JurPC Web-Dok. 135/2023 - DOI 10.7328/jurpcb2023389135

OLG Koblenz

Teilurteil vom 20.07.2023

10 U 1633/22

Auskunft nach Art. 15 DSGVO gegenüber Versicherung

JurPC Web-Dok. 135/2023, Abs. 1 - 76


Leitsatz:

Ein Versicherungsnehmer kann von dem Versicherer gemäß Art. 15 DS-GVO Auskunft über die Höhe früherer Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung sowie Übersendung von Versicherungsscheinen verlangen; den Auskunftsanspruch kann er im Wege einer Stufenklage nach § 254 ZPO geltend machen.

Gründe:

I.Abs. 1
Der Kläger macht im Wege der Stufenklage Ansprüche gegenüber der Beklagten im Zusammenhang mit Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung geltend.Abs. 2
Der Kläger schloss bei der Beklagten einen Vertrag über eine private Krankenversicherung ab und leistete Prämienzahlungen. Er ist der Auffassung, von der Beklagten vorgenommene Beitragsanpassungen seien unwirksam.Abs. 3
Mit seiner Stufenklage hat er - sinngemäß - zuletzt beantragt,Abs. 4
1. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über alle Beitragsanpassungen in den Jahren 2011 sowie 2013 bis 2018 zu erteilen und ihm hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:Abs. 5
a) die Höhe der Beitragsanpassungen unter Benennung der jeweiligen Tarife,Abs. 6
b) die dem Kläger zu diesem Zweck übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen,Abs. 7
c) die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrags seit dem 01.01.2012;Abs. 8
2. festzustellen, dass die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1. noch genauer zu bezeichnenden Neufestsetzungen der Prämien unwirksam sind und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet ist, sowie dass der monatlich fällige Gesamtbetrag für die Zukunft auf einen nach Erteilung der Auskunft noch zu beziffernden Betrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen zu reduzieren ist;Abs. 9
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1. noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;Abs. 10
4. die Beklagte zu verurteilen, ihm Nutzungen in nach Erteilung der Auskunft zu 1. noch zu beziffernder Höhe herauszugeben und Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;Abs. 11
5. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.212,61 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit freizustellen.Abs. 12
Die Beklagte hat beantragt,Abs. 13
die Klage abzuweisen.Abs. 14
Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben.Abs. 15
Wegen der konkreten Fassung der Klageanträge sowie der tatsächlichen Feststellungen und des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.Abs. 16
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klageanträge zu 2. bis 4. seien unzulässig, da sie als unbezifferte Anträge nicht hinreichend bestimmt seien. Die Voraussetzungen einer Stufenklage nach § 254 ZPO seien nicht erfüllt. Auch der Auskunftsantrag sei unzulässig. Eine Umdeutung eines im Wege der Stufenklage erhobenen Auskunftsanspruchs in eine selbständige Auskunftsklage komme nur dann in Betracht, wenn Klage auch für den Fall erhoben worden wäre, dass eine Stufung unzulässig ist. Das sei der Fall, wenn der Kläger den Anspruch auf Rechnungslegung bzw. Auskunft in jedem Fall durchsetzen wolle. Dies komme nicht in Betracht, wenn die Verbindung von Auskunfts- und Leistungs- (bzw. hier Feststellungs-) antrag derartig eng ist, dass die gesamte Rechtsverfolgung mit der Stufung „stehen und fallen“ sollte. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die begehrte Auskunft stelle ersichtlich lediglich ein untergeordnetes Zwischenziel ohne eigenständige Bedeutung dar. Der Kläger habe wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass er die Auskunft lediglich zur Prüfung benötigt, ob die mit der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche bestehen und gegebenenfalls in welcher Höhe. Ein darüber hinausgehendes Informationsinteresse des Klägers sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Aufgrund des prozessualen Vorrangs der Zulässigkeit könne und müsse es dahinstehen, ob der Auskunftsanspruch - woran die Kammer erhebliche Zweifel hege - letztlich begründet gewesen wäre. Allein der Klageantrag zu 5. sei als nicht im Stufenverhältnis stehender und hinreichend bestimmter Leistungsantrag zulässig. Dieser sei jedoch unbegründet. Der Anspruch sei bereits dem Grunde nach nicht schlüssig vorgetragen. Eine vorprozessuale anwaltliche Leistungsaufforderung löse nur dann eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV aus, wenn (zunächst) ein auf die außergerichtliche Tätigkeit beschränktes Mandat erteilt wurde. Dass vorliegend ein solches zunächst auf die außergerichtliche Tätigkeit beschränktes Mandat erteilt wurde, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Wegen der Einzelheiten der Begründung der Klageabweisung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.Abs. 17
