Kunde eine Entgeltänderung vorhersehen kann (vgl. Graf v. Westphalen/Thüsing a.a.O., Rn. 35; BGH, Urt. v. 09.05.2012 − XII ZR 79/10 –, NJW 2012, 2187, Rn. 20, 21; Urteil vom 31.07.2013 – VIII ZR 162/09 –, BGHZ 198, 111, Rn. 59; BGH, Urteil vom 20.07.2005 – VIII ZR 121/04 –, BGHZ 164, 11, Rn. 39, verlangt darüber hinaus schwerwiegende Gründe, die für ein berechtigtes Interesse der Verwenderin streiten).Abs. 28
b.Abs. 29
Die Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) ergibt sich hier bereits aus dem mangelnden berechtigten Interesse der Beklagten an einer Preisanpassungsklausel.Abs. 30
Zwar ist bei einer AGB-Verwenderin in Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich ein berechtigtes Interesse, eine Preisanpassung an geänderte Kosten vorzunehmen, zu bejahen (Graf v. Westphalen/Thüsing a.a.O., Rn. 22 m.w.N.). Preisanpassungsklauseln sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits der Verwenderin das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihre Gewinnspanne trotz nachträglicher, sie belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass die Verwenderin mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2017 – III ZR 247/06 –, BGH NJW 2008, 360, juris Rn. 10). Der BGH hat aber in derselben Entscheidung angedeutet, es sei fraglich, ob es einer AGB-Verwenderin bei kurzfristigen Verträgen mit einer Laufzeit von sechs oder zwölf Monaten nicht grundsätzlich zumutbar sei, an ihrer ursprünglichen Kalkulation festgehalten zu werden. Auf Veränderungen der Marktverhältnisse könne sie auch mit einer Kündigung zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit reagieren (ebd. Rn. 16).Abs. 31
Diese Zweifel greifen hier durch. Es handelt sich zwar um einen unbefristeten, auf Dauer angelegten Vertrag. Gleichwohl ist das Vertragsverhältnis von der Beklagten – wie im Bereich der Streaming-Dienste üblich – mit der beidseitigen Möglichkeit der kurzfristigen Vertragsbeendigung ausgestaltet worden. Die Beklagte muss demnach stets auf der Grundlage kurzfristig schwankender Nutzerzahlen kalkulieren. Es ist nicht ersichtlich, dass sie ohne die Einräumung einer Preisanpassungsklausel gezwungen wäre, von vornherein höhere Preise zu kalkulieren, zumal in dem von ihr beschriebenen Marktumfeld, das ihr für Preiserhöhungen nach eigenem Vortrag enge Grenzen setzt. Ferner hat sie die Möglichkeit, Kostensteigerungen zeitnah mittels einer Änderungskündigung weiterzugeben. Der Preis der Leistung der Beklagten ist dabei, wie sie selbst betont, nicht etwa von Preisen auf stark volatilen Märkten abhängig, die ihre Gestehungskosten – wie es etwa bei Strom- und Gaspreisen der Fall ist – so kurzfristig erheblich ändern können, dass eine Wahrung der Kündigungsfrist nicht zumutbar wäre. Von dem Risiko, sich im Rahmen einer Änderungskündigung mit einem neuen Angebot dem Wettbewerb stellen zu müssen, darf die Beklagte sich nicht auf Kosten ihrer Vertragspartner befreien (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2007 – III ZR 247/06; BGH, Urteil vom 11.10.2007 – III ZR 63/07 –, juris Rn. 24).Abs. 32
Der BGH hat zwar in der Vergangenheit für die Preiserhöhungsklausel bei einem Zeitschriftenabonnement in einem obiter dictum ausgeführt, die Änderungskündigung sei einem Lieferanten deswegen nicht zuzumuten, weil sie bei Massengeschäften der vorliegenden Art mit einem übermäßigen, zusätzliche Kosten verursachenden Geschäftsaufwand verbunden wäre. Es sei auch fraglich, ob ein solcher Weg im Interesse des Kunden liege, der in aller Regel seine Zeitschrift weiter beziehen möchte, solange der Preis noch angemessen sei (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.1980 – VIII ZR 174/79 –, NJW 1980, 2518, juris Rn. 25). So liegt es hier aber ersichtlich nicht. Bei einem Zeitschriftenabonnement im 20. Jahrhundert war die Aufforderung zu der Zustimmung