JurPC Web-Dok. 50/2023 - DOI 10.7328/jurpcb202338450

LG München I

Beschluss vom 28.02.2023

16 T 2080/23

Antrag auf Erlass eines Haftbefehls über beBPo

JurPC Web-Dok. 50/2023, Abs. 1 - 13


Leitsatz (der Redaktion):

Wird ein Antrag auf Erlass eines Haftbefehls über das besondere Behördenpostfach mit dem Namen der Sachbearbeiterin und einer qualifizierten elektronischen Signatur als elektronisches Dokument übermittelt, werden die Authentizität und Integrität des Dokuments schon ausreichend durch die Einhaltung der Vorgaben des § 130 a III, IV ZPO gewährleistet, so dass es einer Unterschrift und eines Dienstsiegels nicht bedarf. Aufgrund der Einreichung des Antrags über das besondere Behördenpostfach kann nämlich kein Zweifel daran bestehen, dass der Antrag vom Gläubiger stammt und mit dessen Willen übersandt wurde. Durch die Wiedergabe des Namens der Sachbearbeiterin am Ende des Antrags ist auch die Person erkennbar, die für den Inhalt des Auftrags die Verantwortung übernimmt.

Gründe:

I.Abs. 1
Mit einem über das besondere Behördenpostfach an das Amtsgericht München – Verteilerstelle für Vollstreckungsaufträge – am 23.08.2022 übermittelten Formular gem. § 1 GVFV beantragte der Gläubiger wegen der sich aus der dem Antrag beigefügten Forderungsaufstellung ersichtlichen Beträge in Höhe von insgesamt 2.508,50 € und der aus dem Auftrag entstehenden Kosten, die Abnahme der Vermögensauskunft (ohne vorherigen Pfändungsversuch) bei dem Schuldner, einer UG, vertreten durch den Geschäftsführer, und für den Fall, dass der Schuldner dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder sich ohne Grund weigert, die Vermögensauskunft zu erteilen, den Erlass eines Haftbefehls gem. § 802 g I ZPO. Der Antrag enthielt am Ende die Wiedergabe des Zunamens der Sachbearbeiterin und war von dieser zudem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Die beim Amtsgericht zuständige Gerichtsvollzieherin lud daraufhin mit Schreiben vom 02.11.2022 den Geschäftsführer der Schuldnerin unter nochmaliger Setzung einer zweiwöchigen Zahlungsfrist zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft am 30.11.2022, 14:00 Uhr in ihre Büroräume. Die Ladung wurde dem Geschäftsführer der Schuldnerin ausweislich der in der Akte der Gerichtsvollzieherin befindlichen Zustellungsurkunde am 03.11.2022 zugestellt. Nach dem durch die Gerichtsvollzieherin gefertigten Protokoll des Termins zur Abgabe der Vermögensauskunft vom 30.11.2022 ist zu diesem Termin niemand, erschienen. Die Gerichtsvollzieherin leitete daher im Anschluss ihre Akten dem Amtsgericht München – Vollstreckungsgericht – zur Entscheidung über den von Gläubigerseite gestellten Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zu.Abs. 2
Das Amtsgericht wies mit Beschluss vom 13.01.2023 den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurück. Zur Begründung bezieht es sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18.12.2014, Az: I ZB 27/14 und führt aus, es fehle an einem formgerechten Vollstreckungsauftrag des Gläubigers. Da die Vollstreckung nach Maßgabe des Justizbeitreibungsgesetzes (JBeitrG) erfolge und nach § 7 Satz 2 JBeitrG weder für einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft noch für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Vermögensauskunft die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels erforderlich sei, sondern der Vollstreckungsauftrag die nach §§ 754, 802 a II ZPO grundsätzlich erforderliche Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels an die zuständigen Vollstreckungsorgane ersetze, dürften an dessen Echtheit keine Zweifel bestehen. Der Vollstreckungsauftrag müsse deshalb unterschrieben und mit einem Dienstsiegel versehen sein. Nur hierdurch werde gewährleistet, dass aus dem Schriftstück die Person erkennbar ist, die für seinen Inhalt die. Verantwortung übernehme. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18.12.2014, Az: I ZB 27/14 sei auch nicht dadurch überholt, dass mit Wirkung ab 01.01.2022 Vollstreckungsaufträge durch Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts gem. §§ 753 V, 130 d ZPO mittels eines elektronischen Dokuments i.S. des § 130 a ZPO zu übermitteln sind. Vielmehr sei die Anbringung eines Siegels weiterhin erforderlich, um die Authentizität und Integrität, des Antrags und die Legitimation des den Antrag stellenden Beamten zu gewährleisten. Die Übermittlung des Vollstreckungsantrags nach Maßgabe des § 130 a ZPO ersetze nämlich lediglich das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift das den Vollstreckungsantrag stellenden Beamten, stelle jedoch nicht sicher, dass diese Person auch dazu berechtigt ist, Vollstreckungsanträge i.S. des § 7 Satz 2 JBeitrG zu stellen. Diese Berechtigung werde seit jeher durch die Zuteilung eines Dienstsiegels an die den Antrag stellende natürliche Person nach außen dokumentiert.Abs. 3
Gegen den Beschluss wendet sich die Gläubigerseite mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 01.02.2023. Zur Begründung trägt sie vor, es handele sich bei dem von ihr elektronisch eingereichten Vollstreckungsauftrag um das Original. Einer zusätzlichen Einreichung dieses Vollstreckungsauftrags in Papierform bedürfe es nicht. Anderes lasse sich insbesondere nicht aus den §§ 754, 754 a ZPO ableiten. Denn § 6 I Nr. 1 JBeitrG, der die für die Vollstreckung nach dem Justizbeitreibungsgesetz sinngemäß geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung abschließend aufliste, spare diese Vorschriften bewusst aus, weshalb sie keine Anwendung finden würden. Der Besitz eines – reproduzierbaren – papiergebundenen Auftrags mit Siegel und Unterschrift würde dem Vollstreckungsorgan und dem Schuldner auch keine zusätzliche Sicherheit vor einer unberechtigten Vollstreckung verschaffen. Nachdem der Vollstreckungsauftrag über das besondere elektronische Behördenpostfach übermittelt worden sei, könne kein Zweifel an der Authentizität und Integrität des Auftrags bestehen, sondern sei sichergestellt, dass der Auftrag vom Gläubiger stammt und auf dem Übermittlungsweg nicht verändert wurde. Da das Dokument vorliegend sogar zusätzlich noch über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügte, sei die Person, die für die inhaltliche Richtigkeit des Auftrags die Verantwortung übernehme auch eindeutig identifizierbar.Abs. 4
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.Abs. 5
II.Abs. 6
Die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 01.02.2023, bei Gericht eingegangen am 02.02.2023, gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Vollstreckungsgericht – vom 13.01.2023, dem Gläubiger zugestellt am 26.01.2023, ist zulässig und in der Sache auch begründet. Für die Entscheidung war die Kammer zuständig, da die Sache besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweist und grundsätzliche Bedeutung hat und deshalb gem. § 568 I Satz 2 ZPO durch die zuständige Einzelrichterin mit Beschluss vom 27.02.2023 auf die Kammer übertragen wurde.Abs. 7