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter; lediglich hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten (Klageantrag zu 5.) macht er nicht den zuletzt beantragten Freistellungsbetrag von 1.212, 61 €, sondern - wie in der Klageschrift - 1.054,10 € geltend. Er wiederholt und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen. Der Kläger macht geltend, die Stufenklage sei zulässig. Ihm sei zwar bekannt, zu welchen Zeitpunkten im Auskunftszeitraum Beitragsanpassungen stattgefunden hätten; diese seien formell unwirksam. Ihm sei jedoch eine Bezifferung der maßgeblichen Beitragserhöhungen und damit seines Rückforderungsanspruchs unmöglich, da ihm die Versicherungsscheine und Nachträge nicht mehr vorlägen. Der Auskunftsanspruch könne auf verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt werden, unter anderem auf § 3 Abs. 3 VVG, Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Datenschutz-Grundverordnung (im Folgenden: DS-GVO) sowie auf § 242 BGB. Ihm stehe auch ein Anspruch auf Auskunft über die Höhe der auslösenden Faktoren zu, die Beitragsanpassungen in seinem Versicherungsvertrag zur Folge gehabt hätten; dies ergebe sich aus einer vertraglichen Nebenpflicht im Versicherungsverhältnis gemäß § 242 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.Abs. 18
Der Kläger beantragt,Abs. 19
das Urteil des Landgerichts abzuändern undAbs. 20
1. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die sie in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2011, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018 zur Versicherungsnummer … vorgenommen habe und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:Abs. 21
a) die Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2011, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018 unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis des Klägers,Abs. 22
b) die ihm zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2011, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018 sowieAbs. 23
c) die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer … seit dem 01.01.2012;Abs. 24
2. festzustellen, dass die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1. noch genauer zu bezeichnenden Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie, dass der monatlich fällige Gesamtbetrag für die Zukunft auf einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1. noch zu beziffernden Betrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen zu reduzieren ist;Abs. 25
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1. noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;Abs. 26
4. die Beklagte zu verurteilen,Abs. 27
a) dem Kläger die Nutzungen in der nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1. noch zu beziffernden Höhe herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unter 2. noch aufzuführenden Beitragsanpassungen gezahlt hat,Abs. 28
b) die Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen;Abs. 29
5. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.054,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit freizustellen;Abs. 30
hilfsweise,Abs. 31
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Koblenz zurückzuverweisen.Abs. 32
Die Beklagte beantragt,Abs. 33
die Berufung zurückzuweisen,Abs. 34
hilfsweise,Abs. 35
die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.Abs. 36
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung Bezug genommen.Abs. 37
Durch Verfügung vom 26.04.2023 hat der Senat den Parteien Hinweise erteilt; wegen der Einzelheiten wird auf diese Verfügung Bezug genommen.Abs. 38
Die Parteien haben hierzu Stellung genommen. Mit Zustimmung der Parteien hat der Senat im schriftlichen Verfahren entschieden.Abs. 39
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.Abs. 40
II.Abs. 41
