JurPC Web-Dok. 18/2022 - DOI 10.7328/jurpcb202237218

VG Wiesbaden

Urteil vom 17.01.2022

6 K 784/21.WI

Quellcode keine amtliche Information im Sinne des HDSIG

JurPC Web-Dok. 18/2022, Abs. 1 - 67


Leitsätze:

1. Der grundsätzlich weit auszulegende Begriff der amtlichen Information im Sinne des § 80 Abs. 1 S. 3 HDSIG umfasst nicht den Quellcode. Die Aufzeichnung des Quellcodes erfolgt nicht zu amtlichen Zwecken. Software wird durch staatliche Stellen auch ohne Zugriffsmöglichkeit auf den Quellcode genutzt, etwa bei der gebräuchlichen Bürosoftware. Seine Kenntnis ist zur staatlichen Aufgabenwahrnehmung nicht erforderlich.

2. Die Regelungen des HDSIG sind auf die Herstellung von Transparenz bezüglich Quellcodes nicht ausgerichtet. Insbesondere führt nach der gesetzlichen Konzeption die Gefährdung der IT-Sicherheit als Teil der öffentlichen Sicherheit regelmäßig zu einem Ausschluss des Anspruchs. Eine Trennung nicht IT-sicherheitssensibler Teile des Quellcodes von gefährdeten Teilen ist ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht möglich. Die Überlegungen zur Transparenz von Open Source-Programmen als Beitrag zu deren Sicherheit sind auf nicht-veröffentlichten Quellcode nicht übertragbar.

Tatbestand:

Der Kläger, selbst Lehrer an einer hessischen Schule, begehrt Einblick in den Quellcode bestimmter Anwendungen im Hessischen Schulportal www.schulportal.hessen.de.Abs. 1
Das Hessische Schulportal wird im Geschäftsbereich des Hessischen Kultusministeriums betrieben. Auf der Website des Schulportals wird im Impressum die Hessische Lehrkräfteakademie als projektausführende Stelle bezeichnet.Abs. 2
Das Hessische Schulportal (SPH) unterteilt sich nach Angaben auf der Webseite des Schulportals (dort unter Impulse & Materialien) in vier „Module“, die entweder einzeln oder gemeinsam genutzt werden können, namentlich SPH-PaedNet, SPH-PaedOrg, SPH-LernSys sowie SPH-BS (hierzu und zum Folgenden https://schulportal.hessen.de/informationen-zum-schulportal/technische-informationen/).Abs. 3
· Bei SPH-PaedNet handelt es sich um ein pädagogisches Netzwerk, mit dem schulischer Unterricht mit Computern in lokalen Schulnetzwerken durchgeführt und gesteuert werden kann sowie Klassen und Kurse u.a. digital verwaltet werden. Über das Netzwerk erhalten die Nutzer (Lehrer, Schüler, Lerngruppen und Eltern) zudem Zugang zum schulischen Netz sowie Internet.Abs. 4
· Bei SPH-PaedOrg handelt es sich um eine pädagogische Informationsplattform, welche verschiedene Apps für Schulen über das Schulportal zur Verfügung stellt.Abs. 5
· Das Lernmanagementsystem SPH-LernSys stellt Schulen über das Lernportal „Schulmoodle“ und „Schulmahara“ zur Verfügung, über die den Schülern Lernmaterialien, Aufgaben u.ä. bereitgestellt werden können. Moodle und Mahara sind Open-Source-Anwendungen.Abs. 6
· Daneben gewährt der Bildungsserver SPH-BS Schülern Unterrichtsmaterialien für verschiedene Fächer sowie Schulformen und enthält gleichzeitig eine Selbstlernplattform für die LernendenAbs. 7
Jedes dieser Module setzt sich aus Anwendungen bzw. Apps zusammen, die Inhalte und Hilfestellungen zu einzelnen Themen geben, aber auch die Administration von Inhalten und Anwendungen durch Lehrer ermöglichen. Zum Teil bauen die Anwendungen aufeinander auf und ergänzen sich.Abs. 8
Im Zuge der Corona-Pandemie wurde das Schulportal deutlich ausgebaut, um Schülerinnen und Schülern den Online-Unterricht während der Kontaktbeschränkungen zu ermöglichen.Abs. 9
