JurPC Web-Dok. 45/2012 - DOI 10.7328/jurpcb/201227333

VG Kassel
Urteil vom 06.02.2012

1 K 1135/10.KS

Rundfunkgebühren für PC in Rechenzentrum

JurPC Web-Dok. 45/2012, Abs. 1 - 37


§ 2 RGebStV, § 5 RGebStV, § 6 RGebStV, § 1 Abs 1 S 1 RGebStV, § 1 Abs 2 S 1 RGebStV

Leitsatz

    Zur Rundfunkgebührenpflicht eines in einem Rechenzentrum für gewerbliche Zwecke betriebenen internetfähigen Datenverarbeitungsgeräts.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein im IT-Bereich tätiges Unternehmen. Sie verfügt nicht über eigene Geschäftsräume. Geschäftssitz ist die Privatwohnung eines ihrer Geschäftsführer, der von dort aus seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht. Zwei weitere geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin arbeiten ebenfalls von zu Hause aus. Für ihre Arbeit benötigen die Gesellschafter der Klägerin Geräte der elektronischen Datenverarbeitung. JurPC Web-Dok.
45/2012, Abs. 1
Mit Schreiben vom 5. März 2007 teilte die Klägerin der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) mit, dass man an den folgenden Standorten "neuartige Rundfunkempfangsgeräte" im Sinne des § 5 Abs. 3 RGebStV anmelden wolle: Abs. 2
  1. Privatwohnung des geschäftsführenden Gesellschafters (entsprechend des Firmensitzes) M.S., A-Straße, A-Stadt
  2. Privatwohnung des geschäftsführenden Gesellschafters C.S., A-Straße, A-Stadt
  3. Privatwohnung des geschäftsführenden Gesellschafters J.I., A-Straße, A-Stadt
  4. Rechenzentrum TelecityRedbus, Redbus Interhaus GmbH, A-Straße, Frankfurt.
Abs. 3
Daraufhin teilte die GEZ der Klägerin mit Schreiben vom 9. März 2007 mit, dass die gewünschte Aktualisierung des Teilnehmerkontos entsprechend vorzitierter Anmeldung vorgenommen worden sei. Hierauf reagierte die Klägerin mit Schreiben vom 14. März 2007, mit dem sie darauf verwies, dass man anhand der dem Antwortschreiben beigefügten Liste der angemeldeten Geräte festgestellt habe, dass das am Standort Frankfurt in einem Rechenzentrum befindliche "neuartige Rundfunkempfangsgerät" nicht aufgenommen worden sei. Dieses befinde sich in Firmeneigentum, lediglich der Standort sei angemietet ("Serverhousing"). Die Klägerin bat in diesem Zusammenhang um Überprüfung, inwiefern für dieses Gerät eine Gebührenpflicht bestehe. Abs. 4
Mit Gebührenbescheid vom 2. September 2007 setzte die GEZ daraufhin für den Zeitraum von Januar bis März 2007 für ein neuartiges Rundfunkempfangsgerät Rundfunkgebühren in Höhe von 16,56 € fest und erhob einen Säumniszuschlag in Höhe von 5,11 €. Abs. 5
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. September 2007 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheids wird Bezug genommen. Abs. 6
Daraufhin erhob die Klägerin mit bei Gericht am 9. Mai 2008 eingegangenem Schriftsatz die vorliegende Klage. Hierzu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die für Firmenzwecke vorgehaltenen vier Geräte der elektronischen Datenverarbeitung zwar unzweifelhaft unter die im Jahr 2005 eingeführte Bestimmung des § 5 Abs. 3 RGebStV fielen, nach der sog. neuartige Rundfunkempfangsgeräte, "insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können", gebührenpflichtig seien. Aus diesem Grund habe man die vorgehaltenen vier Geräte ordnungsgemäß zur Anmeldung gebracht und um die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheids gebeten. Man sei aber von vornherein der Auffassung gewesen, dass die Neuregelung der Rundfunkgebührenpflicht für "neuartige Rundfunkempfangsgeräte" verfassungswidrig sei. Nach der Regelung sei nicht relevant, ob tatsächlich Rundfunkangebote aus dem Internet wiedergegeben würden oder ob tatsächlich eine hinreichende Anbindung an das Internet vorhanden sei. Diese ziele vielmehr einzig auf das theoretische Bestehen der Möglichkeit ab, entsprechende Angebote abrufen zu können, womit die Norm faktisch alle handelsüblichen