JurPC Web-Dok. 152/2021 - DOI 10.7328/jurpcb20213611152

VG Hamburg

Urteil vom 13.08.2021

1 A 5113/20

Elektronische Übersendung einer Klageschrift

JurPC Web-Dok. 152/2021, Abs. 1 - 73


Leitsätze:

1. Die elektronische Übersendung einer Klageschrift an das Gericht im Format docx ist nach § 55a Abs. 1 und 2 VwGO keine wirksame Klageerhebung.

2. Das sogenannte Einwurf-Einschreiben erfüllt die Anforderungen an eine Zustellung als förmliche Bekanntgabe nach § 4 VwZG nicht.

3. Die erneute Einreichung der Klageschrift in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form im Dateiformat PDF ist jedenfalls dann unverzüglich, wenn nicht i.S.d. § 55a Abs. 6 Satz 1 VwGO darauf hingewiesen wurde, dass der Eingang unwirksam war und welche technischen Rahmenbedingungen gelten.

4. Wählt die Behörde die Bekanntgabe durch Einwurf-Einschreiben, fehlt es an einem für die Heilung eines Zustellungsmangels nach § 8 VwZG erforderlichen Zustellungswillen der Behörde.

5. Am 13. August 2021 war für eine fünfköpfige Familie aus Kabul eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (juris: AsylVfG) wegen der zu diesem Zeitpunkt erwarteten Eroberungskämpfe der Taliban um die afghanische Hauptstadt Kabul beachtlich wahrscheinlich.

Tatbestand:

