JurPC Web-Dok. 157/2012 - DOI 10.7328/jurpcb20122710154

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg
Urteil vom 03.05.2012

3 U 155/10

Werbung unter Bezugnahme auf Testergebnisse

JurPC Web-Dok. 157/2012, Abs. 1 - 48


ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 936, § 922 Abs. 1 S. 2; UWG: § 5; § 12 Abs. 1

Leitsätze

    I.    Zweifel an der Bestimmtheit eines Unterlassungsantrages bestehen in der Regel nicht, wenn der Antragsteller lediglich das Verbot der Handlung, so wie sie begangen worden ist (konkrete Verletzungshandlung), begehrt.
    II.   Der Umstand, dass eine Beschlussverfügung ohne Begründung erlassen und ohne die Antragsschrift zugestellt worden ist, begründet für sich genommen keine Unbestimmtheit des zuerkannten Verbots. Eine Beschlussverfügung bedarf gemäß §§ 936, 922 Abs. 1 S. 2 ZPO keiner Begründung, wenn sie dem Antrag voll stattgibt. Eine Zustellung der Antragsschrift ist nicht erforderlich. Es ist vielmehr Sache des Schuldners, sich die Antragsschrift zu beschaffen, um Verstöße gegen die erlassene Verfügung zu vermeiden.
    III.  Wird der einheitlich gestellte Antrag, die Verwendung eines konkreten Werbemittels zu verbieten, auf verschiedene Irreführungsgesichtspunkte gestützt, liegt nur ein einziger Streitgegenstand vor, nicht jedoch liegen mehrere Streitgegenstände vor. Es ist daher nicht erforderlich, die verschiedenen geltend gemachten Irreführungsgesichtspunkte in eine Reihenfolge bzw. ein Eventualverhältnis bringen. Da es bereits am Vorliegen mehrerer Streitgegenstände fehlt, kommt die TÜV-Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 24. März 2011, I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 ff.) nicht zur Anwendung.
    IV.   Wird das Verbot einer konkrete Verletzungshandlung unter mehreren Gesichtspunkten als irreführend angegriffen, ohne dass geltend gemacht wird, dass über jeden der vorgebrachten Irreführungsaspekte entschieden werden solle, ist das beantragte Verbot bereits dann zu erlassen, wenn sich einer der aufgeführten Irreführungsgesichtspunkte als begründet erweist.
    V.    Wird ein Produkt mit Testergebnissen beworben, nimmt der angesprochenen Verkehr - mangels entgegenstehender Hinweise - in der Regel an, dass das beworbene Produkt, und nicht nur einzelne Bestandteile des Produkts, Gegenstand des Test waren.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen irreführender Produktwerbung auf Unterlassung in Anspruch. JurPC Web-Dok.
157/2012, Abs. 1
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Arzneimitteln. Beide Parteien vertreiben unter anderem Mittel zur Entfernung von Warzen. Die Produkte der Parteien sollen die Entfernung von Warzen durch vollständiges Vereisen erreichen. Sie werden vorwiegend in Apotheken zum Kauf angeboten. Abs. 2
Das Produkt der Antragstellerin trägt den Namen "VERRUKILL-…" und wird zur Entfernung von gewöhnlichen sowie von Fußwarzen eingesetzt. Die Antragsgegnerin bringt die Produkte "Wartner gegen Warzen" bzw. "Wartner gegen Fußwarzen" auf den Markt. Die beiden Mittel der Antragsgegnerin sind in ihrer chemischen Zusammensetzung des Vereisungssprays identisch. Ein Unterschied in der Produktausstattung besteht darin, dass dem Produkt "Wartner gegen Fußwarzen" eine Hornhautfeile sowie zwölf sogenannte Komfortpflaster beigefügt sind. Abs. 3
Im Rahmen einer umfangreichen Werbekampagne veröffentlichte die Antragsgegnerin für ihre beiden Produkte eine ganzseitige Werbeanzeige in der Deutschen Ärztezeitung (Ausgabe Nr. 18/6. Mai 2010). Dabei wurden unter der drucktechnisch hervorgehobenen Überschrift "Wartner ist die 1. Wahl" die Ergebnisse eines Verbrauchertests in einem farblich abgesetzten Kasten aufgeführt. Im unteren Seitenbereich wurden die Verpackungen der beiden Produkte der Antragsgegnerin abgebildet. Hinsichtlich der weiteren Gestaltung der Werbeanzeige wird auf die als Verbindungsanlage zur Beschlussverfügung vom 31. Mai 2010 verwendete Kopie der Werbeanzeige verwiesen. Abs. 4
