JurPC Web-Dok. 196/2010 - DOI 10.7328/jurpcb/20102511180

Martin Schneider *

e-Justiz in Österreich - Umsetzung der IT-Strategie  -  EDV-Gerichtstag Saarbrücken 2010 (Eröffnungsvortrag)

JurPC Web-Dok. 196/2010, Abs. 1 - 83


Sehr geehrte Damen und Herren StaatssekretärInnen! sehr geehrte Damen und Herren, JurPC Web-Dok.
196/2010, Abs. 1
Zunächst einmal darf ich die Grüße unserer Frau Justizministerin an Sie ausrichten. Abs. 2
Sie wäre sehr gerne gekommen, ist aber durch eine andere unverschiebbare Auslandsreise verhindert. Es freut mich natürlich ganz besonders, dass diesmal Österreich als Gastland gewählt wurde und sich so wieder einmal die Gelegenheit bietet, über e-Justiz in Österreich zu berichten. Ich möchte diesmal – wie der Titel meines Vortrages schon nahelegt – weniger einzelne Anwendungen, die wohl mittlerweile schon recht bekannt sind, in den Vordergrund stellen, sondern versuchen, den generellen Ansatz, den wir zuletzt für das große Thema e-Justiz gefunden haben, darzustellen. Abs. 3
Hier eine Auflistung der wichtigsten Anwendungen, die wir seit den 80er Jahren zum Einsatz gebracht haben:
  • Verfahrensautomation Justiz
  • Elektronischer Rechtsverkehr – ERV (seit 1990)
  • Grundbuchdatenbank (seit 1980)
  • Firmenbuch
  • Sachverständigen-, Dolmetscher-, Mediatoren- und Insolvenzverwalterliste
  • Ediktsdatei (Insolvenzdatei, Liegenschaftsversteigerungen, Firmenbuchveröffentlichungen, ...)
  • Beglaubigungen
  • IT im Strafvollzug
  • Unterhaltsvorschüsse (seit 1976)
  • Einbringungsstelle (Gerichtsgebühren, Strafen usw.)
  • Business Intelligence / Justiz-Statistik
  • Elektronisches Urkundenarchiv
  • Elektronische Signaturen
  • Rechtsinformationssystem (RIS)
  • Spracherkennung in der Justiz
  • Elektronische Schreibgutverwaltung
  • Inter- und Intranet-Auftritt der Justiz
  • Videokonferenz
  • European Business Register (EBR)
  • European Land Information System (EULIS)
  • EU Mahnverfahren
  • ELAN e-Learning in der Justiz
Abs. 4


I n h a l t s ü b e r s i c h t
I.Rahmenbedingungen
     1. IT ist unverzichtbare Infrastruktur
     2. Justiz in der Öffentlichkeit
     3. Budgeteinsparungen
     4. Europa
     5. Bundesrechenzentrum (BRZ)
     6. Österreichische Justiz in Zahlen
II.IT Strategie
     1. IT-Architekten, Lenkungsprozesse
     2. Ziele der IT Strategie
     3. Prinzipien
III.Aktuelle Vorhaben
     1. Budgetwirksame Maßnahmen
     2. Sparen mit IT
     4. Einnahmen durch IT
     5. Sparen bei der IT
     6. Datawarehouse der Justiz
     7. Elektronische Akte

Rahmenbedingungen

Zunächst einmal sind einige uns vorgegebene Rahmenbedingungen zu erläutern. Abs. 5