Die Kläger, eine Familie mit drei minderjährigen Kindern, begehren nach Rücknahme der Klage im Übrigen die Zuerkennung des subsidiären Schutzes und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots sowie wenden sich gegen eine Abschiebungsandrohung nach Afghanistan.Abs. 1
Sie sind eigenen Angaben nach afghanische Staatsangehörige tadschikischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit. Der Kläger zu 1. reiste eigenen Angaben nach am 2. März 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte dort am 19. März 2021 einen Asylantrag; die Klägerin zu 2. reiste mit dem Kläger zu 5. eigenen Angaben nach am 1. August 2020 in die Bundesrepublik Deutschland ein und sie stellten gemeinsam am 21. August 2020 einen Asylantrag; die Kläger zu 3. und 4. reisten den Angaben des Klägers zu 3. nach im September 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein und sie stellten dort jeweils am 28. November 2019, jeweils vertreten durch ihren damaligen Amtsvormund, einen schriftlichen Asylantrag.Abs. 2
In seiner Anhörung gemäß § 25 AsylG im schriftlichen Verfahren am 5. März 2020 gab der Kläger zu 3. an, zuletzt mit seinen Eltern und seiner Schwester D., den Klägern zu 1., 2. und 4., in Herat im Bezirk E. gelebt zu haben. Sein Vater habe dort Porzellan und Spielzeug verkauft, der Laden sei jedoch nicht so gut gelaufen. Seine Eltern lebten zurzeit in Athen in Griechenland, seine Mutter sei schwanger gewesen. Der Kläger zu 4. habe drei Jahre lang die Schule besucht, vor der vierten Klasse hätten sie Afghanistan verlassen. Sie hätten Afghanistan verlassen, weil sein Vater von den Taliban zusammengeschlagen worden sei und sich deshalb neun Stunden oder neun Tage im Koma befunden habe. Die Taliban hätten bei ihnen in der Straße gelebt und die Nichte seines Vaters immer belästigt. Außerdem habe sein Vater gesehen, wie die Taliban Waffen in ihre Häuser gebracht hätten. Es habe infolgedessen Wortgefechte gegeben. Eines Tages hätten Taliban an ihre Haustür geklopft, welche der Kläger zu 3. geöffnet habe. Sie hätten gesagt, er solle seinen Vater holen, was er sodann getan habe. Als dieser gekommen sei, habe ein Taliban eine Flasche hinter seinem Rücken hervorgezogen und seinem Vater damit auf den Kopf geschlagen. Ein anderer Taliban habe seinem Vater zudem mit einem Holzstück auf den Kopf geschlagen, weshalb sein Vater Holzsplitter im Auge gehabt habe und schließlich umgefallen sei. Seine Mutter sei zu Hilfe gekommen und habe geschrien. Die Nachbarn seien gekommen und die Taliban seien geflohen. Die Polizei sei erschienen und habe seinen Vater ins Krankenhaus gebracht. Ein Taliban, der seinen Vater geschlagen habe, sei verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden. Als seine Familie erfahren habe, dass sie wieder aus dem Gefängnis entlassen würden, hätten sie Afghanistan verlassen.Abs. 3
In ihrer Anhörung gemäß § 25 AsylG im schriftlichen Verfahren am 12. März 2020 gab die Klägerin zu 4. an, in Afghanistan mit ihren Eltern und ihrem Bruder Ali in einem Haus gelebt zu haben. Ob ihr Vater gearbeitet habe, wisse sie nicht. Sie hätten Afghanistan verlassen, weil sie ihren Vater hätten töten wollen. Warum, wisse sie nicht, sie sei noch ganz klein gewesen.Abs. 4
In ihrer Anhörung gemäß § 25 AsylG am 7. Oktober 2020 gab die Klägerin zu 2. an, zuletzt in der Stadt Kabul gelebt zu haben. Dort hätten sie fünf Jahre in einem Haus zur Miete gelebt. Sie sei gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern bis Griechenland ausgereist, das Geld habe ihr Ehemann bezahlt. Zur Finanzierung ihrer Ausreise hätten sie ihren Laden, ein Porzellangeschäft, und ihr Haus in Herat verkauft. Sie hätten Herat nach Kabul verlassen, das Haus und der Laden seien jedoch erst von Bekannten verkauft worden, als sie bereits in Griechenland gewesen seien. Ihre Eltern lebten seit ungefähr drei Jahren in Mashhad im Iran. Ihre Schwiegereltern seien verstorben. Die Klägerin zu 2. habe eine Schwester und drei Brüder, welche bei ihren Eltern im Iran lebten. Ihr Ehemann habe zwei Schwestern und vier Brüder, die ebenfalls im Iran lebten bzw. eine Schwägerin befinde sich in der Türkei und ein Schwager sei verstorben. Die Klägerin zu 2. habe die Schule vier Jahre lang besucht. Ihr Ehemann habe Handel betrieben und Güter wie Porzellan und Geschirr aus Dubai geholt. Ihre finanzielle Situation sei sehr gut gewesen, d.h. sie hätten ein Auto und ein Haus gehabt. Ihr Ehemann habe zudem an Feiertagen sowie im Monat Moharam und Ashura als Security in einer Blutbank A. gearbeitet. Am 13. November 2013 hätten sie das Blut an Polizisten/Soldaten, die dort gekämpft hätten, weitergegeben. Als ihr Ehemann auf dem Rückweg nach Hause gewesen sei, habe ein Auto in der Nähe ihres Hauses vor den Nachbarhäusern gestanden. In dem Auto seien Waffen und eine Sprengstoffweste gewesen. Als ihr Mann vorbeigelaufen sei, hätten die Leute ihn bemerkt, hätten ihn von hinten angegriffen sowie ihm mit einem Stock auf den Kopf geschlagen. Ihr Sohn C., der Kläger zu 3., sei dabei gewesen, habe jedoch aufgrund der Dunkelheit und da er schnell an die Haustür gekommen sei, nicht alles gesehen. Ihr Sohn habe an der Schnur gezogen, die an der Haustür befestigt gewesen sei, und habe nach seiner Mutter geschrien. Die Schnur sei angebracht gewesen, um die Tür zu