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache einen teilweisen, zumindest vorläufigen Erfolg. Der im Wege der Stufenklage gestellte Auskunftsantrag ist überwiegend begründet; soweit er unbegründet ist (zum Auskunftsantrag zu 1. c) betreffend die auslösenden Faktoren für Beitragsanpassungen), ist die Berufung zurückzuweisen. Wegen der weiteren in das Berufungsverfahren gelangten Anträge ist die Sache auf Antrag an das Landgericht zurückzuverweisen.Abs. 42
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Stufenklage nach § 254 ZPO zulässig, so dass es einer Bezifferung der auf der zweiten Stufe gestellten Anträge zu 2. bis 4. derzeit nicht bedarf.Abs. 43
a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die Besonderheit der Stufenklage nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage liegt, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrages entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen (BGH, Urteil vom 02.03.2000 - III ZR 65/99, NJW 2000, 1645, Rn. 18 m.w.Nachw.; sämtliche Entscheidungen zitiert nach juris). Eine Stufenklage ist nur dann ausgeschlossen, wenn der in erster Stufe verfolgte Auskunftsanspruch in keiner Weise der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten, in einer nachfolgenden Stufe geltend gemachten Leistungsbegehrens, sondern anderen Zwecken dient (BGH, Versäumnisurteil vom 06.04.2016 - VIII ZR 143/15, BGHZ 209, 358, Rn. 16 m.w.Nachw.).Abs. 44
b) Ein solcher Fall der gänzlich fehlenden Verknüpfung zwischen Auskunfts- und Leistungsklage ist hier nicht gegeben. Vielmehr begehrt der Kläger Auskunft zur Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2011 sowie 2013 bis 2018 unter Benennung der jeweiligen Tarife in seinem Versicherungsverhältnis unter der genannten Versicherungsnummer und die Zurverfügungstellung der ihm zu diesem Zweck übermittelten Versicherungsscheine und entsprechenden Nachträge. Die beantragte Auskunft dient damit nicht (allein) der Prüfung, ob dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch insbesondere auf Rückerstattung von ihm gezahlter Prämien in der Krankenversicherung zusteht, sondern jedenfalls auch der Bezifferung der letztlich von ihm erstrebten weiteren Ansprüche, insbesondere auf Rückerstattung gezahlter Versicherungsbeiträge (vgl. auch OLG Schleswig, Urteil vom 18.07.2022 - 16 U 181/21, Rn. 62 ff.; a.A. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021 - I-20 U 269/21, Rn. 2 ff.; OLG Celle, Urteil vom 15.12.2022 - 8 U 165/22, Rn. 119 ff.; OLG Brandenburg, Urteil vom 14.04.2023 - 11 U 183/22, Rn. 7; OLG Köln, Urteil vom 28.04.2023 - 20 U 261/22, Rn. 19 ff.).Abs. 45
c) Dagegen dient der weitere Antrag des Klägers, ihm Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen Tarifen seit dem 01.01.2012 zu erteilen, nicht der Bezifferung der Höhe eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs, sondern allein der vorgelagerten Informationsbeschaffung zur Klärung, ob ein Feststellungs- oder Leistungsbegehren dem Grunde nach Aussicht auf Erfolg hat. Zwar hat der Kläger hierzu in der Klageschrift(Seite 13/14) ausgeführt, die begehrte Auskunft ermögliche ihm die abschließende Bezifferung seines Rückforderungsbetrags, insbesondere weil Zweifel an der Wirksamkeit von Beitragsanpassungen bestünden, die die Beklagte in Abweichung von § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG auf Grundlage von § 8 b MB/KK vorgenommen habe; soweit Beitragsanpassungen ohne wirksame Rechtsgrundlage vorgenommen worden seien, erhöhten sie den Betrag auf Rückzahlung und Absenkung des derzeitigen Monatsbeitrages. Auch daraus wird indes ersichtlich, dass die Auskunft allein zur Prüfung und gegebenenfalls schlüssigen Darlegung eines möglichen Anspruchsgrundes (im Hinblick auf eine mögliche materiell-rechtliche Unwirksamkeit von Beitragsanpassungen im Auskunftszeitraum) dient, während die Bezifferung des Anspruchs allein aus der Auskunft zur Höhe der jeweiligen Beitragsanpassung folgt.Abs. 46