zu einer Preiserhöhung und eine etwaige Kündigung mit erheblichem Aufwand verbunden. Regelmäßig wird hierfür zunächst ein postalisch zu versendender Brief der Unternehmerin erforderlich gewesen sein, um die Preiserhöhung anzukündigen. Sodann musste der Verbraucher entweder schriftlich zustimmen oder die Unternehmerin bei mangelnder Zustimmung kündigen. Dies ging mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand einher. Im Falle der Beklagten kann derlei Kommunikation ohne weiteres per E-Mail oder bei jeder Nutzung in der jeweiligen App bzw. Desktop-Anwendung erfolgen, ohne dass hierfür ein erheblicher Aufwand erkennbar wäre. Auch die Erklärung einer Kündigung lässt sich für die Beklagte in ganz anderem und viel weitreichenderem Umfang automatisieren als dies früher der Fall war. Worin ein besonderer, unzumutbarer Aufwand bestehen sollte, hat die Beklagte auch bei der Erörterung dieser Punkte in der mündlichen Verhandlung nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht.Abs. 33
Auf dem auch von der Beklagten als schnelllebig beschriebenen Markt der Streaming-Dienste kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, regelmäßig wollte der Nutzer den Dienst auch nach einer Preiserhöhung weiter in Anspruch nehmen. Insbesondere spricht nichts dagegen, die Entscheidung darüber, ob ein geänderter Preis noch angemessen ist, dem Verbraucher selbst zu überlassen, indem die Änderung von seiner Zustimmung abhängig gemacht wird, die er ohne nennenswerten Aufwand erteilen oder verweigern kann. Eine solche Zustimmung kann von der Beklagten bei jeder Nutzung ihrer Dienste durch den Kunden erfragt werden. Wenn der Kunde die Einwilligung trotz fortdauernder Nutzung und Kenntnisnahme einer Aufforderung zur Zustimmung nicht erklärt, wird hierfür der Grund regelmäßig das mangelnde Einverständnis sein. Wenn er hingegen mangels Nutzung (und Kenntnisnahme entsprechender E-Mails) nicht auf die Notwendigkeit der Einwilligung aufmerksam wird, spricht viel dafür, dass er kein Interesse mehr an der Leistung der Beklagten hat.Abs. 34
Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, es wäre für die Verbraucherseite ungünstig und würde das Vertragsverhältnis belasten, wenn die Beklagte eine Kündigung erklären müsste. Denn eine Kündigung wäre allein Folge der Entscheidung des Verbrauchers, einer Preiserhöhung trotz der einfachen Möglichkeit einer entsprechenden Erklärung nicht zuzustimmen. Ferner ist das Vertragsverhältnis nach seiner Art nicht durch ein auf Vertrauen beruhendes Miteinander gekennzeichnet. Das Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung der Vertragsbeziehung berechtigt sie nicht zu einem einseitigen Eingriff und einer Abweichung von dem grundlegenden Prinzip der wechselseitigen Zustimmung im Vertragsrecht.Abs. 35
c.Abs. 36
Es kann vor diesem Hintergrund dahinstehen, ob die Klausel dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt oder ob die für die Entgeltänderung prägenden Umstände angesichts der Geschäftstätigkeit der Beklagten in einer Vielzahl von Ländern in der Klausel nicht hinreichend dargestellt sind, weil nicht erkennbar ist, welche genauen Kosten Einfluss auf den von Kunden in Deutschland geforderten Preis haben. Nicht geklärt werden muss auch, ob die Einbeziehung interner Kosten der Beklagten, deren Umfang sie selbst bestimmt (z.B. Marketing) und die vom Vertragspartner nicht nachvollzogen und überprüft werden können, zur Intransparenz einer Regelung führt (vgl. in diesem Zusammenhang Fuchs in: Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, 13. Aufl. 2022, § 307 Rn. 182b; BGH, Urteil vom 21.09.2005 – VIII ZR 38/05 –, Rn. 20). Es muss ebenfalls nicht entschieden werden, ob eine unangemessene Benachteiligung der Kundenseite darin liegt, dass sich die Beklagte nicht nur die Möglichkeit einräumt, eine bei Vertragsabschluss nicht überschaubare Kostenentwicklung an den Kunden weiterzugeben, sondern für sich in Anspruch nimmt, ihre Ausgaben jederzeit neu gestalten und Erhöhungen auf den Kunden umlegen zu können, ohne dass dies mit einer verbesserten Gegenleistung verbunden sein muss, da die Klausel eine entsprechende Einschränkung nicht enthält.Abs. 37