Der Kläger stellte am 27.03.2021 über die Plattform FragdenStaat.de einen Antrag auf Informationszugang nach dem Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz (HDSIG) an den Beklagten. Er beantragte wörtlich: „Nach Information unter https://info.schulportal.hessen.de/das-sph/sph-ueberblick/ besteht das hessische Schulportal aus verschiedenen Bereichen zusammen (sic!). Ich bitte um Transparenz zu den jeweiligen, technischen Grundlagen in Form des Quellcodes zu diesen Bereichen und/oder Modulen/Funktionalitäten innerhalb des Schulportals – insbesondere für Paed­Net und PaedOrg.“ (Bl. 35f Gerichtsakte).Abs. 10
Mit Bescheid vom 18.05.2021 gewährte der Präsident der Hessischen Lehrkräfteakademie dem Kläger im Wege der Einsichtnahme vor Ort in den Räumlichkeiten der Lehrkräfteakademie am 01.06.2021 Zugang zu den Quellcodes der Anwendungen SPH-PaedNet und SPH-PaedOrg, ausgenommen derjenigen Teile, welche Rückschlüsse auf die IT-Sicherheit ermöglichen oder Rechte Dritter betreffen sowie ohne das Recht, Auszüge und Kopien zu erhalten.Abs. 11
Im Übrigen lehnte der Beklagte den Informationszugang zu den weiteren Quellcodes der Anwendungen SPH-LernSys und SPH-BS ab. Der Antrag sei unbestimmt, da das Hessische Schulportal 100 Anwendungen umfasse. Nicht alle Quellcodes befänden sich im Eigentum des Beklagten. Einige Quellcodes umfassten auch leistungsbewertende Funktionen, sodass der Ausschlussgrund des § 81 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs., § 82 Nr. 4 i.V.m. § 86 HDSIG erfüllt sei. Außerdem sei der Ausschlussgrund des § 82 Nr. 2 lit. b HDSIG erfüllt, weil einige Quellcodes wesentlicher Bestandteil der IT-Sicherheit des Schulportals seien. Bei Veröffentlichung bestehe eine gesteigerte Gefahr für Cyberangriffe und damit den Ausfall des Systems.Abs. 12
Eine Beteiligung Dritter nach § 86 HDSIG fand nicht statt.Abs. 13
Der Kläger nahm am 01.06.2021 in den Räumlichkeiten der Beklagten Einsicht in die ihm auf Grundlage des Bescheides vom 18.05.2021 vorgelegten Daten der Anwendungen PaedNet und PaedOrg. Neben dem Kläger waren Mitarbeiter der Hessischen Lehrkräfteakademie bei der Einsichtnahme vor Ort. Der Kläger erhielt zu diesem Zweck einen Laptop, auf dem sich die Daten zu den beiden Anwendungen in jeweils einem Ordner befanden.Abs. 14
Der erneute Antrag des Klägers, unter Verweis auf die Datengröße und -menge Kopien erstellen zu dürfen, wurde abgelehnt.Abs. 15
Am 17.06.2021 hat der Kläger Klage erhoben.Abs. 16
Er trägt zur Zulässigkeit der Klage vor, sein Antrag vom März 2021 habe sich auf alle vier „Anwendungen“, mithin auch SPH-LernSys und SPH-BS bezogen. Das ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Anfrage, die SPH-PaedNet und SPH-PaedOrg nur unter „insbesondere“ in Bezug nehme.Abs. 17
Der Kläger trägt weiter vor, sein Informationszugangsanspruch umfasse auch die „Anwendungen“ SPH-LernSys und SPH-BS. Das HDSIG sei anwendbar und bei den Quellcodes handele es sich auch um amtliche Informationen. Der Begriff der amtlichen Information sei weit zu verstehen, immerhin sei der Informationsanspruch ja auch voraussetzungslos. Nur der Quellcode gebe umfänglich Auskunft über das Hessische Schulportal und sei demnach naturgemäß die erstrangige Informationsquelle für denjenigen, der sich über das Portal als solches informieren wolle. Er beschreibe, auf welche Weise der Beklagte Daten im Schulportal verarbeite. Erklärungen und Erläuterungen des Beklagten über das Portal seien lediglich Umschreibungen des Quellcodes. Letztlich handele es sich beim Quellcode um ein textliches Dokument, das als solches unter den Wortlaut der amtlichen Information falle, unabhängig davon, ob er ausgedruckt werde. Er sei kein Werkzeug oder Speichermedium, sondern die Aufzeichnung der Arbeitsweise des Schulportals. Mit „amtlich“ sei zugleich