Mit Schreiben vom 17. Mai 2010 ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin wegen dieser Werbung abmahnen. Dazu wurde ausgeführt, dass die Werbung mit dem Verbrauchertest irreführend sei (Anlage AS 1). Die Antragsgegnerin war jedoch nicht bereit, die verlangte Unterlassungserklärung abzugeben (Anlage AS 2). Abs. 5
Nachfolgend erwirkte die Antragstellerin die vorliegende Beschlussverfügung des Landgerichts Hamburg, vom 31. Mai 2010, Az. 312 O 326/10, mit welcher der Antragsgegnerin bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde, Abs. 6
in der Werbung für das Warzenmittel "Wartner gegen Warzen" und "Wartner gegen Fußwarzen", wie aus der Anlage ersichtlich zu werben und/oder werben zu lassen. Abs. 7
Eine Kopie der streitgegenständlichen Werbeanzeige wurde als Verbindungsanlage zur Beschlussverfügung vom 31. Mai 2010 genommen. Abs. 8
Mit ihrem Widerspruch vom 15. Juni 2010 wendete sich die Antragsgegnerin gegen diese Beschlussverfügung. Abs. 9
Zur Begründung hat sie die Ansicht vertreten, dass das Verbot nicht hinreichend bestimmt sei. Weiter hat sie ausgeführt, dass keine Irreführung vorliege. Die beworbene Spitzenstellungsbehauptung sei schon im Hinblick auf den Marktanteil der Produkte der Antragsgegnerin von rund 80% berechtigt. Die Werbung wende sich zudem an Fachkreise, die die Werbung zutreffend verständen. Die durchgeführte Untersuchung sei darüber hinaus nicht zu beanstanden. Insbesondere seien die Anzahl der befragten Personen und die einbezogenen Produkte sowie die angewendete Methodik ausreichend (Anlagen AG 1 und AG 2). Abs. 10
Die Antragsgegnerin hat beantragt, Abs. 11
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 31. Mai 2010, Az. 312 O 326/10, aufzuheben und den diesbezüglichen Antrag vom 27. Mai 2010 zurückzuweisen. Abs. 12
Die Antragstellerin hat beantragt, Abs. 13
den Widerspruch zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 31. Mai 2010 zu bestätigen. Abs. 14
Die Antragstellerin hat den Erlass der einstweiligen Verfügung unter Vertiefung und Erweiterung ihrer Antragsbegründung verteidigt. Abs. 15
Die Werbeanzeige sei irreführend. Zum einen seien in den genannten Verbrauchertest nicht alle maßgeblichen Wettbewerbsprodukte einbezogen worden. Zum anderen sei die Anzahl der befragten Anwender zu gering gewesen. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin nicht zwischen ihren beiden Produkten unterschieden. Abs. 16
Mit Urteil vom 27. Juli 2010 hat das Landgericht Hamburg die einstweilige Verfügung vom 31. Mai 2010 bestätigt. Abs. 17
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung, die sie frist- und formgerecht eingelegt und begründet hat. Zur Begründung wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihren erstinstanzlichen Vortrag. Abs. 18
Sie vertritt -nunmehr unter Bezugnahme auf die BGH-Entscheidung vom 24. März 2011, I ZR 108/09 (TÜV I)-, weiterhin die Ansicht, dass der gestellte Unterlassungsantrag nicht hinreichend bestimmt sei. Zudem habe das Landgericht den zur Entscheidung gestellten Sachverhalt vollständig verkannt. Abs. 19
Es sei außerdem nicht erforderlich gewesen, den befragten Verbrauchern auch die Hornhautfeile und die Komfortpflaster, welche dem Produkt "Wartner gegen Fußwarzen" beigefügt würden, vorzulegen. Denn bei dem Verbrauchertest sei es ausschließlich um das Handling des Produkts "Wartner" im Vergleich zum Produkt "VERRUKILL" gegangen. Dazu hätten die Verbraucher eine Orange bekommen, an der die Vereisung mit dem jeweiligen Vereisungsspray habe durchgeführt werden können. Nur insoweit sei nachfolgend eine Bewertung durch die Testpersonen erfolgt (Anlage BK 1). Abs. 20
Die Antragsgegnerin beantragt, Abs. 21
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27. Juli 2010, Az. 312 O 326/10, abzuändern, die einstweilige Verfügung vom 31. Mai 2010 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen. Abs. 22
Die Antragstellerin beantragt, Abs. 23
die Berufung zurückzuweisen. Abs. 24
Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Abs. 25
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 29. März 2012 Bezug genommen. Abs. 26

II.