d) Der Umstand, dass das Auskunftsbegehren zur Höhe der auslösenden Faktoren für die Prämienanpassung (oben c)) nicht zur Begründung einer Stufenklage geeignet ist, steht ihrer Zulässigkeit im Übrigen nicht entgegen. Die Stufenklage ist bereits deshalb zulässig, weil der Kläger, wie unter b) ausgeführt, auch Auskunft zur Höhe und damit zur Bezifferung seiner in das Stufenverhältnis gestellten Anträge begehrt. Das Klagebegehren des Klägers ist dahin umzudeuten, dass der Teil des Auskunftsantrages, der nicht in einem Stufenverhältnis stehen kann (oben c)), im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) neben die Stufenklage tritt (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2000, aaO, Rn. 21 ff.; Urteil vom 18.04.2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952, Rn. 21). Anders könnte dies - wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - allenfalls zu beurteilen sein, wenn nach dem Rechtsschutzziel des Klägers die Verbindung von Auskunfts- und Leistungsantrag, auch soweit eine Stufung unzulässig ist, derartig eng wäre, dass die gesamte Rechtsverfolgung mit der Stufung „stehen und fallen“ sollte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18.04.2002, aaO). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das Informationsbegehren des Klägers hier aber umfassend in dem Sinne zu verstehen, dass er die Klage, soweit dies zulässig ist, als Stufenklage erhebt, um weitere Ansprüche beziffern zu können, und er auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 254 ZPO nicht gegeben sind, daneben Auskunft zu den auslösenden Faktoren begehrt, um zusätzliche Anhaltspunkte für eine schlüssige Begründung seines Leistungsbegehrens zu gewinnen.Abs. 47
2. Die Berufung des Klägers hat auf der ersten Stufe der Stufenklage überwiegend Erfolg.Abs. 48
a) Der Auskunftsantrag zur Höhe der Beitragsanpassung unter Benennung der jeweiligen Tarife in den Auskunftszeiträumen 2011 sowie 2013 bis 2018 ist nicht mangels Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig.Abs. 49
aa) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Insbesondere muss vermieden werden, dass Unklarheiten hinsichtlich eines Antrags in das spätere Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe kommt nur in Betracht, wenn einerseits für den Kläger eine weitere Konkretisierung nicht möglich oder zumutbar ist, andererseits für die Parteien kein Zweifel an ihrem Inhalt besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht (BGH, Urteil vom 02.12.2015 – IV ZR 28/15, VersR 2016, 173, Rn. 8 m.w.Nachw.).Abs. 50
bb) Nach diesem Maßstab ist der Klageantrag zulässig. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass der Kläger die einzelnen in seinem Versicherungsverhältnis vereinbarten Tarife und die Zeitpunkte einzelner Beitragserhöhungen benennt, auch wenn ihm diese (sämtlich oder teilweise) bekannt sein mögen. Angesichts der umfassenden Formulierung („alle Beitragsanpassungen“) besteht keine Unklarheit über den Umfang des Auskunftsbegehrens. Anhand der zur Auslegung heranzuziehenden Begründung der Klageanträge besteht auch kein Zweifel darüber, dass der Kläger Auskunft nur über Beitragsanpassungen in der Krankenversicherung - nicht z.B. zur Pflegeversicherung - beantragt.Abs. 51
Die erweiternde Formulierung des Antrags dahin, dass der Kläger Auskunft „mindestens“ über die von ihm bezeichneten Angaben verlangt, ist dagegen nicht hinreichend bestimmt. Der Kläger legt nicht dar, welche weiteren Angaben er über die von ihm konkret bezeichneten Auskünfte und Unterlagen hinaus begehrt. Eine teilweise Klageabweisung hat dies aber nicht zur Folge, da anhand der vom Kläger verwendeten Formulierung nicht ersichtlich ist, dass er insoweit ein weitergehendes Rechtsschutzziel verfolgt.Abs. 52
b) Der Antrag ist sowohl hinsichtlich der begehrten Auskünfte als auch der hierauf bezogenen Unterlagen in Form von Versicherungsscheinen und entsprechenden Nachträgen begründet. Anspruchsgrundlage ist Art. 15 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 DS-GVO. Nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und bestimmte weitere Informationen. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Diese Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt (vgl. auch OLG Köln, Urteile vom 13.05.2022 - I-20 U 295/21, Rn. 48 ff. und I-20 U 198/21, Rn. 69 ff.; OLG Celle, Urteil vom 15.12.2022 - 8 U 165/22, Rn. 124 ff.).Abs. 53
aa) Bei den von dem Kläger begehrten Informationen handelt es sich um personenbezogene Daten im Sinne von Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO.Abs. 54