nicht „inhaltlich“ gemeint, sodass auch Beschreibungen der Funktionsweise staatlicher Einrichtungen unter den Begriff der amtlichen Information fallen würden. Schließlich spreche auch der Sinn und Zweck des HDSIG, Bürgern durch einen voraussetzungslosen Informationszugang Einblick in Verwaltungshandeln zu ermöglichen und die Kontrolle staatlichen Handelns und die konsensorientierte Kooperation mit den Bürgern zu erleichtern, für eine weite Auslegung des Begriffs der „amtlichen Information“. Dies gerade vor dem Hintergrund, dass staatliches Handeln zunehmend digitale Formen annehme.Abs. 18
Das Schulportal Hessen sei von der Hessischen Lehrkräfteakademie im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit entwickelt worden und werde auch mit diesem Zweck betrieben. Als Betreiber habe der Beklagte, sei es über die Lehrkräfteakademie, sei es über das Kultusministerium, auch Zugriff auf den Quellcode, da sich das Portal ohne diesen nicht betreiben lasse. Das Eigentum Dritter sei daher unbeachtlich. Der Wahrung der Rechte Dritter diene dabei § 86 HDSIG. Auch in der Vergangenheit habe die Lehrkräfteakademie Anfragen über FragdenStaat.de zum Schulportal beantwortet.Abs. 19
Die Einsicht in Daten, die im Zusammenhang mit der IT-Sicherheit stünden, beanspruche er vor dem Hintergrund des Ausschlussgrunds des § 82 Nr. 2 lit. b HDSIG nicht.Abs. 20
Der gestellte Antrag sei auch nicht unbestimmt, jedenfalls habe der Beklagte auf die Eingrenzung/Vervollständigung durch den Antragsteller hinzuwirken.Abs. 21
Die Bereichsausnahme des § 81 Abs. 1 Nr. 6 HDSIG sei nicht gegeben, weil die Lehrkräfteakademie mit dem Schulportal nicht im Bereich der Leistungsbeurteilungen, Prüfungen und der Forschung und Lehre tätig werde. Die Quellcodes bildeten lediglich den Rahmen bzw. die technische Infrastruktur für das gemeinsame digitale Lernen, stelle aber kein personenbezogenes Datum im Sinne einer Bewertung oder Leistungsbeurteilung dar. Noten müssten nach wie vor manuell eingetragen werden.Abs. 22
Ausschlussgründe lägen nicht vor. Insoweit sei der Beklagte darlegungsbelastet. Die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 82 Nr. 2 lit. b HDSIG sei nicht betroffen, insbesondere habe der Kultusbereich auch keinen Bezug zur Aufgabe der Gefahrenabwehr oder der militärischen Absicherung. Andere Kultusministerien setzten für ihre Schulportale Open-Source-Codes ein, ohne dass insoweit Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit bestünden. Personenbezogene Daten der Schüler, Lehrer oder Eltern seien nicht betroffen.Abs. 23
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse seien nicht betroffen (§ 82 Nr. 4 HDSIG). Über ein solches verfüge der Beklagte, der nicht auf einem Markt tätig sei, sondern öffentliche Aufgaben erfülle, nicht. Software Dritter sei nicht betroffen; insoweit habe der Beklagte nichts vorgetragen.Abs. 24
Der Kläger habe auch kein rein wirtschaftliches Interesse an den begehrten Informationen, § 82 Nr. 5 HDSIG. Aus der Vorschrift folge keine Begründungspflicht; vielmehr sei der Anspruch voraussetzungslos, § 80 Abs. 1 HDSIG.Abs. 25
