JurPC Web-Dok. 84/2023 - DOI 10.7328/jurpcb202338684

LG Landau (Pfalz)

Urteil vom 25.05.2023

2 O 84/22

Rückzahlung von verlorenen Spieleinsätzen bei Online-Glücksspielen

JurPC Web-Dok. 84/2023, Abs. 1 - 63


Leitsatz (der Redaktion):

Verlorene Spieleinsätze bei verbotenen Online-Glücksspielen können zurückgefordert werden, wenn in dem betreffenden Spielzeitraum der Vertrag über die Teilnahme an dem betriebenen Online-Glücksspiel gemäß § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nichtig war, indem das Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Rheinland-Pfalz zugänglich gemacht wurde.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung von verlorenen Spieleinsätzen aus dem Jahr 2021 im Rahmen von Online-Glücksspielen.Abs. 1
Die Beklagte ist Betreiberin der Internetseite www.lottohelden.de, die öffentlich Glücksspiele im Internet anbietet. Sie hat ihren Sitz auf Malta. Sie verfügt über eine maltesische Lizenz, nicht aber über eine Glücksspiellizenz einer deutschen Behörde.Abs. 2
Die Klägerin nahm im Jahr 2021 auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite www.lottohelden.de an Online-Glücksspiel, namentlich an Roulette, teil. Im Zeitraum vom 08.01.2021 bis zum 30.12.2021 zahlte die Klägerin einen Betrag in Höhe von insgesamt 86.098,00 € ein. Zu den im Einzelnen eingezahlten Beträgen wird auf die Anlage K 3 verwiesen. Die Beklagte zahlte in diesem Zeitraum an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 29.079,00 € aus. Die Differenz der Ein- und Auszahlungen für das Jahr 2021 beträgt mithin insgesamt 57.019,00 €.Abs. 3
In den Vertrag wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten einbezogen, die unter Punkt 21. („Anzuwendendes Recht“) die Anwendbarkeit der Gesetze von Malta sowie eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte von Malta vorsehen.Abs. 4
Unter dem Datum vom 08.02.2022 wurde die Beklagte erstmals aufgefordert den klageweise geltend gemachten Betrag bis zum 22.02.2022 zu zahlen. Mit weiterem Schreiben vom 01.03.2022 wurde die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 15.03.2022 zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 57.019,00 € aufgefordert.Abs. 5
Die Klägerin trägt vor,Abs. 6
zu keinem Zeitpunkt außerhalb Deutschlands oder im Land Schleswig-Holstein an Online-Glücksspiel teilgenommen zu haben. Sie habe als Verbraucherin gehandelt und angenommen, dass die von der Beklagten in Deutschland angebotenen Online-Glücksspiele gesetzlich erlaubt gewesen seien. Ihre Zahlungen an die Beklagte seien über den Laptop und ihr Mobiltelefon erfolgt. Dabei habe sie sich stets zu Hause in ihrer Wohnung in Annweiler am Trifels aufgehalten. Sie sei spielsüchtig gewesen. Sie habe heimlich gespielt und auch nachts. Ihr ganzes Leben habe sich um das Spielen gedreht.Abs. 7
Die Klägerin ist der Ansicht, das Landgericht Landau sei örtlich zuständig und deutsches Recht komme zur Anwendung. Sie sei Verbraucherin i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit b) ROM I-VO.Abs. 8
Auf das Rechtsverhältnis der Parteien finde deutsches Recht Anwendung. Die AGB-Klausel zum anwendbaren Recht sei unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Ihr stünden Ansprüche auf Rückzahlung aller von ihr bei den Glücksspielen verlorener Gelder zu. Die Spielverträge seien nach § 134 BGB nichtig, die Verluste seien gemäß §§ 812, 818 BGB zurückzuerstatten. Die Beklagte habe gegen das Online-Glücksspielverbot der GlüStV 2012 und den Erlaubnisvorbehalt der GlüStV 2021 verstoßen. Daneben bestehe auch ein deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den Glücksspielstaatsverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung.Abs. 9
Wegen des weiteren Vortrags der Klägerin wird Bezug genommen auf die Klageschrift vom 31.03.2022 (Bl. 1 ff. d.A.) sowie auf den Schriftsatz vom 02.05.2023.Abs. 10
Im schriftlichen Vorverfahren erließ die Kammer am 12.09.2022 ein Versäumnisurteil, welches am 26.09.2022 zugestellt worden ist. Dagegen hat die Beklagte am 12.10.2022 Einspruch eingelegt (Bl. 59 d.A.).Abs. 11
