JurPC Web-Dok. 47/2023 - DOI 10.7328/jurpcb202338447

OLG Frankfurt a.M.

Urteil vom 14.03.2023

11 U 20/22

Kein Verstoß gegen Buchpreisbindung durch Rabattaktion auf Online-Verkaufsplattform

JurPC Web-Dok. 47/2023, Abs. 1 - 65


Leitsatz (der Redaktion):

Die Verkaufsplattform eBay unterfällt selbst nicht den Vorgaben des Buchpreisbindungsgesetzes (BuchPrG). Eine einmalige Adventsrabattaktion, bei der u.a. beim Kauf von Büchern die Letztabnehmer lediglich 90% des Kaufpreises zahlen mussten, während eBay 10% an den Buchhändler entrichtete, führt auch nicht zu einem Verstoß der Buchhändler gegen das BuchPrG.

Gründe:

I.Abs. 1
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Rabattaktion der Beklagten.Abs. 2
Der Kläger ist der Verband (…). Zu seinen Aufgaben gehört gemäß § 2 Ziff. 4 seiner Satzung „die Sicherung der Preisbindung für Verlagserzeugnisse“. Die Beklagte betreibt einen Internet-Marktplatz, über den Verkäufer ihre Ware anbieten und Käufer diese erwerben können. Gemäß ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verpflichten sich die Verkäufer mit der Einstellung eines Artikels, ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrages über den Artikel abzugeben. Dies kann entweder im Wege eines Optionspreises oder eines Festpreises geschehen. Nach der Kaufentscheidung wird der Käufer auf eine Seite weitergeleitet, die sich mit dem Angebot verschiedener Zahlungsmöglichkeiten befasst. Möglich ist zudem die Eingabe von Gutscheinen oder Rabattangeboten. Das Einlösen von Gutscheinen kann vom Verkäufer nicht beeinflusst werden.Abs. 3
Die Beklagte bot ihren Kunden am 08.12.2019 für einige Stunden einen 10%-igen Adventsrabatt an. Dieser wurde neben vielen weiteren Produkten wie Spielzeug, Uhren, DVDs auch beim Verkauf von Büchern gewährt. Verantwortlich für die Rabattaktion war die Beklagte. Käufer, die die Gutscheine einlösten, schlossen einen Kaufvertrag über den vollen Preis, d.h. beim Erwerb von Büchern den gebundenen Ladenpreis. Die Käufer konnten dann auf der Webseite der Beklagten einen von der Beklagten bereitgestellten Gutschein-Code eingeben. Sie zahlten anschließend den ausgewiesenen Kaufpreisanteil von 90% des mit den Verkäufern vereinbarten Kaufpreises. Die restlichen 10% zahlte die Beklagte an die Verkäufer. Die Verkäufer erhielten den Geldeingang in voller Höhe des von ihnen im Angebot festgelegten - dem gebundenen Ladenpreis entsprechenden - Kaufpreises ohne Unterteilung in Zahlungen der Käufer und der Beklagten, d.h. ohne Hinweis darauf, dass die Beklagte einen Teil des Kaufpreises gezahlt hat.Abs. 4
Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im angefochtenen Urteil Bezug genommen.Abs. 5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung wie folgt ausgeführt:Abs. 6
Die Beklagte sei nicht passivlegitimiert, da sie keine Buchhändlerin sei. Sie vermittele lediglich die Möglichkeit zum Abschluss von Kaufverträgen und führe diese nicht selbst durch. Dies ergebe sich auch aus den Nutzungsbedingungen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten entfalteten unmittelbar Wirkung im Verhältnis zwischen der Beklagten und den Verkäufern und seien zudem Auslegungsgrundlage für die Erklärungen der Käufer. Da das Einstellen von Artikeln im Rahmen der Option „Sofort-Kaufen“ schon ein verbindliches Angebot enthalte, dürfe der Käufer auch von einem entsprechend verbindlichen Angebot ausgehen. Daraus folge, dass seine Annahmeerklärung zum Vertragsabschluss führe. Da die Entscheidung zur Einlösung eines Gutscheins erst nach dem Abschluss des Kaufvertrags erfolge, handele die Beklagte nicht als Vertreterin für die verkaufenden Buchhändler. Die Verkäufer seien an der Rabattaktion nicht beteiligt gewesen.Abs. 7
