JurPC Web-Dok. 146/2019 - DOI 10.7328/jurpcb20193411147

OLG Frankfurt a.M.

Beschluss vom 23.10.2019

6 W 68/19

Getarnte Werbung durch “Influencer”

JurPC Web-Dok. 146/2019, Abs. 1 - 20


Leitsatz:

Die Empfehlung fremder Leistungen durch den "Influencer" in dessen sozialem Medium, welches einen kommerziellen Zweck nicht erkennen lässt, stellt eine nach § 5a VI UWG verbotene getarnte Werbung dar, wenn der "Influencer" vom Erbringer der empfohlenen Leistung Vorteile erhalten hat.

Gründe:

I.Abs. 1
Die Antragsgegnerin ist Influencerin und Youtuberin. Sie betreibt unter dem Namen „X“ eine personalisierte Webseite auf der Internetplattform Instagram und hat dort 582.000 Follower. Die Antragsgegnerin postet zahlreiche Bilder, überwiegend von sich selbst, und verlinkt diese mittels sog. Tags (Schilder) mit Instagram-Accounts der Anbieter der jeweils in ihren Posts dargestellten Produkt sowie Dienstleistungen, ohne diese Tags als Werbung kenntlich zu machen. Ausweislich der Anlage ASt 5 erfolgt eine Verlinkung auf die Instagram-Accounts u.a. von a.it und b.de. Ausweislich der auf Seiten 10 und 11 der Antragsschrift wiedergegebenen Begleittexte bedankt sich die Antragsgegnerin bei a.it für die Einladung nach Region1 sowie für die Planung und die tolle Unterkunft und Verpflegung ihrer Reise. Für eine weitere Reise nach Stadt1 bedankt sie sich bei b.de.Abs. 2
Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Antragsgegnerin betreibe mit der Präsentation von Produkten und Dienstleistungen auf ihrem Instagram-Account verbotene redaktionelle Werbung im Sinne von § 5a Abs. 6 UWG.Abs. 3
Die Antragsgegnerin hat in ihrer Reaktion auf die Abmahnung der Antragstellerin behauptet, sie habe keinerlei Gegenleistungen für die betreffenden Verlinkungen erhalten, diese seien vielmehr ausschließlich zu Informationszwecken gesetzt worden. Im Übrigen sei die Tatsache, dass es sich bei dem Instagram-Account „X“ um einen auch gewerblich genutzten Account handele, für den verständigen Nutzer offensichtlich.Abs. 4
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 5a Abs. 6 UWG seien nicht gegeben, weil nicht ersichtlich sei, dass der Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werde, die er andernfalls nicht getroffen hätte.Abs. 5
II.Abs. 6
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.Abs. 7
Der Verfügungsantrag ist zulässig, insbesondere nicht zu unbestimmt. Aus der Antragsfassung und der Bezugnahme auf die Anlage ASt 5 ergibt sich, dass die Antragstellerin die dort wiedergegebenen Tags als kommerzielle Werbung beanstandet.Abs. 8
Der Verfügungsanspruch folgt aus §§ 3, 5 a Abs. 6 UWG. Gemäß § 5a Abs. 6 UWG handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt.Abs. 9
Der angegriffene Internetauftritt der Antragsgegnerin stellt zur Überzeugung des Senats eine geschäftliche Handlung dar, was die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerdeerwiderung im Übrigen nicht angegriffen hat.Abs. 10
Geschäftliche Handlung ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG unter anderem jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes von Waren objektiv zusammenhängt.Abs. 11
Die streitgegenständlichen Instagram-Posts mit den dort enthaltenen Tags der Antragsgegnerin dienen zunächst der Förderung fremder Unternehmen. Es handelt sich um Werbung, die den Absatz der präsentierten Produkte steigern und das Image des beworbenen Herstellers und dessen Markennamen oder Unternehmenskennzeichen fördern soll. Die Antragsgegnerin präsentiert sich in ihren Posts nicht als Werbefigur, sondern als Privatperson, die andere an ihrem Leben teilhaben lässt und dabei sehr authentisch wirkt. Indem sie auf ihren Posts einen Tag auf das Hotel und Restaurant A in Region1 setzt, wie ausweislich der 5. Seite der Anlage Ast 5 zur Antragsschrift geschehen, macht sie Werbung für dieses Unternehmen. Dabei lässt sich dem redaktionellen Beitrag, der auf dieser Seite zu finden ist, keinerlei Verbindung zu dem Hotel entnehmen. Gleiches gilt für die Werbung für dieses Unternehmen ausweislich Seite 10 der Antragsschrift. Wenn die Antragsgegnerin sich dort bei diesem Unternehmen für die Planung ihrer Reise und die tolle Unterkunft und Verpflegung bedankt, belegt dies, dass sie von dem betreffenden Unternehmen eine Gegenleistung für ihre Werbung erhält. Dass sie, wie sie behauptet, mit der Tochter der Inhaber befreundet ist, ändert nichts daran, dass ihr Kontakt zu diesem Unternehmen zugleich ein geschäftlicher ist. Gleiches gilt für die Tags b.de auf der zweiten Seite der Anlage ASt 5. Auch dort findet sich kein redaktioneller Beitrag, der das Setzen dieser Tags motivieren könnte. Wie sich aus Seite 11 der Antragsschrift ergibt, hat die Firma b der Antragsgegnerin eine Reise nach Stadt1 finanziert.Abs. 12
Der Umstand, dass diese Seite, ebenso wenig wie die Seite, auf der sich die Antragsgegnerin bei dem Hotel A bedankt, nicht Gegenstand der Anlage ASt 5 ist, ist entgegen der Auffassung des Landgerichts ohne Belang. Entscheidend ist, dass der Dank der Antragsgegnerin belegt, dass in der Verlinkung mit dem betreffenden Unternehmen eine geschäftliche Handlung liegt.Abs. 13
