JurPC Web-Dok. 122/2023 - DOI 10.7328/jurpcb2023389122

LG Frankenthal

Urteil vom 22.05.2023

6 O 18/23

Unterlassung einer Online-Bewertung

JurPC Web-Dok. 122/2023, Abs. 1 - 48


Leitsätze (der Redaktion):

1. Wer in einem Online-Bewertungsportal negative Tatsachen zulasten eines Unternehmens behauptet, muss im Zweifel beweisen, dass diese Fakten auch zutreffend sind. Gelingt der Beweis nicht, so kann der Betroffene verlangen, dass die Bewertung unterlassen wird.

2. Einen geldwerten Vorteil für den Fall einer Bewertung verspricht auch derjenige, der für die Abgabe der Bewertung einen XXX-Gutschein anbietet.

Tatbestand:

Der Kläger betreibt in XXX ein Umzugsunternehmen. Der Beklagte beauftragte den Kläger mit der Durchführung seines Umzugs innerhalb XXX am 04.05.2021. Zum Ende des Umzugs unterschrieb der Beklagte ein mit „Abnahmeprotokoll“ betiteltes Formular, in dem er bestätigte, dass er die transportierten Gegenstände kontrolliert habe und dass diese intakt seien. Einige Monate später veröffentlichte der Beklagte eine Bewertung des klägerischen Unternehmens mit einem Stern bei Google mit folgendem Inhalt:Abs. 1
XXXAbs. 2
Diese Bewertung wird bei XXX und in der XXX-Suche angezeigt und ist für jedermann frei abrufbar. Das XXX-Profil des Klägers mit der entsprechenden Durchschnittsbewertung ist das Erste, was eine Person, die auf XXX nach der Firma des Klägers sucht, angezeigt bekommt. Daher hat der Eintrag für den Kläger eine herausragende repräsentative Bedeutung. Mit Schreiben vom 27.09.2021 mahnte der Kläger den Beklagten über seine Prozessbevollmächtigten ab.Abs. 3
Der Kläger behauptet, der Beitrag des Beklagten enthalte unwahre Tatsachenbehauptungen, die für ihn rufschädigend seien. Seine Mitarbeiter hätten keinen Schaden verursacht; auch habe er nicht versprochen, einen solchen zu beseitigen. Allein aus Gründen der Kundenzufriedenheit habe er angeboten, dass der Schaden angesehen und beseitigt werde, wenn dies ihm mit nur leichtem Aufwand möglich sei. Er habe dem Beklagte auch kein Geld für eine Bewertung angeboten, sondern einen XXX-Gutschein für den Fall, dass noch am Tag des Umzugs eine Bewertung bei XXX eingestellt werde. Diese habe nicht in seiner Anwesenheit abgegeben werden müssen, sondern es sei auch möglich gewesen, diese zu erstellen, während der Umzug von ihm und seinen Mitarbeitern abgeschlossen wurde. Er ist daher der Ansicht, der Beklagte sei zur Unterlassung verpflichtet. Außerdem sei dieser verpflichtet, ihm die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten zu erstatten.Abs. 4
Er beantragt,Abs. 5
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder bei Meidung einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, in Bezug auf ihn die folgenden Behauptungen aufzustellen, zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten:Abs. 6
„(…) aber gab es Schaden an einem Möbelstück und entgegen dem, was uns versprochen wurde, die Schaden sind nicht nachträglich repariert worden. Hättet die Firma es ernst uns gesagt, wurde die Bewertung vielleicht höher sein. (…) Zudem fande ich besorgniserregend, dass ich Geld für eine Bewertung angeboten wurde, was in sich selbst ok ist, aber die Bewertung musste ich vor dem Vorgesetzer / Eigentümer der Firma schreiben. Das schadet meiner Ansicht nach die Glaubwürdigkeit der Bewertungen. (…)“, wenn dies geschieht wie in der nachfolgend als Screenshot eingeblendeten XXX-Bewertung:Abs. 7
XXXAbs. 8
frei abrufbar unter der URL: XXXAbs. 9
2. den Beklagten zu verurteilen, ihn von der Zahlung der ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gegenüber den Klägervertretern in Höhe von 818,20 € freizustellen.Abs. 10
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.Abs. 11
Er behauptet, die Tatsachen seien wahr. Die Mitarbeiter des Klägers hätten während des Umzugs eine Kommode beschädigt. Die Reparatur sei ihm noch am Umzugstag vom Kläger zugesagt worden. Der Kläger habe ihm außerdem einen Rabatt von 50,00 € versprochen, wenn er eine positive Bewertung bei XXX abgebe. Diese habe er in Anwesenheit des Klägers verfassen sollen. Der Kläger habe ihm dafür sein eigenes Handy zur Verfügung gestellt.Abs. 12
Das Gericht hat die Parteien angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen XXX. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 08.05.2023 (Bl. 52 ff. d.A.) Bezug genommen.Abs. 13