Rechner erfasse. Hierin liege eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Garantien aus  Art. 2 Abs. 1 GG, des allgemeinen Gleichheitssatzes nach  Art. 3 Abs. 1 GG sowie der durch  Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung begründet (wird in der Klagebegründung näher ausgeführt). In Bezug auf die Gebührenerhebung für das weit entfernt in einem Rechenzentrum in Frankfurt aufgestellte Datenverarbeitungsgerät sei eine Verletzung des Gleichheitssatzes besonders schwerwiegend. Aufgrund der momentanen Gesetzeslage sei sie - die Klägerin - verpflichtet, auch für ein Gerät Rundfunkgebühren zu entrichten, das einem direkten physischen Zugriff am Aufstellungsort entzogen sei. Das betreffende Gerät könne nur über Mittel der Fernadministration verwaltet werden. Ein unmittelbarer Zugang hierzu vor Ort sei weder für die Eingabe (Tastatur, Maus usw.) noch ausgabeseitig (Monitor, Lautsprecher usw.) vorhanden. Soweit der potentielle Konsument von Rundfunkdarbietungen direkten physischen Zugang zu dem Gerät im Rechenzentrum wünsche, müsse er sich folglich nicht nur in das Rechenzentrum begeben, sondern sich dort vom Betreiber auch noch einen Monitor, Eingabegeräte wie Tastatur und Maus sowie Lautsprecher ausleihen, um dann in einem großen Raum mit mehreren hundert bis tausend anderen Geräten der elektronischen Datenverarbeitung bei entsprechender Geräuschentwicklung das dort untergebrachte Gerät als "neuartiges Rundfunkempfangsgerät" nutzen zu können. Um überhaupt Einlass in das Rechenzentrum zu bekommen, müsse man sich mindestens einen Tag vorher unter Nennung von persönlichen Daten und der Personalausweisnummer schriftlich anmelden. Selbst ein Laie müsse erkennen, dass eine solche "Nutzung" als Rundfunkempfangsgerät rein theoretisch zwar möglich, jedoch nicht praktikabel sei und fern jeder Wirklichkeit liege. Da danach kein direkter physischer Zugang zu dem im Rechenzentrum untergebrachten Gerät gewährleistet sei, bleibe rein technisch gesehen allein noch die Möglichkeit, dieses zur Aufzeichnung von Rundfunk- oder Fernsehdarbietungen zu verwenden. Zur - zeitgleichen oder zeitversetzten - Wiedergabe aufgezeichneter Rundfunkdarbietungen, also zu deren eigentlichem Konsum, werde jedoch ein weiteres Gerät benötigt, das die Wiedergabefunktion erfüllen könne. Ein solches, etwa in einer der Privatwohnungen der geschäftsführenden Gesellschafter aufgestelltes Gerät würde aber seinerseits eine Rundfunkgebührenpflicht auslösen. Im Übrigen unterhalte keiner der Geschäftsführer dort ein Arbeitszimmer. Damit müssten für die in den Privatwohnungen vorgehaltenen "neuartigen Rundfunkempfangsgeräte" Gebühren entrichtet werden, obwohl diese bereits durch die Zweitgerätebefreiung nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 RGebStV für die privaten Anmeldungen abgedeckt seien. Auch dies sei im Lichte des Gleichheitssatzes unverständlich, da hierdurch eine sachlich nicht gerechtfertigte doppelte Belegung mit Gebühren entstehe. Unabhängig davon sei auch die Festsetzung eines Säumniszuschlags mit dem angegriffenen Gebührenbescheid nicht zu rechtfertigen, da eine Säumnis der Klägerin bis zum Erlass des Gebührenbescheids nicht vorgelegen habe. Abs. 7
Die Klägerin hat beantragt, Abs. 8
das Verfahren auszusetzen und die mit der Klageschrift aufgeworfenen Fragen zur Vereinbarkeit der Rundfunkgebührenpflicht für "neuartige Rundfunkempfangsgeräte" - insbesondere unter dem Aspekt der Verletzung des Gleichheitssatzes - gemäß  Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Abs. 9
Die Klägerin beantragt ferner, Abs. 10
1. den Gebührenbescheid der Beklagten vom 2. September 2007 und den Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 aufzuheben;
2. zu erkennen, dass sie zur Zahlung von Rundfunkgebühren für die von ihr vorgehaltenen "neuartigen Empfangsgeräte" nicht verpflichtet ist.