öffnen, wovon ausschließlich die Familie gewusst habe. Die Klägerin zu 2. sei rausgerannt und habe gesehen, wie sie ihren Mann gezogen hätten. Sie habe geschrien und die Nachbarn seien gekommen. Ihr Mann habe bewusstlos auf dem Boden gelegen und sie seien geflohen. Die Polizei sei auf den Anruf der Nachbarn gekommen und habe ihren Ehemann ins Krankenhaus gebracht, wo dieser eine Woche geblieben sei. Nach seiner Entlassung hätten sie erfahren, dass einer der Täter von der Polizei geschnappt worden sei. Sie seien aus Angst von Herat nach Kabul gegangen und hätten dort fünf Jahre gelebt. Ihr Mann habe in einer Wechselstube gearbeitet. Eines Tages habe ihr Ehemann gesehen, wie sie dort in der Nähe dieser Wechselstube nach ihm gesucht hätten. Ihr Ehemann habe deshalb gesagt, sie müssten das Land verlassen, da sie sonst Unheil über sie bringen würden. Was für eine Gruppe von Menschen das gewesen sei, wisse die Klägerin zu 2. nicht, vielleicht seien es Taliban oder der IS gewesen. Sie hätten Sprengstoffwesten gehabt. An dem Tag hätten sie es nicht geschafft, sich in die Luft zu sprengen, es sei ihnen jedoch nach drei Jahren in der Moschee Jawadi vor ihrer Straße in Herat gelungen.Abs. 5
Mit Bescheid vom 12. November 2020, zugestellt am 28. November 2020, erkannte die Beklagte den Klägern zu 2. und 5. die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte die Anträge auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), und erkannte den subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) nicht zu. Sie stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Kläger wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollten die Kläger die Ausreisefrist nicht einhalten, würden sie nach Afghanistan abgeschoben. Die Kläger könnten auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).Abs. 6
Jeweils mit Bescheid vom 26. November 2020, jeweils ausweislich eines Aktenvermerks am 30. November 2020 als Einschreiben zur Post gegeben, erkannte die Beklagte den Klägern zu 3. und 4. die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den subsidiären Schutzstatus (Nr. 2) nicht zu. Sie stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3). Die Kläger wurden jeweils aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollten die Kläger die Ausreisefrist nicht einhalten, würden sie nach Afghanistan abgeschoben. Die Kläger könnten auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 5).Abs. 7
In seiner Anhörung gemäß § 25 AsylG am 11. Mai 2021 gab der Kläger zu 1. an, zuletzt in Afghanistan in Kabul gelebt zu haben. Seine Eltern seien bereits verstorben, eine Schwester lebe in der Türkei, drei Brüder lebten im Iran und Onkel und Tanten lebten in Tadschikistan. Ein weiterer Bruder sei verstorben, wie auch eine Tante, die Corona erlegen sei. Zudem seien zwei weitere Onkel in Afghanistan verstorben. Der Kläger zu 1. habe die Schule vier Jahre lang besucht und habe, bevor er nach Kabul verzogen sei, ein Geschäft besessen sowie nebenbei in einer Blutbank B. gearbeitet. Seine Probleme seien im November 2013 in Herat losgegangen. Sie hätten ein Zelt für die Blutbank im Trauermonat der Schiiten, Moharam, aufgebaut. Dort, wo das Zelt gestanden habe, sei der Verkehr aus Sicherheitsgründen für Autos gesperrt gewesen. Es sei abends und schon dunkel gewesen. Verbotenerweise sei ein Auto in den abgesperrten Bereich in die Nebenstraße gefahren. Der Kläger zu 1. habe das Auto zu Fuß verfolgt und gesehen, wie vier Männer es verlassen hätten. Er habe seinen Bruder angerufen und gebeten, auf das Zelt aufzupassen. Da das Auto verdächtig ausgesehen habe, habe er seinen Bruder zudem aufgefordert, die Polizei darüber zu informieren. Er habe aus sieben Meter Entfernung sehen können, wie die Männer Waffen ausgeladen hätten. Sein Sohn habe an der Haustür gestanden. Als der Kläger zu 1. habe hingehen wollen, sei er von den vier Männern angegriffen worden. Seine Familie habe den Angriff beobachtet und habe angefangen, laut um Hilfe zu schreien. Sein Bruder sei dazugekommen und sei ebenfalls geschlagen worden. Der Kläger zu 1. sei ohnmächtig geworden. Die Polizei sei gekommen und er sei ins Krankenhaus gebracht worden, wo er eine Woche lang geblieben sei. Am 23. November 2013 hätten ihn drei unbekannte Männer im Krankenhaus besucht und bedroht. Einer der Männer sei festgenommen worden und der Kläger zu 1. habe aussagen sollen, dass er diesen Mann nicht kenne und er an der Tat nicht beteiligt gewesen sei. Anderenfalls hätten sie seiner Familie mit dem Tod gedroht. Am nächsten Tag habe er seinen Bruder gesehen, der Leiter der Blutbank und Sicherheitsberater des Politikers Ustad Mohammad Mohaqiq gewesen sei. Sie seien bei diesem zu Hause gewesen, weil der Kläger zu 1. das Krankenhaus freiwillig verlassen habe. Sein anderer Bruder sei seinen Verletzungen erlegen. Sie hätten beschlossen, nach Kabul umzuziehen. Sie hätten zunächst zwölf Tage in einem Hotel und sodann in einem Mietshaus gewohnt. Am 5. Oktober 2018 habe der Kläger zu 1. auf dem Weg zur Arbeit auf einen Minibus gewartet. In dem Bus hätten bereits vier Personen gesessen, zwischen die sich der Kläger zu 1. gesetzt habe. Der neben ihm sitzende Mann habe plötzlich eine Pistole gezogen und ihn aufgefordert, ruhig zu bleiben. Nach zweieinhalb Stunden Fahrt habe der Minibus