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist zulässig. Das angerufene Gericht ist jedenfalls nach § 39 ZPO zuständig, da der Beklagte eine etwaige Unzuständigkeit nicht gerügt hat.Abs. 14
II. Die Klage ist aber nur teilweise begründet.Abs. 15
1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB hinsichtlich der Behauptung, er bzw. sein Unternehmen habe einen Schaden am Umzugsgut verursacht, dessen Reparatur versprochen, aber nicht durchgeführt. Der Anspruch folgt im Übrigen auch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK, mithin aus der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers.Abs. 16
a) Zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht zählt das Recht der persönlichen Ehre, mit welchem der Einzelne vor einer Miss- oder Nichtachtung seines Ansehens, mithin in seinem sozialen Geltungsanspruch gegenüber Dritten geschützt wird. Es findet seine Schranken gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in der verfassungsmäßigen Ordnung einschließlich der Rechte anderer. Zu diesen Rechten gehört auch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK.Abs. 17
Allerdings ist auch die Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet ihrerseits ihre Schranken gemäß Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Diese sich gegenüberstehenden Positionen sind unter Berücksichtigung der im konkreten Einzelfall betroffenen unterschiedlichen Interessen und des Ausmaßes der jeweiligen Beeinträchtigung in ein Verhältnis zu bringen, das ihnen jeweils angemessen Rechnung trägt (BVerfG, NJW 2014, 764 ff. m.w.N., st. Rspr.).Abs. 18
Vorliegend überwiegt das Schutzinteresse des Klägers den schutzwürdigen Belangen des Beklagten. Es liegt eine unwahre Tatsachenbehauptung vor. Eine Verbreitung unwahrer Tatsachen ist rechtswidrig. Unwahre Tatsachenbehauptungen fallen von vornherein nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG und sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kein schützenswertes Gut (vgl. BVerfG, NJW-RR 2006, 1130 f.; BGH, BGHZ 199, 237 ff.).Abs. 19
Gleiches gilt für unvollständige Tatsachenschilderungen oder das Erwecken von falschen Eindrücken (vgl. BGH, NJW 2006, 601 ff.; BGH, NJW 2004, 598 ff.). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen besteht also grundsätzlich kein Rechtfertigungsgrund, da diese schon nicht von der Meinungsäußerungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG umfasst sind. Insoweit überwiegt vorliegend das von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 GG gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung, seiner (Berufs-)Ehre und seines Gewerbebetriebs den von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Beklagten an der Veröffentlichung und Kommunikation der streitgegenständlichen Bewertung.Abs. 20
Bei der Einordnung einer Aussage als Meinungsäußerung oder Tatsachenäußerung ist zunächst der objektive Sinn der Äußerung zu ermitteln (vgl. BVerfG NJW 2012, 1643 ff.; NJW 2012, 2193 ff.; BGH NJW 2008, 2110 ff.). Hierbei kommt es weder auf die subjektive Ansicht des sich Äußernden noch auf das subjektive Verständnis des Betroffenen an. Maßgeblich ist vielmehr der Sinn, den die Äußerung nach Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat (vgl. BVerfG NJW 2013, 217 ff.). Eine Tatsachenbehauptung beschreibt wirklich geschehene oder existierende, dem Beweis bzw. der objektiven Klärung zugängliche Umstände (vgl. BVerfG NJW 2006, 207 ff.; BVerfG NJW 2003, 1109 ff.). Dagegen liegt eine Meinungsäußerung vor, wenn diese in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist oder der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber dem Wertungscharakter in den Hintergrund tritt. Soweit eine Tatsachenbehauptung mit einem Werturteil verbunden ist bzw. beides ineinander übergeht, ist darauf abzustellen, was im Vordergrund steht und damit überwiegt.Abs. 21
Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie sich nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. BGH, AfP 2015, 425 ff.; BGH, MDR 2015, 150 ff. m.w.N.).Abs. 22
Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BGH, NJW 2013, 790 ff.; BVerfG, NJW-RR 2010, 470 ff.).Abs. 23
b) Die Äußerungen des Beklagten sind vor dem Hintergrund der oben dargelegten Maßstäbe als nicht gerechtfertigter Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu qualifizieren. Die Aussage stellt eine üble Nachrede im Sinne von § 186 StGB dar, weshalb der Beklagte ausnahmsweise für deren Wahrheit beweisbelastet ist, diesen Beweis jedoch nicht erbringen konnte.Abs. 24
Der Beklagte bezichtigt den Kläger mit seiner zu unterlassenden Äußerung damit, einen Schaden verursacht, mithin seine Pflichten aus dem Vertragsverhältnis verletzt zu haben und seine daraufhin gegebene Zusage, den Schaden wiedergutzumachen, nicht eingehalten zu haben, was zwanglos eine Tatsachenbehauptung darstellt, die den Kläger in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist. Durch die Veröffentlichung der Bewertung ist es auch zu einer Verbreitung im Sinne von § 186 StGB gekommen. Der Beklagte handelte vorsätzlich. Subjektiv ist Sinn und Zweck einer Bewertung, dass sie von Dritten zur Kenntnis genommen wird. Der objektive Sinngehalt ist für den Beklagten aus der Formulierung erkennbar gewesen.Abs. 25
Der beweisbelastete Beklagte konnte nicht nachweisen, dass tatsächlich ein Schaden vom Kläger bzw. seinen Mitarbeitern verursacht worden ist und dass der Kläger versprochen hat, den Schaden beseitigen zu lassen, dieses Versprechen aber nicht eingehalten hat. Werden auf Grund von unwahren Tatsachenbehauptungen zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht, liegt die Beweislast für die Unwahrheit zwar nach allgemeinen Regeln beim Kläger. Eine Beweislastumkehr findet jedoch wie hier im Anwendungsbereich der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB statt, wonach eine Strafbarkeit besteht, wenn die Tatsachenbehauptung nicht erweislich wahr ist (BGH, NJW 1996, 131 ff.; BGH, GRUR 2014, 1126 ff.; BVerfG NJW 2016, 3360 ff.).Abs. 26
Der Beklagte hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben, dass seine Ehefrau den Schaden gegen Ende des Umzugs erstmals entdeckt habe. Das ist schwer nachvollziehbar, insbesondere, da der Beklagte nach seinen Angaben die Möbel 10-15 Minuten lang selbst inspiziert hat, bevor er das „Abnahmeprotokoll“ unterzeichnet hat. Es ist nicht nachvollziehbar, dass er den 20-30 cm langen Schaden an der Oberseite der Kommode bei dieser Begutachtung nicht gesehen hat. Dies gilt umso mehr, als er nach seinen Angaben zu Beginn des Umzugs bereits ein lautes Geräusch gehört hatte und daher wissen musste, dass es an der Kommode zu einem Schaden gekommen war. Da hätte es, selbst bei Berücksichtigung des Stresses, den ein Umzug, noch dazu in Anwesenheit eines Säuglings, mit sich bringt, nahegelegen, nach genau diesem Schaden zu suchen. Entsprechendes gilt für die Aussage der Zeugin XXX, die Vergleichbares bekundet hat. Hier kommt noch hinzu, dass die Angaben der Zeugin XXX darüber, wer dem Kläger vor Ort den Schaden gezeigt oder ihn darauf angesprochen hat, sehr vage waren. Sie konnte dazu keine konkreten Angaben machen. Auch wusste sie nicht mehr genau, ob sie überhaupt dabei war.Abs. 27
Die Angaben des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung sprechen überdies gegen einen solchen Schaden. Hiernach war ein solcher am Umzugstag gar kein Thema, sondern wurde erst eine Woche später telefonisch gerügt. Die Einlassung des Klägers allein ist allerdings nicht besonders glaubhaft, da der Kläger im Rahmen des Rechtsstreits unterschiedlich vorgetragen hat. In der Klageschrift hat er noch behauptet, der Schaden sei zu keinem Zeitpunkt, auch nicht nachträglich, gerügt worden und es hätten auch keinerlei Bemühungen stattgefunden, um den Schaden zu reparieren. Diesen Vortrag hat er im Laufe des Verfahrens korrigiert, wobei nicht zu vernachlässigen ist, dass der Beklagte vorgebracht hat, Beweise für die getätigten Anrufe zu haben.Abs. 28
