JurPC Web-Dok. 147/2023 - DOI 10.7328/jurpcb20233810147

OLG Frankfurt a.M.

Beschluss vom 10.10.2023

6 UF 158/23

Pflicht zur Einreichung als elektronisches Dokument

JurPC Web-Dok. 147/2023, Abs. 1 - 18


Leitsatz (der Redaktion):

Die Verpflichtung zur Einreichung als elektronisches Dokument gilt auch für die Deutsche Rentenversicherung Bund als Beteiligte in einem familiengerichtlichen Verfahren.

Gründe:

I.Abs. 1
Die Beteiligte zu 1. - die Deutsche Rentenversicherung Bund - begehrt die Abänderung des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich.Abs. 2
Zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung erzielte die Antragstellerin ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von rund 1.500,- Euro und der Antragsgegner in Höhe von rund 1.870,- Euro. Ausweislich der im Verfahren eingeholten Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 27.03.2023 (Bl. 17 ff. d. A.) erwarb die Antragstellerin während der Ehezeit in der allgemeinen Rentenversicherung 11,9896 Entgeltpunkte, einen Zuschlag in Höhe von 3,6563 Entgeltpunkten für langjährige Versicherung sowie in der allgemeinen Rentenversicherung Ost weitere 4,5022 Entgeltpunkte und 0,6581 Entgeltpunkte für langjährige Versicherung. Der Antragsgegner erwarb während der Ehezeit Anwartschaften bei der Beteiligten zu 2.Abs. 3
Mit Beschluss vom 17.07.2023 - der Beteiligten zu 1. zugestellt am 31.07.2023 - hat das Amtsgericht die am 18.12.1987 geschlossene Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es den Ausgleich der von der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund - Ost erworbenen Entgeltpunkte für langjährige Versicherung außer Acht gelassen. Mit seiner Rechtsmittelbelehrung hat das Amtsgericht unter anderem darauf hingewiesen, dass die Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle erklärt werden könne und dass die Beschwerdeschrift von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen sei.Abs. 4
Die Beteiligte zu 1. wendet sich mit ihrer am 11.08.2023 beim Amtsgericht auf dem Postweg eingelegten, nicht unterzeichneten, sondern mit einem maschinenschriftlichen Schriftzug versehenen Beschwerdeschrift gegen die Entscheidung über den Versorgungsausgleich bezogen auf das außer Acht gelassene Anrecht der Antragstellerin.Abs. 5
Die Akten sind am 13.09.2023 beim Oberlandesgericht eingegangen. Mit Schreiben vom 14.09.2023 hat die stellvertretende Senatsvorsitzende die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeschrift mangels Einreichung in der nach § 14b FamFG vorgesehenen Form nicht wirksam eingelegt worden sei. Die Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen hat die Beschwerdeführerin verstreichen lassen.Abs. 6
II.Abs. 7
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte Beschwerde der Beteiligten zu 1. war gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen.Abs. 8
Nach der am 31.07.2023 erfolgten Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die Beteiligte zu 1. hätte die Beschwerde gemäß § 63 Abs. 1 FamFG bis zum Ablauf des 31.08.2023 (§ 113 Satz 1 FamFG i. V. mit § 188 Abs. 2 BGB, § 222 Abs. 2 ZPO) bei dem hierfür gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG zuständigen Amtsgericht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt werden müssen.Abs. 9
Nach § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG sind schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen von Behörden seit dem 01.01.2022 als elektronisches Dokument im Sinne der § 14 Abs. 2 FamFG, § 130a ZPO einzureichen. Auch die Beschwerdeführerin unterliegt als Körperschaft des öffentlichen Rechts der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs nach § 14b Abs. 1 FamFG (OLG Bamberg, Beschluss vom 17.02.2022 - 2 UF 8/22 = FamRZ 2022, 1049; Streicher FamRZ 2023, 495 (498, Fußnote 46)). Die Einreichung eines elektronischen Dokuments ist hier unzweifelhaft nicht erfolgt.Abs. 10