Die Beklagte hafte auch nicht nach § 9 BuchPrG, da es an einer rechtswidrigen Haupttat fehle. Die Buchhändler verstießen nicht gegen die Vorschriften des BuchPrG. Sie hätten die Bücher zum gebundenen Ladenpreis angeboten.Abs. 8
Die Beklagte sei auch nicht Störerin. Sie habe die Buchhändler nicht zu einem abweichenden Preisangebot angestiftet. Die Buchhändler hätten vielmehr den vollen gebundenen Kaufpreis erhalten. Aus den Angaben des Zeugen A, Chefjustiziar der Beklagten, ergebe sich auch, dass die Rabattaktion auf die abzuführende Umsatzsteuer keine Auswirkungen gehabt habe. Dies belege, dass die preisgebundenen Bücher aus Sicht des Verkäufers nicht zu einem reduzierten Preis verkauft worden seien.Abs. 9
Die Beklagte hafte auch nicht als mittelbare Täterin, da die Buchhändler mangels Verstoßes gegen die Buchpreisbindung nicht Tatmittler gewesen seien.Abs. 10
Schließlich könne der Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, die Buchpreisbindung mit der Rabattaktion umgangen zu haben. Maßstab eines Verstoßes gegen die Buchpreisbindung sei, ob das Vermögen des Buchhändlers beim Verkauf neuer Bücher in Höhe des gebundenen Preises vermehrt werde. Dies bestimme sich nicht nach der Sichtweise des Kunden, sondern danach, ob für den Verkauf tatsächlich ein entsprechendes Entgelt an den Buchhändler bezahlt worden sei. Der Maßstab sei insoweit allein objektiv. Unzulässig sei es, wenn dem Käufer im Zusammenhang mit dem Erwerb vom Buchhändler selbst Vorteile gewährt würden. In diesen Fällen hätte der Buchhändler zwar den Endpreis zunächst erhalten, im wirtschaftlichen Ergebnis aber nicht „einbehalten“. Dies wolle § 1 BuchPrG verhindern. Hier sei bei objektiver Betrachtung jedoch der volle gebundene Buchpreis an die Buchhändler geflossen und auch bei ihnen verblieben. Die Beklagte habe lediglich als Dritte einen Teil der Kaufpreisschuld übernommen. Das BuchprG bestimme nicht, wer den gebundenen Ladenpreis zu zahlen habe. Der Vermehrung des Vermögens des Buchpreishändlers müsse keine entsprechende Vermögensminderung beim Käufer gegenüberstehen.Abs. 11
Der BGH habe bestätigt, dass die Vorgaben des BuchPrG eingehalten würden, wenn der Letztverbraucher an den Buchhändler den vollen gebundenen Preis entrichte. Eine weitergehende Prüfung sei nur erforderlich, wenn die vom Letztabnehmer zu erbringende Leistung nicht allein in der Erfüllung einer Geldschuld bestehe, sondern ihm erlaubte, seine Schuld (zum Teil) durch die Einlösung eines vom Letztverbraucher zuvor erworbenen Gutscheins zu erfüllen. Zu einer Unterschreitung des gebundenen Preises komme es dann, wenn den Buchhändlern für die Ausgabe des Gutscheines keine entsprechende Gegenleistung zugeflossen sei. Vorliegend hätten die Buchhändler jedoch beim Verkauf der neuen Bücher unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Gesamtsaldierung den vollen Preis erhalten.Abs. 12
Mit der Rabattaktion habe die Beklagte auch nicht unzulässig in den Händlerwettbewerb eingegriffen. Die Buchhändler hätten ihre Bücher nach wie vor zum gebundenen Preis angeboten. Sinn und Zweck des BuchPrG sei nicht die Unterbindung jeglichen Wettbewerbs auf der Einzelhandelsstufe. Die Rabattaktion widerspreche auch nicht Sinn und Zweck des Gesetzes. Dies sei der Fall, wenn ein Buchhändler den potentiellen Letztabnehmern den Eindruck vermittele, bei ihm regelmäßig günstiger einkaufen zu können als bei anderen. Der Letztabnehmer müsse den günstigen Buchpreis mit dem Buchhändler assoziieren. Es entstehe nur dann ein Preiswettbewerb, wenn bestimmte Verkaufsfördermodelle dazu führten, dass der Letztabnehmer sich aufgrund der Modelle regelmäßig - nicht nur einmalig - für einen bestimmten Händler entschieden. Die hier vorliegende kurzzeitige Rabattaktion sei dafür nicht geeignet.Abs. 13