Die Klägerin beantragt,Abs. 12
Das Versäumnisurteil vom 12.09.2022 aufrechtzuerhalten.Abs. 13
Die Beklagte beantragt,Abs. 14
Das Versäumnisurteil vom 12.09.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.Abs. 15
Die Beklagte ist im Wesentlichen der Ansicht,Abs. 16
es fehle bereits an der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Klägerin bleibe ihrer Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Verbrauchervertrages schuldig. Sie sei mit der Teilnahme an dem Online-Glücksspiel einer Beschäftigung nachgegangen. Das Landgericht Landau sei daher mangels Anwendbarkeit der Art. 17 ff. EuGVVO unzuständig. Die Beklagte sei nicht passivlegitimiert, da sie lediglich die Website betreibe, der Spielvertrag aber mit der European Lotto and Betting Ltd. zustande gekommen sei, die auch die Zahlungen erhalten habe.Abs. 17
Sie trägt weiter vor, es bestehe weder ein bereicherungsrechtlicher Anspruch noch ein Anspruch aus unerlaubter Handlung. Die Spielverträge seien nicht nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot unwirksam. Das Online-Glücksspielverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sei überdies unwirksam und europarechtswidrig. Die von der Klägerin genutzten Online-Glücksspiele würden auf der Grundlage einer in der EU erteilten Erlaubnis veranstaltet und könnten auf das Recht der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV gestützt werden. Selbst wenn man aber von einem Verstoß ihrerseits gegen ein Verbotsgesetz ausgehen wolle, sei für die Anwendung des § 134 BGB ein beidseitiger Verstoß gegen ein Verbotsgesetz erforderlich, der hier fehle.Abs. 18
Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch sei jedenfalls nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, ebenso nach § 762 Abs. 1 BGB und § 818 Abs. 3 BGB. Die Klägerin habe sich leichtfertig der Einsicht der Sittenwidrigkeit eigenen Handelns verschlossen. Denn über den gesamten klagegegenständlichen Zeitraum habe es zahlreiche Medienberichte zur Frage der Legalität der Angebote gegeben, die die Klägerin zur Kenntnis genommen haben müsse.Abs. 19
Die Klägerin habe außerdem monatelang beanstandungslos an den Glücksspielen teilgenommen. Es läge daher ein Verstoß gegen § 242 BGB vor (venire contra factum proprium), da die Klägerin sich mit der Rückforderung ein risikoloses Spielen ermögliche.Abs. 20
Wegen des weiteren Vortrags der Beklagten wird verwiesen auf die Einspruchsbegründungsschrift vom 16.02.2023 (Bl. 81 ff. d.A.).Abs. 21
Vor der Kammer fand am 02.03.2023 eine mündliche Verhandlung statt, auf deren Protokoll (Bl. 116 ff. d.A.) Bezug genommen wird und in der die Klägerin persönlich angehört worden ist.Abs. 22

Entscheidungsgründe:

I. Der Einspruch ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg.Abs. 23
II. Die Klage ist zulässig. Das angerufene Landgericht Landau in der Pfalz ist insbesondere international, örtlich und sachlich zuständig.Abs. 24
1. Die internationale Zuständigkeit folgt aus Art. 17 Abs. 1 lit. c, 18 Abs. 1 EuGVVO (VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO)) bzw. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO.Abs. 25
Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz seinen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus einem Vertrag verklagen, wenn der Vertragspartner in dem Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege (auch) auf diesen Mitgliedsstaat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.Abs. 26
