JurPC Web-Dok. 157/2021 - DOI 10.7328/jurpcb20213611157

VG Wiesbaden

Urteil vom 27.09.2021

6 K 549/21.WI

Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten

JurPC Web-Dok. 157/2021, Abs. 1 - 75


Leitsätze:

Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Ausübung des Einschreitermessens des Beklagten besteht, wenn die Datenverarbeitung rechtswidrig ist und die rechtswidrig gespeicherten Daten zu löschen sind.

Es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass Rechtsdienstleister im Rahmen von Inkassodienstleistungen Einmeldungen an Wirtschaftsauskunfteien ohne gesonderte Beauftragung durch ihren Auftraggeber vornehmen dürfen. Sowohl nach § 11 BDSG a.F., wie auch nach dem nunmehrigen Art. 28 DS-GVO hat im Rahmen der Auftragsverarbeitung die Datenverarbeitung nur im Rahmen der Weisung des Auftraggebers zu erfolgen, mithin dürften auf Grundlage des Auftragsverarbeitungsvertrags nur auf dokumentierte Weisung des Verantwortlichen personenbezogene Daten für andere Zwecke, als ursprünglich gegeben, erfolgen.

Der Abschluss eines Ratenzahlungsvertrages führt zu einem vereinbarten Zahlungsaufschub. Dies mit der Folge, dass eine Eintragung bei einer Wirtschaftsauskunftei zu einer unrechtmäßigen Datenverarbeitung führt. Die Daten sind zu löschen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt ein Einschreiten des Beklagten bezüglich eines Negativeintrages bei der Beigeladenen zu 1., eine Forderung der Advanzia Bank. S.A. gegen den Kläger betreffend, den die Firma B, die Beigeladene zu 2., bei der Beigeladenen zu 1. zur Eintragung brachte.Abs. 1
Der Kläger hatte ursprünglich in einem Vertragsverhältnis zu der A gestanden. Hier bestand ein Kreditkartenkonto. Mitte 2017 kam es zu Zahlungsschwierigkeiten. Mit Mahnung vom 03.07.2017 forderte die A den Kläger zur Zahlung in Höhe von 1.561,44 €, mindestens jedoch 95,09 € bis zum 20.07.2017, auf. Unter Datum vom 03.12.2017 erfolgte die Kündigung durch die A zum 31.12.2017 mit einem Saldo von 1.605,64 €. Für den Fall der nicht fristgemäßen Ausgleichszahlung wurde eine Meldung an die SCHUFA, die Beigeladene zu 1., angedroht.Abs. 2
Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt wurde die Beigeladene zu 2. von der A beauftragt, die Forderung einzutreiben. Die Beigeladene zu 2. forderte von dem Kläger im Weiteren die Gesamtforderung in Höhe von 1.764,69 € (Schreiben vom 23.01.2018) ein.Abs. 3
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob nach telefonischer Kontaktaufnahme ein Vorschlag des Klägers, die Schuld in Raten abzuzahlen, mit Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 14.2.2018 und 12.12.2018 akzeptiert wurde. Jedenfalls hat der Kläger eine Teilzahlungsgebühr über 245,00 € geleistet und in der Folge Raten gezahlt.Abs. 4
Letztendlich erfolgte eine Überzahlung durch den Kläger, welche durch die Beigeladene zu 2. mit Schreiben vom 16.07.2019 anerkannt und zurückgezahlt wurde.Abs. 5
Parallel dazu erfolgte eine Eintragung durch die Beigeladene zu 2. bei der Beigeladenen zu 1. zunächst mit einer Forderung über 1.546,00 €Abs. 6
Im Rahmen einer Klage des Klägers gegen die A vor dem Landgericht Lüneburg (Az.: 3 O 143/20) schlossen der Kläger und die A den folgenden Vergleich:Abs. 7
1. Die Beklagte verpflichtet sich, die in der Datenbank der SCHUFA Holding AG enthaltenen Negativeinträge über den Kläger zu der Kontonummer 24 000 …. …., und zwar die Einträge vom 13.02.2018 und 12.02.2019 gegenüber der SCHUFA Holding AG schriftlich zu widerrufen und hierbei darauf hinzuweisen, dass der Widerruf aufgrund der Erörterungen in dem Rechtsstreit 3 O 143/20 und der richterlichen Empfehlung unter Verweis auf den am 21.12.2020 geschlossenen Vergleich erfolgt.Abs. 8
2. Durch diesen Vergleich sind sämtliche streitgegenständlichen Ansprüche erledigtAbs. 9
3. …Abs. 10