d.Abs. 38
Die Unwirksamkeit der Klausel ergibt sich auch deshalb aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, da die Klausel zwar eine Berechtigung der Beklagten vorsieht, gestiegene Kosten zum Anlass von Preiserhöhungen zu machen, nicht hingegen die Verpflichtung, nach denselben Maßstäben gesunkene Gesamtkosten zum Anlass für eine Reduzierung des Preises zu nehmen (sog. Gebot der Reziprozität, vgl. Fuchs, in Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 Rn. 182d).Abs. 39
(1.) Der BGH hat zu Preisanpassungsklauseln in Gaslieferungsverträgen entschieden, eine solche Klausel benachteilige die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn sie nur das Recht der Beklagten vorsehe, Erhöhungen der Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, nicht aber die Verpflichtung, gesunkenen Kosten nach denselben Maßstäben Rechnung zu tragen, also den Preis gegebenenfalls zu senken. Risiken und Chancen einer Veränderung der Gasbezugskosten würden damit zwischen den Parteien ungleich verteilt (vgl. BGH, Teilurteil vom 29.04.2008 – KZR 2/07 –, BGHZ 176, 244, Rn. 17 f.). Die dort verwendeten Preisanpassungsklauseln enthielten jedenfalls in der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung keine Verpflichtung, gefallenen Kosten nach gleichen Maßstäben wie gestiegenen Kosten Rechnung zu tragen, und verschafften der Beklagten damit die Möglichkeit einer ungerechtfertigten Erhöhung ihrer Gewinnspanne. Ob es sich um eine Kostenelemente- oder Leistungsvorbehaltsklausel handelt, spielt dabei keine Rolle (vgl. BGH, ebd. Rn. 17; Urteil vom 28.10.2009 – VIII ZR 320/07 = NJW 2010, 993, Rn. 24 f.; MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 309 Abs. 1 Rn. 25; Graf v. Westphalen/Mock, in Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Preisanpassungsklauseln, 49. EL 2023, Rn. 42). Auch für den Bankverkehr mit Verbrauchern hat der BGH bereits entschieden, eine Preisanpassungsklausel benachteilige die Kundenseite unangemessen, wenn sie nur das Recht des Klauselverwenders enthält, Erhöhungen ihrer eigenen Kosten an ihre Kundschaft weiterzugeben, nicht aber auch die Verpflichtung, bei gesunkenen eigenen Kosten den Preis für die Kunden zu senken (BGH, Urteil vom 21.04.2009 – XI ZR 78/08 –, NJW 2009, 2051 = BGHZ 180, 257, Rn. 25). Ein Preiserhöhungsvorbehalt ist nach dem zu Grunde liegenden Gedanken des Ausgleichs nur interessengerecht, wenn er durch eine spiegelbildliche Preissenkungspflicht kompensiert wird (vgl. Borges, DB 2006, 1199/1203).Abs. 40
Gemessen an den benannten Grundsätzen benachteiligt die angegriffene Klausel die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Der Klausel ist eine dem Preiserhöhungsrecht der Beklagten im Falle von Kostensteigerungen entsprechende spiegelbildliche Verpflichtung zur Weitergabe von Kostenminderungen an die Kundenseite nicht zu entnehmen. Nach der im Verbandsprozess vorzunehmenden "kundenfeindlichsten" Auslegung ist bereits dann, wenn eine Preisanpassungsklausel nicht deutlich auch als Pflicht des Verwenders zur Preisanpassung ausgestaltet ist, zu seinen Lasten davon auszugehen, dass sie eine solche Verpflichtung auch nicht beinhaltet (vgl. BGH, Teilurteil vom 29.04.2008 – KZR 2/07 –, BGHZ 176, 244, Rn. 20 f.; Urteil vom 21.04.2009 – XI ZR 78/08, NJW 2009, 2051 = BGHZ 180, 257, Rn. 28).Abs. 41