IT ist unverzichtbare Infrastruktur

Im Informationstechnikeinsatz in der Justiz können wir mittlerweile schon seit etlichen Jahren einen entscheidenden Wandel feststellen. War es früher so, dass wir gezielt Anwendungen zur Lösung bestimmter Aufgaben entwickelt haben – klassische Beispiele dafür sind das Mahnverfahren oder das Grundbuch – sind wir mittlerweile mit unzähligen Anforderungen in praktisch allen Bereichen konfrontiert. Ich glaube man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Informationstechnik mittlerweile zur zweitwichtigsten Infrastrukturkomponente nach den Mitarbeitern in der Justiz geworden ist. Ohne IT könnte unsere Justiz heute nicht mehr funktionieren. Wir haben diese Entwicklung schon vor vielen Jahren vorhergesehen und versucht, mit der Verfahrensautomation Justiz eine Antwort auf alle diese Anforderungen zu geben. Nach anfänglichen Erfolgen mussten wir aber in den letzten Jahren einsehen, dass dies zu einer unheimlich komplexen Anwendung geführt hat, die an die Grenzen der Machbarkeit und vor allem Wartbarkeit gelangt ist. Da ein Zurück zu vollständig getrennten, individuellen Anwendungen weder sinnvoll noch machbar und den Benutzern auch nicht mehr zumutbar war, mussten wir neue Wege suchen. Zunächst lag es auf der Hand, Synergien zwischen den einzelnen Anwendungen zu finden, dann die entsprechenden Module aus den Anwendungen als eigene Komponenten herauszulösen und diese -ganz im Sinn der serviceorientierten Architektur - allen unseren Anwendungen als Services zur Verfügung zu stellen. Damit konnte die Komplexität in den Anwendungen reduziert, ihre Wartbarkeit deutlich vereinfacht und ein Mehrfachnutzen für alle Anwendungen erzielt werden. Abs. 6
Abs. 7
Beispiele für solche, in unserem Synergieplan dargestellte Services sind:
  • Elektronischer Rechtsverkehr
  • Justizportal
  • Benutzerschnittstelle
  • Statistik und Datawarehouse
  • Poststraßenservice
  • pdf-Generierung
  • Online-Formulare mit Bürgerkarte (Signaturkarte)
  • Justizzustellservice
  • Designmodul für Textbausteine
Abs. 8
Noch eine kleine Auswahl von geplanten Vorhaben
  • Elektronische Zustellurkunde (Behördenbrief)
  • Generierung und Visualisierung von Gerichtsakten
  • Bürgerportal der Justiz
  • Signaturprüfservice
  • Erledigungsarchiv
  • Identity Management der Justiz
  • Single-sign-on für Justizapplikationen
  • interner elektronischer Rechtsverkehr zwischen Justizapplikationen
  • Dokumenteneinbringungsservice für Sachverständige
Abs. 9
Wenn wir die traditionelle und mittlerweile als selbstverständlich betrachtete Textverarbeitung ansehen, reicht uns diese für sich allein nicht mehr aus. Wir wollen die Daten aus unseren Anwendungen nutzen, Abläufe durch unsere Anwendungen steuern lassen und die so entstandenen Dokumente möglichst ohne lokalen Manipulationsaufwand elektronisch oder auch in Papierform an ihre Empfänger bringen. Diese Justizprodukte wollen wir in unseren Verfahren elektronisch gesichert ablegen und verfügbar halten sowie den Vorgang mit den notwendigen Metadaten – wer, von wo, wann, was? - protokollieren. Abs. 10
Diese sachlich begründete Notwendigkeit von e-Justice als zentrales Infrastrukturelement wird durch den gesellschaftlichen Wandel zur Kommunikationsgesellschaft noch verstärkt. Heute ist die elektronische Kommunikation und Verfügbarkeit von Informationen – insbesondere auch für die nachrückende Generation – eine Selbstverständlichkeit. Eine Justiz, die diese Anforderungen nicht erkennt, würde mit ihren Leistungen weit hinter dem Standard zurückbleiben und als nicht mehr zeitgemäß abgetan. Abs. 11

Justiz in der Öffentlichkeit

In jüngster Vergangenheit ist die österreichische Justiz vermehrt in den Blickpunkt der öffentlichen Berichterstattung gerückt. Wir bemerken in letzter Zeit immer stärker, dass die Öffentlichkeit der Justiz die effiziente und ordentliche Lösung komplexer Wirtschaftsverfahren und anderer Verfahren mit politischen Implikationen nicht zutraut. Die dafür ins Treffen geführten Gründe sind mangelnde technische und persönliche Kompetenz, fehlende Infrastruktur, aber auch unterstellte politische Einflussnahme. Abs. 12
Wo diese Kritik einen sachlich gerechtfertigten Kern birgt, kann auch Informationstechnik Abhilfe schaffen: elektronische Aufbereitung von Großverfahren mit Suchfunktionen und entsprechender Strukturierung der Inhalte, Instrumente der elektronischen Zusammenarbeit für Teams, elektronische Kommunikation mit den Verfahrensbeteiligten, Polizei und anderen Behörden sowie entsprechende Dokumentation aller Vorgänge und Archivierung der Inhalte. Daraus folgt die Notwendigkeit, einen elektronischen Akt mit gutem Funktionsumfang und großer Sicherheit zur Verfügung zu stellen. Abs. 13

Budgeteinsparungen

Informationstechnik fällt in den Bereich der sogenannten Ermessungsausgaben. Naturgemäß ist hier die Versuchung, Kürzungen gleichsam mit einem Federstrich vorzunehmen, besonders groß. Eine solche Vorgangsweise wäre aber für dieses mittlerweile unverzichtbare Infrastrukturstandbein der Justiz und damit die Justiz insgesamt katastrophal. Der Betrieb würde in weiten Bereichen zusammenbrechen. Abs. 14

Abs. 15
Aktuell entfallen 60 Prozent des Budgets auf Betrieb und betriebsnahe Weiterentwicklung, 40 auf die Entwicklung neuer Projekte. Zu den betriebsnahen Weiterentwicklungen zählen kleinere Anpassungen, die auf Grund der zahlreichen gesetzlichen Änderungen notwendig sind sowie technischen Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung der technischen Standards notwendig sind. Beim IT-Betrieb Kürzungen vorzunehmen, bedeutet auf längere Sicht Betriebsstillstand der Justiz. Projekte zu streichen, die effizienzsteigernd oder kostensenkend wirken bzw. der Justiz sogar Einnahmen garantieren, wäre geradezu widersinnig. Abs. 16

Abs. 17
Das IT-Budget der österreichischen Justiz wurde jetzt schon über mehrere Jahre auf einem Niveau von rund 35 Millionen Euro gehalten. Dies bedeutet, dass wir inflationsbedingt in diesem Zeitraum einen Kaufkraftverlust von etwa 15 Prozent hinnehmen mussten. Abs. 18
Abs. 19
Das gesamte Justizbudget ist im vergleichbaren Zeitraum aber etwas stärker als die Inflationsrate gestiegen, womit sich der IT-Anteil am Budget von etwa 4 auf 3 Prozent vermindert hat. Wir müssen daher versuchen, trotz ständiger Verbreiterung des IT-Angebotes durch kluge Sparmaßnahmen bzw. Nutzung von Marktchancen und technischen Entwicklungen uns dem Leitsatz „More for less“ zu verschreiben. Die Sparvorgaben können so zum „Treiber“ für Verbesserungen auch im Bereich der IT werden. Ich werde im Laufe meines Vortrags dazu noch einige Beispiele bringen, die dies veranschaulichen. Abs. 20