Dem lag zugrunde, dass von Seiten des Gerichts darauf hingewiesen worden war, dass offen sei, ob eine Ratenzahlungsvereinbarung und wenn ja, mit welchem Inhalt geschlossen worden sei. Darüber hinaus müsse darüber nachgedacht werden, wie sich eine Ratenzahlungsvereinbarung auf die schon erfolgte Kündigung auswirke. Das Gericht neige zumindest dazu, dass, wenn die Fälligkeit der Forderung durch die Ratenzahlungsvereinbarung aufgeschoben werden sollte, ein Negativeintrag zu diesem Zeitpunkt nicht rechtmäßig wäre. Die Frage, ob eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen wurde und ob dies hier tatsächlich die Fälligkeit auflöse, sei dadurch jedoch nicht entschieden.Abs. 11
Gestützt darauf teilte die Beigeladene zu 2. der Beigeladenen zu 1. mit:Abs. 12
„Gemäß Ziff. 1 dieser Vereinbarung widerrufen wir namens und im Auftrag unserer Kundin, der A., die in der Datenbank der Schufa Holding AG enthaltenen Negativeinträge über Herrn C zu der Kto.-Nr. 24 000 …. …., und zwar die Einträge vom 13.02.2018 und vom 12.02.2019. Wir weisen darauf hin, dass der Widerruf aufgrund der Erörterungen in dem Rechtsstreit 3 O 143/20 und der richterlichen Empfehlung unter Verweis auf den am 21.12.2020 geschlossenen Vergleich erfolgt.“Abs. 13
Die Beigeladene zu 1. nahm jedoch keine Löschung vor. Auch weitere Löschaufforderungen blieben erfolglos.Abs. 14
Mit Schreiben vom 10.02.2021 wandte sich daraufhin der Bevollmächtigte des Klägers an den Beklagten mit dem Ziel des Tätigwerdens gegen die Beigeladene zu 1. Die Meldevoraussetzungen lägen nicht vor. Es bestehe ein Löschungsanspruch des Klägers.Abs. 15
Mit Bescheid vom 19.03.2021 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Er teilte dem Vertreter des Klägers mit, dass entscheidend für die Frage, ob die Eintragung zu löschen sei, nicht die individuelle Befassung mit dem Vorgang, sondern vielmehr die materielle Rechtmäßigkeit und Berechtigung zur Speicherung für den jeweiligen Eintrag gemäß DS-GVO entscheidend sei. Beides sei offenbar nicht gegeben. Man sehe keine Möglichkeit, die Beigeladene zu 1. zur Löschung des Eintrages zu verpflichten. Man gehe davon aus, dass eine Ratenzahlungsvereinbarung nicht abgeschlossen worden sei, auch wenn sich der Kläger so verhalten habe.Abs. 16
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22.04.2021, eingegangen beim Verwaltungsgericht Wiesbaden per EGVP am selben Tage, hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben.Abs. 17
Der Kläger ist der Auffassung, dass entsprechend den damals geltenden Vorgaben des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bzw. 5 BDSG a.F. die Einmeldung der Forderung bei der Beigeladenen zu 1. nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, da nicht deutlich gemacht worden sei, wann die Sache an die Beigeladene zu 1. abgegeben werden solle. Der Begriff „SCHUFA“ reiche zumindest nicht aus. Nach dem Gesetz müsse die Unterrichtung mindestens folgende Angaben enthalten:Abs. 18
- Hinweis darauf, dass die verantwortliche Stelle sich zur Übermittlung entschlossen hat und diese nun erfüllen willAbs. 19
- Benennung des konkreten Übermittlungsempfängers (der konkreten Auskunftei)Abs. 20
- Benennung der Daten (Angaben in der Terminologie des Buchstaben c), deren Übermittlung erfolgen sollAbs. 21
- Darlegung, auf welche konkrete Forderung sich die Übermittlung beziehtAbs. 22
- beabsichtigter Zeitpunkt der ÜbermittlungAbs. 23
Ein abstrakter standardisierter Hinweis, dass die Beigeladene zu 2. Daten an Auskunfteien weiterleite, scheide aus. Der Betroffene müsse vielmehr erkennen können, was der Inhalt der Übermittlung sein werde. An solchen konkreten Angaben fehle es. Der Kläger habe aufgrund des Hinweises überhaupt nicht erkennen können, welche Folgen sein Verhalten bezüglich des Negativeintrages haben könne. In der Kündigung heiße es lediglich, dass man gehalten gewesen sei, eine Datenübermittlung vorzunehmen. Darin liege weder eine Warnung im Sinne des § 28a BDSG a.F., noch sei eine Meldung tatsächlich vorgenommen worden. Der Hinweis sei irreführend.Abs. 24