Letztlich ist bei der Beweiswürdigung auch die Aussage des Zeugen XXX zu berücksichtigen. Dieser hatten an den konkreten Umzug zwar keinerlei Erinnerung. Er konnte lediglich mitteilen, dass er zweimal beim Beklagten gewesen sei; beim zweiten Mal zu dem Zweck, etwas zu reparieren. Der Zeuge hat aber äußerst glaubhaft bekundet, dass er einen Schaden, wie er hier ausweislich der Lichtbilder in der Anlage B 1, die dem Zeugen vorgehalten wurde, entstanden ist, bemerkt und auch gegenüber dem Beklagten angesprochen hätte. Er führe seit 30 Jahren Umzüge durch und dabei sei es seine Art, dass er für durch das Umzugsunternehmen verursachte Schäden sofort eine Ausgleichsleistung anbiete, wie z.B. der Anschluss der Waschmaschine oder das Aufhängen von Bildern. Der Zeuge hat dies sehr anschaulich geschildert. Bei seiner Aussage hat er Erinnerungslücken freimütig zugegeben, war den Wahrheitsgehalt seiner Aussage erhöht.Abs. 29
Allein die Tatsache, dass die Mitarbeiter des Klägers den Schaden versucht haben zu beseitigen, spricht nicht dafür, dass die Mitarbeiter des Klägers den Schaden verursacht haben, da eine solche Schadensbeseitigung auch aus Kulanz erfolgen kann, was laut Angaben des Klägers auch regelmäßig geschieht. Insgesamt fällt es schwer zu glauben, dass der Beklagte das Umzugsunternehmen für einen vor dem Umzug oder nachträglich entstandenen Schaden verantwortlich machen will, es gibt aber so viele Anhaltspunkte, die gegen eine Verursachung durch das Umzugsunternehmen sprechen, dass das Gericht nicht in einem § 286 ZPO genügenden Maße überzeugt ist, so dass ein sog. non liquet besteht, das, wie oben ausgeführt, zu Lasten des Beklagten geht.Abs. 30
Eine weitere Beweisaufnahme, insbesondere durch Vernehmung des Beklagten als Partei, ist nicht zulässig. Eine Parteivernehmung nach § 447 ZPO scheitert am fehlenden Einverständnis des Klägers, eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO am fehlenden Anbeweis.Abs. 31
c) Da der Beklagte keine Unterlassungserklärung abgegeben hat und im Übrigen die Äußerung nach wie vor im Internet zu finden ist, besteht auch eine Wiederholungsgefahr.Abs. 32
d) Die Behauptung stellt zugleich den Tatsachenkern der an sich als Meinungsäußerung einzustufenden Behauptung „Hättet die Firma es ernst uns gesagt, wurde die Bewertung vielleicht höher sein“, welche daher ebenfalls zu unterlassen ist.Abs. 33
2. Keinen Unterlassungsanspruch hat der Kläger hingegen hinsichtlich der Behauptung, der Kläger habe dem Beklagten Geld für eine Bewertung bei XXX angeboten und der Beklagte habe diese Bewertung vor dem Eigentümer der Firma abgeben müssen.Abs. 34
Dieser Anspruch besteht weder nach §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB noch nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 12 GG, Art. 8 EMRK noch nach §§ 1004, 824 BGB. Denn diese Äußerung ist wahr.Abs. 35
a) Bei der Behauptung, der Kläger habe dem Beklagten Geld für eine Bewertung angeboten und er habe diese „vor dem Eigentümer“ abgeben müssen, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, die dem Beweis zugänglich ist. Diese bildet zugleich den Tatsachenkern der im Anschluss angeführten Meinungsäußerung.Abs. 36
Die Wahrheit dieser Tatsachenbehauptung ergibt sich schon aus der Einlassung des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 08.05.2023.Abs. 37
Hiernach biete er seinen Kunden einen XXX-Gutschein an, wenn sie unmittelbar am Tag des Umzugs, und zwar während der Kläger bzw. seine Mitarbeiter noch vor Ort seien, eine Bewertung bei XXX abgäben. Grund dafür sei, dass auf negative Bewertungen unmittelbar reagiert werden könne. Dies steigere die Kundenzufriedenheit.Abs. 38
Bei der Deutung von Äußerungen ist auch der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, NJW-RR 2017, 98 ff. m.w.N.).Abs. 39
