JurPC Web-Dok. 129/2017 - DOI 10.7328/jurpcb2017329129

VGH Baden-Württemberg

Urteil vom 16.05.2017

10 S 1478/16

Keine Anwendung des IFG bei Tätigkeit des Generalbundesanwalts im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren

JurPC Web-Dok. 129/2017, Abs. 1 - 66


Leitsätze:

1. Im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens handelt der Generalbundesanwalt im Sinne des § 1 Abs. 1 IFG nicht als "Behörde des Bundes", er nimmt keine "öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben" wahr. Die Strafrechtspflege unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des IFG.

2. Eine Weisung des Bundesjustizministers gegenüber dem Generalbundesanwalt, die sich auf ein Ermittlungsverfahren bezieht, betrifft bei der Bundesanwaltschaft einen Vorgang der Strafrechtspflege. Dazu vom Generalbundesanwalt angefertigte Aufzeichnungen sind einem Informationszugang nach dem IFG entzogen.

3. Der verfassungsunmittelbare presserechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG steht "Pressevertretern" zu; ein Verein zur Förderung der Informationsfreiheit ist - ohne zusätzliche weitere Anhaltspunkte - kein "Vertreter der Presse". Im Übrigen kann an Stelle der Auskunft eine Übermittlung bestimmter Kopien aus Behördenakten nur verlangt werden, wenn die übliche behördliche Auskunft nicht vollständig und wahrheitsgemäß erteilt werden kann.

4. Eine Verletzung von Art. 10 Abs. 1 EMRK setzt zumindest voraus, dass nach innerstaatlichem Recht kein Anspruch auf Erlangung der begehrten amtlichen Informationen besteht.

Tatbestand:

Abs. 1
Die Klägerin begehrt vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof die Übermittlung des Schriftverkehrs, insbesondere der Weisung, zwischen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem Generalbundesanwalt im Zusammenhang mit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Landesverrats gegen Mitarbeiter der Organisation „NETZPOLITIK.ORG". Außerdem begehrt die Klägerin die Übersendung aller vom Bundesamt für Verfassungsschutz und vom Generalbundesanwalt zu jener Angelegenheit gefertigten Gutachten.Abs. 2
Mit Schreiben vom 12.08.2015 beantragte die Klägerin, ihr die o. g. Unterlagen in Kopie zugänglich zu machen. Die Klägerin („Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit", organisiert als eingetragener Verein) verfolgt satzungsmäßig das Ziel, den Zugang zu amtlichen Informationen und deren Verbreitung zu fördern. In dem Antrag wurde unter Hinweis auf ein hohes aktuelles Interesse sowie der Bedeutung der Angelegenheit für die Pressefreiheit und den Rechtsstaat ein Eilbedürfnis geltend gemacht. Mit Schreiben vom 17.08.2015 teilte der Generalbundesanwalt der Klägerin unter Hinweis auf § 1 Abs. 3 IFG mit, dass eine Auskunftserteilung nach dem Informationsfreiheitsgesetz durch die Bundesanwaltschaft nicht in Betracht komme, da für den Bereich der Strafverfolgung besondere Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen anwendbar seien. Soweit Auskünfte aus - auch früheren - Ermittlungsverfahren begehrt würden, könnten die Informationen bei Privatpersonen als Antragstellern nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 475 StPO erteilt werden. Der Antrag enthalte keine hinreichenden Anhaltspunkte, um das gesetzlich geforderte „berechtigte Interesse" für den Informationszugang nach der StPO prüfen zu können.Abs. 3
Am 14.09.2015 hat die Klägerin „Untätigkeitsklage" erhoben. Zur Begründung hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe nach § 1 Abs. 1 IFG einen Anspruch auf Zugang zu den begehrten amtlichen Informationen. § 475 StPO stehe nicht entgegen. Denn beantragt sei nicht eine Einsichtnahme in die Ermittlungsakte, sondern begehrt werde der Zugang zu dem dahinter stehenden Verwaltungsvorgang, also zu der neben der Ermittlungsakte bestehenden Verwaltungsakte. § 475 StPO regele allein den Zugang zu den Akten eines Ermittlungsverfahrens. Vorliegend gehe es jedoch um Informationen aus einem separierten Verwaltungsvorgang zum Ermittlungsverfahren. Ein Aktenvermerk zur Weisung des Bundesjustizministeriums in Sachen „NETZPOLITIK.ORG" finde sich nicht in der Ermittlungsakte; denklogisch müsse der Vorgang Eingang in eine Verwaltungsakte („Berichtsakte") gefunden haben. In Bezug auf diese verwaltende Tätigkeit des Generalbundesanwalts bestehe der Anspruch nach § 1 Abs. 1 IFG. Der Anspruch ergebe sich zudem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sowie aus Art. 10 EMRK. Was speziell den konventionsrechtlichen Ansatz betreffe, sei mittlerweile anerkannt, dass Nichtregierungsorganisationen mit presseähnlicher Funktion ein Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen hätten. Bei konventionskonformer Auslegung gelte dies auch für Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.Abs. 4
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt. Richtig sei, dass der Generalbundesanwalt das in Rede stehende Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Landesverrats eingeleitet habe. Dieses Verfahren sei mit Verfügung vom 10.08.2015 hinsichtlich des Verdachts der strafbaren öffentlichen Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und hinsichtlich des verbleibenden Verdachts wegen der Verletzung eines Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB) an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft Berlin abgegeben worden. Das seinerzeitige Ermittlungsverfahren (3 BJs 13/15-1) habe der Generalbundesanwalt auf Grund einer Strafanzeige des Bundesamts für Verfassungsschutz gemäß § 152 StPO eingeleitet. Die Aktenführung habe in vollem Umfang den Vorgaben des § 199 Abs. 2 StPO entsprochen. Über das Verfahren 3 BJs 13/15-1 hinaus habe der Generalbundesanwalt im Zusammenhang mit dem in der Klageschrift vorgetragenen Sachverhalt keine Ermittlungsverfahren oder sonstige Aktenvorgänge geführt; „Geheimakten" habe der Generalbundesanwalt nicht geführt.Abs. 5
In der Sache habe die Klägerin keinen Anspruch auf Übermittlung der begehrten Informationen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG sei der Generalbundesanwalt schon nicht anspruchsverpflichtet, weil die begehrten Informationen keine öffentliche Verwaltungsaufgabe beträfen, sondern Vorgänge im Rahmen der Strafverfolgung. Außerdem begehre die Klägerin im Kern Zugang zu Informationen über die Ausübung des ministeriellen Weisungsrechts, das in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Gegenstand und Inhalt des betreffenden Ermittlungsverfahrens stehe; im Bereich des Strafverfahrens sei das IFG nicht anwendbar, Auskunft könne allein nach § 475 StPO begehrt werden (§ 1 Abs. 3 IFG). Den direkt aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG hergeleiteten Ansprüchen stehe bereits entgegen, dass es sich bei der Klägerin nicht um ein Presseorgan oder ein sonst in den Schutzbereich der Pressefreiheit fallendes Unternehmen handele. Das Informationsbegehren könne auch nicht auf die EMRK gestützt werden; von den gemäß Art. 10 Abs. 2 EMRK zulässigen Einschränkungsmöglichkeiten sei spezialgesetzlich durch die StPO konventionskonform Gebrauch gemacht worden. Schließlich scheitere der geltend gemachte Anspruch auch aus tatsächlichen Gründen, da eine schriftliche Weisung des Bundesjustizministers in der in Rede stehenden Sache nicht erfolgt sei.Abs. 6
Mit Urteil vom 16.06.2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsrechtsweg sei nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet; die abdrängende Sonderzuweisung des § 478 Abs. 3 StPO greife nicht ein, weil die Klägerin nicht etwa Zugang zu den Akten des Ermittlungsverfahrens (§ 475 StPO) begehre, sondern den Informationszugang nur auf die von der Beklagten möglicherweise parallel zu den Ermittlungsverfahren geführten weiteren Akten („Berichtshefte") beziehe. Als Verpflichtungsklage (§ 9 Abs. 4 Satz 1 IFG) in Form der Untätigkeitsklage sei die Klage auch ohne Durchführung des nach § 9 Abs. 4 Satz 2 IFG i. V. m. § 68 Abs. 2 VwGO an sich vorgeschriebenen Vorverfahrens zulässig. Der Generalbundesanwalt habe den IFG-Antrag der Klägerin nicht beschieden, sondern mit seinem Schreiben vom 17.08.2015 zu erkennen gegeben, dass das „berechtigte Interesse" i. S. d. § 475 StPO auf Grund des Vortrags der Klägerin nicht geprüft werden könne, so dass eine förmliche Ablehnungsentscheidung vorerst nicht ergehe. Die Klage sei nach § 75 Satz 1 VwGO zulässig, da die gesetzliche Regelsperrfrist des § 75 Satz 2 Hs. 1 VwGO jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung verstrichen gewesen sei. Soweit die Klage auf verfassungsunmittelbare Ansprüche gestützt werde, sei sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als allgemeine Leistungsklage statthaft.Abs. 7
Die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Bundesanwaltschaft sei auf Grund ihrer funktionalen Zuordnung zur Rechtspflege nicht als „Behörde" i. S. d. IFG tätig geworden, so dass es auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage zum Vorrang des § 475 StPO und seiner materiellen Sperrwirkung gegenüber dem IFG nicht ankomme; der geltend gemachte Anspruch scheitere, soweit es um Informationen zur Weisung des Bundesjustizministers gegenüber dem Generalbundesanwalt gehe, an § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG. Die Weisung sei in einem durch Über- oder Unterordnung geprägten Hierarchieverhältnis ergangen und in der Sache auf die spezifisch justizmäßige Aufgabenerfüllung der Generalbundesanwaltschaft bezogen gewesen; da die Weisung unmittelbar die Durchführung des Ermittlungsverfahrens betroffen habe, sei sie einem Informationszugang nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes entzogen. Nichts anderes gelte für die vom Bundesamt für Verfassungsschutz und vom Generalbundesanwalt erstellten gutachterlichen Stellungnahmen; auch sie seien bei funktionaler Betrachtung der Tätigkeit des Generalbundesanwalts im Bereich der Strafrechtspflege zuzuordnen. Faktisch zutreffend wende die Klägerin zwar ein, dass im Ergebnis Bereiche entstünden, die weder nach dem IFG noch nach der StPO einem Informationszugang geöffnet seien; dieses Resultat sei jedoch - verfassungsrechtlich unbedenklich - dem Regelungssystem der StPO immanent.Abs. 8
Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK ergebe sich der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht. Da nach der Rechtsprechung des EGMR auch presseähnlichen Nichtregierungsorganisationen ein grundrechtsunmittelbarer Anspruch auf Zugang zu unveröffentlichten staatlichen Informationen zukommen könne, spreche zwar vieles dafür, dass die Klägerin ggf. zum Kreis der unmittelbar nach Art. 10 EMRK anspruchsberechtigten Personen zu rechnen sei; allerdings könnten aus Art. 10 EMRK keine Ansprüche hergeleitet werden, die über das Maß der der Presse verfassungs- bzw. konventionsunmittelbar eingeräumten Informationszugangsansprüche hinausgingen. Dazu sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass presserechtlich ein Anspruch auf Akteneinsicht grundsätzlich nicht bestehe. Nur ausnahmsweise könne sich der Auskunftsanspruch beim Vorliegen besonderer Umstände zu einem Anspruch auf Akteneinsicht bzw. Aktennutzung verdichten; derartige Umstände seien hier nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des EGMR begründe Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK keine generelle Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Akten oder deren Bestandteile zu veröffentlichen oder in Kopie zu übermitteln. Es sei nicht ersichtlich, dass das Informationsanliegen der Klägerin nur in Form der Gewährung von Akteneinsicht bzw. Übermittlung von Aktenkopien erfüllt werden könne. Der geltend gemachte Anspruch könne schließlich auch nicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG hergeleitet werden, da es sich bei den in Rede stehenden Akten nicht um „allgemein zugängliche Quellen" handele.Abs. 9
Die Klägerin hat gegen das ihr am 30.06.2016 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts, das die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat, am 25.07.2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt die Klägerin am 30.08.2016 vor, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei das Informationsfreiheitsgesetz im vorliegenden Fall auf die Tätigkeit des Generalbundesanwalts anwendbar, weil dieser bezüglich der streitgegenständlichen Anfragen nicht im Bereich der Strafrechtspflege tätig geworden sei. Das treffe vor allem auf die Weisung des Bundesjustizministers zu, auf die sich der erste Klageantrag beziehe. Denn es handele sich - was das Verwaltungsgericht gar nicht geprüft habe - um eine nach § 147 GVG ergangene Einzelfallanweisung, die wegen Verstoßes gegen § 152 Abs. 2 StPO rechtswidrig sei; die Weisung sei von justizfremden Erwägungen getragen gewesen. Die Gutachten, auf die sich der Klageantrag zu 2. beziehe, hätten keinen Eingang in die Ermittlungsakte gefunden; folglich könnten sie nur Teil des Verwaltungsvorgangs sein, auf den sich der IFG-Antrag erstrecke. Unzutreffend sei die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 475 StPO eine für den Bereich der Strafverfolgung abschließende Regelung zum Informationszugang treffe; dagegen sprächen die Gesetzessystematik, die Gesetzeshistorie (d. h. Anwendbarkeit des IFG als das gegenüber der StPO zeitlich jüngere Gesetz) sowie Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes (z. B. Herstellung von Transparenz zu amtlichen Informationen). Im Ergebnis wäre es auch nicht hinnehmbar, dass die Vorgänge um die offensichtlich rechtswidrige Einzelfallweisung des Bundesjustizministers der Öffentlichkeit entzogen werden könnten. Unabhängig davon habe dem auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. Art. 10 EMRK gestützten Klageanspruch stattgegeben werden müssen. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht angenommen, der an sich gegebene presserechtliche Auskunftsanspruch habe sich hier nicht zu einem Akteneinsichtsanspruch verdichtet; denn wollte die Beklagte die begehrte Auskunft vollständig erteilen, müsste sie der Klägerin die Akten vorlegen. Auf eine bloße Auskunft durch die Beklagte könne die Klägerin auch deshalb nicht verwiesen werden, weil Zweifel an der Richtigkeit einer solchen Auskunft geäußert werden könnten; so halte die Klägerin die Behauptung der Beklagten, zu der Weisung des Bundesjustizministers an den Generalbundesanwalt gebe es keine schriftlichen Unterlagen, für unglaubhaft. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Fall um ein Thema von überragendem öffentlichem Interesse gehe, nämlich die rechtswidrige Ausübung exekutiver Gewalt gegenüber einem Organ der Rechtspflege, so dass der begehrte Informationszugang gewährt werden müsse, um die Öffentlichkeit lückenlos informieren zu können.Abs. 10
Die Klägerin beantragt,Abs. 11
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. Juni 2016 - 3 K 4229/15 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Informationszugang zu den folgenden Unterlagen in Kopie zu gewähren:Abs. 12
1. Übermittlung der Weisung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in Sachen Ermittlungsverfahren „Landesverrat" gegen Herrn B. und andere an den Generalbundesanwalt bzw. des gesamten Schriftverkehrs in dieser Angelegenheit undAbs. 13
2. Übersendung aller vom Bundesamt für Verfassungsschutz und der Generalbundesanwaltschaft zu diesem Komplex gefertigten Gutachten.Abs. 14
Die Beklagte beantragt,Abs. 15
die Berufung zurückzuweisen.Abs. 16
Zur Begründung verweist die Beklagte zunächst auf das Urteil des Verwaltungsgerichts, das richtig entschieden habe. Die Einwände der Berufung seien unbegründet. Für die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes komme es im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Weisung des Bundesjustizministers nicht an. Entscheidend sei der spezifische Bezug zum Bereich der Strafrechtspflege, der dem Informationsfreiheitsgesetz gerade nicht unterworfen sei; nichts anderes gelte in Bezug auf die Gutachten, auf die sich der Klageantrag zu 2. beziehe, da es sich insoweit um strafprozessuale Gutachten handele. Unabhängig davon scheiterten die Klageansprüche auch an § 1 Abs. 3 IFG, weil § 475 StPO eine vorrangige Spezialregelung sei. Die hier in Rede stehenden Unterlagen seien einer Akteneinsicht nach der StPO nicht etwa strukturell entzogen, wie neben § 475 StPO auch § 147 Abs. 1 StPO zeige. Soweit das Begehren auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK gestützt werde, könne nur Auskunft verlangt werden; eine Verdichtung zu einem Recht auf Akteneinsicht komme hier nicht in Betracht, weil dem Begehren der Klägerin sachgerecht in Form der Auskunftserteilung entsprochen werden könne. Wie eine informationspflichtige Stelle ihrer Auskunftspflicht nachkomme, entscheide sie im Rahmen ihres Auswahlermessens. Ein verfassungsunmittelbarer Anspruch scheitere auch daran, dass die Klägerin kein Organ der „Presse" sei und sich daher auf die Pressefreiheit nicht berufen könne. Art. 10 Abs. 1 EMRK könne die Klägerin nicht geltend machen, weil sie keine presseähnliche Nichtregierungsorganisation sei. Außerdem könne nach der Rechtsprechung des EGMR aus Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK ein allgemeines Informationszugangsrecht gegenüber dem Staat nicht abgeleitet werden. Der Klägerin stehe es frei, einen Antrag auf Informationszugang nach § 475 StPO zu stellen. Sollte ein solcher Antrag mangels eines berechtigten Interesses abgelehnt werden, ergebe sich die konventionsmäßige Rechtfertigung aus Art. 10 Abs. 2 EMRK.Abs. 17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zum Verfahren 3 K 4229/15 und auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.Abs. 18