Schließlich liege auch kein Provisionsmodell vor, bei dem Provisionen aus dem Verkauf preisgebundener Bücher zur Umgehung der Buchpreisbindung an die Letztabnehmer weitergeleitet würden. Bei der Rabattierung durch die Beklagte finde keine Verrechnung mit Provisionen oder anderen Ansprüchen gegen die Verkäufer statt. Die Gutscheine seien auf eigene Rechnung der Beklagten ausgegeben worden. Die Förderung bestimmter Buchhändler sei mit dem Rabatt nicht verbunden gewesen. Aus den Angaben des Zeugen A ergebe sich auch, dass die Buchhändler von der Aktion keine Kenntnis hatten. Die Verkaufsprovisionen dienten grundsätzlich dazu, die Aufwendungen der Beklagten für den Betrieb des Marktplatzes abzugelten. Sie stünden nicht im Zusammenhang mit der Frage, ob der Händler den gebundenen Buchpreis erhalte.Abs. 14
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, die sie wie folgt begründet:Abs. 15
Zu Unrecht habe das Landgericht die Passivlegitimation der Beklagten abgelehnt, da die Beklagte selbst keine Bücher verkaufe. Nach der Rechtsprechung des BGH komme die Beklagte als mittelbarer Täterin, jedenfalls aber als Störerin in Betracht. Durch das Verhalten würden die Buchhändler bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Ergebnis nicht den gebundenen Ladenpreis erhalten, da die von ihnen an die Beklagte entrichtete Provision für die Zahlungspflicht der Beklagten aus der Gutscheinaktion verwandt und damit im Ergebnis an die Kunden weitergeleitet worden sei.Abs. 16
Das Landgericht habe die Frage der Umgehung der Buchpreisbindung nicht konsequent geprüft. Tatsächlich habe der BGH ausgesprochen, dass Vergünstigungen nicht an den Letztabnehmer weitergegeben werden dürften. Es sei gerade nicht allein ausschlaggebend, ob der Buchhändler selbst dem Letztabnehmer Vorteile gewähre. Vielmehr liege eine Umgehung auch dann vor, wenn der Kaufpreis zwar zunächst in Höhe des festgesetzten Preises vereinnahmt werde, dem Letztabnehmer aber dennoch Vorteile gewährt würden, die den Erwerb für ihn günstiger erscheinen ließen. In diesen Fällen sei eine besondere weitergehende Prüfung erforderlich. Der Umstand, dass der Buchhändler den vollen Ladenpreis erhalte, habe nichts damit zu tun, dass der Kunde selbst einen geldwerten Vorteil erhalte. Hier müsse der Kunde nur eine Gegenleistung entrichten, die 10 % unterhalb des gebundenen Preises liege. Damit komme es zum Preiswettbewerb, der durch das BuchPrG gerade vermieden werden solle. Ein Modell, das zu diesem Ergebnis führe, müsse als Umgehung der Buchpreisbindung angesehen werden. Hierfür hafte die Beklagte als Verursacherin.Abs. 17
Nicht verständlich sei es auch, dass das Landgericht einen Eingriff in den Händlerwettbewerb ablehne. Tatsächlich stünden Händler, die über die Plattform der Beklagten verkauften, mit anderen Händlern, die diese Plattform nicht nutzten, in Konkurrenz. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten aber gebundene Preise überall gleich sein und zwar jedem Letztabnehmer gegenüber. Das BuchPrG beabsichtige die Verhinderung des Preiswettbewerbs gegenüber dem Letztabnehmer. Ob der gebundene Preis eingehalten werde, könne einzig und allein aus der Sicht des Letztabnehmers entschieden werden. Hier erscheine den Käufern jedoch der Erwerb über die Plattform der Beklagten gerade günstiger. Die Gutscheinaktion stelle sich als Nachlass auf den Kaufpreis dar.Abs. 18
Auf den Umstand, ob es eine einmalige Aktion gewesen sei und keine dauerhaften Vergünstigungen im Raum stünden, komme es nicht an. Das BuchPrG verbiete die Unterschreitung des gebundenen Ladenpreises für jedes einzelne Verkaufsgeschäft und nicht nur für dauerhafte Angebote.Abs. 19