Europa

Eine weitere Gegebenheit der letzten Jahre ist – auch im Bereich von e-Justiz – die europäische Dimension, auf die wir eingehen müssen und wollen. Auch hier bieten sich Synergiepotenziale. So haben wir gemeinschaftlich mit Deutschland – es wurde darüber schon berichtet – eine Anwendung für das EU-Mahnverfahren entwickelt. Es gibt Bemühungen zum europäischen Strafregister, bei denen Deutschland zusammen mit Frankreich federführend war. Wir haben Projekte zur Vernetzung der Insolvenzregister, des Grundbuchs und Handelsregisters sowie des Testamentsregisters. In all diesen Bereichen heißt dies, dass die nationalen Verfahren auf diese Zusammenarbeit hin abgestimmt und im Regelfall Web-Service- Schnittstellen angeboten werden müssen. Jedenfalls zu vermeiden gilt es, im Bereich dieser Register neue zentrale europäische Instanzen aufzubauen, die von den Mitgliedsstaaten beschickt und noch zusätzlich finanziert werden müssen. Abs. 21
Diese Bedürfnisse sollen konzentriert in einem europäischen e-Justice-Portal abgedeckt werden. Dieses Portal, das von der Kommission eingerichtet wird, hat bisher einen eher mühevollen Start erlebt. Es wurde nach einigen Verzögerungen im Sommer 2010 mit einem Redaktionssystem und Informationsseiten eröffnet. Die genannten notwendigen Funktionen sind erst für weitere Ausbaustufen vorgesehen. Viele Informationen aus dem Justizbereich werden aber bereits von den europäischen Netzwerken in Zivil- und Strafsachen angeboten. Doppelgleisigkeiten müssen hier vermieden werden, entsprechende Koordination scheint aus meiner Sicht dringend geboten. Abs. 22
Von der Europäischen Kommission wurde 2010 ein Large-scale-pilot zum Thema e-Justice ausgeschrieben, der bei einem Projektvolumen von 14 Millionen Euro eine Förderung von 50 Prozent und damit eine Förderhöhe von 7 Millionen Euro vorsieht. Zur Bewerbung wurde ein Konsortium unter der Führung von Nordrhein-Westfalen gebildet, dem neben einigen anderen Ländern auch Österreich angehört. Der Projektvorschlag dieses Konsortiums zielt im Wesentlichen darauf ab, einen Piloten für die notwendigen, bereits erwähnten Funktionen für die Zusammenarbeit in e-Justice zu entwickeln. Diese Funktionen sollen in weiterer Folge im europäischen e-Justice-Portal eingesetzt werden können. Unser eingebrachter Vorschlag wurde angenommen und der entsprechende Vertragsabschluss steht unmittelbar bevor. Gegenstand dieses Piloten soll vor allem die Erweiterung von bereits in den Mitgliedsstaaten bestehenden Lösungen zur Unterstützung grenzüberschreitender Justizanwendungen sein. Pilotlösungen für die Bereiche des europäischen Bagatellverfahrens, des europäischen Mahnverfahrens, des europäischen Haftbefehls, die Verbindung von Registern wie Insolvenz, Handelsregister, Testamentsregister, Grundbuch und anderen sowie die Nutzung der Videokonferenz in grenzüberschreitenden Verfahren sollen entstehen. Ferner sollen Piloten für elektronische Identitäten von Verfahrensbeteiligten mit Rollenkonzept und Signaturen sowie für den europäischen elektronischen Rechtsverkehr einschließlich einer Funktion zur Zahlung von Gebühren entstehen. Die Dauer dieses Projekts wurde auf drei Jahre angesetzt. Gemeinsam mit Deutschland und anderen Ländern haben wir in geförderten Vorprojekten schon die Grundsteine für diese Vorhaben gelegt. Abs. 23
Abs. 24

Bundesrechenzentrum (BRZ)

Die österreichische Justiz verwendet als IT-Dienstleister die Bundesrechenzentrum GmbH. Diese GmbH wurde per Gesetz eingerichtet, steht zu 100 Prozent im Eigentum der Republik Österreich und ist mit einer gesetzlichen (nicht ausschließlichen) Zuständigkeit für Justizaufgaben versehen. Es besteht die Möglichkeit der ausschreibungsfreien Direktvergabe, wobei die erbrachten Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind. Im BRZ erfolgt die Anwendungsentwicklung für die österreichische Justiz, ferner ist dort die zentrale Infrastruktur einschließlich der Poststraße zur zentralen Abfertigung der Gerichtserledigungen angesiedelt. Abs. 25

Österreichische Justiz in Zahlen

Um Ihnen den Vergleich mit den Rahmenbedingungen in Deutschland zu ermöglichen, möchte ich noch einige Zahlen zu Österreich und der österreichischen Justiz in Erinnerung rufen. Auf einen einfachen Nenner gebracht haben wir bei den wichtigsten Kennzahlen zwischen den beiden Ländern ein Verhältnis von zehn zu eins. Als eigentümliche Anomalie haben wir aber beim länderweisen Vergleich des Anfalls im europäischen Mahnverfahren ein Verhältnis von annähernd eins zu eins. Abs. 26
   