Die Klägerin ist im Hinblick auf den hier gegenständlichen Sachverhalt Verbraucherin im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Danach ist Verbraucher eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Unzweifelhaft ist vorliegend keiner dieser Zwecke einschlägig, so dass die Klägerin als Verbraucherin zu behandeln ist. Hierfür spricht bereits eine tatsächliche Vermutung, da sich das Angebot zur Teilnahme an Online-Glücksspiel ganz offenkundig hauptsächlich bzw. ausschließlich an Verbraucher richtet und nicht an gewerblich handelnde Personen (OLG Hamm, Beschluss vom 12. November 2021 – 12 W 13/21 –, Rn. 12, juris; so auch LG Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2023 – 53 O 180/22 –, Rn. 26, juris: zu Online Sportwetten). Zumal das Spielen von Online-Roulette, wie es die Klägerin praktizierte, keiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzuordnen ist. Darüber hinaus berichtet die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung, sie sei früher Geschäftsfrau und als Frisörin selbstständig tätig gewesen. Neben dem Online-Glücksspiel habe sie damals Mieteinnahmen in Höhe von etwa 30.000 € pro Jahr gehabt. Dabei hat die Kammer nicht verkannt, dass die Klägerin auch angibt, insgesamt auf verschiedenen Internetseiten von Online-Glücksspiel-Anbietern Beträge in Höhe von ungefähr einer Million Euro eingesetzt zu haben. Allein bei der Beklagten hat sie in den streitgegenständlichen Zeiten unstreitig auch Beträge in Höhe von 29.000 € ausgezahlt bekommen. Verbraucher ist aber ungeachtet dessen auch die Person, die einen Vertrag über die Teilnahme am Online-Glückspiel mit dem Ziel abschließt, täglich viele Stunden an dem Spiel teilzunehmen und daraus erhebliche Gewinne zu erwirtschaften (vgl. zum Online-Poker: EuGH, BeckRS 2020, 34335; MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl. 2022, Brüssel Ia-VO Art. 17 Rn. 2). Es ist mithin nicht erkennbar, dass die Klägerin in irgendeiner Weise gewerblich oder beruflich bei den hier streitgegenständlichen Online-Glücksspielen gehandelt haben könnte.Abs. 27
Dass die Beklagte das von der Klägerin wiederholt angenommene – unzweifelhaft in Ausübung gewerblicher Tätigkeit unterbreitete – Angebot zum Glücksspiel auch auf den deutschen Markt ausgerichtet hat, ergibt sich bereits dadurch, dass die Klägerin von Deutschland aus an dem Glücksspiel über die in deutscher Sprache gestaltete Internetseite mit deutschsprachigen AGB teilgenommen hat. Wird den Verbrauchern auf der Website die Verwendung einer anderen Sprache als derjenigen ermöglicht, die in dem Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendet wird, so kann dies einen Anhaltspunkt bilden, der die Annahme erlaubt, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf andere Mitgliedstaaten ausgerichtet ist (EuGH, NJW 2011, 505; LG Heilbronn, Urteil vom 10. Februar 2023 – We 6 O 345/21, Rn. 33, juris).Abs. 28
Die sich aus Art. 17 EuGVVO ergebende Zuständigkeit erfasst nicht nur bestimmte Ansprüche aus einem Verbrauchervertrag, sondern auch die von der Klägerin verfolgten deliktischen und bereicherungsrechtlichen Ansprüche, ebenso etwaige vertragliche Schadensersatzansprüche (so auch LG Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2023 – 53 O 180/22, Rn. 27, juris).Abs. 29
Die Parteien haben auch keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung hinsichtlich einer ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte von Malta getroffen. Die entsprechende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der RL 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Danach ist eine Klausel missbräuchlich, wenn sie in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher - hier der klägerischen Spielerin - und einem Gewerbetreibenden - hier der Beklagten als Betreiberin der Online-Glücksspiele - enthalten ist ohne im Einzelnen ausgehandelt worden zu sein und dem Gericht, in dessen Bezirk sich der Gewerbetreibende befindet, eine ausschließliche Zuständigkeit zuweist (vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 18. November 2020 – C-519/19, Rn. 63, juris: zu Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Fluggesellschaften).Abs. 30
2. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus Art 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO sowie aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO.Abs. 31
3. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 23, 71 GVG. Der Gegenstandswert beträgt mehr als 5.000,00 €.Abs. 32