Entscheidungsgründe:

Abs. 19
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Es kann offen bleiben, ob die Klage bereits unzulässig ist (I.). Jedenfalls besteht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Informationszugang nach materiellem Recht nicht (II.). Das gilt in Bezug auf das maßgebliche Gesetzesrecht (II. 1.) ebenso wie hinsichtlich des Verfassungsrechts (II. 2.) und der EMRK (II. 3.).Abs. 20
I.Abs. 21
1. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO bejaht. Höchstrichterlich ist geklärt, dass IFG-Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur (nicht verfassungsrechtlicher Art) sind (BVerwG, Beschl. v. 15.10.2012 - 7 B 2.12 - BeckRS 2012, 59182 Rn. 11). Eine abdrängende Sonderzuweisung nach § 478 Abs. 3 StPO kommt von vornherein nicht in Betracht, weil es um einen Fall des § 475 StPO gar nicht geht. Der von der Klägerin geltend gemachte IFG-Anspruch ist im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden.Abs. 22
2. Statthafte Rechtsschutzform ist die Verpflichtungsklage. Dies hat das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt unter Hinweis auf § 9 Abs. 4 Satz 1 IFG erkannt. Das soll jedoch lediglich für den gemäß § 1 Abs. 1 IFG geltend gemachten Anspruch gelten. Soweit die Klage auf verfassungsunmittelbare Informationszugangsansprüche gestützt werde, sei sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als allgemeine Leistungsklage statthaft.Abs. 23
Die vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung befasst sich indes nur mit dem isoliert geltend gemachten presserechtlichen Auskunftsanspruch, der verfassungsunmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitet wird. Davon weicht die vorliegende Fallkonstellation in signifikanter Weise ab. Die Klägerin begehrt von der Beklagten keine bloße Auskunft, über deren Erteilung - falls positiv entschieden würde - bezüglich der Art der Anspruchserfüllung ein behördliches Auswahlermessen bestehen mag, sondern die Klägerin verlangt die Übermittlung (Übersendung) bestimmter Dokumente. Geltend gemacht wird ein Anspruch, primär gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes; herangezogen werden mehrere Anspruchsgrundlagen, und zwar neben § 1 Abs. 1 IFG auch noch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG sowie Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK. Das ändert nichts daran, dass der Antrag der Klägerin - da es eben nicht um eine bloße Auskunft geht - auf den Erlass eines sie begünstigenden Verwaltungsakts seitens der Beklagten gerichtet ist. Im Verhältnis zu dem nach § 1 Abs. 1 IFG geltend gemachten Anspruch handelt es sich bei den ergänzend herangezogenen Rechtsgrundlagen gemäß Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 Abs. 1 EMRK um den Fall einer Anspruchsnormenkonkurrenz, so dass diese weiteren Rechtsgrundlagen vom klägerischen Verpflichtungsbegehren erfasst werden (VG Berlin, Urt. v. 27.06.2016 - 2 K 534/15 - juris Rn. 21). Separate Streitgegenstände liegen nicht vor.Abs. 24
In der Sache ist das auf „Übermittlung" bzw. „Übersendung" amtlicher Dokumente zielende Verpflichtungsbegehren durch § 1 Abs. 2 Satz 1 IFG gedeckt. Gesetzlich ist ausdrücklich vorgesehen, dass die behördliche Informationsgewährung außer durch Auskunftserteilung und Akteneinsicht auch dadurch erfolgen kann, dass „Informationen in sonstiger Weise" zur Verfügung gestellt werden. Ein typischer Fall dieser Variante des Informationszugangs ist die Übersendung von Kopien amtlicher Dokumente (Schoch, IFG, 2. Aufl., § 1 Rn. 266 m. Nachw. zur Rechtsprechung). Die Bestimmung der Art des Informationszugangs seitens der Klägerin entspricht ihrem Wahlrecht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 IFG. Ist über den Antrag auf Informationszugang durch die Behörde zu entscheiden (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 IFG), ergeht - anders als bei der unmittelbar erteilten Auskunft - ein Verwaltungsakt, so dass die Verpflichtungsklage insgesamt die statthafte Rechtsschutzform ist.Abs. 25
3. Es kann dahinstehen, ob die Klage - wie das Verwaltungsgericht meint - als Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässig ist oder das Schreiben des Generalbundesanwalts vom 17.08.2015 nicht eher als zunächst im Wege des Widerspruchs anzufechtender Ablehnungsbescheid hätte angesehen werden müssen. Der Senat lässt die Frage der Zulässigkeit der verwaltungsgerichtlichen Klage - ausnahmsweise - offen, weil die Klage (und damit auch die Berufung) jedenfalls unbegründet ist. Es gibt keine gesetzliche Vorgabe, nach der im Berufungsverfahren eine abschließende Klärung der Zulässigkeit einer Klage zu Lasten der Beteiligten kompromisslos durchgeführt werden muss; entstehen den Beteiligten keine Nachteile, lässt das Berufungsgericht bei einem unbegründeten Rechtsmittel im Interesse der Prozessökonomie die Zulässigkeit der Klage offen (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorb § 124 Rn. 31 m. w. N.).Abs. 26
II.Abs. 27
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zugang zu den begehrten amtlichen Informationen. Das gilt sowohl nach dem hier maßgebenden Gesetzesrecht (1.) als auch nach Verfassungsrecht (2.) und Völkerrecht (3.).Abs. 28
1. Der primär geltend gemachte IFG-Anspruch besteht nicht. Das ergibt sich allerdings nicht aus § 1 Abs. 3 IFG und einem eventuellen Vorrang des § 475 StPO gegenüber § 1 Abs. 1 IFG. Die Vorrangfrage kann sich überhaupt nur stellen, wenn das Informationsfreiheitsgesetz anwendbar ist. Das ist hier nicht der Fall. Infolgedessen kann offen bleiben, in welchem rechtlichen Verhältnis § 1 Abs. 1 IFG zu § 475 StPO steht und ob das allgemeine Informationszugangsrecht nach Abschluss eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens unabhängig von §§ 474 ff. StPO anwendbar ist. Diese Fragen stellen sich nicht, weil der Generalbundesanwalt bei dem Bundesgerichtshof im vorliegenden Zusammenhang keine nach § 1 Abs. 1 IFG informationspflichtige Stelle ist.Abs. 29
a) Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen besteht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG „gegenüber den Behörden des Bundes". Sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen fallen nur in den Anwendungsbereich des Gesetzes, „soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen" (§ 1 Abs. 1 Satz 2 IFG). Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers entspricht der Begriff „Behörde" demjenigen des § 1 Abs. 4 VwVfG (BT-Drs. 15/4493 S. 7). Folglich gilt der funktionelle Behördenbegriff, so dass § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG nur eine klarstellende Bedeutung hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.11.2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 18).Abs. 30
Höchstrichterlich ist geklärt, dass sich der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und sonstigen Stellen des Bundes bezieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.2015 - 7 C 1/14 - BVerwGE 152, 241 Rn. 15). Das Gesetz legt keinen organisationsrechtlichen, sondern einen funktionellen Behördenbegriff zu Grunde. Das Bundesverwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass informationspflichtige Stellen zwar in erster Linie Behörden im organisationsrechtlichen Sinne seien; diese seien aber nicht als solche informationspflichtig, vielmehr bedürfe es der inhaltlichen Qualifikation der jeweiligen Tätigkeit mit der Konsequenz, dass nur im Falle einer Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes eröffnet sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2012 - 7 C 1.12 - NVwZ 2013, 431).Abs. 31