   Organisation   
      Gerichte auf vier Ebenen
         Oberster Gerichtshof
           4 Oberlandesgerichte
          20 Gerichtshöfe
         140 Bezirksgerichte
      Staatsanwaltschaften auf drei Ebenen
         Generalprokuratur
          4 Oberstaatsanwaltschaften
         17 Staatsanwaltschaften
   
      10.500 Mitarbeiter (Vollbeschäftigungsäquivalente)
                          in der Justiz
       7.000 Bedienstete an Gerichten
       2.200 Richter und Staatsanwälte
       4.800 Rechtspfleger und übrige Bedienstete
       3.600 Bedienstete in 28 Justizanstalten
   
    Budget   
       Ausgaben               ~ 1,2 Milliarden Euro
       Einnahmen              ~ 0,8 Milliarden Euro
       Selbstfinanzierung von  ~ 70 Prozent
       IT-Budget                 35 Millionen Euro
                                ~ 3 Prozent des 
                                    gesamten Justizbudgets
   
Abs. 27

IT Strategie

Wir sind mit einer Situation konfrontiert, die es notwendig macht, ein klares und umfassendes Konzept für die Zukunft des IT-Einsatzes in der Justiz zu erstellen. Das war der Ausgangspunkt für die Erstellung der IT-Strategie der Justiz im Jahre 2007, die nunmehr bereits in einer zweiten Release vorliegt. Abs. 28
Wir haben seit den 80er Jahren zahlreiche IT-Lösungen, die laufend weiterentwickelt wurden und mittlerweile ausgereift sind. Tausende Benutzer –praktisch jeder Mitarbeiter der Justiz ist mittlerweile ein Nutzer der IT-Systeme – veranlassen täglich tausende Transaktionen. Wir haben es mit gewachsenen und teilweise sehr komplexen Strukturen sowie zahlreichen Mitspielern zu tun. Zum Teil wurden Anwendungen unabhängig voneinander entwickelt und basieren auf verschiedenen Technologien. Abs. 29
Dazu kommt der Umstand, dass sich fachliche Anforderungen häufig ändern. Ein optimierter Ressourceneinsatz ist ständig gefragt. Trotz steigender Komplexität muss die organisatorische und technische Flexibilität gesteigert werden. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen mussten eine Reihe von Überleitungsprojekten – einige laufen davon noch immer – gestartet werden, wobei sich insbesondere der bereits erwähnte, serviceorientierte Ansatz als sehr hilfreich erwiesen hat. Abs. 30

IT-Architekten, Lenkungsprozesse

Abs. 31
Für die erfolgreiche Umsetzung entscheidend war die Einrichtung von drei IT-Architekten für die Justiz, die bei der übergreifenden Koordination und Umsetzung unterstützend eingreifen. Der Verfahrensarchitekt hat als ausgebildeter Jurist vor allem unsere Geschäftsprozesse im Auge. Der Hauptfokus der zwei Lösungsarchitekten liegt auf der technischen Umsetzung. Einer der Architekten mit dem Schwerpunkt eher auf Anwendungen, der andere mehr in Richtung Hardware. Abs. 32
Daneben haben wir Lenkungsprozesse definiert, die bei der Projektabwicklung einzuhalten sind, und ein Projektcontrolling eingeführt. Abs. 33
Unsere IT-Strategie wird in Zielen, Prinzipien und technischen Standards definiert. Abs. 34

Ziele der IT Strategie

Ausgehend von den grundsätzlichen Zielen der Justiz ...
  • Eine gerechtere und sichere Gesellschaft
  • Rechtsschutz durch unabhängige RichterInnen
  • Die Justiz als großes Dienstleistungsunternehmen
Abs. 35
… haben wir die Ziele der Rechtsinformatik in der Justiz definiert:
  • Zeitgemäßes Service für Justiz, Bürger und Wirtschaft
  • Beschleunigung und Vereinfachung
  • IT als Hebel zur Erneuerung des Justizbetriebs
  • Spezifische IT-Lösungen für alle Benutzergruppen
  • Erzielen von Einsparungen
  • Bereitstellen von Management-Information
  • Kosten-Nutzenrechnung
  • Massenverfahren bevorzugt automatisieren
  • Erzielen von angemessenen Einnahmen für die erbrachten Leistungen – Kostenwahrheit, Verursacherprinzip
  • Technisch aktuelle IT-Arbeitsplätze für Mitarbeiter
  • Ortsunabhängiger Zugang zu den Applikationen
  • Fachlich aktuelle IT-Lösungen der Justiz
  • Hohe Verfügbarkeit geschäftskritischer Anwendungen
  • Image der Justiz
  • Erfolgreiche Methoden für Entwicklung und Betrieb von IT-Lösungen
  • Sicherheit der IT-Lösungen
Abs. 36