angehalten und der Kläger zu 1. sei in einen Keller gesperrt worden. Nach zweieinhalb Stunden sei ein Mann zu ihm gekommen, den er von dem Überfall wiedererkannte habe und der deshalb fünf Jahre in Haft gewesen sei. Er habe gesagt, er kenne den Aufenthalt seiner Familie und der Kläger zu 1. habe verhindert, dass er sich mit einer Bombe in die Luft sprenge und dafür ins Paradies komme. Der Kläger zu 1. habe sie angefleht und schließlich eingewilligt, ein Selbstmordattentat zu begehen. Wenn er das tue, werde seine Entschuldigung angenommen. Eine Stunde später hätten sie ihm gesagt, sie würden ihn freilassen und hätten ihn zurück nach Kabul gebracht. Der Kläger zu 1. habe seiner Ehefrau erzählt, dass etwas passiert sei und sie Afghanistan sofort verlassen müssten. Details habe er ihr nicht erzählt. Gegen 22 Uhr seien sie nach Kandahar aufgebrochen und hätten am nächsten Tag gegen Abend Afghanistan in Richtung Pakistan verlassen.Abs. 8
Mit Bescheid vom 18. Mai 2021, ausweislich eines Aktenvermerks am 25. Mai 2021 als Einschreiben zur Post gegeben, erkannte die Beklagte dem Kläger zu 1. die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), und erkannte den subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) nicht zu. Sie stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Kläger die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Afghanistan abgeschoben. Der Kläger könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).Abs. 9
Die Kläger haben Klage gegen diese Bescheide erhoben, ursprünglich mit dem Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzes und der Feststellung von Abschiebungsverboten – der Kläger zu 1. am 4. Juni 2021 (ursp. Az. 1 A 2548/21), die Kläger zu 2. und 5. (Az. 1 A 5113/20) sowie die Klägerin zu 4. (urspr. Az. 1 A 5115/20) jeweils am 10. Dezember 2020. Die Klageschrift des Klägers zu 3. ist bei Gericht am 10. Dezember 2020 per EGVP im Format docx eingegangen (urspr. Az. 1 A 254/21).Abs. 10
Mit richterlicher Verfügung vom 19. Januar 2021 ist der Kläger zu 3. darauf hingewiesen worden, dass die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf Form und Frist in Frage stehe.Abs. 11
Die Kläger sind der Auffassung, im Rahmen des bisherigen Asylverfahrens hinreichend glaubhaft gemacht zu haben, dass sie sich aus begründeter Verfolgungsfurcht außerhalb ihres Heimatlandes aufhielten. Ihr Vortrag sei plausibel. Der Kläger zu 1. habe in Konflikt mit den Taliban in der Nachbarschaft gestanden. Der Kläger zu 3. ist darüber hinaus der Auffassung, dass seine Klage frist- und formgerecht eingegangen und damit zulässig sei. Entsprechend der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Hamburg § 4.2 seien bei der Einreichung folgende Dateiformate zulässig ASCII, UNICODE, RTF, PDF, XML, TIFF und Microsoft Word. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass der Begriff des elektronischen Dokuments weit auszulegen sei. Aus sämtlichen innerhalb der Frist eingegangenen Dokumenten lasse sich erkennen, dass seitens des Unterzeichners die Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten habe erhoben werden sollen. Hilfsweise werde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gestellt.Abs. 12
Die Kläger beantragen unter Rücknahme der Klage im Übrigen,Abs. 13
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide, soweit entgegenstehend, zu verpflichten, ihnen subsidiären Schutz zuzuerkennen,Abs. 14
hilfsweise zu ihren Gunsten ein nationales Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans festzustellenAbs. 15
Die Beklagte beantragt,Abs. 16
die Klage abzuweisen.Abs. 17
Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung. Hinsichtlich des Klägers zu 3. ist sie der Auffassung, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV elektronische Dokumente im Dateiformat PDF zu übermitteln seien. Die Einreichung der Klageschrift im Format docx entspreche mithin nicht den gesetzlichen Anforderungen und führe nicht zu einer wirksamen Klageerhebung. Die erneute Einreichung der Klageschrift vermöge die Verfristung der Klage im vorliegenden Fall nicht zu heilen. Für das Eintreten einer Eingangsfiktion sei es, unabhängig von einer Mitteilung des Defizits durch das Gericht, erforderlich, dass der Absender nach Kenntnis des Defizits ohne schuldhaftes Zögern die Nachreichung vornehme. Dies könne insbesondere bei einer rechtsanwaltlichen Vertretung angenommen werden. Da hier der Zeitraum zwischen Kenntniserlangung und Nachreichung mehr als drei Wochen betrage, sei die Nachreichung nicht ohne schuldhaftes Zögern erfolgt und die Klage verfristet.Abs. 18
Mit Beschluss vom 13. Juli 2021 hat das Gericht die Verwaltungsrechtssachen 1 A 5113/20, 1 A 5115/20, 1 A 254/21 und 1 A 2548/21 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 1 A 5113/20 verbunden. Das Gericht hat den Kläger zu 1. in Person in der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2021 angehört. Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Asylakten und die bei der Freien und Hansestadt Hamburg geführte Ausländerakten der Kläger sowie die sich aus der Sitzungsniederschrift ergebenden Erkenntnismittel. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der sonstigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Asylakten und die Ausländerakten Bezug genommen.Abs. 19