1.Die Vollstreckung erfolgt vorliegend nach Maßgabe des Justizbeitreibungsgesetzes. Gem. § 2 II JBeitrG ist dabei das Bundesamt für Justiz Vollstreckungsbehörde für die in § 1 I JBeitrG aufgelisteten Ansprüche, die beim Bundesverfassungsgericht, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof, Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Bundespatentgericht, Deutschen Patent- und Markenamt, Bundesamt für Justiz oder dem mit der Führung des Unternehmensregisters im Sinn des § 8 b des Handelsgesetzbuchs Beliehenen entstehen. Der von Gläubigerseite an das Amtsgericht München – Verteilerstelle für Vollstreckungsaufträge – als elektronisches Dokument übermittelte Vollstreckungsauftrag war inhaltlich ausreichend. Er enthält insbesondere die erforderlichen Angaben zum Grund, zur Höhe und zur Vollstreckbarkeit der Vollstreckungsforderung (vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2014, Az: I ZB 27/14, juris Rn. 22). So ergibt sich die Höhe der zu vollstreckenden Forderung aus der als Anlage zum Auftrag übersandten Forderungsaufstellung und wird im Vollstreckungsauftrag nochmals ausdrücklich genannt. Der Grund der Forderung ergibt sich aus dem in der Forderungsaufstellung genannten Aktenzeichen des Vorgangs, aus dem die Forderung stammt bzw. aus der Angabe, dass es sich um Auslagen für das Vollstreckungsersuchen und um Mahngebühren nach Nr. 1403 KV JVKostG handelt. Schließlich enthält der Auftrag die Erklärung, dass der Anspruch fällig sowie gem. §§ 1, 5 JBeitrG vollstreckbar und eine Mahnung gem. § 5 II JBeitrG erfolgt ist.Abs. 8
2. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts genügt dem von Gläubigerseite als elektronisches Dokument übermittelte Vollstreckungsauftrag den gesetzlichen Anforderungen des § 7 Satz 2 JBeitrG. Die Verwendung des amtlichen Vordrucks nach der Gerichtsvollzieherformular-Verordnung (GVFV), die hier aber sogar erfolgte, war gem. § 1 II Satz 2 GVFV nicht zwingend erforderlich, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung handelt (vgl. Volpert in Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl., Rn. 2 zu § 7 JBeitrG). Für die formgerechte Stellung des Antrags war die Übermittlung des Auftrags gem. §§ 753 V, 130 d, 130 a ZPO als elektronisches Dokument über ein besonderes Behördenpostfach i.S. des § 130 a IV Nr. 3 ZPO und die zusätzliche Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person jedenfalls ausreichend. Dies ergibt sich allerdings nicht, wie die Gläubigerseite meint, bereits daraus, dass § 6 I Nr. 1 JBeitrG für Vollstreckungen nach dem Justizbeitreibungsgesetz die Vorschrift des § 754 ZPO nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Denn einen Verweis auf § 754 ZPO enthielt auch § 6 I Nr. 1 der Justizbeitreibungsordnung nicht, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18.12.2014, Az: I ZB 27/14, zugrunde lag. Dennoch kann die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18.12.2014, Az: I ZB 27/14, auf die seit dem 01.01.2022 gem. §§ 753 V, 130 d ZPO auch für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts zwingend vorgeschriebene Übermittlung eines Vollstreckungsauftrags mittels elektronischen Dokuments entsprechend der Vorschrift des § 130 a ZPO nicht übertragen werden. Die Möglichkeit der Einreichung eines Vollstreckungsauftrags mittels elektronischen Dokuments gem. § 130 a ZPO bestand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofes noch nicht und konnte daher bei dieser nicht berücksichtigt werden. Der Bundesgerichtshof hat das Erfordernis der Einreichung eines unterschriebenen und mit einem Dienstsiegel versehenen Vollstreckungsauftrags dabei damit begründet, dass aus diesem die Person erkennbar sein müsse, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernimmt und keine Zweifel an der Echtheit bestehen dürfen, weil gem. § 7 Satz 2 der damals noch geltenden JBeitrO, jetzt § 7 Satz 2 JBeitrG, der Vollstreckungsauftrag die nach §§ 754, 802 a II ZPO grundsätzlich erforderliche Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels an das Vollstreckungsorgan ersetze und der Antrag damit die alleinige Voraussetzung für die Anordnung