Die Beschwerdeführerin war auch nicht deswegen von der Einreichung eines elektronischen Dokuments befreit, weil § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG auch eine Beschwerdeeinlegung zur Niederschrift zur Geschäftsstelle zulässt. Bedient sich der Versorgungsträger nicht dieser Form der Beschwerdeeinlegung, sondern der in § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG alternativ vorgesehenen Beschwerdeeinlegung „durch Einreichung einer Beschwerdeschrift“, muss es seit dem 01.01.2022 ein den Anforderungen des § 130a ZPO genügendes elektronisches Dokument übermitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2022 - XII ZB 200/22 = BeckRS 2022, 40573; ebenso OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.02.2022, 4 UF 8/22 = FamRZ 2022, 802).Abs. 11
Zwar ist der zum 01.01.2022 in Kraft getretene § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG durch Gesetz vom 05.10.2021 (BGBl. I S. 4607) gegenüber seiner ursprünglichen, durch Gesetz vom 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786) vorgesehenen Fassung dahingehend abgeändert worden, dass er die Einreichung eines elektronischen Dokuments nicht mehr für sämtliche Anträge und Erklärungen, sondern nur noch für schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen von Rechtsanwälten, Notaren, Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorsieht. Damit sollte ausweislich der Begründung des unverändert übernommenen Gesetzentwurfs der Bundesregierung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das FamFG im Unterschied zur ZPO kein allgemeines Schriftformerfordernis für Anträge und Erklärungen kennt, weshalb die Pflicht zur elektronischen Übermittlung ausdrücklich auf schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen beschränkt wurde (vgl. BT-Drucks. 19/28399, S. 39 f.). Als Beispiel für eine ein Schriftformerfordernis begründende Vorschrift nennt jedoch auch die Begründung des Regierungsentwurfs den für die Beschwerdeeinlegung maßgeblichen § 64 Abs. 2 FamFG: Soweit dieser in § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG für Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Wahl zwischen einer Beschwerdeeinlegung zur Niederschrift der Geschäftsstelle und einer Beschwerdeeinlegung durch Einreichung einer Beschwerdeschrift lässt, folgt daraus vor diesem Hintergrund keine allgemeine Befreiung des in § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG genannten Personenkreises von der Pflicht zur Übermittlung eines elektronischen Dokuments. Vielmehr ist die Bestimmung dahingehend auszulegen, dass sie den genannten Personenkreis zur Übermittlung einer Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument verpflichtet, wenn die Beschwerde nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2022, a.a.O.; ebenso OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.02.2022, a.a.O. mit Verweis auf Fritzsche NZFam 2022, 1).Abs. 12
Die Beschwerdeführerin kann sich auch nicht auf die nicht alle Möglichkeiten der Beschwerdeeinlegung erfassende Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts berufen. Denn bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine in Versorgungsausgleichssachen zuständige Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich generell nicht auf eine Unkenntnis gesetzlicher Formvorschriften berufen kann. Insoweit ist derselbe Maßstab anzulegen, der auch für am Verfahren mitwirkende Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2010 - XII ZB 82/10 = FamRZ 2010, 1425). Vor diesem Hintergrund muss der Versorgungsträger auch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass eingehende Entscheidungen einem Mitarbeiter mit den erforderlichen Rechtskenntnissen vorgelegt werden, sodass eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Bearbeitung möglich ist.Abs. 13