Entscheidungsgründe:

AAbs. 20
Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt.Abs. 21
B)Abs. 22
Die im Übrigen weiterverfolgte, zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.Abs. 23
I.Abs. 24
Die Klagen sind zulässig. Sie wurden fristgerecht gemäß § 74 Abs. 1 AsylG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben.Abs. 25
Insbesondere auch die Klage des Klägers zu 3. (urspr. Az. 1 A 254/21) wurde wirksam (hierzu unter 1.) und fristgerecht gemäß § 74 Abs. 1 AsylG (hierzu unter 2.) erhoben.Abs. 26
1.Die Klage des Klägers zu 3. ist wirksam am 19. Februar 2021 bei Gericht eingegangen. Erst die elektronische Einreichung der Klageschrift im Dateiformat PDF führt zu einer wirksamen Klageerhebung. Die Übersendung der Klageschrift im Format docx am 10. Dezember 2020 hingegen war keine wirksame Klageerhebung.Abs. 27
Nach § 55a Abs. 1, 2 VwGO können vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe der Absätze zwei bis sechs als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV ist das elektronische Dokument in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln.Abs. 28
Eine wirksame Übersendung der Klageschrift im Dateiformat PDF erfolgte erst am 19. Februar 2021, die zuvor am 10. Dezember 2020 übersandte Klageschrift im Dateiformat docx erfüllt die Voraussetzungen von § 55a Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV hingegen nicht.Abs. 29
Sind die Voraussetzungen des § 55a Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV nicht erfüllt, ist eine Klage nicht wirksam erhoben. Dies folgt insbesondere aus dem Willen des Gesetzgebers, der in der Bundestagsdrucksache 17/12634 ausführte, dass ein Dokument nicht wirksam eingereicht ist, wenn die prozessuale Form nicht gewahrt ist (BT-Drs. 17/12634, S. 25). Zudem ist auch nach § 55a Abs. 6 Satz 1 VwGO der Absender auf die Unwirksamkeit des Eingangs hinzuweisen, wenn ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet ist.Abs. 30
Entgegen der vom Klägervertreter im Schriftsatz vom 26. Januar 2021 vertretenen Auffassung richten sich die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen dabei nicht nach der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Hamburg, da sich diese Verordnung nach § 1 lediglich an das Amtsgericht Hamburg und somit nicht an das Verwaltungsgericht Hamburg richtet und § 55a Abs. 2 Satz 1 VwGO darüber hinaus ausschließlich die Bundesregierung zum Erlass einer Rechtverordnung zur Bestimmung der für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen ermächtigt.Abs. 31
2. Die Klage wurde fristgerecht erhoben. Obgleich sie aufgrund der Ausführungen unter 1. erst am 19. Februar 2021 wirksam bei Gericht eingegangen ist, wurde sie fristgerecht nach § 74 Abs. 1 AsylG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben. Einerseits wurde dem Kläger zu 3. der Bescheid vom 26. November 2020 nicht am 1. Dezember 2020 zugestellt, weshalb die Frist des § 74 Abs. 1 AsylG schon nicht zu laufen begonnen hat (hierzu unter a)). Andererseits gilt die Klage nach § 55a Abs. 6 Satz 2 VwGO als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung, d.h. am 10. Dezember 2020, als eingegangen, da der Klägervertreter die Klageschrift nach § 55a Abs. 6 Satz 1 VwGO unverzüglich in einer für das Gericht geeigneten Form nachgereicht und glaubhaft gemacht hat, dass sie mit der zuerst eingereichten Klageschrift inhaltlich übereinstimmt (hierzu unter bb)).Abs. 32
a) Der Bescheid vom 26. November 2020 wurde dem Kläger zu 3. nicht zugestellt, insbesondere nicht mit Eingang beim Prozessbevollmächtigten am 1. Dezember 2020.Abs. 33
Nach § 2 Abs. 1 VwZG ist Zustellung die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments in der in dem Verwaltungszustellungsgesetz bestimmten Form. Der Bescheid wurde dem Kläger zu 3. nicht i.S.d. § 4 VwZG durch die Post mittels Einschreiben zugestellt. Nach § 4 Abs. 1 VwZG kann ein Dokument durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden. Dies ist hier nicht erfolgt. Der Bescheid vom 26. November 2020 wurde entgegen der Anforderungen des § 4 Abs. 1 VwZG von der Beklagten als Einwurf-Einschreiben versandt. Das sogenannte Einwurf-Einschreiben erfüllt die Anforderungen an eine förmliche Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz jedoch nicht (BT-Drs. 15/5216, S. 12; BVerwG, Urt. v. 19.9.2000, 9 C 7/00, juris Rn. 8; OVG Bautzen, Beschl. v. 14.9.2010, 5 A 595/08, juris Rn. 8). Infolgedessen gilt das als Einwurf-Einschreiben versandte Dokument auch nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als zugestellt (vgl. ebenso VG Hamburg, Beschl. v. 22.12.2015, 2 AE 6765/15, n.v.).Abs. 34
Der Bescheid vom 26. November 2020 gilt auch nicht gemäß § 8 VwZG als am 1. Dezember 2020 zugestellt. Nach der Vorschrift gilt ein Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, wenn sich die formgerechte Zustellung des Dokuments nicht nachweisen lässt oder unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist. Zwar hat der Klägervertreter selbst angegeben, dass ihm der Bescheid am 1. Dezember 2020 „zugegangen“ sei. Einer formgerechten Zustellung entspricht dieser „Zugang“ oder „Eingang“ bei dem Klägervertreter jedoch nicht. Die Voraussetzungen der Heilungsvorschrift des § 8 VwZG sind hier nicht erfüllt. Denn die Anwendung des § 8 VwZG setzt voraus, dass die Behörde überhaupt eine förmliche Zustellung vornehmen wollte (BVerwG, Beschl. v. 31.5.2006, 6 B 65/05, juris Rn. 7; BVerwG, Urt. v. 19.6.1963, V C 198.62, juris Rn. 15; Schlatmann, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, VwZG, 12. Aufl. 2021, § 8 VwZG Rn. 2; Smollich, in: Mann/Sennekamo/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2019, § 8 VwZG Rn. 2). Dies ist hier nicht der Fall. Im Falle eines Einwurf-Einschreibens fehlt es an einem solchen Zustellungswillen der Behörde, da die Beklagte willentlich eine nicht vom Verwaltungszustellungsgesetz vorgesehene Zustellungsart – das Einwurf-Einschreiben – gewählt und somit nicht eine Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz gewollt hat (VG Bremen, Beschl. v. 11.2.2010, 2 K 1351/09, juris Rn. 22; VG Hamburg, Beschl. v. 22.12.2015, a.a.O.; s.a. VG Göttingen, Beschl. v. 24.9.2018, 1 B 251/18, juris Rn. 4; a.A. VG Magdeburg, Beschl. v. 20.11.2018, 6 B 339/18, juris Rn. 5).Abs. 35
b) Die Klage gilt ferner als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung der Klageschrift am 10. Dezember 2020 als eingegangen, da der Klägervertreter sie unverzüglich i.S.d. § 55a Abs. 6 Satz 2 VwGO in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachgereicht und glaubhaft gemacht hat, dass das Dokument mit dem zuerst eingereichten inhaltlich übereinstimmt.Abs. 36