Sofern man nicht zur direkten Anwendung des BuchPrG gelange, sei es jedenfalls entsprechend den zutreffenden Ausführungen des österreichischen Obersten Gerichtshofs (i.F.: OGH) in der Entscheidung vom 24.10.2019 (Az 4 Ob 85/19g) infolge der wertungsmäßigen Gleichstellung analog auf das Geschäftsmodell der Beklagten anzuwenden, da es den Gesetzeszweck unterlaufe. Bei der Schaffung des Gesetzes 2002 sei nicht an eine Konstellation wie hier gedacht worden. 2018 habe sich der Gesetzgeber auch nicht bewusst gegen eine Klarstellung entschieden. Die damals avisierte Klarstellung sei allein unterbleiben, da das zuständige Wirtschaftsministerium mit Aufkommen der Corona-Pandemie andere Prioritäten gesetzt habe.Abs. 20
Der Kläger beantragt:Abs. 21
das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 25 1. 2022 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter der Beklagten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,Abs. 22
im Zusammenhang mit dem Verkauf preisgebundener Bücher über den „X-Marktplatz“ den Käufern Rabatt auf den Kaufpreis anzubieten und/oder zu gewähren, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschiehtAbs. 23
AbbildungAbs. 24
Die Beklagte beantragt,Abs. 25
die Berufung zurückzuweisen.Abs. 26
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Entgegen der Auffassung des Klägers seien vergleichbare Konstellationen bereits höchstrichterlich entschieden worden.Abs. 27
Der Kläger habe entsprechende frühere Gutscheinaktionen der Beklagten bewusst nicht angegriffen, da er eine Änderung des geltenden BuchPrG erreichen wollte. Zu dieser sei es indes nicht gekommen.Abs. 28
Sie, die Beklagte, sei nicht Adressatin des BuchPrG gemäß § 3 BuchPrG. Die könne damit weder Täterin noch Mittäterin sein.Abs. 29
Sie sei auch nicht Störerin, dass sie die Verkäufer nicht zu einem Verstoß gegen das Buchpreisgesetz veranlasst habe. Die Verkäufer hätte nicht gegen das Buchpreisgesetz verstoßen, sondern ihren Pflichten nach § 3 BuchPrG genüge getan.Abs. 30
Sie hafte auch nicht als mittelbare Täterin. Der Tatbestand des § 3 BuchPrG sei nicht erfüllt, da die dem gebundenen Ladenpreis entsprechenden Kaufpreise vollständig gezahlt und von den Verkäufern vollständig behalten wurden. Die Beklagte habe auch keine Kontrolle über die Verkäufe gehabt.Abs. 31
Es liege auch keine Umgehung des Buchpreisbindungsgesetzes vor. Sie, die Beklagte, könne die Vorgaben bereits deshalb nicht umgehen, dass sie nicht Adressatin des Gesetzes sei. Sie habe keinen Grund, Verpflichtungen auszuweichen, die für sie überhaupt nicht gelten. Die zitierten BGH-Entscheidungen bezögen sich ausschließlich auf Buchverkäufer. Auch die Buchverkäufer, die ihre, der Beklagten, Plattform nutzten, umgingen nicht die Vorgaben, sondern erhielten zum einen den vollen Kaufpreis und seien zum anderen in die Gutscheinaktion nicht mit einbezogen worden. Die Handlungen der Verkäufer einerseits und von ihr, der Beklagten, andererseits könnten auch nicht einfach zusammengerechnet werden, da sie sich gegenseitig nicht abgestimmt hätten. Kennzeichnend für eine Umgehung sei es nach der Rechtsprechung des BGH, dass der Verkäufer den vollen Beitrag zunächst erhalte und dann einen Teil an den Käufer zurückerstatte. Die Mittel müssten vom Verkäufer zum Käufer zurückfließen. Dies sei hier indes nicht der Fall.Abs. 32
Eine Rückzahlung finde auch nicht deshalb statt, da die Verkäufer eine Verkaufsprovision an sie, die Beklagte, zahlten. Die Provision sei eine Zahlung für die Vermittlungsleistungen, die Zahlung sei marktüblich und angemessen. Sie habe nichts mit ihrer Gutscheinaktion zu tun.Abs. 33
Es komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht darauf an, ob durch den Käufer der volle Buchpreis gezahlt werde. Das BuchPrG enthalte keine Käuferpflichten. Es sei vielmehr zulässig, wenn Dritte Teile des Buchkaufpreises zahlten. Letztlich sei die Situation vergleichbar mit einem Geschenkgutschein.Abs. 34