Der Kläger habe auch einen Anspruch auf die Bereitstellung von Kopien. Der Beklagte habe über den Einsichtsanspruch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Klägers ermessensgerecht zu entscheiden; hier liege aber zudem eine Ermessensreduzierung auf Null vor, weil der Einsichtsanspruch ansonsten leerlaufe. Man benötige für die inhaltliche Auseinandersetzung mit den am Tag der Einsichtnahme zur Verfügung gestellten Daten längere Zeit, weshalb eine inhaltlich korrekte und umfassende Einsicht bei einer zeitlich und räumlich lediglich begrenzten Einsichtsmöglichkeit in den Räumlichkeiten der Beklagten und zu den gegebenen Öffnungszeiten nicht gewährleistet werden könne. Um ein Verständnis des Ineinandergreifens der verschiedenen Anwendungen im Schulportal zu erzielen, sei eine umfangreiche und tiefgreifende, aufwändige Befassung mit dem Quellcode erforderlich. Der Quellcode umfasse mehrere hundert Dateien. Da dieser auch elektronisch zur Verfügung stehe, sei die Versendung an den Kläger nicht aufwändig, zumal der Kläger sich zur Kostentragung bereit erklärt habe.Abs. 26
Der Kläger beantragt zuletzt,Abs. 27
1. den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids der Hessischen Lehrkräfteakademie vom 18.05.2021, Aktenzeichen ….., gemäß seinem Antrag vom 27.03.2021 zu verpflichten, Informationszugang hinsichtlich der technischen Grundlagen in Form der Quellcodes für die Anwendungen SPH-LernSys und SPH-BS (ausgenommen von Moodle und Mahara und den Quellcodes, die der IT-Sicherheit des Hessischen Schulportales dienen) und die darin enthaltenen Einzelanwendungen zu gewähren,Abs. 28
2. den Bescheid der Hessischen Lehrkräfteakademie vom 18.05.2021 (Aktenzeichen ……) insoweit aufzuheben, als dass ein Rechtsanspruch des Klägers auf Informationszugang zu den technischen Grundlagen in der Form des Quell-codes für die Anwendungen PaedNet und PaedOrg, sowie SPH-LernSys und SPH-BS in Form von Auszügen oder Kopien abgelehnt wurde und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Zugang zu den begehrten amtlichen Informationen gemäß seines Antrages vom 27.03.2021 in der Form der Bereitstellung von Kopien zu gewähren.Abs. 29
Der Beklagte beantragt,Abs. 30
die Klage abzuweisen.Abs. 31
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen unter Wiederholung des Vorbringens aus dem Bescheid vom 18.05.2021 vor, dass es dem Kläger hinsichtlich des 1. Klageantrags bereits am Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil er mit seinem ersten Antrag keinen Zugang zu Informationen hinsichtlich der Anwendungen SPH-LernSys und SPH-BS begehrt habe.Abs. 32
Es handele sich beim Quellcode nicht um eine amtliche Information im Wortlautsinne, sondern um eine Beschreibung des Bearbeitungsmediums für amtliche Informationen. Die Software stelle, wie das VG Darmstadt entschieden habe (Urt. v. 8.5.2019 – 3 K 1708/17.DA) nur das Werkzeug dar, ebenso wie die Konfiguration des behördlichen Faxgeräts. Es sei auch nach dem Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsrechts, die Entscheidungsfindung mündiger Bürger zu ermöglichen und zu fördern, nicht erkennbar, wieso der Quellcode eingesetzter Software hierzu einen Beitrag leiste. Bei der Veröffentlichung des Quellcodes sei zu beachten, dass hiermit ein vollständiger Nachbau der gesamten Schulportal-Software möglich werde. Treibe man die Rechtsauffassung der Klägerseite auf die Spitze, müsse auch der Quellcode der Faxsoftware und damit der Telekommunikationsanlage offen gelegt werden. Der Quellcode sei ein reines Internum und daher Informationsansprüchen nicht zugänglich. Das BVerwG habe aktuell entschieden, dass Twitter-Direktnachrichten auch keine amtliche Information seien (Urt. v. 28.10.2021, 10 C 3.20).Abs. 33
Zudem sei der Ausschlussgrund des § 82 Nr. 2 lit. b HDSIG erfüllt, da die Veröffentlichung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstelle (vgl. VG Wiesbaden, Urt. v. 4.9.2015 – 6 K 687/15.WI), weil damit Rückschlüsse auf die Funktionsweise der Software ermöglicht würden. Für das Schulportal bedeute das die Gefährdung der Daten von Schülern und Lehrern, die die Anwendungen im Portal nutzten. Eine Offenlegung etwaiger Sicherheitslücken sei mit Blick auf die schützenswerten Daten der Nutzer zu verhindern.Abs. 34