b) Die Bundesanwaltschaft (Generalbundesanwalt, Bundesanwälte) ist, wie jede Staatsanwaltschaft, unter dem Vorzeichen der Gewaltenteilung (Funktionentrennung) der Exekutive zuzuordnen, kann danach also als Verwaltungsbehörde im Bereich der Justizverwaltung (Justizbehörde) qualifiziert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.04.1988 - 3 C 65.85 - NJW 1989, 412, 413; Rixecker in Festschrift für Tolksdorf, 2014, 365, 372; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl., § 141 Rn. 8). Für die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes ist diese organisationsrechtliche Kategorisierung jedoch nicht entscheidend. Maßgeblich ist, wie erwähnt, der funktionelle Behördenbegriff. Insoweit ist unstreitig, dass die Bundesanwaltschaft (wie jede Staatsanwaltschaft) der „Dritten Gewalt" als Organ der Rechtspflege zuzuordnen ist (vgl. Scheel in Berger/Partsch/Roth/Scheel, IFG, 2. Aufl., § 1 Rn. 27; Kissel/Mayer a. a. O., § 141 Rn. 9; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 1 Rn. 202 i. V. m. § 2 Rn. 75).Abs. 32
Diese Zuordnung kommt gesetzlich unmissverständlich zum Ausdruck (§ 141 GVG: Staatsanwaltschaft „bei" jedem Gericht; § 142 Abs. 1 Nr. 1 GVG: Generalbundesanwalt „bei" dem Bundesgerichtshof; § 144 GVG: „Staatsanwaltschaft eines Gerichts"). Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof festgestellt, die Staatsanwaltschaft sei „ein Teil der Justiz", nehme „keine typische Behördenfunktion wahr, sondern gehört zum Funktionsbereich der Rechtsprechung" und erfülle „gemeinsam mit den Gerichten die Aufgabe der Justizgewährung auf dem Gebiet der Strafrechtspflege" (vgl. BGH, Urteil vom 06.03.2014 - III ZR 320/12 - BGHZ 200, 253 Rn. 24). Folgerichtig werden Gericht und Staatsanwaltschaft als „funktional gleichwertig" eingestuft (vgl. Kissel/Mayer, a. a. O., § 150 Rn. 1). Unbeschadet davon bestehen die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft von den Gerichten (§ 150 GVG) und der Ausschluss von richterlichen Geschäften (§ 151 GVG).Abs. 33
c) Auch wenn Staatsanwaltschaft und Bundesanwaltschaft primär als „Organ der Rechtspflege" fungieren, nehmen sie mitunter Aufgaben außerhalb dieses Bereichs wahr (vgl. Überblick bei Kissel/Mayer a. a. O., § 141 Rn. 10 ff.). Für die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes kommt es nach dem zu § 1 Abs. 1 IFG maßgeblichen funktionellen Behördenbegriff darauf an, ob die Staatsanwaltschaft bzw. Bundesanwaltschaft im konkreten Fall „klassische" Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne ausgeübt hat (dann gilt § 1 Abs. 1 IFG) oder ob sie als „Organ der Rechtspflege" agiert hat (dann ist § 1 Abs. 1 IFG nicht anwendbar). Dasselbe gilt für Aufsichtsmaßnahmen des Justizministers. Ergeht eine Weisung beispielsweise zu einem Ermittlungsverfahren oder zu einem Strafverfahren, dient eine solche Weisung materiell der Strafrechtspflege und wird daher vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes nicht erfasst (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.04.2013 - 1 L 140/10 - NVwZ 2013, 1503, 1504). Entscheidend für die informationsrechtliche Zuordnung einer Aufsichtsmaßnahme ist der unmittelbare funktionale Zusammenhang dieser Maßnahme mit der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit; die Weisung teilt unter den Prämissen des § 1 Abs. 1 IFG deren informationsrechtliche Zuordnung (auch Rixecker aaO, S. 365, 372 f. unterscheidet Aufsichtsmaßnahmen in Bezug auf „Vorgänge von Organen der Rechtspflege" und „Vorgänge der Verwaltung" bei der Staatsanwaltschaft).Abs. 34
Die Tätigkeit des Generalbundesanwalts, um die es hier geht, betrifft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Die Bundesanwaltschaft hat in diesem Zusammenhang als „Organ der Rechtspflege" agiert. Darauf hat sich die Einflussnahme des Bundesjustizministers - sei es nun, was umstritten ist, im Rechtssinne in Form einer „Weisung" oder sei es als sonstiges Tun - bezogen. Die Klägerin spricht selbst in ihrem Antrag Ziffer 1 von einer „Weisung des BMJV in Sachen Ermittlungsverfahren 'Landesverrat' gegen Herrn B. und andere", geht also von einem unmittelbaren funktionalen Zusammenhang zwischen der ministeriellen Weisung und dem Agieren der Bundesanwaltschaft als „Organ der Rechtspflege" aus. Dies entspricht auch den objektiv erkennbaren Umständen. In der an die Öffentlichkeit gerichteten Erklärung des Generalbundesanwalts vom 04.08.2015 (abgedruckt in vollem Wortlaut in FAZ Nr. 179 von 05.08.2015 S. 2) spricht der damalige Amtsinhaber ausdrücklich von „Ermittlungen" (bezüglich der Offenbarung von Staatsgeheimnissen) und wirft dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vor, auf „Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint". Der genannte Vorgang ist dem Bereich der Strafrechtspflege zuzuordnen, die dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 IFG entzogen ist. Das gilt auch für die Gutachten, deren Übersendung die Klägerin mit ihrem Antrag Ziffer 2 begehrt; die Klägerin selbst spricht von den „zu diesem Komplex gefertigten Gutachten".Abs. 35
Die Klägerin meint, dieser Konsequenz ausweichen zu können, indem sie ihren IFG-Antrag nicht auf die Ermittlungsakte als solche bezieht, sondern auf den „dahinter stehenden Verwaltungsvorgang". Das setzt voraus, dass in jener causa „Landesverrat" bei der Bundesanwaltschaft neben der Ermittlungsakte zusätzlich eine Verwaltungsakte existiert. Davon geht die Klägerin aus. Bereits in der Vorinstanz hat der Generalbundesanwalt im Schriftsatz vom 30.05.2016 auf Grund der richterlichen Verfügung vom 13.05.2016 ausdrücklich erklärt, „Geheimakten" würden nicht geführt, die Aktenführung entspreche in vollem Umfang den Vorgaben des § 199 Abs. 2 StPO. Ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Verwaltungsgerichts am 16.06.2016 hat der Vertreter der Beklagten auf Bitten des Bevollmächtigten zu Protokoll erklärt:Abs. 36
„Eine schriftliche Weisung gibt es nicht. Es gibt einen im Haus erstellten Vermerk, der die Hintergründe der Kündigung des Gutachtenauftrags erläutert und Teil der Ermittlungsakte geworden ist. Sämtliche Gutachten, die fertiggestellt wurden, sind Teil der Ermittlungsakte geworden."Abs. 37
Der Senat sieht keinen Grund, an der Richtigkeit der Erklärungen des Generalbundesanwalts, die dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals bekräftigt hat, zu zweifeln. Die Klägerin hat nicht den geringsten Anhaltspunkt im Tatsächlichen vorgetragen, der Anlass für bestimmte Sachverhaltsermittlungen bieten könnte.Abs. 38
d) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ihrem IFG-Antrag nicht mit Hinweis darauf zum Erfolg verholfen werden, dass eine „offensichtlich rechtswidrige Einzelfallweisung" des Bundesjustizministers nicht der Öffentlichkeit entzogen werden dürfe. Richtig ist, dass das ministerielle Weisungsrecht Grenzen findet; zu beachten ist vor allem das Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO), an das auch die Exekutivspitze über Art. 20 Abs. 3 GG gebunden ist, so dass eine gegen das Legalitätsprinzip verstoßende Weisung rechtswidrig ist (vgl. Kissel/Mayer a. a. O., § 146 Rn. 3; Strate, NJW-aktuell 11/2017, 7).Abs. 39
Diese gerichtsverfassungsrechtlichen Implikationen sind indessen für die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes irrelevant. Die normative Wertung „rechtmäßig/rechtswidrig" ist keine Kategorie des § 1 Abs. 1 IFG. Deshalb ist es für den Erfolg eines IFG-Antrags unerheblich, ob mit dem Informationsbegehren rechtswidrige Verwaltungsvorgänge aufgedeckt werden (können) oder nicht. Davon hängt die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes nicht ab. Daher bleibt ein Vorgang im Bereich der Strafrechtspflege einem IFG-Antrag auch dann verschlossen, wenn dort rechtswidriges Verhalten vermutet wird. Die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe die Vereinbarkeit des Vorgehens des Bundesjustizministers mit § 152 Abs. 2 StPO prüfen müssen, geht daher fehl.Abs. 40
e) Soweit die Klägerin bemängelt, die Ablehnung des IFG-Antrags sei im Ergebnis „nicht hinnehmbar", weil es andernfalls „keine Instanz und kein Forum" gebe, in welchem der Vorgang um besagtes Ermittlungsverfahren „Landesverrat" „genauer untersucht und diskutiert werden kann", trifft schon die Prämisse nicht zu. Strafprozessual bestehen zunächst die Informationsrechte gemäß § 147 StPO. Für (externe) Privatpersonen sieht § 475 StPO das Recht auf Auskunft und Akteneinsicht vor. Schon von daher besteht keine strukturell bedingte Abschottung von staatsanwaltschaftlichen Akten, die rechtsstaatliche Mindeststandards der Transparenzanforderungen verfehlte. Soweit gesetzliche Voraussetzungen für den Aktenzugang normiert sind (z. B. ein „berechtigtes Interesse"), stellt dies nicht etwa ein systematisch veranlasstes Transparenzdefizit dar, sondern lediglich eine im Einzelfall geforderte Voraussetzung für den Informationszugang. Vergleichbares gilt für den presserechtlichen Auskunftsanspruch (dazu II. 2. b).Abs. 41
Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob der Informationszugang nach § 1 Abs. 1 IFG zu eng ausgestaltet ist und ein breiter ausgestalteter Anwendungsbereich des Gesetzes (z. B. die Justizverwaltung einbeziehend) wünschenswert wäre. Dafür mag es gute Gründe geben. Die Fragen zum „Ob" und zum „Wieweit" des Rechts auf Zugang zu amtlichen Informationen betreffen rechtspolitische Entscheidungen (vgl. Schoch a. a. O., Einleitung Rn. 59 ff.). Der Senat hat auch nicht zu prüfen, ob die Klägerin den begehrten Informationszugang mit einem IFG-Antrag beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erreichen kann. Ungewöhnlich wäre es nicht, dass die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes bezüglich eines bestimmten Vorgangs, der zwei unterschiedlichen Stellen vorliegt, im einen Fall zu bejahen ist, nicht jedoch im anderen Fall. Ein insoweit praktisch gewordenes Beispiel kennt das Petitionswesen. So ist der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages wegen der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten der Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG entzogen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.10.2010 - OVG 12 B 13/10 - juris Rn. 21; VG Berlin, Urteil vom 10.09.2015 - 2 K 62/14 - juris Rn. 18). Gibt hingegen das Bundesjustizministerium in einer Petitionsangelegenheit eine Stellungnahme gegenüber dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ab, ist diese Stellungnahme auf Grund eines IFG-Antrags - soweit nicht im Einzelfall ein Ausnahmetatbestand (§§ 3 ff. IFG) eingreift - zugänglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.2011 - 7 C 4.11 - NVwZ 2012, 251). Auch dieses Beispiel zeigt, dass von einem prinzipiellen strukturellen Transparenzdefizit, das verfassungsrechtliche Mindeststandards verfehlt, keine Rede sein kann.Abs. 42
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die fehlende Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 IFG keine Besonderheit des Bundesrechts ist. Mit Blick auf die Staatsanwaltschaften im Landesjustizbereich sehen die Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze ausdrücklich vor, dass das jeweilige Gesetz für die Strafverfolgungsbehörden nicht gilt, soweit sie als Organe der Rechtspflege tätig werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG BW; § 2 Abs. 2 Satz 1 BbgAIG i. V. m. § 1 Abs. 3 Nr. 2 BbgLOG; § 5 Nr. 1 HmbTG; § 3 Abs. 4 Nr. 1 IFG MV; § 2 Abs. 4 Nr. 3 IZG Schl.-H.; ähnliche Regelungen treffen § 2 Abs. 1 Satz 2 BlnIFG; § 2 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW; § 3 Abs. 4 LTranspG Rh.-Pf.; § 2 Abs. 7 ThürIFG). Angesichts dieser Gesetzeslage besteht eine Art „gemeindeutscher Standard", dass sich das Informationsfreiheitsrecht nicht auf die (Straf-)Rechts-pflege erstreckt. Der Bundesgesetzgeber war im Rechtssinne nicht gehalten, dies - wie im Landesrecht teilweise erfolgt - nochmals deklaratorisch zum Ausdruck zu bringen; die Abgrenzung zur (Straf-)Rechtspflege ergibt sich zwingend aus dem vom Gesetzgeber zu Grunde gelegten funktionellen Behördenbegriff (s. o. II. 1. a). Daraus ergibt sich folgerichtig, dass der Generalbundesanwalt, soweit er im Bereich der Rechtspflege agiert, von § 1 Abs. 1 IFG nicht erfasst wird (s. o. II. 1. b; ferner Jastrow/Schlatmann, IFG, 2006, § 1 Rn. 43).Abs. 43
2. Der von der Klägerin begehrte Informationszugang kann nicht auf einen verfassungsunmittelbaren Anspruch gestützt werden. Zwar sind die Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte zum Schutz der Freiheit des Einzelnen, jedoch wird ein Anspruch auf Informationszugang kraft Grundrechtsschutzes ausnahmsweise in besonderen Fallgestaltungen anerkannt (vgl. dazu Überblick bei Schoch a. a. O., Einleitung Rn. 73 ff.). Soweit hier Rechtsgrundlagen des Verfassungsrechts dem Grunde nach einschlägig sind, liegen allerdings die Voraussetzungen des Anspruchs auf Informationszugang nicht vor. Das gilt sowohl für das Grundrecht der Informationsfreiheit (a) als auch für das Grundrecht der Pressefreiheit (b).Abs. 44
a) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG hat jeder das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die (noch) h. M. sieht in dieser Norm kein (Grund-)Recht auf Informationszugang gegenüber der Verwaltung, weil die Behördenakten, in die ein Kläger Einsicht nehmen wolle, keine „allgemein zugänglichen Quellen" i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG seien; folglich gewähre die grundgesetzliche Informationsfreiheit keinen verfassungsunmittelbaren Zugang zu amtlichen Informationen, und einen Anspruch auf Zugänglichmachung amtlicher Informationen für die Allgemeinheit verleihe Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG ohnehin nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.11.2013 - 6 A 5.13 - NJW 2014, 1126 Tz. 20; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.10.2011 - OVG 10 S 33/11 - NVwZ-RR 2012, 107, 109; w. Nachw. zur h. M. bei Schoch a. a. O., Einleitung Rn. 69).Abs. 45
Die Klägerin beruft sich indessen auf die Gegenauffassung und macht geltend, dass das Informationsfreiheitsgesetz eine Neuinterpretation des Grundrechts der Informationsfreiheit veranlasse. Rechtsdogmatisch kann das Informationsfreiheitsgesetz in der Tat als Widmungsakt gedeutet werden, der die nach § 1 Abs. 1, § 2 Nr. 1 IFG zugänglichen amtlichen Aufzeichnungen zu „allgemein zugänglichen Quellen" i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG macht und die gesetzlichen Ausnahmevorschriften (§§ 3 ff. IFG) als Schrankenregelungen gemäß Art. 5 Abs. 2 GG interpretiert (Schoch a. a. O., Einleitung Rn. 287 ff.). Der Senat kann offen lassen, welche Rechtsauffassung vorzugswürdig ist. Denn nur im Umfang der Öffnung der Informationsquellen wird zugleich der Schutzbereich der grundgesetzlichen Informationsfreiheit eröffnet (BVerfG, Urt. v. 24.01.2001 - 1 BvR 2623/95, 622/99 - BVerfGE 103, 44, 61; Wirtz/Brink, NVwZ 2015, 1166, 1169).Abs. 46
Nimmt der Gesetzgeber als Inhaber der Bestimmungsmacht zum Umfang der Widmung amtliche Dokumente im Bereich der Strafrechtspflege von der Geltung des § 1 Abs. 1 IFG aus, ist insoweit gerade keine Widmung der Dokumente zu „allgemein zugänglichen Quellen" erfolgt, so dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG nicht aktiviert werden kann. Das ist, wie ausgeführt (II. 1.), hier der Fall. Auch die grundrechtsfreundliche Auslegung der verfassungsrechtlichen Informationsfreiheit begründet den geltend gemachten Anspruch demnach nicht.Abs. 47
b) Dasselbe gilt in Bezug auf die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). Der Senat ist ungeachtet der Zuständigkeit des 1. Senats für Presserecht nicht gehindert, diese Frage zu entscheiden. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht zu Auskunftsansprüchen nach Presserecht und Informationsfreiheitsgesetz einen Fall der Klagehäufung angenommen, weil eine Mehrheit von Streitgegenständen vorliege und das Klagebegehren nicht lediglich im Sinne einer Anspruchsnormenkonkurrenz auf mehrere Rechtsgrundlagen gestützt werde; daher sei eine Trennung der Verfahren (§ 93 Satz 2 VwGO) mit der Folge angezeigt, dass der nach dem gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan zuständige Senat über den presserechtlichen Anspruch zu entscheiden habe (BVerwG, Beschluss vom 03.05.2016 - 7 C 7.15 - BeckRS 2016, 46226 und Beschluss vom 03.05.2016 - 7 C 13.15 - BeckRS 2016, 46225). Entscheidend für die Annahme mehrerer Streitgegenstände ist danach die Bejahung unterschiedlicher Klagearten; der IFG-Anspruch sei mit der Verpflichtungsklage durchzusetzen, der presserechtliche Anspruch sei im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen. Von jener Konstellation unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung aber grundlegend. Die Klägerin begehrt von der Beklagten keine Auskunft, sondern eine positive Entscheidung zur Übermittlung bestimmter Unterlagen. Statthafte Rechtsschutzform ist allein die Verpflichtungsklage (I.). Die verschiedenen Rechtsgrundlagen, auf die der geltend gemachte Anspruch auf Informationszugang in Gestalt der Zusendung von Unterlagen gestützt wird, stellen den Fall einer Anspruchsnormenkonkurrenz dar.Abs. 48