Im Übrigen war die von der Beschwerdeführerin auf dem Postweg eingereichte Beschwerdeschrift entgegen § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG auch nicht eigenhändig unterzeichnet. Fehlt es an einer Unterschrift, ist das Rechtsmittel nicht wirksam eingelegt (BGH, Beschluss vom 26.06.2019 - XII ZB 35/19 = FamRZ 2019, 1636). Im Hinblick auf die ausdrückliche, vorbehaltlose Regelung in § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG und mangels anderer Regelungen, wie sie der Gesetzgeber an anderer Stelle durchaus getroffen hat (vgl. § 59 Abs. 3 FamFG), kann auch bei Versorgungsträgern auf eine Unterschrift nicht verzichtet werden (OLG Bremen, Beschluss vom 14.08.2019 - 4 UF 70/19 = FamRZ 2020, 831; OLG Bamberg, Beschluss vom 01.08.2012 - 2 UF 175/12 = FamRZ 2013, 480).Abs. 14
Einen Wiedereinsetzungsantrag hat die Beschwerdeführerin nicht gestellt; im Übrigen kommt auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 FamFG nicht in Betracht. Dass die Beschwerdeführerin dem gesetzlichen Formerfordernis unverschuldet nicht nachgekommen ist (vgl. § 17 Abs. 1 FamFG), ist nicht ersichtlich. Ein Fehlen des Verschuldens kann auch nicht gemäß § 17 Abs. 2 FamFG vermutet werden, da das Amtsgericht darauf hingewiesen hat, dass die Beschwerdeschrift zu unterzeichnen ist, was die Beschwerdeführerin jedoch unterlassen hat.Abs. 15
Die Kostenentscheidung folgt aus dem gegenüber §§ 81, 84 FamFG vorrangig anzuwendenden § 150 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 FamFG. Denn § 150 FamFG ist auch bei einer Entscheidung über die im Scheidungsverbund stehende Folgesache Versorgungsausgleich im zweiten Rechtszug vorrangig (BGH, Beschluss vom 05.10.2022 - XII ZB 74/20 = FamRZ 2023, 117). Nach § 150 Abs. 1 FamFG sind die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen gegeneinander aufzuheben, wenn die Scheidung der Ehe ausgesprochen wird. Erscheint in diesem Fall die Kostenverteilung insbesondere im Hinblick auf eine Versöhnung der Ehegatten oder auf das Ergebnis einer als Folgesache geführten Unterhaltssache oder Güterrechtssache als unbillig, kann das Gericht gemäß § 150 Abs. 4 Satz 1 FamFG die Kosten nach billigem Ermessen anderweitig verteilen. Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, hat sich die zu treffende Kostenentscheidung am Rechtsgedanken des § 84 FamFG zu orientieren. Danach waren der Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.Abs. 16
Nicht erheblich war, ob im Rahmen der nach § 150 Abs. 4 FamFG zu treffenden Billigkeitsentscheidung die Möglichkeit gegeben sein kann, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen, wenn der unterlegene oder wie hier der die Beschwerde zurücknehmende Beteiligte gemäß § 2 FamGKG oder gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X von den Kosten befreit ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2016 - XII ZB 251/16 = FamRZ 2017, 50), da die Beschwerdeführerin nicht von der Zahlung der Kosten befreit ist. Denn die Beschwerdeführerin unterfällt nicht der in § 2 FamGKG normierten Kostenfreiheit (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.01.2023 - 6 UF 239/22 = NZFam 2023, 323 mit weiteren Nachweisen). Auch eine personale Kostenbefreiung der Beschwerdeführerin nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X scheidet aus. Die dort vorgesehene Kostenbefreiung in Verfahren nach dem FamFG erfasst ausschließlich die Träger der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge. Die Beschwerdeführerin zählt jedoch nicht zu den von § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X erfassten Trägern (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.01.2023, a.a.O. mit weiteren Nachweisen).Abs. 17
Die Wertfestsetzung beruht auf § 40 Abs. 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG unter Berücksichtigung eines im Beschwerdeverfahren betroffenen Anrechts (10 % aus (1.500,- Euro + 1.870,- Euro) x 3 Monate).Abs. 18

(online seit: 24.10.2023)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: OLG Frankfurt a.M., Pflicht zur Einreichung als elektronisches Dokument - JurPC-Web-Dok. 0147/2023