Auch der Ausschlussgrund des § 82 Nr. 5 HDSIG sei erfüllt. Der Kläger lege seine Gründe für die Geltendmachung des Informationsanspruchs nicht offen; der Quellcode lasse sich aber kommerziell nutzen.Abs. 35
Schließlich könne auch ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 82 Nr. 5 HDSIG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG vorliegen. Der Beklagte habe viel Know-How in das Portal investiert, auf das mit der Veröffentlichung Schlüsse gezogen werden könnten.Abs. 36
Hilfsweise müsse das Gericht berücksichtigen, dass der Kläger bereits Informationszugang erhalten habe. Dass er diese Gelegenheit nur unzureichend wahrgenommen habe, liege in seiner Sphäre.Abs. 37
Außerdem sei der Antrag für die Möglichkeit einer sachgerechten Entscheidung hinsichtlich der Anwendungen PaedNet und PaedOrg sowie auf Quellcodes, welche nicht im Eigentum des Landes Hessen stünden, zu begrenzen. Ferner könnten Quellcodes Dritter nicht zugänglich gemacht werden sowie solche, welche leistungsbewertende Funktionen für Schülerinnen und Schüler enthielten und somit der Bereichsausnahme nach dem HDSIG unterfielen.Abs. 38
Eine Zugangsgewährung in Form der Bereitstellung von Kopien oder Auszügen sei mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand des Ausdrucks von 10.000 bis 15.000 Seiten verbunden, weshalb dem Kläger kein Zugangsanspruch in der mit dem Klageantrag Nr. 2 begehrten Form (nunmehr wohl Ziffer 2 neu) zustehe.Abs. 39
Im Oktober 2021 wechselte die Zuständigkeit für den Betrieb des Schulportals von der Hessischen Lehrkräfteakademie auf das Hessische Kultusministerium.Abs. 40
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gelegten Schriftsätze und Anlagen sowie auf den Behördenvorgang Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und EntscheidungAbs. 41

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und hat daher keinen Erfolg.Abs. 42
Die Klage ist nicht bereits mangels vollstreckungsfähigen Inhalts unzulässig. Zwar hat der anwaltlich vertretene Kläger trotz gerichtlichen Hinweises und auf Aufforderung der Beklagten im angegriffenen Bescheid keine Präzisierung des Antrags auf die Anwendungen, in deren Quellcode er Einblick nehmen möchte, vorgenommen. Andererseits lässt das Informationsfreiheitsrecht auch „globale“ Anträge mit umfassendem Inhalt zu (zum IFG Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 7 Rn. 25f m.w.N.). Hinsichtlich des Informationsstands des Beklagten kommt es auf die Verhältnisse und konkret den Datenbestand und den Softwarestand am Tag der mündlichen Verhandlung an (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 – 7 C 22/18 –, juris Rn. 46ff; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05. Oktober 2010 – OVG 12 B 6.10 –, juris Rn. 31, 33). Dass der Beklagte selbst den Überblick verloren hat und in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage war, auch nur die genaue Zahl der Anwendungen im Schulportal zu nennen, ändert nichts daran, dass diese – gegebenenfalls auch erst nach der gerichtlichen Entscheidung – in Erfahrung zu bringen wäre.Abs. 43
Die Klage ist unbegründet.Abs. 44
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Auskunft über den Quellcode sämtlicher im Schulportal des Beklagten vorhandenen Anwendungen nach § 80 Abs. 1 S. 1 HDSIG, sodass er durch die Ablehnung seines Begehrens auch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 VwGO). Andere Anspruchsgrundlagen, die der Kläger in seinem über FragdenStaat.de gestellten Antrag geltend machte, sind fernliegend und wurden im Rahmen der Klage auch nicht weiterverfolgt.Abs. 45