Soweit der Kläger auf die Schaffung eines lupenreinen Preiswettbewerbs Bezug nehme, überzeuge dies nicht. Die Verkäufer erhielten den vollen Buchpreis. Kein Verkäufer versuche, sich wettbewerbliche Vorteile zu verschaffen. Es habe auch allen offen gestanden, die Plattform der Beklagten zu nutzen. Insbesondere kleine und mittlere Wettbewerber nutzten die Möglichkeit, über die von ihr bereitgestellte Plattform zu verkaufen.Abs. 35
Das BuchPrG könne auch nicht analog auf die Gutscheinaktion der Beklagten angewandt werden. Dies käme nur bei einer planwidrigen Regelungslücke in Betracht. Daran fehle es hier. Der Gesetzgeber habe bewusst lediglich Pflichten für Verleger, Importeure und Verkäufer festgelegt, nicht aber für Vermittler wie die Beklagte. Für eine analoge Anwendung fehle es auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Rollen von Vermittlern und Verkäufern seien allgemein im Wirtschaftsverkehr grundsätzlich verschieden. Es müsste ferner berücksichtigt werden, dass das BuchPrG ein Ausnahmetatbestand im Gefüge der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften darstelle.Abs. 36
II.Abs. 37
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Dem Kläger steht aus den zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Landgerichts kein Unterlassungsanspruch nach § 9 BuchPrG i.V.m. §§ 3, 5 BuchPrG zu.Abs. 38
1. Zu Recht hat das Landgericht eine unmittelbare Haftung der Beklagten als Täterin abgelehnt.Abs. 39
Die Beklagte verkauft nicht gewerbsmäßig (auch) neue Bücher an Letztabnehmer im Sinne des § 3 S. 1 BuchPrG und ist damit nicht Normadressatin nach § 3 S. 1 i.V.m. § 5 BuchPrG. Eine Haftung als Täterin kommt damit nicht in Betracht. Nach den unstreitigen Grundlagen der vertraglichen Beziehungen vermittelt die Beklagte lediglich über ihre Plattform die Möglichkeit des Abschlusses eines Kaufvertrages von Letztabnehmern unmittelbar bei den Verkäufern. Mit dem Einstellen eines Produktes auf ihrer Plattform gibt der Verkäufer ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages ab, das der Käufer unmittelbar annimmt. Insoweit wird auf die überzeugenden Darstellungen des Landgerichts aus Gründen der Vereinfachung Bezug genommen.Abs. 40
2. Eine Haftung der Beklagten als mittelbare Täterin im Sinne von § 25 Abs. 1 StGB scheidet ebenfalls aus, da sie nicht durch einen anderen, hier die Buchhändler, gegen die Vorgaben des BuchPrG verstoßen hat.Abs. 41
a. Vorliegend kommt die Beklagte als mittelbare Täterin bereits deshalb nicht in Betracht, da es ihr an der erforderlichen besonderen Subjektsqualität fehlt. Mittelbare Täterschaft setzt voraus, dass der mittelbare Täter etwaige Voraussetzungen an den Normadressaten selbst erfüllt. Sie ist damit weder bei eigenhändigen Delikten möglich noch dort, wo dem Hintermann die im gesetzlichen Tatbestand geforderte besondere Subjektsqualität fehlt (Kudlich in: BeckOK StGB, 1.11.2022, § 25 Rn. 31). Die vollständige Tatbestandsmäßigkeit muss in der Person des mittelbaren Täters erfüllt sein. Soweit das BuchPrG Handlungen vorgibt bzw. verbietet, richtet sich dies ganz konkret an die Buchhändler, Sortimenter, Verleger oder Buchimporteure. Die Täterschaft ist damit an die Funktion dieser Personen gebunden. Der Hinweis des Klägers, dass die Normen des BuchPrG vorwiegend dem Schutz des mittelständischen Buchhandels dienten, führt nicht dazu, dass dieser selbst Adressat der Normvorgaben wird bzw. sein kann.Abs. 42
Damit kommt es nicht darauf an, dass der Kläger zu Recht darauf verweist, dass der mittelbare Täter nicht alle Tatbestandsmerkmale selbst verwirklichen muss, sondern sich eines Werkzeugs bedient. Voraussetzung für eine mittelbare Täterschaft bleibt aber, dass die vollständige Tatbestandsmäßigkeit in der Person des mittelbaren Täters vorliegt.Abs. 43