Abs. 11
Der Beklagte beantragt, Abs. 12
die Klage abzuweisen. Abs. 13
Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2009 hat er die Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidungsfindung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren Az. 10 A 2535/08.Z angeregt. Dieser Anregung ist der Vorberichterstatter der Kammer mit Beschluss vom 30. Januar 2009 gefolgt. Abs. 14
Mit Schriftsatz vom 13. August 2010 hat die Klägerin unter Verweis auf die Entscheidungsfindung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in vorgenanntem Verfahren die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Abs. 15
Mit Beschluss vom 6. Juni 2011 hat die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Abs. 16
Zur Ergänzung des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen. Abs. 17

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten hiermit auf entsprechende Nachfrage des Gerichts ausdrücklich einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO). Abs. 18
Mit dem Klageantrag zu 1 ist die Klage als Anfechtungsklage zulässig. Abs. 19
Insoweit erweist sich die Klage auch als begründet. Der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 2. September 2007 und der ebenfalls angegriffene Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Abs. 20
Mit dem streitgegenständlichen Gebührenbescheid hat der Beklagte im Veranlagungszeitraum von Januar bis März 2007 für ein internetfähiges Datenverarbeitungsgerät Rundfunkgebühren festgesetzt. Zuvor hatte die Klägerin bei der GEZ mit Schreiben vom 5. März 2007 unter Benennung des jeweiligen Aufstellungsortes vier solche firmeneigenen Geräte zur Anmeldung gebracht. Aus dem Ausgangsbescheid selbst lässt sich nicht entnehmen, auf welches in der Anmeldung aufgeführte Gerät sich die Gebührenerhebung beziehen soll. Ausführungen hierzu finden sich auch in der Begründung des Widerspruchsbescheids nicht wieder. Allerdings ist die Gebührenfestsetzung als Reaktion der Beklagten auf ein weiteres Schreiben der Klägerin vom 14. März 2007 erfolgt, mit dem sie um Überprüfung der Frage gebeten hat, inwieweit für das in einem Rechenzentrum am Standort Frankfurt vorgehaltene Gerät eine Gebührenpflicht bestehe. Hieraus entnimmt der Einzelrichter, dass die Gebührenerhebung mit dem angefochtenen Bescheid an die Bereithaltung dieses Geräts für Rundfunkgebühren anknüpfen soll. Abs. 21
Die Rechtmäßigkeit der insoweit im Streit stehenden Gebührenerhebung bemisst sich nach der Rechtslage im Veranlagungszeitraum (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29. April 2009 - BVerwG 6 C 28.08 -, Juris). Maßgeblich sind daher die Vorschriften des Rundfunkgebührenstaatsvertrages - RGebStV - vom 31. August 1991 in der Fassung des 8. Rundfunkgebührenstaatsvertrages vom 8./15. Oktober 2004 bzw. in der zum 1. März 2007 in Kraft getretenen Fassung des 9. Rundfunkgebührenstaatsvertrages vom 31. Juli/10. Oktober 2006, die sich - soweit hier einschlägig - ihrem Regelungsgehalt nach nicht unterscheiden. Abs. 22
Nach der danach heranzuziehenden Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelungen der §§ 5 und 6 RGebStV für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Rundfunkgebühr zumindest in Form einer Grundgebühr zu entrichten. In Bezug auf den in einem Rechenzentrum in Frankfurt untergebrachten firmeneigenen Rechner ist die Klägerin jedoch nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV Rundfunkteilnehmerin. Zwar mag es sich bei diesem Gerät nach den geltenden Bestimmungen in § 1 Abs. 1 Satz 1 RGebStV um ein Rundfunkempfangsgerät handeln. Dieses wird jedoch nicht im Rechtssinne zum Empfang bereitgehalten. Abs. 23