4. Die Sachurteilsvoraussetzungen im Übrigen sind gegeben.Abs. 33
III. Die Klage ist begründet.Abs. 34
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung der in Streit stehenden Glücksspielverluste in Höhe von 57.019,00 € zu.Abs. 35
1. Auf den Rechtsstreit findet deutsches Recht Anwendung. Dies folgt aus Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO, wonach bei Verträgen mit Verbrauchern das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Klägerin hat – wie bereits festgestellt – als natürliche Person ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit als Verbraucherin einen Vertrag mit der Beklagten geschlossen. Die Beklagte handelte als Anbieterin von Online-Glücksspielen in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit und damit als Unternehmerin, die ihre Tätigkeit auch in Deutschland und damit im Mitgliedsstaat des gewöhnlichen Aufenthaltes der Klägerin ausübte.Abs. 36
Die Parteien haben auch keine (wirksame) abweichende Rechtswahl zugunsten des maltesischen Rechts getroffen. Die entsprechende Klausel in den AGB der Beklagten ist nach § 307 Abs. 1 Satz 2 unwirksam. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO darf eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Eine in den AGB enthaltene Rechtswahlklausel ist missbräuchlich, wenn sie den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht des Mitgliedstaats des Gewerbetreibenden anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre (EuGH, NJW 2016, 2727, Rn. 71, beck-online). Die Rechtswahlklausel in den AGB der Beklagten ist nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn sie erweckt den falschen Eindruck, auf das gesamte Vertragsverhältnis sei ausschließlich maltesisches Recht anwendbar, ohne einen Hinweis auf die fortbestehende Anwendbarkeit zwingender Bestimmungen des deutschen Rechts.Abs. 37
2. Die Beklagte ist auch die richtige Antragsgegnerin. Sie dringt mit ihrem Vortrag, der Spielvertrag sei mit der European Lotto and Bettin Ltd. zustande gekommen, die als Buchmacherin handle, nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH verbietet sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen – wie im vorliegenden Fall – mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung. Vielmehr sind für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung stets die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen insbesondere Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung zählen (BGH, NJW 2015, 229; BGH, NJW 2018, 1079). Zwar weist das Impressum der Beklagten im Internet aus, dass diese die Tipps der Spieler an die European Lotto and Bettin Ltd. weiterleitet. Die Ein- und Auszahlungen erfolgten indes unstreitig unmittelbar an bzw. von der Beklagten. Es ist nicht ersichtlich, welche andere Funktion als diejenige einer Buchmacherin die Beklagte selbst erfüllt. Die Risikoverteilung und der Vertrauensschutz fallen zugunsten der Klägerin als Verbraucherin aus, die sich an ihre unmittelbare Vertragspartnerin, die Beklagte, halten können muss.Abs. 38
3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr geleisteten Einzahlung in Höhe der Verluste in Höhe von 57.019,00 € aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB i.V.m. § 134 BGB und § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 (aa.) bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 und. 2, Abs. 4 GlüStV 2021 (bb.).Abs. 39
a. Die Beklagte hat mit den geleisteten Spieleinsätzen der Klägerin einen Vermögenswert erlangt. Dies erfolgte durch Leistung der Klägerin. Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Die Einzahlung des Spieleinsatzes stellt eine solche Vermögensvermehrung dar. Diese hat die Klägerin unter Bezugnahme auf eine zur Akte gereichte Tabelle (Anlage K3) dargelegt, aus der sich jeweils die Ein- und Ausgänge der Zahlungen und die sich daraus errechneten Verluste ergeben. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.Abs. 40
b. Die Leistung erfolgte auf Kosten der Klägerin.Abs. 41
c. Die Zahlungen erfolgten ohne Rechtsgrund.Abs. 42