(1) Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach dieser Definition und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist diesem Begriff eine weite Bedeutung beizumessen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potentiell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen „über“ die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer identifizierbaren Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 04.05.2023 - C-487/21, Rn. 23 f.; BGH, Urteil vom 15.06.2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726, Rn. 22 m.w.Nachw.). Auch Schreiben eines Versicherungsunternehmens an den Versicherungsnehmer unterfallen dem Auskunftsanspruch insoweit, als sie Informationen über den Versicherungsnehmer nach diesen Kriterien enthalten. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Schreiben dem Kläger bereits bekannt sind oder bekannt waren. Denn die Auskunft soll den Kläger in die Lage versetzen, sich der Datenverarbeitung - bei der Beklagten - bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Er soll sich insbesondere vergewissern können, dass die ihn betreffenden Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden. Zu beachten ist ferner, dass der Auskunftsberechtigte grundsätzlich wiederholt Auskunft verlangen kann (vgl. Erwägungsgrund 63 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO). Auch dies spricht gegen die Annahme, dass das Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO sich auf Daten beschränkt, die dem Betroffenen noch nicht bekannt sind. Daher sind auch etwaige Zweitschriften und Nachträge zu dem Versicherungsschein nicht grundsätzlich vom datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch ausgeschlossen, soweit die darin enthaltenen personenbezogenen Daten bei der Beklagten verarbeitet werden (vgl. BGH, aaO, Rn. 25). Anerkannt ist, dass Informationen zu Vertragsbeziehungen einer Person unter den Begriff der personenbezogenen Daten fallen können (vgl. etwa BeckOK DatenschutzR/Schild, DS-GVO Art. 4 Rn. 3; Paal/Pauly/Ernst, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 4 Rn. 14).Abs. 55
(2) Nach diesen Kriterien sind die begehrten Informationen über Beitragsanpassungen in den vereinbarten Tarifen und den zugehörigen Versicherungsscheinen und Nachträgen zu Versicherungsscheinen personenbezogene Daten über den Kläger. Diese Informationen, die dem Versicherungsnehmer anlässlich einer Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilen waren, sind sowohl aufgrund ihres Inhalts als auch ihres Zwecks und ihrer Auswirkungen mit seiner Person verknüpft. Die Beitragsanpassung eines Versicherers in der Krankenversicherung ist auf eine Änderung der Vertragsbeziehung zu dem jeweiligen Versicherungsnehmer gerichtet und bezeichnet ihn sowohl im Versicherungsschein als auch im gegebenenfalls zugehörenden Anschreiben namentlich als Adressaten. Gegenstand der Information ist damit die auf die Person des Klägers bezogene Änderung des Entgelts, das er nach Mitteilung der Beklagten künftig für den Versicherungsschutz zu leisten hat. Betreffend seine Person werden diese Daten zur Vertragsänderung bei der Beklagten gespeichert; dies stellt sie auch nicht in Abrede. Unerheblich ist, ob der Kläger über die ihm anlässlich einer früheren Beitragsanpassung erteilten Informationen noch verfügt. Denn der Anspruch nach Art. 15 DS-GVO ist auf die Auskunft über die bei der Beklagten gespeicherten Informationen gerichtet. Durch die Ausübung des in Art. 15 DS-GVO vorgesehenen Auskunftsrechts muss es der betroffenen Person nicht nur ermöglicht werden, zu überprüfen, ob sie betreffende Daten richtig sind, sondern auch, ob sie in zulässiger Weise verarbeitet werden (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, aaO, Rn. 34). Der Auskunftsanspruch umfasst alle bei der Beklagten noch gespeicherten Informationen und ist deshalb auch nicht auf die aktuellste Beitragsanpassung beschränkt.Abs. 56
bb) Der Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO, eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung gestellt zu bekommen, umfasst auch die von dem Kläger begehrten Versicherungsscheine und Nachträge zum Versicherungsschein.Abs. 57
(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO dahin auszulegen, dass das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu erhalten, bedeutet, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten ausgefolgt wird. Dieses Recht setzt das Recht voraus, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die unter anderem diese Daten enthalten, zu erlangen, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch diese Verordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen, wobei insoweit die Rechte und Freiheiten anderer zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, aaO, Rn. 54). Zu den durch die Verordnung verliehenen Rechten der betroffenen Person, deren Ausübung das Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO insbesondere ermöglichen soll, gehören ihr Recht auf Berichtigung, ihr Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“) und ihr Recht auf Einschränkung der Verarbeitung, die ihr nach den Art. 16, 17 bzw. 18 DS-GVO zukommen, sowie ihr in Art. 21 DS-GVO vorgesehenes Recht auf Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten oder im Schadensfall ihr in den Art. 79 und 82 DS-GVO vorgesehenes Recht auf Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs (EuGH, aaO, Rn. 35).Abs. 58
