JurPC Web-Dok. 123/2015 - DOI 10.7328/jurpcb2015308120

OLG Frankfurt

Beschluss vom 16.06.2015

6 U 26/15

Irreführende Werbung zur Netzabdeckung eines Mobilfunktarifs

JurPC Web-Dok. 123/2015


Leitsatz:

Dem Werbespruch "Kein Netz ist keine Ausrede mehr" entnimmt der Verkehr - soweit die Aussage in einen humorvollen Zusammenhang gestellt ist - nicht die Behauptung, das werbende Unternehmen biete ihm eine vollständige, lückenlose Netzabdeckung. Die Werbung ist daher nicht irreführend, wenn der Anbieter jedenfalls die zum Zeitpunkt der Werbung technisch höchstmögliche Verbindungsdichte zur Verfügung stellt (Fortsetzung der Senatsrechtsprechung).

Gründe:

I. Die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber im Bereich der Telekommunikation. Die Beklagte bietet Privatkunden Mobil-und Internetprodukte an, darunter die sog. „X Allnet Flat", mit der der Kunde im Mobilfunknetz der A telefonieren und im Internet surfen kann. Dieses Produkt bewarb die Beklagte in einer Werbeanzeige in der Zeitschrift „B" und im Internet mit der Aussage „Kein Netz ist keine Ausrede mehr" sowie in einem auf ihrer ... - Seite eingestellten Spot mit der Aussage „Kein Netz ist keine Ausrede". Die Klägerin hält diese Werbung für irreführend, weil sie suggeriere, dass der Verbraucher eine vollständige Netzabdeckung überall in der Bundesrepublik Deutschland erhalte.Abs. 1
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Kontext der hier angegriffenen Werbeanzeigen bzw. des Werbespots lasse sich eine derartige Verkehrserwartung nicht feststellen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen sowie auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.Abs. 2
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages weiter.Abs. 3
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,Abs. 4
I. Es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassenAbs. 5
im geschäftlichen Verkehr handelnd mit den Angaben zu werben und/oder werben zu lassenAbs. 6
1. „KEIN NETZ IST KEINE AUSREDE MEHR", wenn dies geschieht wie in der Printwerbung gemäß Anlage K 3 und/oder wie in der Internetwerbung gemäß Anlage K 4 zur KlageschriftAbs. 7
und/oderAbs. 8
2. „KEIN NETZ IST KEINE AUSREDE" und/oder „Denn mit bester D- Netz-Qualität ist kein Netz keine Ausrede mehr" wenn dies geschieht wie in dem Spot, der auf CD-ROM als Anlage 5 und dessen Storyboard als Anlage 6 zur Klageschrift vorgelegt ist;Abs. 9
II. an die Klägerin 1.162,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Abs. 10
 
Abs. 11
III. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin schließlich unter Hinweis auf die bereits in erster Instanz vorgelegte Anlage K 14 darauf, die von der Beklagten angebotene Netzabdeckung bleibe tatsächlich hinter derjenigen der A zurück. Die sich aus der Anlage K 14 ergebenden Einschränkung betreffen den mobilen Internetzugang, nicht aber den mobilen Telefonfunk, auf den sich die angegriffene Werbung allein bezieht…."Abs. 12
Diese Erwägungen gelten fort, denn die Stellungnahme der Klägerin rechtfertigt keine davon abweichende Beurteilung:Abs. 13
1. Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, dass die angegriffenen Werbeveröffentlichungen aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers - als dem hier angesprochenen Verkehrskreis - nicht ernsthaft in Anspruch nehmen, dass es der Beklagten gelungen ist, im Wege eines technischen Durchbruchs die bislang üblichen und allgemein bekannten Funklöcher zu vermeiden und so eine vollständige Netzabdeckung zu schaffen. Der Kontext, in den die streitgegenständlichen Aussagen jeweils gestellt werden, bietet dafür keine Anhaltspunkte.Abs. 14
Soweit die Klägerin bemängelt, die Werbeanzeigen gemäß Anlagen K 3 und K 4 stellten die streitbefangene Aussage nicht in einen humorvollen Gesamtzusammenhang, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Beide Anzeigen zeigen 3 jüngere Männer in Freizeitkleidung vor einem älteren PKW. Einer der 3 Männer telefoniert mit einem Handy und hält den rechten Arm mit einer Art entschuldigenden Geste vor sich. Die beiden anderen Männer schauen interessiert zu. In der Internetwerbung gemäß Anlage K 4 ist eine Sprechblase über dem telefonierenden Mann dargestellt mit der Äußerung „SORRY, ich habe gerade kein Netz" und eine weitere Sprechblase über seinem Begleiter mit der Aussage „Wie, mit X?!"Abs. 15
Die bildlich dargestellte Szene wird in beiden Versionen als Anspielung auf eine Alltagssituation verstanden, bei der sich der Telefonierende der Fortsetzung eines unerwünschten Telefonates mit der Ausrede entziehen will, er habe mit seinem Mobiltelefon gerade keinen Empfang. Damit stehen auch die beiden Werbeanzeigen gemäß Anlagen K 3 und K 4 die Werbeaussage in einem vom Publikum als humorvoll verstandenen Kontext.Abs. 16
2. Der Zusatz „in bester D-Netz-Qualität" kann nicht dazu führen, dass der Verkehr annimmt, nun sei ein technischer Durchbruch bei der Beseitigung von so genannten Funklöchern gelungen. Er verdeutlicht vielmehr, dass die dem Verkehr geläufige hohe Qualität und Funkabdeckung des „D-Netzes" nicht überschritten wird. Auch der Zusatz „endlos telefonieren und surfen" kann demzufolge beim Publikum nicht die Erwartung wecken, es sei eine über dieses Netz hinausgehende Funkabdeckung hergestellt worden.Abs. 17
3. Der Senat hat in dem Hinweisbeschluss bereits klargestellt, dass sich die angegriffene Werbung auf den mobilen Telefonfunk bezieht, was sowohl durch die Aussage „Keine Ausrede" als auch durch die bildliche Darstellung verdeutlicht wird. Die Anlage K 14, in der die Beklagte sowohl die Verfügbarkeit ihres mobilen Internetzugangs als auch die Netzabdeckung Mobilfunk darstellt, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Streitgegenstand der Klage ist nicht der Vorwurf, dass die Beklagte die Netzabdeckung der Telekom erreicht, sondern einzig der Vorwurf, das dem Verkehr nun eine vollständige bundesweite Netzabdeckung vorgespiegelt wird.Abs. 18
4. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Soweit die Klägerin auf eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg verweist, mit der die Aussage „Netz, wenn`s drauf ankommt" untersagt worden ist, weicht die dortige Fallgestaltung von der hiesigen deutlich ab, so dass es schon mit diesem Blickwinkel unter dem Gesichtspunkt der Divergenz nicht geboten ist, die Revision zuzulassen.Abs. 19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.Abs. 20
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Schuldnerschutzanordnung findet ihre Grundlage in § 711 ZPO.Abs. 21
 

(online seit: 04.08.2015)
 
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Frankfurt, OLG, Irreführende Werbung zur Netzabdeckung eines Mobilfunktarifs - JurPC-Web-Dok. 0123/2015