Unabhängig davon, dass § 31 Abs. 2 BDSG mangels Öffnungsklauseln in der DS-GVO europarechtswidrig sei, regele dieser ohnehin nicht die Voraussetzungen für eine Datenübermittlung. Eine Interessensabwägung zugunsten der Beigeladenen zu 1. oder eines Dritten habe nicht stattgefunden. Die Beigeladene zu 1. habe den Kläger unstreitig darauf verwiesen, sich an die meldenden Vertragspartner zu wenden. Dies habe der Kläger getan, was letztendlich zu dem Widerruf des Beigeladenen zu 2. geführt habe. Insoweit habe der Kläger auch darauf vertrauen können, dass ein Widerruf der Meldung zu einer vollständigen Löschung führe.Abs. 25
Der Löschungsanspruch ergebe sich darüber hinaus auch aus Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO. Der Beklagte sei im Rahmen seiner Aufgaben und Befugnisse dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Durchsetzung einer Löschung zu ergreifen.Abs. 26
Der Kläger beantragt,Abs. 27
1. den Bescheid vom 19.03.2021 aufzuheben und dem Beklagten aufzuerlegen, die Beigeladene zu 1. gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. g DS-GVO i.V.m. Art. 17 Abs. 1 lit. a DS-GVO zu verpflichten, den vollständigen Negativeintrag der A zur Löschung zu bringen.Abs. 28
2. hilfsweise, den Bescheid vom 19.03.2021 aufzuheben und dem Beklagten aufzuerlegen, unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts eine Maßnahme gemäß Art. 58 DS-GVO gegenüber der Beigeladenen zu 1. zu erlassen.Abs. 29
Der Beklagte beantragt,Abs. 30
die Klage abzuweisen.Abs. 31
Die Beigeladene zu 1. entscheide selbstständig über die Frage, ob Daten weiterhin gespeichert werden oder nicht. Ein Vergleich im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner binde die Beigeladene zu 1. ebenso wenig wie ein in diesem Verhältnis ergangenes Urteil. Aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung nicht. Weitere Gründe für eine fehlende Fälligkeit der Forderung seien nicht vorgetragen. Soweit der Kläger darauf hinweise, dass er nicht ausreichend gemahnt und auf die Übermittlung an die SCHUFA hingewiesen worden sei, spiele dies vorliegend keine Rolle. Entscheidend sei vielmehr, dass die Voraussetzungen von § 31 Abs. 2 Nr. 5 BDSG vorgelegen hätten. Die Forderung sei fällig geworden und nicht beglichen. Das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit sei nachgewiesen.Abs. 32
Die Beigeladene zu 1. beantragtAbs. 33
die Klage abzuweisen.Abs. 34
Mit Schriftsatz vom 22.09.2021 hat sich die Beigeladene zu 1. zur Sache geäußert. Sie macht geltend, dass die Klage als Verpflichtungsklage nicht statthaft sei, die Klage darüber hinaus unbegründet sei. Es bestünde nur ein eingeschränkter gerichtlicher Kontrollmaßstab. Es bestehe auch kein Anspruch auf Löschung bzw. Neubescheidung des Klägers.Abs. 35
Eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht gegeben. Ein Löschungsanspruch des Klägers nach Art. 17 DSGVO liege nicht vor. Es liege keiner der nach Art. 17 Abs. 1 lit. a bis f DSGVO normierten Gründe vor. Ein Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 d DSGVO scheide aus. Der streitige Eintrag werde von der Beigeladenen zu 1. rechtmäßig nach Art. 6 Abs. 1 UA 1 lit. f) DS-GVO, § 31 Abs. 2 BDSG verarbeitet. Die Beigeladene zu 1. erteile ihren Vertragspartnern Auskünfte, wenn diese kreditrelevante Geschäfte mit einer Person abschließen wollten. Die Auskunft sei erforderlich, um die Informationsdisparität zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern auszugleichen. Andernfalls wären die Kreditgeber ausschließlich auf die Eigenangaben potenzieller Kreditnehmer angewiesen. Auf dieser Grundlage könnten keine kreditrelevanten Geschäfte eingegangen werden. Die Interessen des Klägers würden auch nicht die Interessen der Beigeladenen zu 1. und ihrer Vertragspartner überwiegen. Der streitige Eintrag belege, dass der Kläger zahlungsunfähig oder -unwillig gewesen sei. Die Information sei für die Vertragspartner der Beigeladenen zu 1. erforderlich, um sie in der Kreditwürdigkeitsprüfung berücksichtigen zu können.Abs. 36