Die erneute Einreichung der Klageschrift am 19. Februar 2021 in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form im Dateiformat PDF war unverzüglich, weil der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter zuvor nicht i.S.d. § 55a Abs. 6 Satz 1 VwGO darauf hingewiesen wurde, dass der Eingang unwirksam war und welche technischen Rahmenbedingungen gelten.Abs. 37
Zwar wurde der Klägervertreter mit richterlicher Verfügung vom 19. Januar 2021 auf Folgendes hingewiesen:Abs. 38
„Die Zulässigkeit der Klage steht im Hinblick auf Form und Frist in Frage. Ausweislich des am 24. Dezember 2020 erstellten Transvermerks ist am 10. Dezember 2020 per EGVP die Klageschrift im Format ‚docx‘ eingegangen, die Vollmacht als ‚pdf‘, die Bescheidkopie als ‚pdf‘. Eine Übersendung im Format ‚docx‘ dürfte nicht zulässig sein.Abs. 39
Um umgehende Stellungnahme zu dieser Frage wird ersucht.“Abs. 40
Dieser Hinweis enthielt jedoch noch nicht sämtliche Angaben, die § 55a Abs. 6 Satz 1 VwGO erfordert. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Fehlermeldung über ein falsches Dateiformat es dem Absender des Dokuments ermöglichen, ohne Zeitverzögerung auf ein zugelassenes Dateiformat umzustellen (BT-Drs. 17/12634, S. 26). Nach § 55a Abs. 6 Satz 1 VwGO muss diese Fehlermeldung dazu einen Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und die geltenden technischen Rahmenbedingungen enthalten (vgl. hierzu auch Ulrich, in: Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 55a Rn. 101).Abs. 41
Ohne diesen eindeutigen Hinweis auf den unwirksamen Eingang der Klageschrift sowie ohne Hinweis auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen oblag es dem Kläger zu 3. nicht, die Klageschrift „unverzüglich“, d.h. schon vor dem 19. Februar 2021, erneut in einer zur Bearbeitung geeigneten Form bei Gericht einzureichen. Dem Willen des Gesetzgebers ist zu entnehmen, dass ein unverzügliches erneutes Einreichen von dem Absender erst nach Erhalt der Fehlermeldung gemäß § 55a Abs. 6 Satz 1 VwGO erwartet wird (BT-Drs. 17/12634, S. 26).Abs. 42
Die am 19. Februar 2021 erneut bearbeitungsfähig eingereichte Klageschrift erfüllte sodann fristunabhängig die Voraussetzungen des § 55a Abs. 6 Satz 2 VwGO und enthielt zudem eine Bestätigung des Klägervertreters über deren inhaltliche Übereinstimmung mit der Klageschrift vom 10. Dezember 2020.Abs. 43
II.Abs. 44
Die Klagen sind begründet. Die ablehnenden Bescheide vom 12. November 2020, 26. November 2020 und vom 18. Mai 2021 sind im tenorierten Umfang zum nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten.Abs. 45
1. Die Regelung jeweils in Ziffer 3. der Bescheide vom 12. November 2020 und vom 18. Mai 2021 sowie in Ziffer 2. jeweils der Bescheide vom 26. November 2020, dass der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird, ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger können die Zuerkennung subsidiären Schutzes (hierzu unter a)) beanspruchen (hierzu unter b)).Abs. 46
a) Subsidiärer Schutz setzt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG voraus, dass der Ausländer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG (Nr. 1) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (Nr. 2) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (Nr. 3) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Die Gefahr eines ernsthaften Schadens muss gemäß § 4 Abs. 3 AsylG von Akteuren entsprechend § 3c Nr. 1 bis 3 AsylG ausgehen. Nicht auf bestimmte Handlungen eines solchen Akteurs zurückführbare individuelle Gefahren sind deshalb nicht geeignet, subsidiären Schutz zu begründen. Anzulegen ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, bei einer Vorgefährdung unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung. Von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ist ausgeschlossen, wer einen Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 AsylG verwirklicht. Subsidiärer Schutz wird nach § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 i.V.m. § 3e AsylG dem nicht zuerkannt, wer internen Schutz in Anspruch nehmen kann.Abs. 47
Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit im Rahmen eines bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG setzt voraus, dass von dem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass für ihn eine individuelle Gefahr ausgeht. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen erfüllen (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011, 10 C 13/10, juris Rn. 17 m.w.N.).Abs. 48
Die Auslegung der nationalen Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG folgt der Auslegung der unionrechtlichen Vorschrift, deren Umsetzung sie dient, Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes.Abs. 49
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 10.6.2021, C-901/19, juris Rn. 46) ist Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU dahin auszulegen, dass er der Auslegung einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach die Feststellung einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge „willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts“ im Sinne dieser Bestimmung in Fällen, in denen diese Person nicht aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist, voraussetzt, dass das Verhältnis der Zahl der Opfer in dem betreffenden Gebiet zur Gesamtzahl der Bevölkerung dieses Gebiets eine bestimmte Schwelle erreicht. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 ist dahin auszulegen, dass zur Feststellung, ob eine „ernsthafte individuelle Bedrohung “ im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist, eine umfassende Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der die Situation des Herkunftslands des Antragstellers kennzeichnenden Umstände, erforderlich ist.Abs. 50
Weiter ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 17.2.2009, C-465/07, juris Rn 43 f.), dass das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, nicht voraussetzt, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Das Vorliegen einer solchen Bedrohung kann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf subsidiären Schutz befasst sind, oder der Gerichte eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage gegen die Ablehnung eines solchen Antrags anhängig ist, ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.Abs. 51