Prinzipien

Auf Basis dieser Ziele haben wir wiederum Prinzipien entwickelt, denen grundsätzlich – außer in besonders begründeten Einzelfällen – immer der Vorrang einzuräumen ist. Diese wenden sich vorrangig an Applikationsteams, Infrastrukturbetreiber und Entwicklungspartner. Sie haben aber auch die Aufgabe, bei den Mitarbeitern der Justiz Verständnis für die Vorgehensweise zu erzeugen. Abs. 37
Wichtigster Aspekt ist, dass Entscheidungen im Bereich der Rechtsinformatik mit der Zielrichtung getroffen werden müssen, den Gesamtnutzen für die Justiz zu optimieren. Daraus folgt die zentrale, justizweite Steuerung und Koordination sowohl der IT-Lösung als auch der IT-Infrastruktur. Die Koordination hat daher auch unabhängig von dem Bereich, dem die fachliche Zuständigkeit zukommt, zu geschehen. Geschäftsprozesse, Services und Produkte müssen über organisatorische Grenzen hinweg genutzt werden. Die Architektur von neuen Lösungen hat sich an der Zielarchitektur zu orientieren. Abs. 38

Abs. 39
Alle Bereiche der Justiz, aber auch die Entwicklungspartner beteiligen sich an Fragen der Rechtsinformatik. Die Anforderungen an die Rechtsinformatik sind gemeinsam von den Verfahrenseignern, den Verfahrensexperten aus den Fachbereichen der Justiz (Fachabteilungen und Praktiker), den IT-Abteilungen des Bundesministerium für Justiz und dem für Entwicklung und Betrieb der IT-Lösungen verantwortlichen Fachpersonal zu definieren. Abs. 40
Die Entwicklung gemeinsamer Lösungen für die ganze Justiz wird gegenüber der Entwicklung vergleichbarer oder ähnlicher Lösungen für einzelne Bereiche der Justiz bevorzugt. Daraus folgt, dass die IT-Architekten der Justiz in alle Entwicklungen einzubeziehen sind und nach Möglichkeit gemeinsame Lösungen, die in Synergieprojekten entwickelt werden, sowie die Standardisierung und Wiederverwendung von Informationen, Daten und Lösungskomponenten forciert werden. Abs. 41
Die Anwendungen müssen änderungsfreundlich gestaltet werden. Entwicklungsmethoden sind so zu gestalten, dass Anpassungen und Neuerungen einfach und kostengünstig umgesetzt werden können. Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit müssen über den gesamten Lebenszyklus einer Anwendung im Sinne der Nachhaltigkeit erhalten bleiben. Auch dieses Prinzip indiziert den justizweiten Einsatz von serviceorientierter Architektur. Bestehende IT-Lösungen sind dazu nach Möglichkeit in Komponenten zu zerlegen. Damit kann ihre Skalierbarkeit, Interoperabilität und Mehrfachnutzung sowie die Wartbarkeit langfristig begünstigt werden. Als Entwicklungsmethodik hat sich das Prinzip der agilen Entwicklung bewährt. Abs. 42
Das Prinzip der permanenten Erneuerung besagt, dass beteiligte Kunden und Entwicklungspartner ständig überprüfen, ob mit möglichen Neuerungen – sowohl technischer als auch fachlicher Art – Nutzensteigerungen für die Justiz erzielbar sind. Diese sind von den Justizarchitekten systematisch zu evaluieren und in Evidenz zu halten. Die rechtliche Konformität ist natürlich eine Grundvoraussetzung: Alle Prozesse der Rechtsinformatik und die produzierten IT-Lösungen müssen den geltenden Gesetzen und anderen anzuwendenden Normen entsprechen. Das setzt aber auch voraus, dass diese Normen bekannt und die Mitarbeiter damit vertraut sind. Änderungen im Normenbereich führen zwangsläufig zu Änderungen der Anwendungen, die wir soweit möglich in Form betriebsnaher Weiterentwicklungen berücksichtigen. Ablaufanalysen zeigen sehr oft auch Verbesserungspotenziale auf, die wiederum zu Normenänderungen führen müssen. In diesen Fällen bedingt gerade der Technikeinsatz eine Anpassung der Normen. Abs. 43
Sehr wichtig ist – auch wenn ich es an letzter Stelle nenne – das Prinzip der Autonomie der Justiz-IT. Die IT-Infrastruktur ist als integraler Bestandteil der ungeteilten Kompetenz der Justiz zu unterstellen. Die Prinzipien der Trennung von Justiz und Verwaltung, aber auch der Unabhängigkeit der Justiz sind einzuhalten. Daraus resultiert die Notwendigkeit, die Justiz-IT, die aus Infrastruktur und den Anwendungen besteht, in Betrieb und Entwicklung einheitlich in der Justiz zu steuern. Der institutionelle Einfluss der Justiz auf externe Dienstleister bei Outsourcing von Betrieb und Entwicklung der Justizwendungen ist unabdingbar. Im zentralen Rechenzentrumsbetrieb ist darauf zu achten, dass es klare personelle und organisatorische Abgrenzungen zu anderen Bereichen gibt und die Führung durch die Justiz gewährleistet sein muss. Ressortübergreifende IT-Standards und IT-Lösungen im Rahmen von eGovernment sind vor dem Einsatz auf ihre Justiztauglichkeit zu überprüfen. Abs. 44
Die dritte Ebene der IT-Strategie der Justiz sind Standards. Auch diese sind verbindlich festgelegt und regelmäßig in Abhängigkeit von technischen Entwicklungen anzupassen. Für die österreichische Justiz sind dies: Abs. 45
  • Programmiersprache Java
  • Portalverbundfähigkeit
  • Modellierungssprache UML
  • Strukturierte Beschreibung von Informationen mit XML
  • Open Document Format (ODF)
  • Open Office für Textverarbeitung
  • Portable Documentformat (PDF/A)
  • Berücksichtigung von Open-Source-Lösungen
Abs. 46
Zusammenfassend möchte ich noch auflisten, was wir mit der IT-Strategie bereits erreicht haben und noch weiter anstreben: Abs. 47
  • Verbesserte Agilität der Organisation und der IT-Anwendungen
  • Rasche und intelligente Entscheidungsprozesse
  • Nutzen von Synergiepontenzialen in IT-Entwicklung, Betrieb und Geräteinvestitionen
  • Konsequente Nutzung von Synergiepotenzialen
  • Fokus auf Komponenten und Services: organisatorisch und technisch, Implementierung einer service-orientierten Architektur (SOA)
  • Einsatz von „best-practice“ Strukturen und Prozessen für IT-Entwicklung, zB Unternehmensarchitektur, agile Entwicklung
  • Bessere Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren
Abs. 48