Die Löschung des Eintrages würde faktisch zu einer Gleichstellung von Personen führen, bei denen in jüngerer Vergangenheit keine Störung dieser Art vorgelegen hätte. Im Übrigen habe der Gesetzgeber den materiellen Schutzstandard und die gesetzliche Interessenabwägung des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 5 und Abs. 2 BDSG a.F. durch Einführung des § 31 Abs. 2 S.1 Nr. 1 bis 5 und S. 2 BDSG n.F. in das BDSG übernommen. Vorliegend sei die Einmeldung der Forderungsdaten bei der Beigeladenen zu 1. bereits aufgrund der Mahnung der Advanzia Bank S. A. an den Kläger rechtmäßig. Mit der zweiten Mahnung sowie dem Kündigungsschreiben vom 03.12.2017 habe die Advanzia Bank S. A. den Kläger zudem über die bevorstehende Meldung an die Beigeladene zu 1. informiert. Auch die Beigeladene zu 2. habe mit Schreiben vom 23.01.2018 und vom 02.02.2018 ausdrücklich auf die bevorstehende Übermittlung hingewiesen. Der Kläger habe die Forderung zu keinem Zeitpunkt bestritten. Mit der Ratenzahlung habe der Kläger die Forderung anerkannt. Der Datenübermittlung habe auch eine fällige Forderung zugrunde gelegen. Soweit eine der Tatbestandsalternativen erfüllt sei, sei eine Übermittlung an eine Auskunftei rechtmäßig. Eine Ratenzahlungsvereinbarung lasse die Rechtmäßigkeit der Übermittlung einer Forderung an die Beigeladene zu 1. grundsätzlich unberührt. Auch die Abrede, eine Forderung zeitweise nicht geltend zu machen, gebe dem Schuldner zwar eine Einrede an die Hand, die Forderung bleibe aber fällig.Abs. 37
Ein Löschungsgrund nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO liege ebenfalls nicht vor. Die Speicherdauer sei angemessen und transparent. Die Beigeladene zu 1. lösche Einträge über Zahlungsstörungen taggenau drei Jahre nach ihrer Erledigung. Die Prüfungs- und Löschfristen von Wirtschaftsauskunfteien seien durch aufsichtsbehördlich genehmigte Verhaltensregeln im Sinne von Art. 40 DS-GVO verbindlich festgelegt. Ein atypischer Sonderfall, der eine vorzeitige Löschung verlange, liege nicht vor.Abs. 38
Mit Beschluss vom 30.07.2021 erfolgte die Beiladung der Beigeladenen zu 2.Abs. 39
Die Beigeladene zu 2. ist zum Termin nicht erschienen und hat keinen Antrag gestellt.Abs. 40
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Behördenakte des Beklagten, sowie die Gerichtsakte des Landgerichtes Lüneburg 3 O 143/20 Bezug genommen, welche sämtlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gemacht worden sind. Abs. 41

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.Abs. 42
Sie ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, denn der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde ein Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladene zu 1. Entgegen der Meinung der Beigeladenen zu 1. steht dem Kläger ein wirksamer Rechtsbehelf nach Art. 47 GrCh i.V.m. Art. 77 Abs. 1 und Art. 78 Abs. 1 DS-GVO zu (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 31.08.2021, Az. 6 K 226/21.WI).Abs. 43
Bei der Entscheidung des Beklagten, nicht zugunsten des Klägers gegen die Beigeladene zu 1. einzuschreiten, handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Abs. 1 HVwVfG. Insoweit macht der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der zuständigen Aufsichtsbehörde geltend.Abs. 44