Der Anwendungsbereich des HDSIG ist nicht durch § 81 Abs. 1 Nr. 6 HDSIG ausgeschlossen. Danach gilt das HDSIG nicht für die Tätigkeit von Universitätskliniken, Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Schulen sowie sonstigen öffentliche Stellen im Bereich Forschung und Lehre, Leistungsbeurteilungen und Prüfungen.Abs. 46
Das Hessische Kultusministerium, das keine Prüfungen durchführt oder Forschungs- und Lehrtätigkeit entfaltet, ist keine Stelle im Sinne der obigen Vorschrift. Als sonstige Stellen kommen Universitätskrankenhäuser oder Prüfungsämter in Betracht, nicht aber oberste Landesbehörden (LT-Drucks. 19/5728, S. 127).Abs. 47
Als natürliche Person ist der Kläger anspruchsberechtigt nach § 80 Abs. 1 HDSIG.Abs. 48
Informationspflichtige Stelle nach § 85 Abs. 1 HDSIG ist mit dem Übergang der Verantwortlichkeit für den Betrieb auf das Hessische Kultusministerium ebendieses, da es über den Quellcode verfügt, auch wenn die teils irreführenden Angaben auf der Website des Schulportals und der Hessischen Lehrkräfteakademie anderes suggerieren.Abs. 49
Bei dem Quellcode handelt es sich indes nicht um eine amtliche Information im Sinne des § 80 Abs. 1 S. 1 HDSIG und damit nicht um einen tauglichen Anspruchsgegenstand.Abs. 50
Amtliche Informationen im Sinne des § 80 Abs. 1 S. 1 HDSIG sind nach § 80 Abs. 1 S. 3 HDSIG alle amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Die Legaldefinition ist erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahren dem ursprünglichen Entwurf hinzugefügt worden und sollte der Klarstellung dienen (LT-Drucks. 19/6300). In der ursprünglichen Begründung des Gesetzes war sie bereits genannt worden (LT-Drucks. 19/5728, S. 126). Sie entspricht dem Wortlaut des § 2 Nr. 1 IFG. Mit Blick auf den Gesetzeszweck des HDSIG – Verwaltungshandeln zukünftig offener und transparenter zu gestalten, öffentliche Partizipation und Kontrolle staatlichen Handelns sowie die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern (LT-Drucks. 19/5728, S. 97) – ist der Begriff weit auszulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.2021 – 10 C 3.20 –juris Rn. 14).Abs. 51
Ein Quellcode ist keine amtliche Information in diesem Sinne (so auch VG Darmstadt, Urteil vom 08. Mai 2019 – 3 K 1708/17.DA –, juris Rn. 38ff).Abs. 52
Ein Quellcode ist eine Zeichenfolge, die einem Rechner eine bestimmte Art der Informationsverarbeitung vorgibt und so einen Programmablauf beschreibt. Er ist per se als Rechenbefehl an eine Maschine gerichtet und folgt daher einem binären Schema (1/0, an/aus); zur Bearbeitung durch Menschen wird Quellcode in unterschiedlichen Programmiersprachen verfasst, folgt dabei aber stets logisch-mathematischen Regeln. Zum Verständnis eines Computerprogramms bzw. einer Anwendung ist, wie der Kläger richtig ausführt, letztlich der Quellcode entscheidend. Aus ihm ergibt sich, auf welche Weise Informationen verarbeitet werden.Abs. 53
Die Abfassung des Quellcodes in einer Programmiersprache stellt eine Aufzeichnung dar. Sie vermittelt zugleich Wissen über den Programmablauf und ist damit eine Information. Insoweit mag der Quellcode eine Aufzeichnung im Sinne von § 80 Abs. 1 S. 3 HDSIG sein.Abs. 54
Die Aufzeichnung von Quellcode dient allerdings nicht amtlichen Zwecken. Diese Finalität ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich, um von einer amtlichen Information auszugehen (BVerwG, Urt. v. 28.10.2021 – 10 C 3.20 –juris Rn. 15). Der Grund liegt darin, dass die mit der durch das Informationsfreiheitsrecht verfolgten Verbesserung der Kontrolle von Verwaltungshandeln durch die Bürger es nicht erforderlich macht, außerhalb des Verwaltungshandelns liegende Bereiche in den Anwendungsbereich des Gesetzes einzubeziehen.Abs. 55