Rundfunkempfangsgeräte im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 RGebStV sind technische Einrichtungen, die zur drahtlosen oder drahtgebundenen Hör- oder Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) auf nicht zeitversetzte Weise geeignet sind. Diese Voraussetzungen erfüllt ein PC oder vergleichbares datenverarbeitungsgerät, der bzw. das einen funktionsfähigen Internetanschluss besitzt, der es ermöglicht, die im Internet abrufbaren Ton- bzw. Bilddateien von Rundfunksendungen mittels Audio- oder Video-Streaming hochzuladen. Ob ein solches Gerät primär zum Rundfunkempfang bestimmt ist, ist dabei nicht erheblich. Die Vorschrift stellt nicht auf die subjektive Zweckbestimmung eines Gerätes, sondern allein auf dessen objektive Eignung zum Empfang ab. Da es in diesem Zusammenhang nicht auf die Nutzungsgewohnheiten ankommt, ist es der Eigenschaft als Empfangsgerät auch nicht abträglich, wenn es über die Möglichkeit des Rundfunkempfangs hinaus weitere Verwendungen zulässt (vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 20. April 2011 - 6 C 31/10 -, Juris; siehe auch BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60, 90 f.). Abs. 24
Diese - und die weiteren im Zusammenhang an die Qualifizierung eines internetfähigen Datenverarbeitungsgeräts gestellten (vgl. dazu auch noch BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - BVerwG 6 C 17.10 -, Juris) - Anforderungen sind in Bezug auf das im Eigentum der Klägerin stehende und in einem Rechenzentrum in Frankfurt untergebrachte Gerät zur Datenverarbeitung erfüllt. Dies wird von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt. Abs. 25
Weitere Voraussetzung für die Rundfunkgebührenpflicht ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, dass das Gerät zum Empfang bereitgehalten wird. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV wird ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, verschlüsselt oder unverschlüsselt empfangen werden können. Diese Voraussetzung ist regelmäßig schon bei bloßem Besitz eines internetfähigen PCs oder Datenverarbeitungsgeräts erfüllt, da das hier in Rede stehende Tatbestandsmerkmals nach der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht weit zu verstehen ist. Der Tatbestand des Bereithaltens zum Empfang eines Rundfunkempfangsgeräts knüpft nicht an die tatsächliche Verwendung des Gerätes durch den Nutzer an, sondern stellt lediglich auf die Eignung des Geräts zum Empfang von Rundfunkdarbietungen ab. Einziges Kriterium zur Eingrenzung der Geeignetheit stellt hiernach dar, dass mit dem Gerät ohne besonderen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen empfangen werden können. Der Hintergrund hierfür ist in der Gestaltung des Gebühreneinzugs als Massenverfahren zu sehen. Durch die "Pauschalierung" sollen Beweisschwierigkeiten vermieden, das Gebühreneinzugsverfahren mithin so einfach wie möglich gestaltet werden. Damit spielt beim Internet-PC oder vergleichbar ausgerüsteten Geräten ein etwaiger wirtschaftlicher Aufwand keine Rolle, der etwa darin begründet liegt, dass die Qualität des Empfangs durch Breitbandzugänge hergestellt werden muss. Gleiches gilt für die nötige Hard- und Software zum Betrieb des Rechners selbst. Schließlich sind auch die Kosten für den Zugang zum Netz in der Weise als wirtschaftlich vertretbar anzusehen, dass sie kein eigenständiges Zugangshindernis bei der Empfangsbereitschaft des internetfähigen PCs sind. Das Zusammenspiel von § 2 Abs. 2 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 5 Abs. 3 RGebStV führt regelmäßig dazu, dass sogenannte neuartige Rundfunkempfangsgeräte gebührenpflichtig sind. Daher sind Personen, die ihren PC - mit modernem technischen Standard - zu üblichen Arbeitszwecken angeschafft haben und nutzen, durch die -nachträgliche - Verbreitung von Rundfunkprogrammen über Lifestream mit der Situation konfrontiert, plötzlich im Rechtssinn ein "Rundfunkempfangsgerät" zu besitzen und im Sinne des Rundfunkgebührenstaatsvertrages auch bereitzuhalten, und zwar selbst dann, wenn sie es nicht "online" nutzen (vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Urteile vom 20. April 2011 - 6 C 31/10 - und vom 27. Oktober 2010 - BVerwG 6 C 17.09 -, jeweils Juris). Abs. 26