Die Möglichkeit zur Preisanpassung in der Klausel der Beklagten ist als Recht, nicht als Pflicht der Beklagten ausgestaltet. Dies ist nicht grundsätzlich zu beanstanden, da es nicht im Interesse der Kunden der Beklagten sein kann, die Verwenderin zu verpflichten, jede Erhöhung der Kosten unverzüglich weiterzugeben (vgl. BGH, Teilurteil vom 29.04.2008 – KZR 2/07 –, BGHZ 176, 244, Rn. 21). Einer Formulierung, die Verwenderin sei berechtigt, die Preise anzupassen, ist jedoch nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Beklagte auch im Falle einer Absenkung ihrer Kosten verpflichtet ist, nach gleichlaufenden Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993, Rn. 27). Nichts anderes kann für die hiesige Klausel gelten, nach der die Beklagte die Abonnementgebühren ändern kann, um gestiegene Gesamtkosten für die Bereitstellung ihrer Dienste auszugleichen. Die Formulierung schließt dabei eine Verpflichtung zur Absenkung der Kosten bereits begrifflich aus, was durch den zweiten Absatz der Regelung („... kann etwa eine Preiserhöhung erwägen, wenn (…)“) noch bekräftigt wird. So versteht auch die Beklagte die von ihr verwendete Klausel und verneint mit Nachdruck eine Pflicht zur Preissenkung.Abs. 42
Sie stellt die vorgenannte Rechtsprechung des BGH nicht in Abrede, meint aber, sie sei auf Dienstleistungsverträge wie den von ihr angebotenen Streaming-Dienst nicht übertragbar. Dem kann nicht gefolgt werden. In Rede stehen das Äquivalenzprinzip und das allgemeine Gebot der Reziprozität. Diese beanspruchen ungeachtet des jeweils betroffenen Vertragstyps und der Frage, wie hoch die wirtschaftliche Belastung durch eine Preisänderung für den einzelnen Vertragspartner sein mag, Geltung. Es mag sein, dass der für Dienstleistungsverträge zuständige III. Zivilsenat des BGH sich hierzu nicht bereits geäußert hat. Hierzu hatte er aber auch keinen Anlass, da die dort in Rede stehenden Klauseln bereits aus anderen Gründen unwirksam waren (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134; BGH, Urteil vom 15.11.2007 – III ZR 247/06 –, NJW 2008, 360). Es spielt aufgrund des allgemeingültigen Gedanken des Ausgleichs auch keine Rolle, ob die angebotene Leistung – was die Beklagte in den Vordergrund rückt – für den Kunden ohne nennenswerte Nachteile verzichtbar ist. Der III. Zivilsenat des BGH hat seine Entscheidungen im Übrigen auf dieselben – auch hier angewendeten – Grundsätzen gestützt wie der VIII. Zivilsenat.Abs. 43
Die Möglichkeit einer Kostensenkung bei regelmäßig inflationsbedingt steigenden Preisen ist auch nicht bloß theoretischer Natur. Es ist durchaus denkbar, dass es auf dem Markt zu Veränderungen kommt, die zu einer deutlichen Reduktion der Kosten bei den in der Klausel genannten Faktoren führt. Auch Steuern können sich zugunsten der Beklagten ändern, wie sich anhand der in dem Zeitraum vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 zeitweise gesenkten Umsatzsteuer zeigte. Nach den Maßstäben der von der Beklagten formulierten AGB wäre sie zu einer Weitergabe dieser Absenkung an ihre Kundschaft selbst dann nicht verpflichtet gewesen, wenn sie unter Berücksichtigung anderer Kostenfaktoren insgesamt Minderausgaben bewirkte.Abs. 44
Das Gebot der Reziprozität verletzt auch nicht die unternehmerische Freiheit der Beklagten. Sie ist nicht gezwungen, eine Preisänderungsklausel zu verwenden. Es bleibt ihr unbenommen, ihre Kundschaft auf der Webseite oder in der benutzten App um ausdrückliche Zustimmung zu Preiserhöhungen zu bitten und im Falle der Nichtzustimmung gem. Ziff. 12 Abs. 2 der AGB mit der dort vorgesehenen kurzen Frist eine ordentliche Kündigung auszusprechen (vgl. auch Jordans/Rösler, ZIP 2022, 1677/1683). Entgegen der Auffassung der Beklagten geht es hier auch nicht um ihre Preisgestaltungsfreiheit, sondern die Frage, inwieweit sie berechtigt ist, im laufenden Vertragsverhältnis den Preis einseitig zu ändern. Die Ausführungen der Beklagten zu einer entsprechenden Verletzung ihrer Grundrechte liegen dementsprechend neben der Sache.Abs. 45