Der Kläger ist als Inhaber eines potenziellen Anspruchs auf Einschreiten des Beklagten klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Ein Vorverfahren findet gemäß § 20 Abs. 6 BDSG i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VwGO nicht statt. Die Monatsfrist des § 74 Abs. 2 VwGO ist gewahrt.Abs. 45
Richtiger Klagegegner ist gemäß § 20 Abs. 5 Nr. 2 BDSG der hessische Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Der hessische Beauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist vorliegend die zuständige Aufsichtsbehörde gemäß Art. 64 Abs. 1 lit. a) DS-GVO i.V.m. § 13 HDSIG. Dieser ist gemäß § 20 Abs. 4 BDSG beteiligungsfähig, wenn es um Streitigkeiten zwischen einer natürlichen oder juristischen Person und einer Aufsichtsbehörde des Bundes oder eines Landes über die Rechte gemäß Art. 78 Abs. 1 und 2 DS-GVO geht.Abs. 46
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ist gemäß § 20 Abs. 1 und 3 BDSG i.V.m. Art. 78 Abs. 2 DS-GVO örtlich zuständig.Abs. 47
Die Klage ist auch begründet.Abs. 48
Der Kläger hat einen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten nach Art. 77 Abs. 1, 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 lit. a), 58 DS-GVO des Beklagten gegen die Beigeladene zu 1. (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).Abs. 49
Nach Art. 77 Abs. 1 DS-GVO hat jede betroffene Person unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedsstaat ihres gewöhnlichen Aufenthalts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die Datenschutzgrundverordnung verstößt. Nach Art. 57 Abs. 1 lit. a) DS-GVO muss jede Aufsichtsbehörde die Anwendung der DS-GVO überwachen und durchsetzen. Art. 58 DS-GVO regelt die Befugnisse der Aufsichtsbehörde (in diesem Sinne auch EuGH, Urteil vom 14.06.2021, Az. C-645/19).Abs. 50
Der Kläger hatte sich gemäß Art. 77 DS-GVO an die Beklagte gewandt, um die Löschung der streitgegenständlichen personenbezogenen Daten zu erreichen.Abs. 51
Die materiellen Anspruchsvoraussetzungen liegen vor.Abs. 52
Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Ausübung des Einschreitermessens des Beklagten besteht in Konstellationen wie der vorliegenden, wenn die Datenverarbeitung rechtswidrig ist und die rechtswidrig gespeicherten Daten zu löschen sind (Art. 17 Abs. 1 lit. d DS-GVO).Abs. 53
Die Datenverarbeitung ist rechtswidrig, wenn sie nicht durch einen Erlaubnistatbestand nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 DS-GVO gedeckt ist.Abs. 54
Insoweit hat die Kammer bereits erhebliche Zweifel daran, dass Rechtsdienstleister im Rahmen von Inkassodienstleistungen Einmeldungen an die Beigeladene zu 1. ohne gesonderte Beauftragung durch ihren Auftraggeber vornehmen dürfen. Sowohl nach § 11 BDSG a.F., wie auch nach dem nunmehrigen Art. 28 DS-GVO hat im Rahmen der Auftragsverarbeitung die Datenverarbeitung nur im Rahmen der Weisung des Auftraggebers zu erfolgen, mithin dürften auf Grundlage des Auftragsverarbeitungsvertrags nur auf dokumentierte Weisung des Verantwortlichen personenbezogene Daten für andere Zwecke als ursprünglich angegeben erfolgen.Abs. 55
Eine entsprechende Beauftragung zur Meldung ergibt sich nicht automatisch im Rahmen einer Beauftragung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz, die, anders als Art. 28 DS-GVO durch die Dokumentationspflicht implizit verlangt, auch mündlich erfolgen kann. Insoweit beinhaltet eine Rechtsdienstleistung keine Berechtigung des Rechtsdienstleisters, Daten an einen Dritten zu übermitteln. Auch lässt das Rechtsdienstleistungsgesetz eine Zweckänderung der Daten nicht automatisch zu. Es handelt sich um eine Problematik, welche die Kammer bereits in mehreren Verfahren – ohne, dass es darauf ankam – angesprochen hatte. Mithin bestehen vorliegend bereits erhebliche Zweifel daran, dass die Einmeldung durch die Beigeladene zu 2. nach § 28a BDSG a.F. überhaupt zulässig war.Abs. 56