b. Darüber hinaus scheidet eine mittelbare Täterschaft auch deshalb aus, da die Buchhändler selbst, die während des Aktionszeitraums preisgebundene Bücher verkauften und bei deren Käufen die Letztabnehmer den Gutscheincode eingelösten, nicht von der Beklagten als Tatmittler eingesetzt wurden. Sie haben auch im Fall eines Verkaufs, bei dem der Kunde einen Gutschein eingelöst hat, nicht gegen die Vorgaben des § 3 BuchPrG verstoßen:Abs. 44
Zutreffend hat das Landgericht im Einzelnen dargestellt, dass die Buchhändler auch im Falle der Aktivierung eines Aktionsrabattes durch die Letztabnehmer den vollen gebundenen Ladenpreis erhalten. Auf diese Ausführungen insbesondere auch im Hinblick auf die Fragen zur Zulässigkeit der Einlösung von Gutscheinen und der Zahlung des Buchpreises durch Dritte wird aus Gründen der Vereinfachung Bezug genommen.Abs. 45
Ohne Erfolg verweist der Kläger in der Berufung vertieft darauf, dass die Buchhändler im Ergebnis nicht den gebundenen Ladenpreis erhielten, da die von ihnen an die Beklagte gezahlte Provision von der Beklagten für die Zahlungspflicht der Kunden verwandt und damit im Ergebnis an die Kunden weitergeleitet werde. Die vom Kläger in Bezug genommenen Ausführungen des BGH in der Entscheidung „Förderverein“ (Urteil vom 21.7.2016 - I ZR 127/15), wonach Provisionen, die der Verkäufer Dritten für die Vermittlung von Verkäufen an Letztabnehmer zahlt, nicht an diese weitergegeben werden dürfen, passen auf die vorliegende Konstellation nicht. Hier kommt es nicht zur Weitergabe der von den Buchhändlern an die Beklagte gezahlten Provision an die Letztabnehmer:Abs. 46
Unstreitig zahlen alle Verkäufer eine Provision an die Beklagte. Diese beträgt bei Büchern 9% zzgl. 0,35 € pro Verkaufsgeschäft. Zu Unrecht ist der Kläger der Ansicht, die Beklagte würde durch die Gutscheinaktion, wonach das Buch 10% günstiger vom Letztabnehmer erworben werden kann, im wirtschaftlichen Ergebnis diese Provisionen an die Kunden weiterleiten, so dass es zur Unterschreitung des gebundenen Preises komme. Die Provision der Verkäufer findet ihre Grundlage in den AGB der Beklagten. Sie fällt grundsätzlich - und damit insbesondere auch unabhängig von etwaigen Werbeaktionen der Beklagten - an und dient dem Ausgleich der allgemeinen Vermittlungsleistungen der Beklagten. Die - einmalige - Rabattaktion ist dagegen eine Marketingaktion der Beklagten, mit der sie ihren Marktplatz bewerben wollte. Die Beklagte hat ausführlich dargelegt, dass sie die Gutscheine auf eigene Kosten finanziert habe. Ein preisbindungsrechtlicher Zusammenhang zwischen diesem Rabatt und der Provision lässt sich damit weder formal noch bei wirtschaftlicher Betrachtung herstellen. Dagegen spricht auch, dass die Verkäufer unstreitig in diese Rabattaktion nicht eingebunden worden waren.Abs. 47
Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass der Gesetzgeber die provisionspflichtige Einschaltung Dritter im Vertrieb preisbindungsrechtlich für unproblematisch hält (vgl. BT-Drs 14/9196 S. 13). Auch der Einsatz von Kundenbindungssystemen sollte nicht grundsätzlich verhindert werden (BT-Drs a.a.O.).Abs. 48