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet. Abs. 27
1.  Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 UWG begründet. Abs. 28
a)  Der Antragsgegnerin ist verboten worden, für die Warzenmittel "Wartner gegen Warzen" und "Wartner gegen Fußwarzen" mit der Werbeanzeige, die in der Deutschen Ärztezeitung vom 6. Mai 2010 veröffentlicht worden ist, zu werben bzw. werben zu lassen. Abs. 29
Der gestellte Unterlassungsantrag -und damit auch das Verbot- sind hinreichend bestimmt. Die Antragstellerin hat die konkrete Verletzungsform, d.h. die Zeitungsanzeige, zum Gegenstand ihres Unterlassungsantrages gemacht. Die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrages ist in der Regel unproblematisch, wenn -wie hier- der Antragsteller lediglich das Verbot der Handlung begehrt, so wie sie begangen worden ist (BGH GRUR 2001, 453, 454 - TCM-Zentrum m.w.N.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufla2011, § 51 Rn. 4). Eine gewisse Abstraktion von der konkreten Verletzungshandlung ist insoweit erfolgt, als nicht nur ein "werben", sondern auch ein "werben lassen" verboten werden soll. Soweit die Antragsgegnerin hiergegen eine Entscheidung des LG Karlsruhe (NJWE-WettbR 1999, 2008) anführt, wonach eine solche Antragsfassung nicht hinreichend bestimmt sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. In der nachfolgenden Rechtsmittelentscheidung des OLG Karlsruhe vom 22. September 1999, Az. 6 U 71/99, MD 2000, 208, 211, wird zutreffend ausgeführt, dass die auf die konkrete Verletzungsform bezogene Antragsfassung nicht zu beanstanden ist. Abs. 30
Auch aus dem Umstand, dass die Beschlussverfügung vom 31. Mai 2010 ohne Begründung erlassen und ohne die Antragsschrift zugestellt worden ist, ergibt sich keine Unbestimmtheit des geltend gemachten Unterlassungsantrages. Die Beschlussverfügung bedarf gemäß §§ 936, 922 Abs. 1 S. 2 ZPO keiner Begründung, wenn sie dem Antrag -wie hier- voll stattgibt (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auflage, 2011, § 12 Rn. 3.23; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Auflage, 2011, § 55 Rn. 5). Eine Zustellung der Antragsschrift ist nicht erforderlich. Es ist vielmehr Sache des Schuldners, sich die Antragsschrift zu beschaffen, um Verstöße gegen die erlassene Verfügung zu vermeiden. Abs. 31
b)  Der Antragsgegnerin kann auch nicht darin gefolgt werden, dass nicht hinreichend deutlich sei, worin der Streitgegenstand liege. Der Antragsgegnerin ist zuzugestehen, dass die Antragstellerin sich diesbezüglich -sowohl vorgerichtlich (Anlage AS 1), als auch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens- recht knapp geäußert hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH GRUR 2003, 716 - Reinigungsarbeiten; BGH GRUR 2011, 521 - TÜV I). Für die Frage, worauf das Verbot gerichtet ist, und wie weit der Titel reicht, ist hier mithin maßgeblich auf den Verfügungsantrag vom 27. Mai 2010 abzustellen. Mit dem Verfügungsantrag hat die Antragstellerin ausdrücklich die Werbung mit der Anzeige in der Deutschen Ärztezeitung vom 6. Mai 2010, Nr. 18, angegriffen. Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass die Anzeige zu einer Irreführung über die Qualität der Produkte führe. Der Slogan "Wartner ist die 1. Wahl" werde damit begründet, dass das Produkt der Antragsgegnerin hinsichtlich der Eigenschaften "anwenderfreundlich, …sicher, … dicht, …qualitativ hochwertig … und insgesamt "Gut" bis "Sehr gut" am besten abgeschnitten habe. Zum Beleg für dieses gute Abschneiden werde ein "Aktueller Verbrauchertest" genannt. Diese Werbung suggeriere, dass die Produkte der Antragsgegnerin die 1. Wahl unter allen Warzenentfernungsmitteln seien. Dies sei unzutreffend, denn jedenfalls auf dem Markt der Warzenentfernungsmittel zur Selbstmedikation sei u.a. noch das Produkt "Scholl Freeze" vertreten, welches in dem Verbrauchertest nicht berücksichtigt worden sei. Zudem habe die Antragsgegnerin auch nicht zwischen den beiden von ihr vertriebenen und in der Anzeige abgebildeten Produkten differenziert. Da weitere Produkte am Markt verfügbar seien, könne ein solcher Vergleichstest mit nur einem einzigen Produkt die Aussage "Wartner ist die 1. Wahl!" unter Hinweis auf die einzelnen Qualitätsmerkmale nicht belegen. Die Verbraucher würden hier über die Qualität der Produkte massiv irregeführt. Abs. 32