Soweit die Beigeladene zu 2. im Schreiben vom 23.01.2018 an den Kläger den Hinweis aufgenommen hat, dass man sich vorbehalte, eine Datenspeicherung bei der CRIF Bürgel GmbH - Niederlassung München - und bei der SCHUFA Holding AG vorzunehmen, ergibt sich hieraus nichts anderes. Der Hinweis kann sich nur auf Forderungen beziehen, über die man selbst als Forderungsinhaber verfügt, nicht jedoch auf Forderungen, die im Rahmen der Rechtsdienstleistung für Dritte eingefordert werden. Denn die Inkassodienstleistung umfasst insoweit nur die Einziehung einer fremden oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Forderung, § 2 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz. Dass eine Beauftragung der Beigeladenen zu 2. über die reine Rechtsdienstleistung hinaus erfolgt ist, wurde nicht kundgetan.Abs. 57
§ 28a Abs. 1 BDSG a.F., der auf die vorliegende Speicherung in zeitlicher Hinsicht Anwendung findet, vermittelt keine Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung durch die Beigeladene zu 1.Abs. 58
Aufgrund welcher Ziffer von § 28a Abs. 1 BDSG a.F. die Datenübermittlung der Beigeladenen zu 2. an die Beigeladene zu 1. erfolgte, ist nicht dokumentiert. In Betracht kämen § 28a Abs. 1 Nr. 4 oder 5 BDSG a.F..Abs. 59
Beide Varianten sind indes nicht erfüllt, denn es fehlt bereits an der nach § 28a Abs. 1 S. 1 BDSG erforderlichen Fälligkeit der geschuldeten Leistung im Zeitpunkt der Eintragung Abs. 60
Durch die Kündigung wurde zwar zunächst der Rückzahlungsanspruch der A fällig.Abs. 61
Durch Stundungsvereinbarung haben der Kläger und die A allerdings die Fälligkeit der Rückzahlungsforderung beseitigt. Ein bloßer unverbindlicher Zahlungsaufschub (pactum de non petendo) liegt hingegen nicht vor.Abs. 62
Ob eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und der A im Sinne zwei übereinstimmender Willenserklärungen mit Rechtsbindungswillen zustande gekommen ist, ist durch Betrachtung der Gesamtumstände und Auslegung von Erklärungen der Beteiligten zu ermitteln.Abs. 63
Die Beigeladene zu 2. als Vertreterin der A im Rahmen der Abwicklung der streitigen Forderung hat dem Kläger am 14.02.2018 das Angebot einer Ratenzahlung gemacht, das erkennbar auf den Abschluss eines Vertrages ausgerichtet war und nicht nur ein einseitiger Verzicht auf die weitere Verfolgung der Gesamtsumme darstellt. So heißt es in Ziff. 3 des Antrags (Bl. 22R der Gerichtsakte): „Die jeweilige noch verbleibende Gesamtrestforderung ist zur Zahlung sofort fällig, wenn der Schuldner mit einer Rate ganz oder teilweise länger als 5 Tage in Rückstand ist“. Diese Regelung ergibt nur Sinn, wenn die Fälligkeit ansonsten aufgehoben ist. Im Falle eines einseitigen Verzichts auf Geltendmachung im Sinne eines pactum de non petendo ohne Einfluss auf die weiterhin bestehende Fälligkeit bedarf es nämlich gerade keiner Regelung der Fälligkeit der Restforderung bei erneutem Verzug des Schuldners.Abs. 64
Mit der in der Folge zunächst unstreitig vertragsgemäßen Leistung bis zur Schwelle der Überzahlung hat der Kläger den Antrag der Beigeladenen zu 2. jedenfalls konkludent angenommen und zwar deutlich vor der Einmeldung durch die Beigeladene zu 2. Dem entspricht die Formulierung im Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 12.12.2018, in dem auf die „geschlossene Vereinbarung/Teilzahlungsvergleich“ Bezug genommen wird.Abs. 65
Unschädlich ist, dass der so vereinbarte Zahlungsaufschub aller Voraussicht nach wegen Verstoßes gegen die Schriftform (§ 506 Abs. 1 i.V.m. § 492 Abs. 1, 494 BGB) nichtig ist. Es ist anerkannt, dass der Darlehensgeber – hier die A – sich nicht auf die Formnichtigkeit berufen kann, weil sie bzw. ihre Vertreterin es selbst in der Hand hat, Verbraucherschutzbestimmungen einzuhalten (vgl. MüKo-BGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl. 2019, § 492 Rn. 23). Die A und damit letztlich auch die Beigeladene zu 1. müssen die Stundung der Forderung daher auch dann akzeptieren, wenn die Ratenzahlungsabrede zwar unwirksam ist, der Schuldner aber gleichwohl darauf leistet. Eben das ist hier der Fall.Abs. 66