aa) Die Bundesanwaltschaft ist eine Justizbehörde des Bundes. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können Informationsbegehren der Presse gegenüber Bundesbehörden nicht auf das Landespresserecht (hier: § 4 LPresseG BW) gestützt werden. Vielmehr verleihe das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden (BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29; bekräftigend z. B. BVerwG, Beschluss vom 22.09.2015 - 6 VR 2.15 - NVwZ 2016, 945 Tz. 11). Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse darf in seinem materiell-rechtlichen Gehalt nicht hinter dem Gehalt derjenigen Auskunftsansprüche zurückbleiben, die die Landesgesetzgeber in den Landespressegesetzen normiert haben (BVerwG, Urt. v. 16.03.2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 17).Abs. 49
Auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kann sich die Klägerin nicht berufen, weil sie weder vom sachlichen noch vom personellen Schutzbereich des Grundrechts der Pressefreiheit erfasst wird. „Presse" i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG meint alle zur Verbreitung an die Allgemeinheit bestimmten Druckerzeugnisse (und „neue Medien"); geschützt ist insbesondere die massenkommunikative Vermittlungsleistung der Presse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.10.1996 - 1 BvR 1183/90 - BVerfGE 95, 28, 35; Jarass in ders./Pieroth, GG, 14. Aufl., Art. 5 Rn. 34 und 36). In personeller Hinsicht umfasst der Grundrechtsschutz die im Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktionen (vgl. Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl., 18. Kap. Rn. 7; Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Band I, 3. Aufl., Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 117); auf den verfassungsunmittelbaren Anspruch können sich „Pressevertreter" berufen (BVerwG, Urteile vom 16.03.2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 16 und vom 25.03.2015 - 6 C 12.14 - NVwZ 2015, 1388 Tz. 2 sowie Beschlüsse vom 22.09.2015 - 6 VR 2.15 - NVwZ 2016, 945 Tz. 12 und vom 20.07.2015 - 6 VR 1.15 - NVwZ 2015, 1383 Tz. 6). Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht gegeben.Abs. 50
Ausweislich ihrer Satzung bezweckt die Klägerin die Förderung des demokratischen Staatswesens durch die Förderung der Informationsfreiheit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Die Zweckverwirklichung erfolgt insbesondere durch (a) die Förderung wissenschaftlicher Forschung und Lehre zur Informationsfreiheit, (b) die Beteiligung an öffentlichen Debatten, (c) die Förderung des Meinungs- und Erfahrungsaustausches zur Praxis der Informationsfreiheit, (d) die Förderung und Fortentwicklung der Informationsfreiheit in Verwaltungs- und Rechtspraxis, (e) die Förderung von Aus- und Weiterbildung zur Informationsfreiheit, (f) Tagungen, Diskussions-, Bildungs- und Weiterbildungsveranstaltungen und -maßnahmen (einschließlich staats- und gesellschaftspolitischer Veranstaltungen), (g) den intensiven Dialog mit Verantwortlichen in Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft, (h) Stellungnahmen und Gutachten für die Mitglieder und die Öffentlichkeit zu wissenschaftlichen, politischen, rechtlichen und praktischen Aspekten der Informationsfreiheit, (i) die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen zur Förderung der Informationsfreiheit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Satzung). Danach ist die Ausrichtung der Klägerin in ihren Aktivitäten auf die Informationsfreiheit fixiert; Bezüge zum Pressewesen sind nicht erkennbar. Auch ansonsten fehlen tragfähige Anhaltspunkte, um die Klägerin dem Schutz der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterstellen zu können.Abs. 51
An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG „in Verbindung mit" Art. 10 EMRK interpretiert und angewendet sehen möchte. Die EMRK steht nicht etwa „über" dem Grundgesetz, sondern gilt in der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des Art. 59 Abs. 2 GG im Rang eines (einfachen) Bundesgesetzes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.03.1987 - 2 BvR 589/79, 740/81, 284/85 - BVerfGE 74, 358, 370). Soweit die EMRK und die dazu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auf der Ebene des deutschen Verfassungsrechts Berücksichtigung finden, fungieren sie als bloße Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307, 317), um angesichts der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes Völkerrechtsverletzungen zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil vom 04.05.2011 - 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10 - BVerfGE 128, 326, 370). Von einer Verletzung des Völkerrechts kann im vorliegenden Fall bei einer Verweigerung des von der Klägerin begehrten Informationszugangs keine Rede sein (vgl. dazu unten II. 3.).Abs. 52
bb) Unabhängig davon ist das klägerische Begehren auch von der Rechtsfolge des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs nicht gedeckt. Ausdrücklich begehrt die Klägerin von der Beklagten keine bloße Auskunft, sondern die „Übermittlung" bzw. „Übersendung" bestimmter Unterlagen. Der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Informationszugang umfasst indessen grundsätzlich nicht eine Aktennutzung durch Einsichtnahme in Behördenakten oder eine Kopie von Behördenakten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.11.2013 - 6 A 5.13 - NJW 2014, 1126 Tz. 24; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.03.2014 - OVG 6 S 48/13 - NVwZ 2014, 1177). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, funktionales Äquivalent des landesgesetzlichen Auskunftsanspruchs im Presserecht (z. B. § 4 Abs. 1 LPresseG BW), normiert keinen allgemeinen Informationsanspruch gegen Bundesbehörden, der etwa die Akteneinsicht und die Übersendung von Ablichtungen mitumfasst. Das grundsätzlich auf die Auskunft limitierte Informationsrecht der Presse gegen Bundesbehörden ist vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Das Gericht spricht in Bezug auf den nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Berechtigten mehrfach und ausdrücklich von dem „Auskunftsanspruch" und hinsichtlich der in Anspruch genommenen Bundesbehörden von „Auskunftspflichten" (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.07.2015 - 1 BvR 1452/13 - NVwZ 2016, 50 Tz. 12 und Tz. 14). Zur Tragweite des presserechtlichen Auskunftsanspruchs hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich erklärt, es „besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Einsicht in Behördenakten" (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.09.2015 - 1 BvR 857/15 - NJW 2015, 3708 Tz. 19).Abs. 53
Wie die Behörde ihre Auskunftspflicht erfüllt, entscheidet sie grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen; das Auswahlermessen besteht im Rahmen der üblichen inneren und äußeren Ermessensgrenzen (§ 40 VwVfG). Das gilt auch unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.09.2015 a. a. O. Tz. 18). Zum Landespresserecht ist allerdings anerkannt, dass sich die sachgerechte Ermessensausübung - in Abhängigkeit vom Gegenstand des Auskunftsbegehrens - dergestalt auf Null reduzieren kann, dass die Vorlage der Akten zur Einsicht (oder die Übermittlung von Ablichtungen) angezeigt ist (vgl. Ricker/Weberling a. a. O., 19. Kap. Rn. 2; Soehring in ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 4 Rn. 22b). Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Recht auf Einsichtnahme in ein Gutachten, zu dem sich der Auskunftsanspruch verdichten kann (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 15.01.2002 - 1 L 783/01 - AfP 2002, 360, 361). Auch für die Auskunft über Gerichtsentscheidungen gelten Besonderheiten; der presserechtliche Auskunftsanspruch von Medienvertretern wird dadurch erfüllt, dass „die Entscheidungen als solche in ihrem amtlichen Wortlaut" zur Verfügung gestellt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.09.2015 a. a. O. Tz. 20). Da der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch, wie erwähnt, inhaltlich nicht hinter dem landesgesetzlich normierten Auskunftsanspruch zurückbleiben darf, muss die ausnahmsweise eintretende Anspruchsverdichtung auch im vorliegenden Zusammenhang in Betracht gezogen werden.Abs. 54