Auch unter Zugrundelegung dieses weiten Auslegungsmaßstabs kann vorliegend indes von einem "Bereithalten" des an einem gemieteten Standort innerhalb eines Rechenzentrums in Frankfurt untergebrachten firmeneigenen Datenverarbeitungsgeräts zum Empfang von Rundfunkdarbietungen nicht ausgegangen werden. Abs. 27
Aus Sicht des Gerichts hat die Klägerin mit der Klagebegründung durchaus schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass und aus welchen Gründen der Gebrauch dieses Gerät den Gesellschaftern der Klägerin oder sonstigen potentiellen Nutzern an seinem Aufstellungsort selbst für die Wiedergabe von Rundfunkdarbietungen bei lebensnaher Betrachtung faktisch nicht zur Verfügung steht. Die Anmietung eines Platzes zur Aufstellung und zum Betrieb eines Rechners zur gewerblichen Nutzung in einem Rechenzentrum erfolgt - was auch für den Abschluss eines entsprechenden Mietvertrages durch die Klägerin ausschlaggebend gewesen sein dürfte - üblicherweise aufgrund der in diesem Umfeld gewährleisteten optimalen Betriebsbedingungen (leistungsfähige Internetanbindung, Stromausfallsicherung, im technischen Sinne optimierte Umgebung) und den dadurch bewirkten Schutz vor Funktionsstörungen, Beschädigung und Datenverlust. Die Annahme, dass ein in dieser Weise untergebrachtes Datenverarbeitungsgerät am Aufstellungsort zum Konsum von Rundfunkdarbietungen genutzt werden könnte, erscheint angesichts der in solchen Zentren gegebenen räumlichen Bedingungen, die die Klägerin in der Klagebegründung anschaulich dargestellt hat (Aufstellung und Betrieb einer Vielzahl von Rechnern in einem ausschließlich hierfür genutzten Raum), völlig fernliegend, zumal an einem solchen Ort betriebene PCs nicht über eine Eingabesteuerung (Tastatur) verfügen und auch ansonsten nicht dafür ausgelegt sind, Empfangssignale wiederzugeben zu können (Fehlen eines Bildschirms/Monitors und wohl auch einer Soundkarte). Abs. 28
Der Einzelrichter verkennt nicht, dass diese - nicht allein an die bloße Empfangseignung des Geräts anknüpfende - Betrachtungsweise in Anlegung des durch die oben zitierte obergerichtliche Rechtsprechung vorgegebenen Auslegungsmaßstabs wohl nicht dafür ausschlaggebend sein kann, das "Bereithalten" eines neuen Rundfunkempfangsgerätes beim Betrieb eines Datenverarbeitungsgeräts in einem Rechenzentrum generell zu verneinen. Vorliegend tritt jedoch hinzu, dass der Klägerin, die insoweit durch ihre Gesellschafter repräsentiert wird, angesichts der mit der Klagebegründung dargelegten vertraglich festgelegten Mietbedingungen die tatsächliche Verfügungsgewalt über das in dem Rechenzentrum aufgestellte Gerät entzogen ist, weil ihr danach die Möglichkeit verwehrt ist, hierauf jederzeit ungehindert physisch Zugriff zu nehmen und dieses vor Ort zu beliebigen Zwecken zu nutzen. Die Klägerin hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass ihren Gesellschaftern der Zutritt zu dem Rechenzentrum vertragsgemäß nur nach - einen Tag zuvor erfolgter - Anmeldung und Durchlaufen einer Anmeldeprozedur (Legitimation durch Personaldokument usw.) gestattet und ein Gebrauch des Rechners am Unterbringungsort in unüblicher Weise - etwa als Rundfunkempfangsgerät nach Anschluss einer Tastatur und eines Monitors - nicht gestattet ist. Folglich ist der Klägerin bzw. ihren Repräsentanten zumindest derzeit die unmittelbare tatsächliche Sachherrschaft über das firmeneigene Gerät entzogen, so dass eine Gebührenpflicht hieran nicht anknüpfen kann. Abs. 29