aa. In dem Spielzeitraum vom 01.01.2021 bis zum 30.06.2021 war der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten betriebenen Online-Glücksspiel gemäß § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nichtig. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten gewesen. Die Beklagte hat gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Rheinland-Pfalz, vorliegend der Klägerin, zugänglich gemacht hat.Abs. 43
Das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch in Einklang mit europäischem Unionsrecht (OLG Hamm, Beschluss vom 12. November 2021 – 12 W 13/21, Rn. 15f, juris). Es ist für den hier streitgegenständlichen Zeitraum geltendes Recht. Es ist insbesondere weder durch Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, noch des Bundesverfassungsgerichts oder des EuGH außer Kraft gesetzt oder für nichtig erklärt worden. Der Kammer selbst steht im Übrigen keine Verwerfungs- oder Nichtanwendungskompetenz zu. Auch unter dem Gesichtspunkt des Anwendungsvorrangs des Europarechts ist § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 uneingeschränkt anzuwenden, da das Verbot keinen unzulässigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit darstellt. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 steht vielmehr im Einklang mit dem Unionsrecht, wie das OLG Köln in seinem Urteil vom 10.05.2019 (Az. 6 U 196/18) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 160, 193 - "Internetverbot für drei Glücksspielarten“ Rn. 30 ff, juris) zutreffend bestätigt hat (so auch BGH, Urteil vom 28.09.2011 - I ZR 92/09, juris; LG Köln, Urteil vom 18. Februar 2020 – 31 O 152/19, Rn. 43, juris; LG Gießen, Urteil vom 25. Februar 2021 – 4 O 84/20, Rn. 21 - 23, juris).Abs. 44
Der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB steht auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nur an die Beklagte, nicht jedoch an die Klägerin richtet. Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies zwar im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Etwas anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 1426, Rn. 12 (m.w.N.), beck-online). So liegt der Fall hier: Sinn und Zweck des Glücksspielstaatsvertrages liegen insbesondere in der Bekämpfung der Spielsucht und des Jugendschutzes. Diese würden unterlaufen werden, wenn geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen wären (vgl. auch LG Heilbronn, Urteil vom 10. Februar 2023 – We 6 O 345/21, Rn. 53, juris).Abs. 45
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten ist es auch nicht erforderlich, dass es sich dabei um besonders suchtförderndes, ruinöses, manipuliertes und betrügerisches Glücksspiel handelt. Zumal eine Unterscheidung zwischen „normalem“ suchtförderndem/ruinösem und „besonders“ suchtförderndem Glücksspiel kaum möglich sein dürfte. Im Übrigen zeigt bereits die bei der Klägerin entstandene Spielsucht, dass diese einem suchtfördernden Glücksspiel nachgegangen ist. Dies wird noch verstärkt durch die Berichte der Klägerin, sie sei immer wieder mit neuen Angeboten und Rabatten zu immer größeren Spieleinsätzen verleitet worden. Letzteres lässt sich ohne Weiteres mit den dokumentierten Spieleinsätzen belegen.Abs. 46
bb. In dem Zeitraum vom 01.07.2021 bis zum 31.12.2021 war der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten betriebenen Online-Glücksspiel gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4 GlüStV 2021 nichtig. Danach dürfen öffentliche Glücksspiele (auch im Internet) nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen (Bundes-) Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Im Übrigen sind sie als unerlaubtes Glücksspiel weiterhin verboten (vgl. auch LG Bielefeld, Urteil vom 21. November 2022 – 8 O 386/21, Rn. 9, juris). Die Beklagte verfügte unstreitig nicht über die Erlaubnis der für Rheinland-Pfalz zuständigen Behörde, sodass ihr Internet-Angebot zum Veranstalten und Vermitteln von den Glücksspielen verboten war, § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021.Abs. 47