Die Aufzeichnung von Quellcode durch den Programmierer ist ein notwendiger Arbeitsschritt bei der Erstellung eines Programms. Selbst wenn der Programmierer hierbei Mitarbeiter des Beklagten, etwa der HZD oder der Lehrkräfteakademie ist, übt er hierbei keine Hoheitsgewalt aus, sondern handelt letztlich fiskalisch. Der Besitz der Aufzeichnung des Quellcodes ist für die staatliche Aufgabenerfüllung, selbst für die Arbeit mit einem hierauf beruhenden Programm, nicht erforderlich. So verfügt das Land Hessen nicht über den Quellcode des Betriebssystems Windows, obwohl seine Mitarbeiter-IT ganz wesentlich auf diesem Produkt aufbaut. Die Information ist, mit anderen Worten, für Verwaltungshandeln nicht erforderlich, ebensowenig, wie Angaben über die Beschaffenheit von Kugelschreibern, Zimmertüren oder Dienstwagenkarosserien eine amtliche Information sind (VG Darmstadt, Urteil vom 08. Mai 2019 – 3 K 1708/17.DA –, juris Rn. 40). Demnach ist der Zweck der Aufzeichnung auch kein amtlicher Zweck.Abs. 56
Eine teleologische Auslegung des Begriffs der amtlichen Information führt zu keinem anderen Verständnis. Die Kontrolle staatlichen Handelns erfordert es nicht, die Rahmenbedingungen konkreter staatlicher Tätigkeit zu kennen (so auch VG Darmstadt, Urteil vom 08. Mai 2019 – 3 K 1708/17.DA –, juris Rn. 40). Für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit und auch Sachgerechtigkeit staatlichen Handelns ist es erst einmal unerheblich, welche Qualität das Arbeitsmaterial der öffentlichen Verwaltung hat. Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Sachgerechtigkeit kann nur die Inhalte staatlichen Handelns betreffen. Der amtliche Zweck erledigt sich in der Benutzung der Software durch die Mitarbeiter der Behörde, erfordert aber keine Kenntnis des sich nur IT-Experten erschließenden Quellcodes.Abs. 57
Das Gericht verkennt nicht, dass die Beschaffung mangelhaften Materials gegebenenfalls Gegenstand eines öffentlichen Informationsinteresses ist und mittelbar auch einen Auskunftsanspruch begründen könnte. Würde der Beklagte ein Gutachten über Mängel einer beschafften Software oder die Einhaltung von IT-Sicherheitsstandards erstellen, fiele dieses Gutachten selbstverständlich unter den Begriff der amtlichen Information, weil der Zweck der Gutachtenerstellung ein amtlicher (haushalterischer) Zweck ist. Das HDSIG verfolgt aber nicht den Zweck, die Bürger an die Stelle der Verwaltung zu setzen und die Qualität des Arbeitsmaterials von sich aus zu überprüfen, mithin die amtlichen Informationen erst zu generieren.Abs. 58
Diesem Verständnis folgt auch das Bundesverwaltungsgericht, wenn es für die Finalität der Aufzeichnung wesentlich auf die Frage der Aktenwürdigkeit abstellt (BVerwG, Urt. v. 28.10.2021 – 10 C 3.20 – juris Rn. 15ff). Die Akte dient der Nachvollziehbarkeit behördlichen Handelns im Einzelfall, sei es eine Personalangelegenheit (Personalakte), ein Verwaltungsverfahren (etwa eine Bauakte) oder eine Vergabeentscheidung. Akten halten daher die Inhalte staatlichen Handelns fest (hierzu VG Wiesbaden, Urteil vom 28. Dezember 2016 – 6 K 332/16.WI –, juris Rn. 21ff), nicht seine physische Grundlage. Solange der Quellcode als solcher nicht Inhalt einer behördlichen Entscheidung ist, muss er auch nicht veraktet werden.Abs. 59
Dass diese Auslegung den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht, ergibt auch eine systematische Interpretation. Der Gesetzgeber ist nicht davon ausgegangen, dass Quellcode überhaupt unter den Vierten Teil des HDSIG fällt, weil die Regelungen der §§ 81 ff. HDSIG hierauf schlicht nicht passen.Abs. 60