Aktuelle Vorhaben

Zum Abschluss möchte ich das eben Gesagte mit einigen Beispielen illustrieren und auf einige aktuelle Vorhaben hinweisen: Abs. 49

Budgetwirksame Maßnahmen

Hier sind zunächst unsere Bemühungen zur Bewältigung der gegenwärtigen Budgetsituation zu erwähnen. Abs. 50

Sparen mit IT

Abs. 51
Der Personalstand der Justiz hat sich in den letzten Jahren um knapp 1.000 Mitarbeiter reduziert. Abs. 52
Abs. 53
Diese Entwicklung betraf allerdings nicht den richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Bereich, was wenig überraschend ist. Hier konnten wir sogar leichte Zugewinne verbuchen. Abs. 54
Abs. 55
Personalreduktionen gab es in größerem Umfang bei den sogenannten nichtrichterlichen Bediensteten. Die Aufrechterhaltung des Justizbetriebes trotz dieser Einsparungen wurde zum größten Teil durch den intensiven IT-Einsatz möglich gemacht. Abs. 56

Briefporto

Ein weiterer gewaltiger Ausgabenbereich der Justiz sind Portogebühren, die mit rund 30 Millionen Euro fast so groß wie das IT-Budget sind. Die Justiz ist der größte Briefportozahler der Republik! Hier können schon jetzt durch die Nutzung der elektronischen Zustellungen im ERV 4,4 Millionen Euro Einsparungen pro Jahr erzielt werden. Es sind aber noch weitere Einsparungen möglich. Abs. 57
Knapp die Hälfte der Portogebühren (13,1 Millionen Euro) fällt für die Abfertigung aus unseren IT-Verfahren über die zentrale Poststraße im Bundesrechenzentrum an, die etwas größere Hälfte (15,9 Millionen Euro) entfällt nach wie vor bei den Gerichten auf lokale Abfertigungen. Abs. 58

Abs. 59
Wir haben nun mit dem Zustellservice eine Komponente für all unsere Anwendungen entwickelt. Dieses übernimmt von allen Anwendungen Dokumente im pdf-Format samt einigen Metadaten, die für die Zustellung benötigt werden, entscheidet selbständig, ob dem Empfänger im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs zugestellt werden kann und veranlasst abhängig davon entweder den Ausdruck über die zentrale Poststraße oder die elektronische Zustellung. Wir wissen, dass bei den Versendungen über das Zustellservice knapp die Hälfte im Weg des ERV zugestellt wird. Wenn wir also die Hälfte sämtlicher Sendungen der Justiz, die derzeit noch herkömmlich bei den Gerichten abgefertigt werden, in den Bereich des Zustellservice verlagern können, gibt es eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Hälfte davon elektronisch zugestellt werden kann und sich so Einsparungen von zumindest weiteren 5 Millionen Euro pro Jahr erzielen lassen. Abs. 60

Abs. 61
Um das Einsparungspotenzial zu illustrieren, möchte ich die Stückkosten für die verschiedenen Zustellarten, die IT-Aufwand, Papier und Porto umfassen, nennen: Eine eigenhändige nachweisliche Zustellung kostet uns 5 Euro, eine nachweisliche Zustellung mit möglichem Ersatzempfänger 3 Euro, ein Fensterkuvert 75 Cent und eine Zustellung im ERV nur noch 12 Cent. Abs. 62
Wir haben dazu auch eine Funktion geschaffen, die es ermöglicht, sämtliche Dokumente, die im Wege der Textverarbeitung oder durch Einscannen als pdf-Dokumente erstellt werden, in unsere Anwendungen zu übernehmen und aus dieser über das Zustellservice abzufertigen. Zusatznutzen ist, dass diese Vorgänge im Akt elektronisch festgehalten werden und diese Dokumente mit Link zum Akt gespeichert sind. Diese Option wird von unseren Mitarbeitern gerne in Anspruch genommen, weil trotz der notwendigen Aufbereitung der pdf’s doch auch erheblicher Manipulationsaufwand eingespart wird. Abs. 63
Auch im Bereich der Papierzustellungen sind durch IT-Einsatz erhebliche Portoeinsparungen von weiteren 2,4 Millionen Euro möglich. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass sich auf manche Empfänger sehr viele Zustellungen an einem Tag konzentrieren. Da wir für alle Anwendungen ein einheitliches Zustellservice einsetzen, ist es möglich, über dieses auch Zustellungen an ein und dieselbe Person im Verlauf eines Tages zu sammeln und durch Paketversand von Erledigungen zahlreiche Einzelporti einzusparen. Damit bekommt ein Empfänger von unterschiedlichen österreichischen Gerichten aus verschiedensten Verfahren wie zB Grundbuch, Vollstreckung, Zivilverfahren oder Gerichtsgebühren sämtliche Erledigungen in einem großen Paket zugestellt. Bei nachweislichen Zustellungen muss allerdings noch eine Funktion geschaffen werden, die den Zustellnachweis (die Zustellurkunde) über den einheitlichen Zustellvorgang auf alle beteiligten Gerichte und Einzelverfahren aufteilt. Abs. 64