Die Kammer schließt sich dabei den überzeugenden Ausführungen des OLG Karlsruhe im Urteil vom April 2023 an. Danach erscheint es unabdingbar auch nach den Änderungen im Glücksspielstaatsvertrag gegenüber (insbesondere) ausländischen Anbietern von illegalen Online-Casinospielen eine zivilrechtliche Nichtigkeit nach § 134 BGB anzunehmen, wenn der Anbieter nicht über eine entsprechende Erlaubnis verfügt. Anderenfalls könnten die (neuen) Regelungen (weiterhin) unterlaufen werden. Denn nur wenn sich der illegal agierende Anbieter dem Risiko ausgesetzt sieht, dem Spieler die Einsätze gegebenenfalls zurückzahlen zu müssen, wird den gesetzgeberischen Vorgaben zusätzlich Nachdruck verliehen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. April 2023 – 14 U 256/21, Rn. 87, juris). Auch nach den Änderungen bleibt wesentliches Ziel des Vertrages die Unterbindung unerlaubter Glücksspielangebote, welche für Spieler mit zusätzlichen und nicht übersehbaren Gefahren verbunden ist. Die vom Gesetzgeber etablierte Erlaubniserteilung dient vielmehr dem Zweck, einen Schwarzmarkt (vor allem im Internet) für öffentliches Glücksspiel zu verhindern und den spielwilligen Personen inhaltlich begrenzte, weniger gefahrenträchtige Angebote legaler Glücksspielanbieter zu ermöglichen (vgl dazu OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 69, juris).Abs. 48
Wie bereits zur Rechtslage bis zum 30.06.2021 festgestellt ist auch hier ausnahmsweise der einseitige Verstoß des Spiele-Anbieters für die Annahme der Nichtigkeit nach § 134 BGB ausreichend.Abs. 49
dd. Dem Anspruch der Klägerin steht nicht der Einwand des § 817 S. 2 BGB entgegen. Zwar ist dem Leistenden - hier der Klägerin - objektiv auch ein Gesetzesverstoß anzulasten. Der Begriff der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit ist dabei identisch mit demjenigen der §§ 134, 138 BGB (BeckOK/Wendehorst, BGB, § 817 Rn. 15). Die Klägerin hat selbst gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012, bzw. § 4 Abs. 1, 4 GlüStV 2021 verstoßen, indem sie an dem verbotenen Online-Glücksspiel teilnahm. Zudem ist der objektive Tatbestand des § 285 StGB erfüllt.Abs. 50
Die Rechtsschutzversagung des § 817 Satz 2 BGB ist aber nur dann erfüllt, wenn der Leistende vorsätzlich, also bewusst verbotswidrig oder sittenwidrig gehandelt hat. Dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (vgl. BGH NJW 2013, 401 – Rn. 27, beck-online; OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. April 2022 – 23 U 55/21, Rn. 52, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. April 2023 – 14 U 256/21, Rn. 93, juris; a.A. LG Heilbronn, Urteil vom 10. Februar 2023 – We 6 O 345/21, Rn. 58, juris, wonach leichtfertiges Handeln bei einem gesetzeswidrigen (nicht sittenwidrigen) Verhalten gerade nicht ausreichen soll). Es wäre an der Beklagten, die Voraussetzungen der rechtshindernden Einwendung darzulegen und zu beweisen, mithin auch, dass der Klägerin ein im o.g. Sinne bewusster Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 817 S. 2 BGB zur Last fällt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. April 2022 – 23 U 55/21 –, Rn. 55, juris).Abs. 51
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Klägerin kann weder vorsätzliches noch leichtfertiges Handeln nachgewiesen werden. Steht - wie hier - ein Gesetzesverstoß des Leistenden in Rede, kann die Existenz der verschiedenartigsten Verbotsgesetze nicht ohne Weiteres und generell als bekannt vorausgesetzt werden. Vielmehr ist die Kenntnis gerade des Verbotsgesetzes festzustellen, soweit dieses nicht als allgemein bekannt angesehen werden darf. Dass das Glücksspiel vorliegend „unerlaubt“ war, folgte aus § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und § 4 Abs.1, 4 GlüStV 2021, deren Inhalt, zumal bei einem juristischen Laien, nicht ohne Weiteres als bekannt vorausgesetzt werden kann. Eine allgemeine Bekanntheit lässt sich auch nicht aus den von der Beklagten vorgetragenen Beiträgen in der Presseberichterstattung ableiten. Diese haben jedenfalls