Der als Beleg genannte "Verbrauchertest" sei ungeeignet, die Werbebehauptung zu stützen. In dem Test sei nicht zwischen den Produkten "Wartner gegen Warzen" und "Wartner gegen Fußwarzen" unterschieden worden. Die Zahl von 100 Befragten sei bei zwei unterschiedlichen Produkten nicht repräsentativ. Zudem hätten die Befragten nur mit "ja" oder "nein", nicht jedoch mit "weiß nicht" antworten können. Außerdem sei nur eines von (mindestens) zwei Wettbewerbsprodukten berücksichtigt worden. Da dieses Produkt nicht namentlich benannt worden sei, könne eine Bewertung der Befragung nicht vorgenommen werden.Also hat die Antragstellerin zur Anspruchsbegründung maßgeblich darauf abgestellt, dass der zum Beleg herangezogenen "Verbrauchertest" nicht geeignet gewesen sei, die Spitzenstellungsberühmung "Wartner ist die 1. Wahl!" zu belegen, und zwar weil Abs. 33
- nur eines von mehreren Konkurrenzprodukten zum Vergleich untersucht worden ist, Abs. 34
- nicht zwischen den beiden Produkten der Antragsgegnerin unterschieden worden ist Abs. 35
- die Zahl von 100 Befragten zu gering ist und die vorgegebenen Antwortkategorien methodisch unzureichend waren. Abs. 36
c)  Im Streitfall liegt -entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin- nur ein Streitgegenstand vor. Abs. 37
Die Antragstellerin hat den von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf eine konkrete Verletzungshandlung der Antragsgegnerin, nämlich die in der Deutschen Ärztezeitung vom 6. Mai 2010, Nr. 18, geschaltete Werbeanzeige, gestützt. Nach ihrer Ansicht ist diese Anzeige -wie vorstehend aufgezeigt- allerdings in mehrfacher Hinsicht zur Irreführung der Adressaten geeignet. Abs. 38
Auch wenn die Antragstellerin die Werbeanzeige unter mehreren unterschiedlichen tatsächlichen Gesichtspunkten als irreführend beanstandet hat, hat sie damit nicht mehrere Streitgegenstände in den Rechtsstreit eingeführt. Die Antragstellerin hat ihr Unterlassungsbegehren auf eine konkrete Verletzungshandlung, nämlich die Werbeanzeige, gestützt. Auf diese Weise hat sie nur einen einzigen Lebenssachverhalt zur Begründung ihres Unterlassungsbegehrens vorgetragen und damit auch nur einen Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt. Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt zugleich die Voraussetzungen mehrerer Rechtsverstöße erfüllt, ist für die Frage, ob nur ein Streitgegenstand vorliegt oder mehrere Streitgegenstände gegeben sind, nicht maßgeblich, da die rechtliche Würdigung der beanstandeten konkreten Verletzungshandlung Sache des Gerichts ist (BGH GRUR 2012, 184, 185 Rn. 15 -Branchenbuch Berg; BGH GRUR 2006, 164 Rn. 17 - Aktivierungskosten II). Abs. 39
Der Antrag auf das Verbot eines konkreten Werbemittels unter mehreren verschiedenen Irreführungsgesichtspunkten betrifft mithin einen einheitlichen Streitgegenstand und begründet nicht mehrere verschiedene Streitgegenstände. Die Antragstellerin musste daher die verschiedenen geltend gemachten Irreführungstatbestände nicht in eine Reihenfolge bzw. ein Eventualverhältnis bringen. Die von der Antragsgegnerin angeführte TÜV-Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 24. März 2011, I ZR 108/09/Anlage BK 2) kommt hier nicht zur Anwendung, weil es bereits am Vorliegen mehrerer Streitgegenstände fehlt. Abs. 40
Der Umstand, dass die Antragstellerin die konkrete Verletzungshandlung unter mehreren Gesichtspunkten als irreführend angegriffen hat, ohne geltend zu machen, dass über jeden der vorgebrachten Irreführungsaspekte entschieden werden soll, führt dazu, dass das beantragte Verbot bereits dann zu erlassen ist, wenn sich einer der aufgeführten Irreführungsgesichtspunkte als begründet erweist. Abs. 41