(2) Nach diesem Maßstab besteht ein Anspruch des Versicherungsnehmers darauf, die Versicherungsscheine und Nachträge zum Versicherungsschein zur Verfügung gestellt zu bekommen (vgl. im Ergebnis auch OLG Köln, Urteile vom 13.05.2022 - I-20 U 295/21, Rn. 57 f. sowie I-20 U 198/21, Rn. 78 f.; OLG Celle, aaO, Rn. 134 ff.). Der Versicherungsschein nach § 3 VVG hat für den Versicherungsnehmer unter anderem die Funktion, ihn über die wesentlichen Inhalte des abgeschlossenen Vertrages zu informieren und Beweis für diese zu erbringen (Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 7. Aufl., Rn. 1; Langheid/Wandt/Armbrüster, 3. Aufl., VVG § 3 Rn. 2, jew. m.w.Nachw.); Gleiches gilt für einen Änderungsnachtrag. Im Hinblick auf diese Funktionen hat der Versicherungsschein als Vertragsurkunde in ihrer konkreten Gestalt Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis des Versicherungsnehmers zu seiner Versicherung. Für den Versicherungsnehmer ist es deshalb unerlässlich, Auskunft mit dem vollständigen hinsichtlich der Beitragsanpassung geänderten Inhalt und Wortlaut zu erhalten, der in dem Versicherungsschein als maßgebender Vertragsurkunde enthalten und bei der Beklagten gespeichert ist. Durch die Ausübung des in Art. 15 DS-GVO vorgesehenen Auskunftsrechts muss es der betroffenen Person ermöglicht werden, zu überprüfen, ob sie betreffende Daten richtig sind (EuGH, aaO, Rn. 34). Dies erfordert es nach dem Zweck des Art. 15 DS-GVO zwingend, dem Versicherungsnehmer auch den jeweiligen Versicherungsschein bzw. Nachtrag zur Verfügung zu stellen, damit er, sofern sich die Unrichtigkeit der im Versicherungsschein gespeicherten Daten herausstellt, insbesondere von seinem Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DS-GVO oder Löschung nach Art. 17 DS-GVO Gebrauch machen kann. Sollte der Versicherungsschein oder ein entsprechender Nachtrag bei der Beklagten nicht in Form dieser Urkunde, sondern lediglich als Datensatz gespeichert sein, bezieht sich der Informationsanspruch des Klägers auf diesen vollständigen Datensatz als Äquivalent (vgl. auch OLG Celle, aaO, Rn. 135 ff.). Rechte und Freiheiten anderer, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu berücksichtigen sind, stehen dem Anspruch nicht entgegen. Da die Versicherung dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschein bzw. einen Nachtrag hinsichtlich der Änderung ohnehin zu übermitteln hat (§ 3 Abs. 1 VVG), stellen diese Unterlagen kein im Versicherungsverhältnis zu wahrendes Geschäftsgeheimnis dar.Abs. 59
cc) Die Beklagte kann sich nicht nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 b) DS-GVO weigern, aufgrund des Antrages tätig zu werden. Dies setzt einen offenkundig unbegründeten oder - insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung - exzessiven Antrag einer betroffenen Person voraus. Der Antrag des Klägers erfüllt diese Voraussetzungen nicht (a.A. für vergleichbare Fälle jedoch OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021 - I-20 U 269/21, Rn. 9 ff.; OLG Nürnberg, Urteil vom 14.03.2022 - 8 U 2907/21, Rn. 43 ff.; OLG Brandenburg, Urteil vom 14.04.2023 - 11 U 183/22, Rn. 15 ff.).Abs. 60
(1) Der Antrag ist weder offenkundig unbegründet noch insbesondere durch häufige Wiederholungen exzessiv. Die begehrten Auskünfte und Kopien der maßgeblichen Unterlagen sind nicht (offenkundig) vom Anwendungsbereich des Art. 15 DS-GVO ausgeschlossen; ihre Speicherung bei der Beklagten steht nicht im Streit. Auch begehrt der Kläger mit seiner Klage erstmalig die Erteilung der Auskünfte.Abs. 61
(2) Ein Weigerungsrecht der Beklagten kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die begehrte Auskunft nicht dem in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zweck dient, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren (datenschutzrechtliche) Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.Abs. 62