Einnahmen durch IT

An dieser Stelle muss auch erwähnt werden, dass die Justiz mit Leistungen, die sie für ihre Kunden erbringt, auch gute Einnahmen erwirtschaften kann. Als Beispiel seien hier die Grundbuchs- und Firmenbuchauszüge genannt, die in Österreich Einnahmen von 15 Millionen Euro pro Jahr erbringen. Wir denken aber auch an eine deutliche Anhebung der Eingabegebühren für Eingaben, die nicht im Weg des ERV eingebracht werden und wollen damit auch einen Steuerungseffekt erreichen. Abs. 65

Sparen bei der IT

Ich habe schon eingangs erwähnt, dass auch im Bereich der IT-Ausgaben sinnvolle Einsparungen möglich sind. Hier sind zB die Rechenzentrumskosten unter die Lupe zu nehmen, zunächst die Entscheidung zwischen Host- oder Serveranwendung zu treffen. Die Einsparungen durch niedrige Betriebskosten auf einem Server können die Migrationskosten vom Host auf Server in kürzester Zeit amortisieren. So haben wir den ERV vom Host auf den Server gelegt, wodurch Einsparungen von knapp 100.000 Euro pro Monat lukriert werden können. Abs. 66
Aber auch die Host-Kosten selbst müssen gründlich analysiert werden. Ein strukturierter Benchmark mit anderen Rechenzentren gleicher Größenordnung hilft Normabweichungen in einzelnen Positionen zu erkennen und entsprechend gegensteuern zu können. Die interessanten Bereiche dabei sind Software, Personal und Raumkosten. Insgesamt konnten die Host-Kosten der Justiz in den letzten zwei Jahren jeweils um fast 20 Prozent gesenkt werden. Abs. 67
Auch bei den Speicherkosten lässt sich bares Geld finden. Wir haben festgestellt, dass sich die Speicherkosten von knapp 30 Euro pro Gigabyte und Monat bis 50 Cent pro Gigabyte und Monat bewegen. Der Unterschied in den Kosten war leicht erklärt: Bei den höchsten Kosten waren insgesamt neun parallele Sicherungen vorgesehen. Es war natürlich zu hinterfragen, ob dies wirklich notwendig ist. Auch die Kriterien Datenqualität und Zugriffgeschwindigkeit beeinflussen stark den Preis. Der dabei notwendige Standard ist je nach Anwendung differenziert zu beurteilen. Zu guter letzt war auch noch zu prüfen, ob nicht durch die Anschaffung neuerer Geräte die laufenden Kosten reduziert werden können. Abs. 68
Sie sehen an diesen Beispielen, dass Kostenreduktionen auch ohne Leistungseinbußen möglich sind, ja dass sogar manchmal technischen Änderungen und damit verbundene notwendige Erneuerungen zu Verbesserungen in den Anwendungen führen. Abs. 69
Auf das Optimierungspotenzial, das in den Anwendungen selbst liegt, habe ich bereits hingewiesen. Mir geht es hauptsächlich darum, Synergien zu finden, serviceorientierte Architektur unternehmensweit strategisch einzuführen und auch die Methoden der agilen Entwicklung ins Auge zu fassen. Abs. 70

Abs. 71
Ich darf bei dieser Gelegenheit nochmals auf die Nutzung der Services der Justiz eingehen. Wir haben derzeit schon einen sehr guten Wiederverwendungsgrad der Services von 2,41, aber das Potenzial, diesen Faktor noch auf knapp 5 zu steigern. Das Firmenbuch ist jene Anwendung, die mit insgesamt 13 die meisten Services nutzt. Ergänzen möchte ich, dass das Firmenbuch selbst eine große Zahl von Services für andere Justizanwendungen zur Verfügung gestellt hat. Die entsprechende Graphik stellt die Beziehungen zwischen Anwendungen auf der rechten Seite und Services auf der linken dar. Es ist auch zu erkennen, dass in manchen Konstellationen ein Service wiederum ein anderes Service einbindet. Abs. 72