Die Entscheidungen des BGH zur Buchpreisbindung (Urteil vom 23.7-2015 - I ZR 83/14 - Gutscheinaktion beim Buchankauf und Urteil vom Urteil vom 21.7.2016 a.a.O. - Förderverein) führen vorliegend nicht zu anderen Ergebnissen; sie betrafen Konstellationen, bei denen auf Beklagtenseite immer ein Buchhändler stand und sind bereits deshalb nicht unmittelbar vergleichbar: Bei der Entscheidung „Gutscheinaktion“ hatte der Buchhändler selbst seinen Kunden einen Zusatzrabatt zum Ankaufspreis in Form eines Gutscheins gegeben, der beim weiteren Bucheinkauf verwendet werden durfte. Der Buchhändler hatte damit faktisch für die Abgabe preisgebundene Bücher nicht die volle Gegenleistung erhalten, so dass ein Verstoß gegen die Preisbindung angenommen worden ist (vgl. auch Möller, GRUR-Prax 2018, 490, 491). Die vorliegende Konstellation des Adventsrabattes unterscheidet sich davon jedoch bereits dadurch, dass der Buchhändler - wie ausgeführt - den vollen gebundenen Ladenpreis (wenn auch über zwei Quellen) erhält. Bei der Entscheidung „Förderverein“ kam den Letzterwerbern selbst nicht die provisionsähnliche Werbekostenerstattung zugute, sondern einem Dritten, dem Förderverein. Dies hielt der BGH für zulässig, so dass auch aus dieser Entscheidung nicht im Sinne des Klägers auf eine Unzulässigkeit des hiesigen Vorgehens geschlossen werden kann.Abs. 49
Die Entscheidung des erkennenden Senats „Bonusmeilen“ (Urteil 20.7.2004 - 11 U 2/04) differenzierte zwischen dem zulässigen Einsatz von Vorteilen in Form von Flugmeilen, die bei Dritten erworben, und dem unzulässigen Einsatz von Meilen, die durch den Ankauf von Büchern beim Buchhändler selbst erlangt worden waren. Letztere wirkten sich wie eine Preisreduktion auf die preisgebundenen Bücher aus und wurden daher als unzulässig angesehen. Hier gewähren jedoch nicht die Buchhändler selbst den Gutschein, sondern die Beklagte als Vertriebsmittlerin. Damit fehlt es auch insoweit an der Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Fallgestaltungen.Abs. 50
3. Eine Haftung als Störer kommt aus den vom Landgericht dargestellten Erwägungen ebenfalls nicht in Betracht.Abs. 51
Als Störer haftet derjenige, der zwar nicht Normadressat des gesetzlichen Verbotes selbst ist, der aber Buchhändler oder Verleger im Wissen um die Buchpreisbindung vorsätzlich zu einem Verstoß gegen das BuchPrG veranlasst. Eine solche Konstellation liegt vorliegend ebenfalls nicht vor:Abs. 52
Die Buchhändler, die über die Plattform des Beklagten ihre Bücher vertreiben, haben - wie oben ausgeführt - auch bei Käufen unter Einsatz des Adventsgutscheins durch die Letztabnehmer nicht gegen § 3 BuchPrG verstoßen.Abs. 53
4. Vorliegend kommt es auch nicht zur Umgehung des BuchPrG.Abs. 54
Eine Umgehung liegt vor, wenn das Verhalten zwar nicht gegen den Wortlaut, wohl aber gegen Sinn und Zweck der Norm verstößt. § 1 BuchPrG definiert den Zweck des BuchPrG wie folgt: Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch. Die Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.Abs. 55
Gegen eine Umgehung spricht vorliegend, dass die Beklagte selbst - wie ausgeführt - nicht Normadressatin der Vorgaben des BuchPrG ist. Sie kann damit das Gesetz formal nicht umgehen und hat auch materiell keinen Anreiz, eine ihr nicht obliegende Pflicht zu vermeiden. Eine Umgehung wäre denkbar, wenn die Buchhändler ihrerseits die Beklagte bewusst zur Vermeidung der sie treffenden Pflichten eingeschaltet hätten. Dies behauptet indes weder der Kläger noch finden sich für diese Annahme Anhaltspunkte in der Akte.Abs. 56
5. Schließlich besteht auch kein Raum für eine analoge Anwendung der Vorgaben des BuchPrG, wie vom OGH in der Entscheidung vom 24.10.2019 (Az. 4 Ob 85/19g) vorgenommen.Abs. 57
Eine Analogie setzt eine planwidrige Gesetzeslücke voraus. Diese kann hier nicht erkannt werden.Abs. 58
Das BuchPrG will weder den Buchhändlern die Auswahl ihrer Absatzkanäle vorgeben noch den Kunden ihre Bezugsquellen. Der grundsätzliche Einsatz von Vertriebsmittlern durch Buchhändler und die Notwendigkeit, an diese Provisionen zu zahlen, war dem Gesetzgeber bekannt. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die provisionspflichtige Einschaltung Dritter in den Vertrieb preisbindungsrechtlich unproblematisch ist (BT-Drs. 14/9196 S. 13).Abs. 59