d)  Hinsichtlich des so verstandenen Streitgegenstandes liegt eine Irreführung der angesprochenen Empfängerkreise vor. Die Angabe "Wartner ist die 1. Wahl!", welche unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den "Verbrauchertest" und seine Ergebnisse erfolgt, ist irreführend. Zwar hat die Antragstellerin hinsichtlich der angesprochenen Empfängerkreise von "Verbrauchern" gesprochen. Das Landgericht hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich insoweit offensichtlich um eine "Falschbezeichnung" seitens der Antragstellerin handelt. Die Werbeanzeige ist in der Deutschen Ärztezeitung veröffentlicht worden, richtet sich mithin an Fachkreise, nämlich Ärzte und Apotheker. Eben diese Werbung war auch Gegenstand des geltend gemachten Verbots. Abs. 42
Die Angabe "Wartner ist die 1. Wahl!" ist nicht schon deshalb zutreffend, weil die beworbenen Wartner-Produkte die umsatzstärksten Mittel am Markt sind. Mit dem erzielten Umsatz oder den verkauften Packungen wird die Angabe "Wartner ist die 1. Wahl!" im Rahmen der Werbeanzeige nämlich nicht begründet. Dieser Umstand kann daher auch nicht das Verständnis der Angabe in ihrem konkreten Umfeld bestimmten. Abs. 43
Vielmehr wird die behauptete Spitzenstellung allein mit den Ergebnissen eines "aktuellen Verbrauchertests" begründet. Das ergibt sich aus der räumlichen Nähe zwischen der Angabe "Wartner ist die 1. Wahl!" und den unmittelbar darunter befindlichen Angaben zu den Ergebnissen des Verbrauchertests. Die angesprochenen Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, verstehen die Angabe "Wartner ist die 1. Wahl!" deshalb dahin, dass mit den Ergebnissen des "Verbrauchertests" belegt sei, dass die beiden in der Anzeige abgebildeten Produkte "Wartner gegen Warzen" und "Wartner gegen Fußwarzen" mit Abstand am besten abgeschnitten hätten, und zwar hinsichtlich der Aspekte "anwenderfreundlich, …sicher, …dicht, … qualitativ hochwertig," sowie insgesamt "Gut" bis "Sehr gut". Abs. 44
Damit liegt jedoch eine Irreführung der angesprochenen Fachkreise vor. Das Landgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, dass eine Irreführung schon deshalb vorliegt, weil die Antragsgegnerin in der Werbung nicht zwischen ihren beiden Produkten differenziert hat. Mit der Werbeanzeige werden beide Wartner-Produkte einheitlich und vollumfänglich mit den guten Testergebnissen beworben. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ist jedoch allein das in beiden Produkten enthaltene Vereisungsspray getestet worden. Die Verwendung der Hornhautfeile und der Komfortpflaster ist hingegen nicht untersucht worden. Eine Einschränkung dahin, dass das Produkt "Wartner gegen Fußwarzen" nur hinsichtlich des Vereisungssprays, nicht jedoch hinsichtlich der weiteren Produktbestandteile, d.h. Hornhautfeile und Komfortpflaster, getestet worden ist, findet sich nicht. Daher gewinnen die angesprochenen Fachkreise mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Eindruck, dass beide Produkte vollen Umfangs getestet, und dass dabei die aufgeführten guten Ergebnisse erzielt worden sind. Dieser Eindruck ist jedoch falsch. Abs. 45
Das Landgericht hat daher zu Recht eine Irreführung angenommen. Mit der Verurteilung bewegt sich das Landgericht zudem -wie vorstehend ausgeführt- innerhalb des Streitgegenstandes, den die Antragsgegnerin zur Entscheidung vorgelegt hat. Ein Verstoß gegen § 308 ZPO liegt daher nicht vor. Abs. 46
Offen gelassen hat das Landgericht, ob die Werbeanzeige auch deshalb irreführend ist, weil das weitere Konkurrenzprodukt "Scholl Freeze" nicht getestet worden ist, weil die Zahl von 100 Befragten zu gering erscheint, und weil die vorgegebenen Antwortkategorien unzureichend waren. Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, über diese weiter vorgebrachten Irreführungsaspekte zu entscheiden, denn bereits das Vorliegen der vorgenannten Irreführung rechtfertigt das beantragte Verbot der konkreten Verletzungsform. Abs. 47
2.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
JurPC Web-Dok.
157/2012, Abs. 48
[ online seit: 16.10.2012 ]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 03.05.2012, 3 U 155/10, Werbung unter Bezugnahme auf Testergebnisse - JurPC-Web-Dok. 0157/2012