In die geforderte umfassende Berücksichtigung aller Umstände sind somit sowohl spezifisch auf den Antragsteller als auch generell auf das Herkunftsland bezogene Umstände, quantitative sowie qualitative Umstände eingeschlossen.Abs. 52
Für die Prognose der bei einer Rückkehr drohenden Gefahren ist bei realitätsnaher Betrachtung der Rückkehrsituation im Regelfall davon auszugehen, dass eine im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft lebende Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) im Familienverband in ihr Herkunftsland zurückkehrt (BVerwG, Urt. v. 4.7.2019, 1 C 45/18, BVerwGE 166, 113, Rn. 15, 16, 19 im Rahmen der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbots in Fortführung der Rechtsprechung zur Prüfung einer Asylberechtigung Urt. v. 8.9.1992, 9 C 8/91, BVerwGE 90, 364, u. v. 16.8.1993, 9 C 7/93, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 163). Von einer gemeinsamen Rückkehr im Familienverband ist für die Rückkehrprognose im Regelfall auch dann auszugehen, wenn einzelnen Familienmitgliedern bereits bestandskräftig ein Schutzstatus zuerkannt oder für sie ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt worden ist.Abs. 53
b) Die Kläger sind im Land ihrer gemeinsamen Staatsangehörigkeit Afghanistan einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt.Abs. 54
Bei realitätsnaher Betrachtung würden alle fünf Kläger gemeinsam nach Afghanistan zurückkehren, da sie bereits im Bundesgebiet als Kernfamilie aus Eltern und minderjährigen Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft leben.Abs. 55
Die fünf Kläger einschließlich des in Europa geborenen Klägers zu 5. gingen voraussichtlich nach Kabul als der Region zurück, in der die damals vierköpfige Familie sich die letzten fünf Jahre vor der Ausreise aus Afghanistan niedergelassen hatte.Abs. 56
In der Provinz Kabul erreichte die willkürliche Gewalt gegen Zivilpersonen in der Vergangenheit kein so hohes Niveau, dass jeder Rückkehrer allein durch seine Anwesenheit von einem ernsthaften Schaden bedroht gewesen wäre. Es war nicht bereits allein aufgrund quantitativer Gesichtspunkte wahrscheinlich, bei Rückkehr in diese Provinz als Zivilperson einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Die Zahl der getöteten oder verletzten Zivilpersonen war nach den Berichten von United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) in der Provinz Kabul von 1.866 im Jahr 2018 über 1.563 im Jahr 2019 auf 817 im Jahr 2020 gesunken (UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2018, Februar 2019; Annual Report 2019, Februar 2020; Annual Report 2020, Februar 2021). Die von UNAMA erhobenen Zahlen sind methodisch belastbar (OVG Hamburg, Urt. v. 25.3.2021, 1 Bf 388/19.A, juris Rn. 35). Demgegenüber wird die Zahl der Einwohner im Jahr 2020/2021 in der Provinz Kabul auf 5.204.667 geschätzt (NSIA, Estimated Population of Afghanistan 2020-21, Juni 2020). Die Opferzahl war gegenüber der jeweiligen Einwohnerzahl gering. Das Verhältnis betrug in der Provinz Kabul im Jahr 2000 unter 1:6.000.Abs. 57
Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen beurteilte die Sicherheitslage Ende vergangenen Jahres (EASO, Country Guidance: Afghanistan, Dezember 2020, aufgrund EASO, Afghanistan Security Situation, Country of Origin Information Report, September 2020) wie folgt: Der Konflikt in Afghanistan war weiterhin für Zivilpersonen einer der tödlichsten in der Welt, wenngleich die Zahl der Opfer im Allgemeinen rückläufig war (S. 109). Für die Provinz Kabul (S. 128 ff.) konnte darauf geschlossen werden, dass in der Provinz (einschließlich Stadt) Kabul willkürliche Gewalt stattfand, aber nicht auf einem hohen Niveau und demgemäß ein höheres Niveau individueller Umstände erforderlich war, um stichhaltige Gründe für die Annahme zu bieten, dass eine Zivilperson bei Rückkehr die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens einginge.Abs. 58
Zu berücksichtigen waren – insbesondere im Hinblick auf die Hauptstadt Kabul – weiter die bestehenden Möglichkeiten, in Afghanistan bzw. Kabul im Falle einer gewaltbedingten Verletzung eine medizinische Erstversorgung und erforderlichenfalls spätere Nachbehandlungen zu empfangen. Den Erkenntnisquellen war nicht zu entnehmen, dass die Möglichkeit für verletzte Zivilpersonen, eine medizinische Erst- und auch spätere Nachversorgung erlittener Körperschäden zu erhalten, derzeit durch Sicherheitsmängel und/oder Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie aufgehoben oder erheblich beeinträchtigt war (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 25.3.2021, a.a.O., Rn. 42 f.).Abs. 59
In die Beurteilung der gegenwärtigen Sicherheitslage muss jedoch die jüngste Entwicklung eines raschen Vormarschs der Taliban eingestellt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hält die Kammer dafür, dass in der Provinz Kabul allenfalls noch ein geringeres Niveau individueller Umstände erforderlich ist, um stichhaltige Gründe für die Annahme zu bieten, dass eine Zivilperson bei Rückkehr die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens eingeht.Abs. 60
Bereits im ersten Halbjahr 2021 wurde ein Anstieg der Zahlen ziviler Opfer um 47 % gegenüber dem ersten Halbjahr 2020 dokumentiert (UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Midyear Update: 1 Januar to 30 June 2021). Dabei wurden in den Monaten Mai und Juni 2021 die höchsten Zahlen ziviler Opfer seit Erhebung für die Monate Mai und Juni festgestellt.Abs. 61
Das zweite Halbjahr 2021 ist bisher von einem nicht länger durch ausländische Truppen aufgehaltenen Vordringen der Taliban und entsprechenden Verteidigungskämpfen der Regierungskräfte gekennzeichnet. Die Taliban haben zwischen dem 6. und dem 13. August 2021 (morgens) zwölf Provinzhauptstädte erobert: Zaranj (Nimruz), Sheberghan (Jawzjan), Kunduz (Kunduz), Sar-e Pul (Baghlan), Taloqan (Takhar), Aybak (Samangan), Farah (Farah), Pul-e Khumri (Baghlan), Faisabad (Badakhshan), Ghazni (Ghazni), Herat (Herat), Kandahar (Kandahar) (BBC News, Afghanistan: The people fleeing the north for safety in Kabul, abgerufen am 13.8.2021, https://www.bbc.com/news/world-asia-58170433BBC News, Taliban capture Kandahar, Afghanistan´s second largest city, abgerufen 13.8.2021, https://www.bbc.com/news/world-asia-58191638?fbclid=IwAR15NRf9WBQznwdWYf0uSd2wRxRn8sW-E42nYdyMCa5UTQhGRe78tJFHjrM; BBC News, BBC News, Mapping the advance of the Taliban in Afghanistan, https://www.bbc.com/news/world-asia-57933979, abgerufen 11.8.2021; BBC News, Afghanistan: Taliban take 10th provincial capital