kein solches Ausmaß erreicht, dass eine allgemeine Kenntnis bei Spielern mit durchschnittlichem Medienkonsum nach der Lebenserfahrung zu erwarten wäre. Auch wenn die Werbung für Online-Glücksspiele einen textlich dargestellten und/oder schnell gesprochenen Hinweis darauf zu enthalten pflegt, dass sich das Angebot nur an Spieler in Schleswig-Holstein richte, lässt sich daraus keine allgemeine Bekanntheit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen außerhalb dieses Bundeslandes in Deutschland herleiten (vgl. hierzu OLG Frankfurt a. M., Hinweisbeschluss vom 08.04.2022 - 23 U 55/21, juris; LG Heilbronn, Urteil vom 10. Februar 2023 – We 6 O 345/21, Rn. 58 - 60, juris).Abs. 52
So berichtet die Klägerin in ihrer Anhörung, dass sie von dem Verbot des Glücksspiels erst Kenntnis erlangt habe, als sie die Werbung von Anwälten im Hinblick auf das verbotene Glücksspiel und den damit in Zusammenhang stehenden Rückforderungsansprüchen angezeigt bekommen habe. Dies sei am 27.12.2021 gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe sie auch umgehend aufgehört, online zu spielen. Denn sie habe Angst bekommen, dass sie noch zusätzlich Strafen zahlen müsse. Die Angaben stimmen mit den Einzahlungen, wie sie sich aus der als Anlage K 3 vorgelegten Tabelle ergeben, überein. Daraus lässt sich entnehmen, dass die Klägerin am 27.12.2021 um 15:35 Uhr das letzte Mal eine Einzahlung auf ihr Kundenkonto vornahm. Sie berichtet weiter, dass sie von einem Hinweis auf Spieler in Schleswig-Holstein keine Kenntnis gehabt habe. Zugunsten der Klägerin ist außerdem davon auszugehen, dass die deutschsprachige Internetseite und der deutschsprachige Kundenservice den Anschein der Legalität vermittelten. Für die Legalität des Angebots musste aus Sicht der Klägerin auch sprechen, dass sie sich ohne Weiteres von ihrem Wohnsitz in Rheinland-Pfalz auf der Homepage der Beklagten anmelden und Einzahlungen auf ihr Spielerkonto hat vornehmen können.Abs. 53
Jedenfalls wäre aber – selbst wenn man einen Verstoß der Klägerin gegen § 285 StGB bejahen würde – eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB vorzunehmen. Im Rahmen des Rückforderungsverbots des § 817 S. 2 BGB kann nicht außer Betracht bleiben, welchen Zweck das in Frage stehende Verbotsgesetz verfolgt. Im Einzelfall kann eine einschränkende Auslegung der Vorschrift geboten sein (BGH, NJW 1990, 2542 (2543)). Innerhalb der Leistungskondiktion darf der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm nicht dadurch konterkariert werden, dass der durch sie zu verhindernde sittenwidrige Zustand perpetuiert oder weiterem sitten- und verbotswidrigen Handeln Vorschub geleistet wird (BGH, NJW 2008, 1942; BGH, NJW 2009, 984). Dies gilt auch für den Fall, dass sich der Leistende der Einsicht der Sittenwidrigkeit möglicherweise leichtfertig verschlossen hat. So hat der Bundesgerichtshof etwa für die Fälle der sog. Schenkkreise ausgeführt, dass die Kondiktionssperre nicht dazu führen dürfe, dass die Initiatoren der "Spiele", die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürften (BGH, NJW 2006, 45 (46)). Vorliegend sind die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages - wie ausgeführt - dazu bestimmt, die Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels zu schützen. Auch die konkret einschlägigen Verbotsnormen gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und § 4 Abs. 1, 4 GlüStV 2021 verfolgen jedenfalls unter anderem den Zweck des Spielerschutzes. Diese Intention des Verbotsgesetzes würde jedoch unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätigt, in zivilrechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben (so auch LG Gießen, Urteil vom 25.02.2021 - 4 O 84/20, Rn. 26 - 28, juris; LG Heilbronn, Urteil vom 10. Februar 2023 – We 6 O 345/21, Rn. 62 - 63, juris).Abs. 54