von staatlichen Zwang bis hin zu einer Freiheitsentziehung sei und die einzige Urkunde, die der Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht vom Gläubiger erhalten. Bei der Übermittlung als elektronisches Dokument werden die Authentizität und Integrität des Dokuments aber schon ausreichend durch die Einhaltung der Vorgaben des § 130 a III, IV ZPO gewährleistet (vgl. Greger in Zöller, 34. Aufl., Rn. 6, 8, 9 zu § 130 a ZPO; von Selle in BeckOK zur ZPO, 47. Edition, Stand: 01.12.2022, Rn. 11 zu § 130 a ZPO; Ulrici in BeckOK zur ZPO, 47. Edition, Stand: 01.12.2022, Rn. 8.2 zu § 753 ZPO; Berendt in BeckOK zum Kostenrecht, 40. Edition, Stand. 01.01.2023, Rn. 9 a zu § 7 JBeitrG). Aufgrund der Einreichung des Antrags über das besondere Behördenpostfach kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Antrag vom Gläubiger stammt und mit dessen Willen übersandt wurde. Durch die Wiedergabe des Namens der Sachbearbeiterin am Ende des Antrags ist auch die Person erkennbar, die für den Inhalt des Auftrags die Verantwortung übernimmt. Ob es danach zusätzlich einer qualifizierten elektronischen Signatur der Person, die für den Inhalt die Verantwortung übernimmt, bedurfte, oder ob entsprechend den Vorgaben des § 130 a III, 2. Alt, IV Nr. 3 ZPO die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens der Sachbearbeiterin am Ende des Textes, also eine einfache Signatur ausreichend gewesen wäre, erscheint zumindest zweifelhaft (vgl. Ulrici in BeckOK zur ZPO, 47. Edition, Stand: 01.12.2022, Rn. 8.2 zu § 753 ZPO; Berendt in BeckOK zum Kostenrecht, 40. Edition, Stand. 01.01.2023, Rn. 9 a zu § 7 JBeitrG). Die Frage kann hier letztlich aber dahingestellt bleiben, weil der Auftrag zusätzlich auch mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der Sachbearbeiterin versehen war.Abs. 9
3. Die besonderen Voraussetzungen für den Erlass des Haftbefehls sind ebenfalls gegeben. Der Geschäftsführer der Schuldnerin als deren gesetzlicher Vertreter wurde mit einem an ihn persönlich gerichteten Schreiben der Gerichtsvollzieherin vom 02.11.2022, ihm zugestellt am 03.11.2022, unter nochmaliger Setzung einer zweiwöchigen Zahlungsfrist gem. § 802 f I, III, IV ZPO zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft am 30.11.2022, 14:00 Uhr geladen. Zu diesem Termin ist er ausweislich des von der Gerichtsvollzieherin erstellten Terminsprotokolls nicht erschienen. Angaben und ein Nachweis dazu, dass er ohne Verschulden am Erscheinen in dem Termin und an der Abgabe der Vermögensauskunft verhindert war, wurden nicht erbracht.Abs. 10
III.Abs. 11
1. Eine Kostenentscheidung wer nicht veranlasst, da Gerichtskosten bei einer erfolgreichen Beschwerde nicht anfallen (vgl. Nr. 2121 KV GKG) und die Schuldnerin bzw. deren Geschäftsführer am Verfahren nicht beteiligt waren, so dass diesen auch keine Kosten auferlegt werden konnten.Abs. 12
2. Nachdem die Schuldnerin bzw. deren Geschäftsführer am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt waren und die Gläubigerin durch die vorliegende Entscheidung nicht beschwert ist, erübrigt sich auch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Da die Schuldnerin bzw. ihr Geschäftsführer nicht am Beschwerdeverfehren beteiligt waren und nicht gehört wurden, kann die Entscheidung insbesondere ihnen gegenüber keine materielle Rechtskraftwirkung entfalten, so dass für sie gegen den zu erlassenden Haftbefehl das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde erneut eröffnet wäre (vgl. Herget in Zöller, 34. Aufl., Rn. 38 zu § 766 ZPO).Abs. 13

(online seit: 18.04.2023)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: München I, LG, Antrag auf Erlass eines Haftbefehls über beBPo - JurPC-Web-Dok. 0050/2023