Voraussetzung einer behördlichen Ermessensschrumpfung dergestalt, dass an Stelle der üblichen Auskunft die Akteneinsicht oder die Übermittlung von Kopien einer Behördenakte tritt, ist allerdings, dass nur auf diese Weise die behördliche Auskunft vollständig und wahrheitsgemäß erteilt werden kann (vgl. Burkhardt in Löffler, Presserecht, 6. Aufl., § 4 LPG Rn. 92; Soehring a. a. O., § 4 Rn. 22b). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Wenn es, wie die Beklagte glaubhaft versichert, eine schriftliche Weisung des Bundesjustizministers gar nicht gibt, ist nicht erkennbar, wieso nicht im Wege der behördlichen Auskunft dem Informationsbegehren und Informationsbedürfnis der Klägerin Rechnung getragen werden kann. Die Art des Informationszugangs (Auskunft, Akteneinsicht, Informationsgewährung in sonstiger Weise) kann im vorliegenden Zusammenhang auch nicht als „unnötige Förmelei" bezeichnet werden, wie die Klägerin meint. Es geht vielmehr um die Klärung einer Rechtsfrage, nämlich um die Verdichtung des behördlichen Auswahlermessens beim presserechtlichen Auskunftsanspruch auf die Übermittlung von Ablichtungen aus Behördenakten als einzig rechtmäßige Verwaltungsentscheidung; zur Bejahung einer derartigen Ermessensreduzierung müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass nur so eine vollständige und wahrheitsgemäße Information seitens des Generalbundesanwalts vermittelt werden kann. Daran fehlt es hier.Abs. 55
Unabhängig davon spricht die vorliegende Fallkonstellation dafür, dass die Klägerin eine Obliegenheit trifft. Die Klägerin reklamiert für sich eine Ausnahme von dem grundsätzlich nur auf die Erteilung einer Auskunft zielenden verfassungsunmittelbaren Informationsanspruch gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Da objektive Umstände für die Bejahung einer Verdichtung des behördlichen Auswahlermessens auf die Pflicht zur Übermittlung von Ablichtungen aus Behördenakten nicht erkennbar sind, obläge es der Klägerin, an den Generalbundesanwalt zunächst ein Auskunftsbegehren zu richten. Bliebe die Auskunft unzureichend (unvollständig, mehrdeutig, schwer verständlich etc.), könnte ein Indiz für den Fall der skizzierten Ermessensreduzierung gegeben sein (vgl. zu dieser Überlegung auch VG Freiburg, Beschluss vom 25.09.2015 - 1 K 1098/15 - juris Rn. 6). Ein Auskunftsverlangen hat die Klägerin an die Beklagte nicht gerichtet.Abs. 56
3. Der von der Klägerin begehrte Informationszugang ist schließlich auch nicht nach Art. 10 EMRK begründet.Abs. 57
Dem EGMR zufolge kann eine staatliche Verweigerung des Zugangs zu amtlichen Informationen in Einzelfällen eine Verletzung der Informationsfreiheit des Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK darstellen (vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 08.11.2016 - 18030/11 - (Hungarian Helsinki Committee) - Rn. 156 ff.). Eine solche Verletzung kommt vorliegend allerdings bereits schon deswegen nicht in Betracht, weil sie zumindest voraussetzt, dass nach innerstaatlichem Recht tatsächlich kein Anspruch auf Erlangung der begehrten Informationen besteht. Nur dann wäre zu prüfen, ob zur Vermeidung einer Völkerrechtsverletzung Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK als Auslegungshilfe im Rahmen von § 1 Abs. 1 IFG bzw. Art. 5 Abs. 1 GG herangezogen (vgl. BVerfG, Urteil vom 04.05.2011 a. a. O.) oder sogar ein unmittelbar auf Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK gestützter Anspruch bejaht werden müsste (so unter Umständen möglicherweise BVerwG, Urteil vom 16.03.2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222).Abs. 58
Dass das deutsche Recht in einem Fall wie dem vorliegenden tatsächlich keinen Zugang zu den von der Klägerin begehrten Informationen gewährt, hat die Klägerin nicht dargelegt. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Zugang zu Informationen im Bereich der Strafrechtspflege wird Dritten - wie der Klägerin - nach § 475 StPO gewährt; die Klägerin hat allerdings auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt, bislang keinen - ggf. vor den ordentlichen Gerichten durchzusetzenden - Antrag auf Akteneinsicht nach § 475 StPO gestellt zu haben. Einen Grund hierfür hat sie nicht genannt, obwohl nach den Erkenntnissen des vorliegenden Verfahrens alle die Klägerin interessierenden Informationen in den Strafakten enthalten sein dürften und nicht in Neben- oder „Geheim"akten, für deren Existenz nichts spricht.Abs. 59
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass es der Klägerin - etwa wegen einer von vornherein bestehenden Aussichtslosigkeit - unzumutbar gewesen sein könnte, einen solchen Anspruch geltend zu machen. Insbesondere erscheint es vorstellbar, dass die Klägerin angesichts des erheblichen öffentlichen Interesses an der Aufklärung der Umstände der Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Landesverrats gegen Mitarbeiter der Organisation „NETZPOLITIK.ORG" im August 2015 ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Strafakten im Sinne der - ggf. konventionskonform ausgelegten - Vorschrift des § 475 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO hätte. Das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, ein Konventionsverstoß sei bereits dann zu bejahen, wenn einer von mehreren grundsätzlich in Betracht kommenden innerstaatlichen Informationsansprüchen verweigert werde, weil es dem Betroffenen nicht zumutbar sei, eine Vielzahl von parallelen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu führen, vermag jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zu überzeugen. Denn hier bestehen neben dem von der Klägerin beschrittenen Weg lediglich zwei weitere - jeweils durchaus erfolgversprechende - Zugangsmöglichkeiten zu den begehrten Informationen in Gestalt von § 475 StPO sowie eines IFG-Antrags beim - ohnehin sachnäheren - Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz (vgl. II. 1. e). Jedenfalls spräche selbst für den Fall, dass die Verneinung eines Informationszugangs auf Grundlage der von der Klägerin im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruchsgrundlagen als Eingriff in Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK anzusehen wäre, die grundsätzlich bestehende Möglichkeit eines Zugangs zu den begehrten Informationen über § 475 StPO bzw. einen IFG-Antrag beim Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz für die Rechtfertigung eines solches Eingriffs im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 EMRK.Abs. 60
III.Abs. 61
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.Abs. 62
Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Grundsätzlich klärungsbedürftig sind die Anspruchsverpflichtung des Generalbundesanwalts nach § 1 Abs. 1 IFG, die Reichweite des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und der Gehalt des Rechts auf Informationszugang nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK.Abs. 63
Beschluss:Abs. 64
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt auf 5.000,-- EUR.Abs. 65
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.Abs. 66

 
(online seit: 12.09.2017)
 
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Baden-Württemberg, VGH, Keine Anwendung des IFG bei Tätigkeit des Generalbundesanwalts im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren - JurPC-Web-Dok. 0129/2017