Soweit der Gesetzgeber mit dem BuchPrG auch erreichen wollte, dass „Bücher überall zu gleichen Preisen erhältlich sind“ (BT-Drs. 14/9196 S. 8), ist dem Kläger zuzugeben, dass die Gutscheinaktion für den Aktionszeitraum selbst bewirkte, dass Bücher, die über die Plattform der Beklagten bestellt wurden, zu anderen Preisen für den Letztabnehmer erhältlich waren als ohne Verwendung des Marktplatzes der Beklagten. Der damit verbundene Eingriff in den Preiswettbewerb rechtfertigt indes nach Einschätzung des Senats keine analoge Anwendung des BuchPrG:Abs. 60
Aus den bereits vom Landgericht zutreffend dargestellten und hier aus Vereinfachungsgründen in Bezug genommenen Gründen ist der einmalige für einige Stunden eröffnete Preiswettbewerb allein nicht geeignet, um von einer über die Analogie zu schließenden planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Insbesondere fehlt es - wie auch vom OGH, den der Kläger zur Untermauerung seiner Ansicht heranzieht, ausgeführt (Entscheidung vom 24.10.2019 a.a.O., S. 13) - an der Eignung der Aktion, eine nennenswerte Anzahl von Kunden aus preislichen Erwägungen heraus umzulenken. Soweit das BuchPrG insbesondere die Vielfalt an Buchhändler durch kleine und mittlere Anbieter erhalten möchte, ist diese Vielfalt durch die hier streitgegenständliche Aktion nicht ernsthaft bedroht worden.Abs. 61
Eine planwidrige Lücke ist zudem nicht feststellbar. Der Gesetzgeber hatte zudem bereits 2002 Kenntnis von dem Vertrieb von Waren über das Internet; er bezog sich ausdrücklich auch auf Fernabsatzgeschäfte (BT-Drs. a.a.O. S. 10). Außerdem hatte er bereits verschiedene Vertriebsstrukturen in seine Überlegungen einbezogen und u.a. Sorge dafür getragen, dass auch über den Zwischenbuchhandel nicht die bezweckte flächendeckende Versorgung mit Büchern gefährdet wird. Soweit der Kläger darauf verweist, dass im Koalitionsvertrag von 2018 festgehalten sei, dass die Koalitionsparteien die Preisbindung für Bücher „anpassen“ wollten, „damit internetgestützte Vertriebsarten (Affiliate-Programme) die Buchpreisbindung nicht aushebeln können“, spricht auch dies nicht für eine planwidrige Regelungslücke. Die Parteien des Koalitionsvertrags sind zum einen nicht der Gesetzgeber; zum anderen kam es trotz dieser Aussage tatsächlich nicht zu einer Änderung des BuchPrG. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausführte, dass dies darauf zurückzuführen sei, dass eine in Auftrag gegebene Studie infolge der Nichtwahrnehmung von Verkaufsmöglichkeiten im Internet nicht das erwartete Ergebnis erbracht habe, kann dies dahinstehen. Maßgeblich ist, dass der Gesetzgeber jedenfalls in Kenntnis der - vom Kläger als regelungsbedürftig hervorgehobenen - Konstellation keine Änderungen an dem BuchPrG vorgenommen hat. Damit besteht kein Raum für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke.Abs. 62
Schließlich überzeugt auch der Ansatz des Klägers nicht, es liege hier ein „Buchkauf-Sponsoring“ vor (Bl. 417), da die Beklagte mit dem Advents-Rabatt den Buchkauf durch Zahlung von 10% des Kaufpreises in dieser Höhe sponsere. Sponsoring ist die bewusste und gewollte Unterstützung. Der Gesponserte weiß und will die Unterstützung durch den Sponsor. Hier hatten die Buchhändler dagegen - wie ausgeführte - keine Kenntnis von der Gutscheinaktion der Beklagten.Abs. 63
III.Abs. 64
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711. Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf einer Anwendung höchstrichterlicher Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.Abs. 65

(online seit: 11.04.2023)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Frankfurt a.M., OLG, Kein Verstoß gegen Buchpreisbindung durch Rabattaktion auf Online-Verkaufsplattform - JurPC-Web-Dok. 0047/2023