Hier nutzt die Beklagte eine Preisanpassungsklausel und stellt ihre Interessen in unzulässiger Weise über die ihrer Kunden, weil sie sich selbst einerseits das Recht einräumt, die Preise zu erhöhen, sich gleichzeitig aber nicht korrespondierend verpflichtet, beim Sinken der in der Klausel beispielhaft in Bezug genommenen Kostenparameter den Preis nach denselben Maßstäben zu reduzieren. Hierin läge – anders als die Beklagte und der von ihr beauftragte Sachverständige offenbar meinen – auch keine zwingende Kostensenkungspflicht. Die Beklagte wäre dann nur verpflichtet, Kostensenkungen nach denselben Maßstäben Rechnung zu tragen wie Kostensteigerungen (vgl. BGH, Teilurteil vom 29.4.2008 – KZR 2/07 –, BGHZ 176, 244, Rn. 18). Ob hierbei auch Kostensenkungen, die nach Vertragsschluss aus eigenen unternehmerischen Anstrengungen des Verwenders, z.B. Rationalisierungen des Betriebsablaufs, besonderen Investitionen oder Innovationen, resultieren, zu berücksichtigen wären (vgl. – verneinend – Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, 13. Aufl. 2022, § 307 Rn. 182d), muss hier nicht entschieden werden. Jedenfalls müsste bei der Frage in den Blick genommen werden, dass die Beklagte sich mit der streitgegenständlichen Klausel für den entgegengesetzten Fall das Recht vorbehält, Kostensteigerungen, die allein durch unternehmerische Entscheidungen und rein interne Maßnahmen verursacht werden, an die Kunden weiterzugeben.Abs. 46
Die Überlegungen der Beklagten, es gebe hier kein „fest vereinbartes Äquivalenzverhältnis“, das aufrechterhalten bzw. „zeitlich abgesichert“ werden könne (S. 41 f. des Schriftsatzes vom 06.10.2023, Bd. II, 108), führt nicht weiter. Es gibt auch in dem hiesigen Dauerschuldverhältnis ein Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das von der Beklagten durch Erhöhung des Preises einseitig zu ihren Gunsten verschoben werden kann, während sie sich nicht verpflichtet, nach denselben Maßstäben, die sie zu Preiserhöhungen berechtigen, eintretende Kostensenkungen zum Anlass für Preissenkungen zu nehmen. Soweit die Beklagte daran anknüpfen möchte, dass sich der Wert der von ihr erbrachten Leistung ständig durch Erweiterungen des Angebots erhöhe, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass dieser Umstand in der streitgegenständlichen Klausel keine Rolle spielt, die Preiserhöhungen unabhängig von etwaigen Veränderungen des Angebots ermöglicht.Abs. 47
(2.) Die unangemessene Benachteiligung wird auch nicht durch die der Kundenseite eingeräumte Möglichkeit der ordentlichen Kündigung vor Inkrafttreten der Preisänderung kompensiert.Abs. 48
Der BGH hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung zu Kostenelementeklauseln erwogen, ein angemessener Interessenausgleich könne, wenn eine Konkretisierung der Anpassungsmaßstäbe wegen der Besonderheit der Vertragsbeziehung auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt, im Einzelfall dadurch erreicht werden, dass dem Vertragspartner ein Kündigungsrecht eingeräumt wird (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.1989 – III ZR 281/87 –, juris Rn. 23; BGH, Urteil vom 26.05.1986 – VIII ZR 218/85 –, juris Rn. 25). Darum geht es hier nicht. Die Unwirksamkeit der angegriffenen Regelung ergibt sich nicht aus der mangelnden Möglichkeit der Konkretisierung der Anpassungsmaßstäbe.Abs. 49