Es kann zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt werden, dass sie nicht für jeden Tag, den sie im Rahmen der Posts gemäß ASt 5 gesetzt hat, eine Gegenleistung erhält. Jedenfalls ist sie unstreitig bereit, für Produktplatzierungen Entgelte von Drittunternehmen anzunehmen. Dann aber liegt es nahe, dass sie mit den Tags jedenfalls das Interesse von Drittunternehmen an einem Influencer-Marketing in Kooperation mit ihr wecken möchte, um Umsätze zu generieren; das genügt (OLG Braunschweig, Urteil vom 8. Januar 2019, Aktenzeichen 2 U 89/18, Rdz. 14 bei juris). Keiner der Posts, die Gegenstand der Anlage Ast 5 sind, enthält auch nur im Ansatz einen redaktionellen Beitrag, der das Setzen der Tags veranlasst haben könnte. Es besteht daher kein Anlass, einen der Posts als privat zu behandeln (insoweit anders die Fallgestellung zu KG, Urteil vom 08.01.2019, Aktenzeichen 5 U 83/18, AfP 2019, 68, 72).Abs. 14
Im Übrigen fördert die Antragsgegnerin mit ihren mit Tags versehenen Posts jedenfalls ihr eigenes Unternehmen (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 21.03.2019, 13 O 38/18, Rdz. 43 bei juris). Als Influencerin erzielt die Antragsgegnerin Einkünfte damit, dass sie Produkte und auch sich selbst vermarktet. Ausweislich einer Internetveröffentlichung der C-Buchverlage ist die Antragsgegnerin gemeinsam mit ihrem Partner D Autorin eines Buches mit dem Titel „E“, bei dem es sich um einen Zeitschrift1-Online-Bestseller handelt (Anlage ASt 3 zur Antragsschrift). Die Antragsgegnerin nutzt also ihre Bekanntheit als Influencerin, um eigene Produkte zu vermarkten. Ihr Instagram-Account ist daher insgesamt als kommerziell und nicht je nach Post als kommerziell oder privat zu bewerten.Abs. 15
Der Einwand der Antragsgegnerin in ihrer Erwiderung auf die Abmahnung, es sei offensichtlich, dass der Account auch gewerblich genutzt werde, verfängt nicht. Gemäß § 5a Abs. 6 UWG ist der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung kenntlich zu machen, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. Dabei ist auf die Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen durchschnittlichen Mitgliedes der angesprochenen Verbrauchergruppe abzustellen (§ 3 Abs. 4 S. 1 UWG).Abs. 16
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrem Instagram-Account an jugendliche Verbraucher als Follower. Diesen gegenüber präsentiert sie sich als eine Person, die andere an ihrem Privatleben teilnehmen lässt, nicht als gewerblich handelnde Unternehmerin, die mit ihren Posts Umsätze generiert. Ihre Follower interessieren sich für die Antragsgegnerin in erster Linie als Privatperson, nicht als Werbebotschafterin für die Drittunternehmen, die sie bewirbt. Auch wenn die Antragsgegnerin sich bei einzelnen Drittunternehmen im Rahmen ihrer Posts für das Sponsoren von Reisen und Unterkunft bedankt, besteht kein Grund anzunehmen, dass ihren Followern bewusst ist, dass die Antragsgegnerin mit der Unterhaltung ihres in Instagram-Accounts vorwiegende geschäftliche Interessen verfolgt. Es entspricht gerade dem Konzept des Influencer-Marketings, dass Influencer nicht als Werbefiguren erscheinen, sondern als Privatpersonen.Abs. 17
Daher ergibt es sich aus der Sicht der hier angesprochenen Verbrauchergruppe gerade nicht unmittelbar aus den Umständen, dass die Antragsgegnerin einen kommerziellen Zweck verfolgt.Abs. 18
Weiter setzt § 5a Abs. 6 UWG voraus, dass die geschäftliche Handlung geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Entscheidung ist nicht nur das Aufrufen eines Verkaufsportals, das dem Betreten eines Geschäfts gleichsteht. Es genügt entgegen der Auffassung des Landgerichts das Öffnen einer Internetseite, die es ermöglicht, sich näher mit einem bestimmten Produkt zu befassen (BGH, Urteil vom 7. März 2019, I ZR 184/17 - Energieeffizienzklasse III, Tz. 29; Köhler/Bornkamm/Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 37. Aufl., § 2 Rdn. 159). Im Streitfall wird der angesprochene Verkehr auf den Instagram-Account der Hersteller geleitet, die die von der Antragsgegnerin präsentierten Produkte vertreiben, wo sie die Möglichkeit haben, sich näher mit den jeweiligen Produkten zu befassen. Hierin liegt eine geschäftliche Entscheidung. Die Argumentation der Antragsgegnerin, diese Motivation würde im konkreten Fall durch ihre Tags nicht ausgelöst, weil die Tags nicht durch redaktionelle Beiträge unterlegt seien, verfängt nicht. Entscheidend ist, dass die Antragsgegnerin als Influencerin und damit als Werbefigur ihre Follower zum Anklicken der Tags motiviert.Abs. 19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.Abs. 20

(online seit: 26.11.2019)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Frankfurt a.M., OLG, Getarnte Werbung durch “Influencer” - JurPC-Web-Dok. 0146/2019