Zwar wird aus dem Klagevorbringen des Klägers deutlich, dass es ihm nicht um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der über ihn gespeicherten Daten, sondern um die Erlangung von Informationen zum Zwecke der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche auf Rückerstattung von Beiträgen geht, die er aufgrund von Prämienanpassungen gezahlt hat, so dass der Anspruch nach Art. 15 DS-GVO nur als Mittel zur Verfolgung dieses nicht datenschutzrechtlichen Ziels dient. Jedoch macht Art. 15 DS-GVO seinem Wortlaut nach das Bestehen der dort geregelten Rechte und Pflichten nicht von einer Motivation abhängig, die dem oben genannten Schutzzweck entspricht; die Norm verlangt von dem Betroffenen auch nicht, sein Begehren auf Erteilung von Auskunft und Kopie zu begründen. Dies deutet darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber es grundsätzlich dem freien Willen des Betroffenen überlassen wollte, ob und aus welchen Gründen er seine Rechte aus Art. 15 DS-GVO einfordert. Dafür spricht auch, dass die betroffene Person sich durch die Erteilung von Auskunft und Kopie auf der Grundlage von Art. 15 DS-GVO der Datenverarbeitung auch dann bewusst wird und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann, wenn sie diese aus anderen Gründen verlangt hat, der Zweck der Vorschrift also letztlich unabhängig von der Motivation des Betroffenen erreicht werden kann (vgl. BGH, Vorlagebeschluss vom 29.03.2022 - VI ZR 1352/20, VersR 2022, 954, Rn. 18; anhängig beim Gerichtshof der Europäischen Union unter dem Aktenzeichen C-307/22). Daher ist allein aufgrund des Umstandes, dass das Verlangen des Betroffenen nach Auskunft und einer Kopie der verarbeiteten Daten nicht durch den Schutz der Vorschrift motiviert ist, nicht auf einen offenkundig unbegründeten oder exzessiven Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO zu schließen (vgl. BGH, aaO, Rn. 19; ebenso OLG Celle, aaO, Rn. 130 m.w.Nachw.).Abs. 63
Aus dieser Motivation des Klägers lässt sich auch nicht ein aus sonstigen Gründen des nationalen Rechts oder des Unionsrechts rechtsmissbräuchliches Verhalten ableiten (vgl. im Einzelnen BGH, aaO, Rn. 19 f.). Dies entspricht auch dem Rechtsstandpunkt des Generalanwalts beim Gerichtshof der Europäischen Union. Dieser hat in dem vorgenannten Vorabentscheidungsverfahren in seinen Schlussanträgen die Auffassung vertreten, Art. 12 Abs. 5 und Art. 15 Abs. 3 DS-GVO seien dahin auszulegen, dass der Verantwortliche verpflichtet ist, der betroffenen Person eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen, und zwar auch dann, wenn die betroffene Person die Kopie nicht für die im 63. Erwägungsgrund der DS-GVO genannten Zwecke, sondern für einen anderen, datenschutzfremden Zweck beantragt (Schlussanträge vom 20.04.2023 - C-307/22).Abs. 64
dd) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Auskunftsanspruch nicht verjährt. Zum einen verjährt der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch so lange nicht, wie die Daten bei dem Verantwortlichen gespeichert sind (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 13.05.2022, I-20 U 198/21, Rn. 89). Zum anderen ist zu dem Auskunftsanspruch aus § 242 BGB anerkannt, dass dieser grundsätzlich nicht vor dem Hauptanspruch, dem er dient, verjährt (BGH, Urteil vom 25.07.2017 - VI ZR 222/16, VersR 2017, 1160). Es ist weder dargelegt noch im Übrigen ersichtlich, dass bei Auskunftsansprüchen auf anderer rechtlicher Grundlage, die mittels einer zulässigen Stufenklage der Durchsetzung eines Hauptanspruchs zu dienen bestimmt sind - wie hier nach Art. 15 DS-GVO -, eine andere Beurteilung geboten wäre. Für den vorliegenden Fall kann eine Verjährung sämtlicher denkbarer Hauptansprüche, auch soweit sie auf eine unwirksame Beitragsanpassung aus dem ersten Auskunftsjahr 2011 gestützt werden sollten, nicht festgestellt werden; anderes zeigt auch die Beklagte nicht auf.Abs. 65
3. Dagegen hat die Berufung keinen Erfolg, soweit der Kläger Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages seit dem 01.01.2012 begehrt.Abs. 66
a) Eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung ergibt sich nicht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO, weil es sich bei der jeweiligen Höhe der auslösenden Faktoren nicht um personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO handelt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.03.2023 - 25 U 227/22, Rn. 56 m.w.Nachw.). Der eine Beitragserhöhung auslösende Faktor ist lediglich ein Bestandteil der Kalkulationsgrundlage des Versicherers für die Prämienanpassung, die nicht unmittelbar, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb einer Gruppe von Versicherungsnehmern (vgl. § 155 Abs. 3 und 4 VAG) zu einer Beitragsänderung und damit zu einer Änderung in der Vertragsbeziehung zu einem bestimmten Versicherungsnehmer führen kann. Es handelt sich nicht um Informationen, die mit Bezug zur Person des Klägers gespeichert werden.Abs. 67
b) Der Auskunftsanspruch ist auch nicht nach § 242 BGB begründet (a.A. für die vorliegende Fallgestaltung OLG Köln, Urteil vom 28.04.2023 - 20 U 261/22, Rn. 10 ff.).Abs. 68
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebieten es Treu und Glauben, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte, der zur Durchsetzung seiner Rechte auf die Auskunft angewiesen ist, in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen (BGH, Beschluss vom 02.07.2014 - XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571, Rn. 13; Urteil vom 02.12.2015 - IV ZR 28/15, VersR 2016, 173, Rn. 15, jew. m.w.Nachw.).Abs. 69
bb) Der Kläger benötigt indes die begehrte Auskunft zur Durchsetzung eines Anspruches etwa auf Rückerstattung gezahlter Beiträge nicht.Abs. 70
Für die Frage der formellen Wirksamkeit einer Beitragsanpassung nach § 203 Abs. 5 VVG als Anspruchsgrund ist die Höhe des auslösenden Faktors nicht von Bedeutung, da der Versicherer zu solchen Angaben nicht verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56, Rn. 35; Urteil v. 16.12.2020 - IV ZR 314/19, RuS 2021, 95, Rn. 37).Abs. 71
Soweit die daneben ohnehin bereits erhobene Stufenklage auch auf eine etwaige materielle Unwirksamkeit von Prämienanpassungen gestützt werden soll, bedarf es insoweit keines näheren Vortrags des Klägers; denn in einem gerichtlichen Verfahren hat der Versicherer darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen für die erhöhte Prämie vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.2022 - IV ZR 193/20, RuS 2022, 462, Rn. 51 m.w.Nachw.). Der Kläger ist deshalb prozessual nicht gehalten, zur schlüssigen Begründung seiner Klage die Höhe der auslösenden Faktoren zu benennen, sondern darf sich mit einem Bestreiten der materiellen Voraussetzungen einer Beitragsanpassung begnügen, zu denen auch die Erreichung des Schwellenwerts nach § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 bzw. Abs. 4 Satz 2 VAG gehört (vgl. auch OLG Karlsruhe, aaO, Rn. 60).Abs. 72
4. Der Senat macht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch, das Verfahren zur Entscheidung über die weiteren Anträge der Stufenklage einschließlich des hiervon abhängigen Antrags hinsichtlich der Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten an das Landgericht zurückzuverweisen; auf die vorliegende Fallgestaltung ist § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 03.05.2006 – VIII ZR 168/05, NJW 2006, 2626, Rn. 13 ff.). Beide Parteien haben den hierzu erforderlichen Antrag hilfsweise gestellt.Abs. 73
5. Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorbehalten (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, § 254 Rn. 33). Das Urteil und, soweit es hinsichtlich der Klageabweisung Bestand hat, das angefochtene Urteil sind nach § 708 Nr. 10 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Ausspruch zur Abwendungsbefugnis folgt aus § 711 Satz 1 ZPO. Soweit es um den der Beklagten drohenden Vollstreckungsschaden geht, ist die Höhe nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten der Auskunftserteilung zu bemessen (vgl. BGH, Beschluss vom 01.03.2018 - I ZB 97/17, Rn. 18 m.w.Nachw.); dieser übersteigt 500 € nicht. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass ihm seinerseits ein höherer Vollstreckungsschaden droht.Abs. 74
6. Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung; außerdem erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt werden.Abs. 75
7. Der Senat hat beschlossen, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 10.750 € festzusetzen (§§ 44, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO und § 9 ZPO analog); die Wertfestsetzung beruht auf der Angabe des Klägers.Abs. 76

(online seit: 26.09.2023)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Koblenz, OLG, Auskunft nach Art. 15 DSGVO gegenüber Versicherung - JurPC-Web-Dok. 0135/2023