Datawarehouse der Justiz

Abs. 73
Grundvoraussetzung für die Steuerung eines großen Unternehmens sind umfassende und aussagekräftige Zahlen. Darum war der Aufbau der Business Intelligence Justiz mit einem Datawarehouse Justiz eines der vorrangigen Ziele. Abs. 74
Auch der Bereich der Statistik zeigt eindrucksvoll, wie wir Synergien finden und nutzen konnten. Bisher bot jede Anwendung ihre mehr oder weniger individuellen Statistiken und Auswertungen. Wir konnten nun ein Datawarehouse Justiz aufbauen, in das alle relevanten Daten aus sämtlichen Anwendungen automatisch eingepflegt werden. Dies ermöglicht übergreifende Auswertungen, entlastet die Anwendungen, weil diese nur noch ihre Daten an die Spezialisten übergeben müssen und spart Kosten, weil die Auswertungen nicht mehr in den Anwendungssystemen selbst, sondern auf den Servern des Datawarehouses durchgeführt werden. Die dadurch erzielte Einsparung pro Jahr liegt bei rund 100.000 Euro. Zudem konnte die Erstellung der Statistiken und Auswertungen viel komfortabler gestaltet werden. Ebenso können auch Daten aus externen Anwendungen eingebunden werden. So werden für unsere Auslastungsrechnung, die wir PAR (Personalanforderungsrechnung) nennen und die dem deutschen PEBB§Y entspricht, auch Daten aus dem SAP-Personalverwaltungssystem automatisch eingebunden. Weiters erstellen wir daraus für alle Bereiche eine Anfalls- und Erledigungsstatistik mit monatlichen, vierteljährlichen und jährlichen Auswertungen. Jeder Bereich kennt am Monatsersten seine aktuellen Leistungsdaten. Für die wenigen Daten, die wir noch nicht in unseren IT-Systemen integriert haben, wurde eine simple händische Erfassungsmaske entwickelt, die ein einfaches Einpflegen auch dieser Daten in das Datawarehouse Justiz ermöglicht. Abs. 75

Elektronische Akte

Für die Einführung der voll elektronischen Aktenbearbeitung haben wir einen Bereich gewählt, der sich durch hohe Anfallszahlen und eine grundsätzlich einfache Bearbeitung auszeichnet. Es handelt sich dabei um die staatsanwaltschaftlichen Verfahren, die bei unbekanntem Täter abgebrochen werden. Die Berichte der Polizei werden elektronisch übermittelt und derzeit noch bei den Staatsanwaltschaften ausgedruckt. Der Staatsanwalt prüft den Bericht und bricht bei unbekanntem Täter das Verfahren ab. Der ausgedruckte Bericht der Polizei kommt ins Aktenlager und wird dort auf einige Jahre abgelegt. Es ist klar zu erkennen, dass der Ausdruck der Berichte und deren weitere Aufbewahrung im Aktenlager – wir haben bereits große Schwierigkeiten mit dem Lagerraum – vollkommen unnötig sind. Abs. 76
Wir sind dabei, für diese Verfahren eine Anwendung – wir nennen sie ELIAS: elektronisch integrierte Assistenz im Strafverfahren –, die zunächst eine automatische zufällige Verteilung der Sachen auf die einzelnen Staatsanwälte unter Wahrung der Auslastungsgerechtigkeit vornimmt, zu entwickeln. Auch Spezialmaterien werden bei diesem Aktenverteilsystem berücksichtigt. Abs. 77
Abs. 78
Der Staatsanwalt bekommt das Verfahren elektronisch in Verbindung mit den notwendigen Metadaten und dem Bericht der Polizei auf einem 24-Zoll-Schirm präsentiert. Damit hat er im Regelfall alle Informationen, die er für seine Entscheidung benötigt, an der Hand. Es ist kein Klicken durch verschiedene Masken notwendig, auch die erforderliche Veranlassung kann noch auf der ersten Bildschirmseite getroffen werden. Grundsatz bei der Entwicklung war: so einfach und übersichtlich wie möglich. Wir denken, dass wir dieses System auch auf das weitere Verfahren bei den Staatsanwälten und auch auf Gerichtsverfahren ausdehnen können. Alle Dokumente, die im Archiv als einzelne pdf’s gespeichert werden, werden mit einem Zusatzprodukt von Adobe, dem Adobe Lifecycle, von dem wir vorerst nur den PDF Generator verwenden - in ein sogenanntes pdf-Portofolio übernommen, womit eine einfache Navigation durch den gesamten Akt möglich ist. Auch hier erwarten wir nur für den ersten Projektteil nicht unbeträchtliche Einsparungen von rund 650.000 Euro jährlich an Druck- und Papier, Lager- und auch Manipulationskosten. Abs. 79
Abs. 80
Ich hoffe, ich habe damit ihr Interesse geweckt und darf Sie noch für heute Nachmittag, 13:00 Uhr, in den Arbeitskreis Gastland Österreich einladen, der sich auch mit den erwähnten Themen beschäftigt. Wir werden das Projekt Grundbuch-NEU, den elektronischen Rechtsverkehr, die elektronische Akte bei der Staatsanwaltschaft, elektronische Dokumentenvorlage durch Sachverständige, das Dokumentenabrufservice für Externe sowie das elektronische Lernen in der Justiz behandeln. Abs. 81
Eine zweite Einladung darf ich zu unserem Stand aussprechen. Hier gehen wir gerne auf Ihre Fragen ein und können Ihnen auch vieles von unseren Anwendungen vorführen. Abs. 82
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
JurPC Web-Dok.
196/2010, Abs. 83
* Dr. Martin Schneider ist Leitender Staatsanwalt im Bundesministerium für Justiz der Republik Österreich und Chief Information Officer der österreichischen Justiz.
[ online seit: 30.11.2010 ]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Schneider, Martin, e-Justiz in Österreich - Umsetzung der IT-Strategie - EDV-Gerichtstag Saarbrücken 2010 (Eröffnungsvortrag) - JurPC-Web-Dok. 0196/2010