as Ghazni falls, https://www.bbc.com/news/world-asia-58184202, abgerufen 12.8.2021). Damit sind erstmals seit 20 Jahren wieder Provinzhauptstädte unter die Gebietsherrschaft der Taliban gefallen. Diese Entwicklung weist eine besondere Dynamik auf. Die offene Auseinandersetzung zwischen Regierungskräften und regierungsfeindlichen Kräften beschränkt sich nicht mehr auf ländliche Räume, sondern erstreckt sich auf städtische Zentren. Nach dem Stand der mündlichen Verhandlung liegt nahe, dass auch die Landeshauptstadt Kabul von einer weiteren Erschütterung der Sicherheitslage bedroht ist. In der Presse wird darüber berichtet, dass das amerikanische Militär vor Wochen schätzte, dass Kabul innerhalb von sechs bis zwölf Monaten überrannt werden könnte und nunmehr schätzt, dass ein Zusammenbruch Kabuls innerhalb von 30 bis 90 Tagen erfolgen könne (The Washington Post, U.S. officials warn collapse of Afghan capital could come sooner than expected, 11.8.2021, https://www.washingtonpost.com/national-security/2021/08/10/afghanistan-intelligence-assessment/).Abs. 62
Nach dem Bericht der Leiterin von UNAMA an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vom 6. August 2021 (Briefing to the United Nations Security Council by the Secretary-General’s Special Representative for Afghanistan Ms. Deborah Lyons https://unama.unmissions.org/sites/default/files/srsg_briefing_unsc_6_august_2021_english.pdf) ist der Krieg in Afghanistan in den letzten Wochen in eine neue, tödlichere und zerstörerische Phase eingetreten. Es sei jetzt eine andere Art des Krieges. Städtische Gebiete anzugreifen heiße, wissentlich enormen Schaden anzurichten und massive zivile Opfer zu verursachen. Ungeachtet dessen scheine die Bedrohung großer städtischer Gebiete eine strategische Entscheidung der Taliban zu sein, die das wahrscheinliche Gemetzel, das folgen werde, in Kauf genommen hätten. Die afghanischen nationalen Sicherheits- und Verteidigungskräfte verteidigten diese Städte. Aber diese Verteidigung werde zweifellos auch zivile Opfer verursachen. Der Krieg in den Städten werde auch im Alltagsleben zu Elend führen, wenn grundlegende Infrastruktur wie Strom- und Wassernetze beschädigt würden. Man habe einen fünfzig prozentigen Anstieg an zivilen Opfern gesehen mit der Gewissheit vieler weiterer, wenn die Städte angegriffen würden.Abs. 63
In der Tat führen das Vorrücken der Taliban und die Kämpfe in den konkret betroffenen Gebieten zu einem neuen Strom an Binnenflüchtlingen sowie dazu, dass Familien mit Kindern auf der Straße leben (BBC News, Afghanistan: The people fleeing the north for safety in Kabul, 11.8.2021, https://www.bbc.com/news/world-asia-58170433).Abs. 64
Jedenfalls derjenige, der von willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts aufgrund der seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist, kann sich einem Vorrücken der Taliban und damit auch der Kämpfe in den Städten nicht entziehen. Für vulnerable Personen stellt sich ein Bodenkampf um Kabul, bei dem es sich nach dem Stand der mündlichen Verhandlung um ein mittelfristig realistisches Szenario handelt, als eine auch in zeitlicher Hinsicht bereits unmittelbare Bedrohung dar. Vulnerable Personen können mangels Flexibilität und mangels Fähigkeit zur Kompensation temporärer Härten nicht kurzfristig Risiken ausweichen (zur Flexibilität und Fähigkeit zur Kompensation als Eigenschaft nicht vulnerabler Personen vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 25.3.2021, a.a.O., Rn. 53).Abs. 65
Die fünf Kläger gehören auch im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG zu den vulnerablen Personen. Sie verwirklichen individuelle risikoerhöhende Umstände und weisen eine erhöhte Anfälligkeit für willkürliche Gewalt im bewaffneten Konflikt auf. Bereits wirtschaftliche Gründe engen ihre Möglichkeiten ein, sich den aus der Sicherheitslage folgenden Risiken zu entziehen. Da der Kläger zu 5. erst in Europa geboren ist, haben die Kläger als fünfköpfige Familie so noch zu keinem Zeitpunkt ihr Auskommen in Afghanistan gefunden. Zurückkehrende Kernfamilien mit minderjährigen Kindern werden zudem regelmäßig der Unterstützung eines Netzwerks vor Ort bedürfen, das etwa aufgrund überdurchschnittlicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse zur Unterstützung im Einzelfall in der Lage ist (VG Hamburg, GB. v. 26.2.2021, 1 A 53/19, juris Rn. 54; ebenso VGH München, Beschl. v. 17.12.2020, 13a B 19.34211, juris Rn. 26; Urt. v. 26.10.2020, 13a B 20.31087, juris Rn. 31). Ein Netzwerk vor Ort steht aber nicht länger zur Verfügung und wäre vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage darüber hinaus für die Kläger jedenfalls nicht erreichbar. Die Kläger zu 3. bis 5. sind im Alter von zwölf Jahren (Schüler), acht Jahren (Grundschulkind) und zwei Jahren (Kleinkind). EASO (Country Guidance: Afghanistan, Dezember 2020, S. 152 f.) nennt als Personengruppen, die vorbehaltlich einer Betrachtung im Einzelfall spezifisch einem erhöhten Risiko willkürlicher Gewalt unterliegen können, insbesondere Kinder und Menschen mit Behinderungen oder schweren Krankheiten, die nicht in der Lage sind, eine Situation richtig einzuschätzen oder weniger in der Lage sind, Risikos zu vermeiden. Die Kläger sind als Familie mit drei (kleinen) Kindern nicht flexibel und nicht fähig, kurzfristig auf ein etwaiges Vorrücken der Kämpfe und auf eine Veränderung der Sicherheitslage zu reagieren.Abs. 66
Interner Schutz kommt ersichtlich nicht in Betracht, da die Sicherheitslage in anderen Landesteilen als Kabul nach den individuellen Gegebenheiten der Kläger für sie jedenfalls nicht besser ist.Abs. 67
2. Die Abschiebungsandrohung jeweils in Ziffer 5. der Bescheide vom 12. November 2020 und vom 18. Mai 2021 sowie in Ziffer 4. jeweils der Bescheide vom 26. November 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.Abs. 68
Nach § 34 Abs. 1 AsylG erlässt das Bundesamt nach §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.Abs. 69
Diesen Anforderungen ist nicht mehr Genüge getan, da die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes vorliegen. Auf die Ausführungen unter 1. wird verwiesen.Abs. 70
C)Abs. 71
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83b AsylG, §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.Abs. 72
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.Abs. 73

(online seit: 09.11.2021)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Hamburg, VG, Elektronische Übersendung einer Klageschrift - JurPC-Web-Dok. 0152/2021