Letztlich bedeutet die Äußerung des Klägers nichts anderes als dass der Kläger Kunden einen geldwerten Vorteil für den Fall einer Bewertung verspricht, wenn diese abgegeben wird, während er bzw. seine Mitarbeiter noch in der Wohnung sind. Dabei ist vorausgesetzt, dass der Kläger und seine Mitarbeiter die Bewertung vor Ort noch zur Kenntnis nehmen (um auf negative Bewertungen reagieren zu können, wie der Kläger vorbringt). Dieses Vorgehen ist geeignet, einen gewissen Druck auf die Kunden hinsichtlich des Inhalts der Bewertung auszuüben, da diese kaum in Anwesenheit der Mitarbeiter eine negative Bewertung abgeben werden, insbesondere dann nicht, wenn ihnen ein geldwerter Vorteil für die Abgabe der Bewertung versprochen wird. Dies gilt selbst wenn der geldwerte Vorteil nicht vom Inhalt der Bewertung abhängig gemacht wird. Genau dies ist aber das, was der Beklagte in seiner Bewertung anprangert. Dass u.U. nicht Geld, sondern ein geldwerter Gutschein versprochen wird, oder dass die Bewertung nicht „vor“ dem Kläger, sondern in Anwesenheit des Klägers verfasst werden soll, ist für diese Beurteilung nachrangig. Der Beklagte hat die Vorgänge in seiner Bewertung daher sinngemäß genauso geschildert wie der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung.Abs. 40
Ob der Kläger einen XXX-Gutschein im Wert von 20,00 € - 30,00 € oder einen Rabatt von 50,00 € angeboten hat, ist für diese Bewertung ebenso unerheblich wie die Frage, ob der Kläger dem Beklagten sein eigenes Handy für die Erstellung der Bewertung zur Verfügung gestellt hat.Abs. 41
Auf die Aussage der Zeugin XXX kommt es insoweit mithin nicht an. Die Aussage des Zeugen XXX war hinsichtlich dieser zweiten Behauptung gänzlich unergiebig, da der Zeuge sich an Gespräche vor Ort nicht erinnern konnte. XXX-Bewertungen können nur dann ihren Zweck als Entscheidungshilfe für etwaige Kunden erfüllen, wenn sie ehrlich und wahrheitsgemäß sind. Deswegen besteht ein herausragendes Interesse der Öffentlichkeit daran, dass Missstände im Rahmen des Bewertungssystems aufgedeckt werden. Das Ausüben von Druck auf Kunden, eine positive Bewertung abzugeben, wie es hier der Fall ist, ist geeignet, die für den Kläger abgegebenen Bewertungen zu verfälschen und damit den Verkehr zu täuschen. Der Kläger hat die Verbreitung dieser wahren Tatsachenbehauptung hinzunehmen. Ein Ausnahmefall, in dem die Verbreitung von wahren Tatsachenbehauptungen untersagt werden kann (hierzu vgl. BVerfG NJW 2009, 3357 ff.; BGH, BGHZ 222, 196 ff.), ist vorliegend nicht gegeben.Abs. 42
b) Dass der geldwerte Vorteil nur bei einer positiven Bewertung versprochen wurde, was möglicherweise unwahr ist, hat der Beklagte in seiner veröffentlichten Bewertung nicht behauptet.Abs. 43
c) Bei dem Zusatz „Das schadet meiner Ansicht nach die Glaubwürdigkeit der Bewertungen.“ handelt es sich um eine zulässige Meinungsäußerung, die nach Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützt ist und auch nach Abwägung mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers nach Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK nicht untersagt werden kann.Abs. 44
3. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Der Anspruch folgt weder aus § 823 Abs. 1 BGB, noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB, noch aus § 824 BGB noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB). Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat den Beklagten aufgefordert, eine vollumfängliche Unterlassungserklärung abzugeben. Hinsichtlich der Behauptung, der Kläger habe ihm Geld versprochen, war diese aber nicht geschuldet. Eine Aufteilung der Rechtsanwaltskosten auf die zwei unterschiedlichen Behauptungen ist nicht möglich.Abs. 45
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.Abs. 46
BeschlussAbs. 47
Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.Abs. 48

(online seit: 06.09.2023)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Frankenthal, LG, Unterlassung einer Online-Bewertung - JurPC-Web-Dok. 0122/2023