Der BGH hat bereits entschieden, dass die Kündigungsmöglichkeit die Störung des Äquivalenzverhältnisses grundsätzlich nicht kompensieren kann (vgl. BGH NJW 2010, 993 Rn. 33 m.w.N.; BGH, Teilurteil vom 29.04.2008 – KZR 2/07 –, BGHZ 180, 257 Rn. 37; Staudinger/Rodi (2022) Anh zu §§ 305 - 310 Rn F 1, Rn. F 87a; a.A. OLG Frankfurt, Urteil vom 23.03.2016 – 17 U 101/15 –, juris Rn. 90). Der hiesige Sachverhalt bietet keinen Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen. Der Kunde wird auch mit der Kündigungsmöglichkeit entweder mit einer Preiserhöhung oder aber mit der Mühe, sich um eine Beendigung des Vertrages, den er in dieser Form nicht gewollt und nicht abgeschlossen hat, zu beenden, belastet. Die Beklagte wälzt im Ergebnis die für sie durch Änderungskündigungen entstehende Mühe auf den Kunden ab, obgleich die Preiserhöhung allein in ihrem Interesse, nicht in dem des Kunden liegt. Selbst wenn es sich ungeachtet des Umstandes der ohnehin, d.h. unabhängig von einer Preisanpassung gem. Ziff. 4.5 Abs. 1 der AGB, kurzen Kündigungsfrist um sachlich zusammenhängende Regelungen handelte, könnte darin ein angemessener Ausgleich nicht gesehen werden.Abs. 50
Dieses Ergebnis steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch mit den europarechtlichen Vorgaben im Einklang. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus Nr. 1 lit. j und Nr. 2 lit. b Abs. 2 des Anhangs zu der Richtlinie 93/13/EWG (Klauselrichtlinie). Der Anhang enthält gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie lediglich „eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können“. Die Aufführung in der Liste indiziert die Unwirksamkeit einer Klausel (vgl. Pfeiffer, in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl. 2020, Art. 3 RL, Rn. 75). Ein Vertragslösungsrecht ist nach Nr. 2 lit. b Abs. 2 des Anhangs die notwendige, dem Kunden einzuräumende Rechtsfolge einer Preisanpassungsklausel und die Verwenderin kann überhaupt nur unter diesen Voraussetzungen zu der Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel berechtigt sein. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, dass jede Anpassungsklausel mit einem Lösungsrecht zulässig wäre oder ein entsprechendes Indiz bestünde. Im Gegenteil: Ist auch eine angemessene Klausel nur wirksam, wenn sie mit einem Kündigungsrecht kombiniert wird, scheidet ein solches Recht von vornherein aus, um eine Unangemessenheit zu kompensieren (BGH, Urteil vom 21.09.2016 – VIII ZR 27/16 –, juris Rn. 27). Selbst wenn die Rechtsprechung des BGH in diesem Punkt strenger wäre als die Vorgabe der Richtlinie, gewährte sie dem Verbraucher im Sinne von Art. 8 der Richtlinie ein höheres Schutzniveau. Dies ist europarechtlich unbedenklich, weil die Richtlinie nur den Zweck verfolgt, einen Mindeststandard des Verbraucherschutzes zu gewährleisten (Graf von Westphalen/Mock, a.a.O. Rn. 50). Eine richtlinienkonforme Auslegung kann deshalb nicht dazu führen, den Mindeststandard des Verbraucherschutzes zu verringern. Auch nach der Umsetzung in das nationale Recht unterscheiden sich die Richtlinie und die §§ 305 ff. BGB konzeptionell in weiten Teilen. Dies liegt daran, dass die Richtlinie in Deutschland auf ein etabliertes AGBG stieß, dessen bewährte Struktur und Begriffe der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung gerade nicht aufgeben wollte. Bei der Transformation beschränkte der Gesetzgeber die Eingriffe in das vorhandene AGBG daher auf das aus seiner Sicht notwendige Minimum (vgl. BeckOGK/Lehmann-Richter, 1.7.2023, BGB § 305 Rn. 43).Abs. 51
Aus dem Umstand, dass die Bundesregierung zwar die Klauselkataloge der §§ 308, 309 BGB entsprechend der Verpflichtung in den Art. 8a der Klauselrichtlinie an die Kommission gemeldet hat, § 307 Abs. 1 BGB hingegen nicht, folgt zu Gunsten der Beklagten entgegen ihrer Auffassung gleichfalls nichts. Die Unwirksamkeit der hiesigen Regelung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass § 307 Abs. 1 BGB strenger gefasst wäre als Art. 3 Abs. 1 der Klauselrichtlinie. Die Berichtspflicht besteht zudem gemäß Art. 8a Abs. 1 zweiter Spiegelstrich der Klauselrichtlinie insbesondere für Vorschriften, die Listen mit Vertragsklauseln, die als missbräuchlich gelten, enthalten. Generalklauseln wie der § 307 Abs. 1 BGB sind in ihrem Bedeutungsgehalt ohnehin vorwiegend