Ein "Bereithalten" des in dem Rechenzentrum untergebrachten Rechners im rundfunkrechtlichen Sinne wird aber auch nicht dadurch bewirkt, dass Nutzern, die zum Zugriff auf dieses Gerät berechtigt sind, (zumindest theoretisch) die Möglichkeit offensteht, die physische Zugangssperre zu dem dort betriebenen Datenverarbeitungsgerät durch technische Mittel der Fernadministration zu überwinden. Es mag zwar sein, dass auf diese Weise das Hochladen von Ton- und Bilddateien von Rundfunksendungen aus dem Internet auf dieses Gerät zu bewerkstelligen ist. Zur Ansteuerung des betreffenden Gerätes von Außen zu diesem Zweck bedürfte es allerdings eines technischen Hilfsmittels, das neben seiner Ausstattung mit Steuerelementen (Tastatur, Touchscreen) und Bildschirm (zur Sichtbarma-chung von Rundfunkdarbietungen) seinerseits internetfähig - d. h. zur Übertragung von auf diese Weise empfangenen Signalen über das Internet geeignet - sein müsste. Diese Funktion kann letztlich nur ein internetfähiger PC, ein Laptop oder ein vergleichbar ausgestattetes Gerät erfüllen. Die "Fernnutzung" des in dem Rechenzentrum betriebenen Rechners als Empfangsgerät für Rundfunk und/oder Fernsehdarbietungen könnte damit letztlich nur unter Zuhilfenahme eines Hilfsmittels erfolgen, das seinerseits über die technischen Ausstattungsmerkmale eines "neuartigen Rundfunkempfangsgeräts" verfügt. Ein solches Gerät dürfte regelmäßig entweder der Rundfunkgebührenpflicht unterliegen oder aber als Zweitgerät von der Gebührenpflicht ausgenommen sein. Aus Sicht des Einzelrichters kann in dieser Situation von einem "Bereithalten" des in dem Rechenzentrum befindlichen Datenverarbeitungsgeräts im oben erläuterten Sinne nicht mehr gesprochen werden. Auch unter Berücksichtigung des Normzwecks und der danach gebotenen weiten Interpretation des hier in Rede stehenden Tatbestandsmerkmals wären bei einem solchen Auslegungsergebnis die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten. Abs. 30
Für die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Festsetzung eines Versäumniszuschlags besteht danach ebenfalls keine rechtliche Grundlage. Gemäß § 4 Abs. 7 RGebStV i. V. m. § 6 Abs. 1 der einschlägigen Gebührensatzung wird ein Säumniszuschlag in danach festgelegter Höhe erst dann fällig, wenn geschuldete Rundfunkgebühren nicht innerhalb einer Frist von 4 Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, da die Klägerin die mit dem angegriffenen Bescheid festgesetzten Gebühren nicht schuldet. Abs. 31
Mit dem Klageantrag zu 2 kann der Klage demgegenüber kein Erfolg beschieden sein, da sich dieser bereits als unzulässig erweist. Abs. 32
Seinem Wortlaut nach ist dieser Antrag darauf gerichtet, das Gericht möge erkennen, dass sie - die Klägerin - zur Zahlung von Rundfunkgebühren für die von ihr vorgehaltenen "neuartigen Rundfunkempfangsgeräte" nicht verpflichtet sei. Der Sache nach verfolgt die Klägerin damit ein Feststellungsbegehren im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dessen Reichweite ist sachgerecht dahingehend zu interpretieren, dass die Klägerin hiermit auf die aus ihrer Sicht nicht bestehende Verpflichtung zur Zahlung von Rundfunkgebühren für die drei internetfähigen PCs abzielt, die sich in den Privatwohnungen ihrer geschäftsführenden Gesellschafter befinden und die sie mit Schreiben vom 5. März 2007 - neben dem in einem Rechenzentrum befindlichen Gerät - bei der GEZ als firmeneigene Geräte zur Anmeldung gebracht hat. Mit ihrem neben der Anfechtungsklage angebrachten Feststellungsbegehren hat die Klägerin offensichtlich dem Umstand Rechnung getragen, dass sie der Beklagte im Hinblick auf die Anmeldung dieser drei Geräte ungeachtet mehrfacher Aufforderung hierzu nicht beschieden hat. Abs. 33
An einer Sachentscheidung über das mit dem Klageantrag zu 2 angebrachte Feststellungsbegehren sieht sich der Einzelrichter bereits aus prozessualen Gründen gehindert. Der Klägerin steht nämlich ein rechtliches Interesse an der von ihr gewünschten Feststellung nicht zur Seite (vgl. dazu § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Letztlich zielt die Klägerin hiermit auf die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes ab, da sie von den rundfunkgebührenrechtlichen Bestimmungen, die sie als verfassungsrechtlich kritikwürdig ansieht, bezogen auf die hier in Rede stehenden PCs unmittelbar nachteilig erst dann betroffen wäre, wenn der Beklagte hierfür - ggf. in Form