Der Ausschlussgrund des § 82 Nr. 2 lit. b HDSIG ist bei Quellcode praktisch immer verwirklicht. So ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass Teile des Quellcodes, deren Veröffentlichung die IT-Sicherheit der Software gefährdet, weil sie böswilligen Dritten Kenntnis von Schwachstellen vermittelt, nicht vom Auskunftsanspruch erfasst sind (VG Wiesbaden, Urteil vom 04. September 2015 – 6 K 687/15.WI –, juris Rn. 37f). Das folgt aus § 82 Nr. 2 lit. b HDSIG, der, anders als das IFG des Bundes, ausdrücklich die „öffentliche“ Sicherheit benennt und damit die gesamte Rechtsordnung unter Einschluss der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen umfasst. Eine Teilung des Quellcodes in veröffentlichungsfähige und geheimhaltungsbedürftige Teile ist nach Auffassung des Gerichts nicht möglich, da Sicherheitslücken grundsätzlich in allen Teilen des Quellcodes denkbar sind.Abs. 61
Soweit die Klägervertreterin diesem Verständnis das Konzept des öffentlichen Quellcodes (open source) entgegenhält, vermag das Gericht dem HDSIG keine Systementscheidung zu entnehmen, jeglichen im Einsatz befindlichen Quellcode, der in staatlichen Einrichtungen zum Einsatz kommt, als Open Source Code einzustufen. Schon die Annahme, die Veröffentlichung von Quellcode trage per se zur Verbesserung der IT-Sicherheit bei, begegnet jedenfalls für den staatlichen Bereich, zu dem das Schulwesen gehört, durchgreifenden Zweifeln, da nicht unterstellt werden kann, dass ein Dritter, der Kenntnis von einer Schwachstelle erlangt, die Behörde hierüber unterrichtet und sie nicht ausnutzt oder sein Wissen über sie weiterverkauft. Da Open Source Code von vornherein in Kenntnis der späteren Veröffentlichung programmiert wird, sind die Überlegungen, die im Zusammenhang mit seiner Veröffentlichung stehen, nicht auf Quellcode, dessen Geheimhaltung Bestandteil des IT-Sicherheitskonzepts des Betreibers ist, übertragbar.Abs. 62
Bei Quellcode ist im Zusammenspiel von § 82 Nr. 2 lit. b HDSIG und § 85 Abs. 2 S. 2 HDSIG immer ein unverhältnismäßiger Aufwand der Behörden zu erwarten, der eine Ablehnung des Antrags rechtfertigt. Denn die Trennung eines nicht IT-sicherheitssensiblen Teils des Quellcodes von einem zu schützenden Teil erfordert immer eine umfassende gutachterliche Prüfung des Quellcodes durch den Beklagten und hat daher immer die Suche nach Sicherheitslücken zur Folge, die nicht offen gelegt werden dürfen. Da das Sachwissen bei der Behörde mit Blick auf die unattraktiven Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten für IT-Experten im öffentlichen Dienst in aller Regel nicht vorhanden ist, wären zur Erfüllung von Informationsansprüchen kosten- und zeitintensive Begutachtungen durch Externe erforderlich, die durch die Erhebung nicht-abschreckender Kosten nach § 88 Abs. 1 S. 4 HDSIG nicht refinanziert werden können und regelmäßig in Konflikt mit den knappen Antwortfristen des § 87 Abs. 1 HDSIG gerieten.Abs. 63
Auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2. ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewähr einer bestimmten Form der Akteneinsicht, weil ihm schon kein Anspruch auf die Einsichtnahme in den Quellcode zusteht.Abs. 64
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.Abs. 65
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 S. 1, 2 ZPO.Abs. 66
Rechtsmittelbelehrung…Abs. 67

(online seit: 08.02.2022)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Wiesbaden, VG, Quellcode keine amtliche Information im Sinne des HDSIG - JurPC-Web-Dok. 0018/2022