durch die Rechtsprechung des jeweiligen Mitgliedstaats geprägt. Überdies sind Vorschriften, welche die Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten von Art. 8a der RL, der durch Art. 32 der Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) eingefügt wurde, in der Vergangenheit erlassen haben, nicht Gegenstand der Berichtspflicht (vgl. Pfeiffer, in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl. 2020, Art. 8a Rn. 2). Art. 8a der Klauselrichtlinie ist gem. Art. 34 der Verbraucherrechte-RL am 12.12.2011 in Kraft getreten, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB hat bereits mit der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 den bis dahin gültigen, inhaltsgleichen § 9 Abs. 1 AGBG ersetzt.Abs. 52
(3.) Die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB ist gleichfalls schon im Grundsatz ungeeignet, die Benachteiligung zu kompensieren. Die Klauselkontrolle soll gerade im Vorfeld einer prozessualen Auseinandersetzung die Kundenseite schützen (vgl. bereits BGH, Urteil vom 07.10.1981 – VIII ZR 229/80 – BGHZ 82, 21 = NJW 1982, 331, Rn. 15).Abs. 53
3.Abs. 54
Dem Kläger steht – nachdem die Abmahnung berechtigt war – auch der geltend gemachte Anspruch auf die entsprechenden Abmahnkosten, welche die Beklagte der Höhe nach nicht in Abrede stellt, zu, § 5 UKlaG i.V.m. § 13 Abs. 3 UWG.Abs. 55
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 2, 187 Abs. 1 analog BGB.Abs. 56
C.Abs. 57
1.Abs. 58
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.Abs. 59
2.Abs. 60
Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die Sache hat, insoweit sich die Entscheidung auf den Verstoß gegen das Gebot der Reziprozität stützt, keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Maßstäbe für die Formulierung von Preisanpassungsklauseln in Dauerschuldverhältnissen sind höchstrichterlich geklärt. Die Entscheidung in dem hiesigen Fall betrifft nur die Anwendung dieser Grundsätze auf einen Einzelfall. Aus dem Umstand, dass es sich um ein Dienstverhältnis des Freizeitbereichs handelt, folgt kein grundsätzlicher Unterschied. Nichts anderes gilt für die Frage, inwieweit eine Kündigungsmöglichkeit geeignet ist, eine unangemessene Benachteiligung durch eine Preisanpassungsklausel zu kompensieren. Dementsprechend erfordert auch die Fortbildung des Rechts keine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 ZPO. Der von der Beklagten zitierte, von dem OLG Frankfurt (Urteil vom 23.03.2016 – 17 U 101/15) entschiedene Fall betraf eine AGB-Klausel zu der Anpassung von Soll- und Überziehungszinsen. Die Wertungen der Entscheidung sind auf den hiesigen – ganz deutlich anders gelagerten – Fall zudem auch deshalb nicht übertragbar, weil es dort um die Wirksamkeit einer Klausel im Unternehmensverkehr ging und die in Rede stehende Klausel auch eine Senkung der Zinssätze vorsah. Ob die Sache in Bezug auf den weiteren tragenden Entscheidungsgrund – das fehlende berechtigte Interesse an der Klausel – grundsätzliche Bedeutung hat, kann dahinstehen. Wenn – wie hier – ein Revisionsgrund für einen selbständig tragenden Gesichtspunkt nicht besteht, kommt eine Revisionszulassung für den weiteren tragenden Grund nicht in Betracht (vgl. Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 543 ZPO, Rn. 7). Es ist allerdings höchstrichterlich geklärt, dass Preisanpassungsklauseln nur dann zulässig sind, wenn sich die Verwenderin auf ein berechtigtes Interesse an dem einseitigen Eingriff in den Vertrag berufen kann. Die Verneinung dieses berechtigen Interesses im hiesigen Fall beruht auf einer Anwendung dieses Grundsatzes auf die Besonderheiten der hier in Rede stehenden Vertragsverhältnisse.Abs. 61

(online seit: 05.12.2023)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: KG Berlin, Preisanpassungsklauseln bei Streaming-Diensten - JurPC-Web-Dok. 0167/2023