der Festsetzung durch einen Gebührenbescheid - Rundfunkgebühren erheben würde. Das ist offenbar bislang nicht geschehen. Ein auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse wäre in dieser Situation nur dann zu bejahen, wenn mit dem Abwarten der befürchteten Maßnahme für die Klägerin Nachteile verbunden wären, die ihr auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 123 VwGO nicht zumutbar sind, insbesondere wenn Rechtsnachteile drohen würden, die mit einer späteren Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nicht mehr ausräumbar wären oder sonst ein nicht wiedergutzumachender Schaden zu gewärtigen wäre (vgl. dazu im Einzelnen Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 43 Rdnr. 24). Dass vorliegend eine solche Fallkonstellation gegeben sein könnte, ist nicht erkennbar. Sollte der Beklagte die Klägerin im Hinblick auf die von ihren Gesellschaftern im häuslichen Umfeld bereitgehaltenen PCs Rundfunkgebühren erheben, stünde es ihr frei, den von ihr vertretenen Rechtsstandpunkt durch Erheben einer Anfechtungsklage gegen entsprechende Festsetzungsbescheide weiterzuverfolgen, ohne dass ihr insoweit ein Nachteil droht. Insofern steht der Klägerin für die etwaige Durchsetzung ihrer Rechtsposition ein gegenüber der Feststellungsklage unmittelbareres und sachnäheres Verfahren zur Verfügung. Die Möglichkeit, dass der Beklagte die Klägerin selbst auch insoweit in Anspruch nehmen wird, erscheint dem Gericht im Übrigen nicht besonders naheliegend. Bei einer etwaigen Inanspruchnahme ihrer Gesellschafter als Gebührenschuldner wäre schließlich die neueste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu beachten, wonach es zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV ausreicht, dass das "neuartige" und das "nicht neuartige" Rundfunkempfangsgerät auf demselben Grundstück bereitgehalten werden (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 17. August 2011 - BVerwG 6 C 15.10 und 6 C 45.10 -, jeweils Juris). Abs. 34
Nach alledem hat der Einzelrichter auch keine Veranlassung gesehen, das Verfahren im Hinblick auf die mit der Klagebegründung gerügte Verfassungswidrigkeit der hier in Rede stehenden gesetzlichen Bestimmungen - dem entsprechenden Antrag der Klägerin folgend - auszusetzen und nach näherer Bestimmung des § 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Zum einen vermag das Gericht die von der Klägerin geäußerten Zweifel an der Vereinbarkeit der im Rahmen der Novellierung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages eingeführten Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkempfangsgeräte nicht zu teilen und sieht sich in der Richtigkeit dieser Einschätzung nicht zuletzt auch dadurch bestätigt, dass das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Interpretation der betreffenden Bestimmungen in seiner einschlägigen Rechtsprechung keine durchgreifenden Bedenken in diese Richtung geäußert hat (vgl. dazu die oben benannten Urteile). Was den - wie oben dargelegt - unzulässigen Klageantrag zu 2 anbetrifft kam eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht schon deshalb nicht in Betracht, weil die von der Klägerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen den Bereich der materiellen Rechtsfindung betreffen. Deren Beantwortung war folglich insoweit nicht entscheidungserheblich. Abs. 35
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei ist das Gericht davon ausgegangen, dass das Obsiegen der Klägerin mit dem Anfechtungsantrag zu 1 in kostenrechtlicher Hinsicht ihrem Unterliegen mit dem Feststellungsantrag zu 2 gleichzusetzen ist. Abs. 36
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. .m §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
JurPC Web-Dok.
45/2012, Abs. 37
[ online seit: 27.03.2012 ]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: VG Kassel, Urteil vom 06.02.2012, 1 K 1135/10.KS, Rundfunkgebühren für PC in Rechenzentrum - JurPC-Web-Dok. 0045/2012