ee. § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Dieser setzt einen grundsätzlich wirksamen Vertrag voraus, der nur gem. § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Verbindlichkeit begründet. Bei anderweitig begründeter Unwirksamkeit des Spiel- oder Wettvertrags, insbesondere bei Nichtigkeit gemäß § 134 BGB, bestimmt sich die Rückerstattung geleisteter Einsätze nach den allgemeinen Regeln des Bereicherungs- und Deliktsrechts (vgl. Habersack in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 762 Rn. 24; LG Bielefeld, Urteil vom 21. November 2022 – 8 O 386/21, Rn. 10, juris).Abs. 55
ff. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen. Eine solche könnte allenfalls dann - teilweise - angenommen werden, wenn und soweit die Beklagte die erhaltenen Zahlungen tatsächlich weitergeleitet hätte und die der Beklagten ihrerseits aufgrund der Nichtigkeit der geschlossenen Spielerverträge zustehenden Bereicherungsansprüche gegen die European Lotto and Betting Ltd. bzw. gegen andere Spieler nicht erfolgsversprechend durchgesetzt werden könnten. Hierzu hat die Beklagte indes nichts dargetan. Darüber hinaus scheitert der Einwand auch an der bestehenden Kenntnis der Beklagten vom Fehlen des Rechtsgrundes, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB (vgl. hierzu OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.04.2022 - 23 U 55/21, Rn. 57, juris). Denn diese hat unter Bezugnahme auf die als Anlage B 6 vorgelegten diversen Beiträge in sämtlichen Medien zur umfassenden Presseberichterstattung beginnend ab dem Jahr 2017 hinsichtlich der Illegalität ihres Angebots vorgetragen, woraus sich zugleich ihre Kenntnis von dieser ergibt (so auch LG Heilbronn, Urteil vom 10. Februar 2023 – We 6 O 345/21, Rn. 65 - 66, juris).Abs. 56
gg. Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen § 242 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte kann mit dem Einwand, die Klägerin handle widersprüchlich im Sinne eines „Venire contra factum propium“ nicht gehört werden. Die Kammer sieht durchaus, dass für die hier in Rede stehenden Zeiträume ein risikoloses Glücksspiel ermöglicht werden kann. Andererseits würde ein Ausschluss der Rückforderung die Anbieter von Online-Glücksspielen zum Weitermachen geradezu ermutigen, denn sie könnten die erlangten Gelder - ungeachtet der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt herrschenden Illegalität ihres Geschäftsmodells und somit der Nichtigkeit des Vertrages – behalten (vgl. LG Bielefeld, Urteil vom 21. November 2022 – 8 O 386/21, Rn. 21, juris). Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten kann aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Interessen der Beklagten nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. November 2021 – 12 W 13/21, Rn. 23, juris). Im Übrigen ist die Beklagte, indem sie einen ihr ohne Weiteres möglichen, eigenen Hinweis unterlassen hat, dass Online-Glücksspiele in Deutschland bis 30.06.2021 außerhalb von Schleswig-Holstein generell verboten waren und ab dem 01.07.2021 nur mit Erlaubnis einer deutschen Behörde zulässig sind, bewusst die Gefahr eingegangen, Gelder ohne Rechtsgrund einzunehmen (LG Heilbronn, Urteil vom 10. Februar 2023 – We 6 O 345/21, Rn. 68, juris).Abs. 57
4. Ob der Klägerin auch aus Delikt Schadensersatzansprüche zustehen, kann dahinstehen und bedarf einer Entscheidung nicht.Abs. 58
5. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Durch das Schreiben des klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 01.03.2022 (Anlage K 6) ist die Beklagte gemahnt und in Verzug gesetzt worden.Abs. 59
IV. Der Beklagten war keine weitere Gelegenheit zur Stellungnahme auf den Schriftsatz der Klägerin vom 02.05.2023 zu gewähren, da dieser keinen neuen entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag, sondern im Wesentlichen Rechtsausführungen enthält.Abs. 60
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2, 3 ZPO.Abs. 61
BeschlussAbs. 62
Der Streitwert wird auf 57.019,00 € festgesetzt.Abs. 63

(online seit: 21.06.2023)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Landau (Pfalz), LG, Rückzahlung von verlorenen Spieleinsätzen bei Online-Glücksspielen - JurPC-Web-Dok. 0084/2023