Mithin hat die Beigeladene zu 2. entsprechend dem geschlossenen gerichtlichen Vergleich die Beigeladene zu 1. nach Art. 19 DS-GVO darauf hingewiesen, dass die Einmeldung und damit die Eintragung fehlerhaft ist. Insoweit teilte die Beigeladene zu 2. der Beigeladenen zu 1. aufgrund des Vergleiches mit dem Kläger mit, dass die Einmeldung rechtsfehlerhaft sei. Sinn und Zweck dieser Mitteilung war, das „Recht auf Vergessen“ sicherzustellen und zu gewährleisten. Jede unrechtmäßige Datenverarbeitung begründet bereits aufgrund der Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten (Art. 5 Abs. 1 lit. a, d DS-GVO) zusätzliche Löschungsansprüche der betroffenen Person. Bei der Mitteilung der Beigeladenen zu 2. an die Beigeladene zu 1. kam diese ihrer Nachberichtspflicht nach, bei der die betroffene Person darauf vertrauen muss, dass der Empfänger der Mitteilung seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommt und ihrerseits die betroffenen Rechte gewährt. Dieser Umsetzungspflicht ist die Beigeladene zu 1. nicht nachgekommen.Abs. 67
Mithin steht der Beigeladenen zu 1. auch kein eigenständiger Beurteilungsspielraum zu, welcher sie ermächtigen würde, die Einmeldevoraussetzungen selbst zu bestimmen. Erst Recht kommt es dabei auf die sogenannten Codes of Conduct, die „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien vom 25.05.2018“ des Verbandes „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ nicht an. Auch nicht darauf, dass die Kammer erhebliche Bedenken hat, ob die Verhaltensregeln mit Art. 40 DS-GVO vereinbar sind (siehe dazu Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 02. Juli 2021 – 17 U 15/21 –, nach juris, Rn. 65 ff.).Abs. 68
Ein Abstellen des Beklagten allein auf Art. 6 Abs. 1 UA 1 lit. b) und f) DS-GVO i.V.m. § 31 BDSG n.F. i.V.m. den Verhaltensregeln der Auskunfteien führt insoweit zu einem vollständigen Ermessensausfall des Beklagten. Vorliegend sind vielmehr die Voraussetzungen zur Löschung nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) und d) DS-GVO gegeben. Bereits die Frage der rechtmäßigen Einspeicherung der streitgegenständlichen Daten durch einen Rechtsdienstleister wirft berechtigte Zweifel an der Zulässigkeit der Datenweitergabe im Rahmen einer Auftragsverarbeitung an die Beigeladene zu 1. auf. Spätestens jedoch nach Vorlage des zivilgerichtlichen Vergleichs ergibt sich zwingend, dass die ursprünglich zu Recht oder zu Unrecht gespeicherten Daten, die von der Beigeladenen zu 2. stammen, bei der Beigeladenen zu 1. nicht mehr rechtmäßig gespeichert werden.Abs. 69
Die Beigeladene zu 1. kann sich insoweit auch nicht zu einer „Neuen Herrin“ der Daten erklären, wenn die Datenübermittlung rechtswidrig war bzw. rechtswidrig geworden ist. Insoweit steht es der Beigeladenen zu 1. nach der DS-GVO nicht zu, diese Daten für eigene Zwecke weiterzuverarbeiten.Abs. 70
Hätte der Beklagte sein Ermessen im Sinne der DS-GVO selbst ausgeführt, wäre er zu keinem anderen Ergebnis gekommen.Abs. 71
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.Abs. 72
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenden zu 2. trägt diese selbst, da sie keinen Antrag gestellt hat und sich am Kostenrisiko nicht beteiligte.Abs. 73
Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit bezüglich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO entsprechend.Abs. 74
Rechtsmittelbelehrung…Abs. 75

(online seit: 16.11.2021)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Wiesbaden, VG, Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten - JurPC-Web-Dok. 0157/2021