JurPC Web-Dok. 43/2010 - DOI 10.7328/jurpcb/201025344

OVG Lüneburg
Beschluss vom 27.01.2010

4 LC 7/08

Verfassungsmäßigkeit der Gebührenpflicht für Rundfunkgeräte in Zweitwohnungen

JurPC Web-Dok. 43/2010, Abs. 1 - 34


Leitsatz

    Die Gebührenpflicht auch für die Rundfunkgeräte, die in aus beruflichen Gründen gehaltenen Zweitwohnungen verheirateter Rundfunkteilnehmer zum Empfang bereit gehalten werden, und § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV, der die Gebührenfreiheit für sogenannte Zweitgeräte in privaten Haushalten regelt, sind verfassungsgemäß.

G r ü n d e

I.

Der verheiratete Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Rundfunkgebühren für Rundfunkgeräte, die er in seiner aus beruflichen Gründen gehaltenen Zweitwohnung zum Empfang bereit hält. JurPC Web-Dok.
43/2010, Abs. 1
Der Kläger bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau und seinem Sohn eine als Hauptwohnsitz angemeldete Wohnung in B., in der er Rundfunkgeräte zum Empfang bereit hält. Er hat ferner aus beruflichen Gründen eine melderechtlich als Zweitwohnsitz erfasste Wohnung in C. gemietet, für die er mit Schreiben vom 17. November 2005 ein Radio- und ein Fernsehgerät bei der Gebühreneinzugszentrale angemeldet hat. Abs. 2
Der Beklagte setzte gegenüber dem Kläger mit den Bescheiden vom 2. September 2006 und 2. Oktober 2006 Rundfunkgebühren in Höhe von insgesamt 102,18 € für den Zeitraum November 2005 bis April 2006 und in Höhe von insgesamt 51,09 € für den Zeitraum Mai bis Juli 2006 - jeweils zuzüglich eines Säumniszuschlages in Höhe von 5,11 € - fest. Abs. 3
Der Kläger, der die Gebührenforderungen beglich, hat gegen den Gebührenbescheid vom 2. September 2006 am 4. Oktober 2006 Klage erhoben. Mit am 10. November 2006 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er die Klage hinsichtlich des Gebührenbescheides vom 2. Oktober 2006 erweitert. Zur Begründung der Klage hat er ausgeführt, die Erhebung von Rundfunkgebühren sei in Fällen wie dem seinen mit dem in Art. 6 Abs. 1 GG verbürgten Schutz von Ehe und Familie nicht vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Zweitwohnungssteuerbeschluss vom 11. Oktober 2005 entschieden, dass die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd von seiner Ehefrau getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befinde, die Ehe diskriminiere und gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoße. Diese Ausführungen seien auf die Erhebung einer Rundfunkgebühr für Rundfunkgeräte in einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Zweitwohnung übertragbar. Wie die Regelung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zeige, seien die Rundfunkgebühren als Abgaben den Steuern gleichgestellt. Außerdem würden die Rundfunkgebühren - wie die Zweitwohnungssteuer - allein wegen der Innehabung einer Zweitwohnung erhoben, ohne dass nach dem Grund differenziert werde, aus dem die Zweitwohnung gehalten werde. Verheiratete, die aus einen Ehepartner betreffenden beruflichen Gründen werktags zwei Wohnungen nutzten, würden gegenüber solchen Ehepaaren ungerechtfertigt benachteiligt, die in der gemeinsamen Ehewohnung mehrere Rundfunkgeräte zum Empfang bereit hielten. Letztgenannte würden nur einmal zur Rundfunkgebühr herangezogen, während Erstgenannte insgesamt zweimal gebührenpflichtig seien. Daher sei auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegeben. Abs. 4
Der Kläger hat beantragt, Abs. 5
1. die Bescheide des Beklagten vom 2. September 2006 und 2. Oktober 2006 aufzuheben und festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, Rundfunkgebühren für von ihm in seiner Wohnung in der D. Straße, C., bereitgehaltene Rundfunkempfangsgeräte (ein Radio- und ein Fernsehgerät) zu entrichten, solange er diese Wohnung aus rein beruflichen Gründen innehat, Abs. 6
2. den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Betrag in Höhe von 158,38 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (4. Oktober 2006) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 56,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten. Abs. 7
Der Beklagte hat beantragt, Abs. 8
die Klage abzuweisen, Abs. 9
und erwidert, dass der vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Fall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sei. Abs. 10
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 4. Dezember 2007 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Klage sei zwar auch in ihrer zulässigerweise geänderten Form zulässig, insbesondere wegen der irreführenden Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides des Beklagten vom 2. Oktober 2006 und der deshalb geltenden Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO fristgerecht erhoben. Sie sei jedoch unbegründet, weil die angegriffenen Rundfunkgebührenbescheide rechtmäßig seien und deshalb auch ein Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten nicht bestehe. Nach § 2 Abs. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages - RGebStV - in der hier anzuwendenden Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages habe jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelungen der §§ 5 und 6 RGebStV für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten jedes Fernsehgerätes jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten. Rundfunkteilnehmer sei gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit halte. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV sei eine Rundfunkgebühr nicht zu leisten für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person oder ihrem Ehegatten in ihrer Wohnung oder ihrem Kraftfahrzeug zum Empfang bereitgehalten werden, wobei für Rundfunkempfangsgeräte in mehreren Wohnungen für jede Wohnung eine Rundfunkgebühr zu entrichten sei. Danach sei die Heranziehung des Klägers zu einer Rundfunkgebühr für den insgesamt streitigen Zeitraum November 2005 bis Juli 2006 wegen des Bereithaltens eines Hörfunk- und eines Fernsehgerätes in seiner Wohnung in C. rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Klägers stehe die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV im Einklang mit dem Grundgesetz. Sie verstoße weder gegen den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie die Privilegierung von Ehegatten nicht auf die Fälle ausdehne, in denen Ehegatten in einer aus beruflichen Gründen vorgehaltenen Zweitwohnung Rundfunkgeräte zum Empfang bereit halten. Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts im sog. Zweitwohnungssteuerbeschluss vom 11. Oktober 2005 (- 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03 -, BVerfGE 114, 316, NJW 2005, 3556) zur verfassungswidrigen Benachteiligung von Ehegatten durch die Erhebung einer Steuer für eine Zweitwohnung, die durch einen Ehegatten berufsbedingt genutzt werde, griffen vorliegend nicht. In den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen habe die Zweitwohnungssteuerpflicht allein auf dem Innehaben einer Zweitwohnung (eines Zweitwohnsitzes im melderechtlichen Sinne) beruht. Deshalb seien die diesbezüglichen Erwägungen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn die Rundfunkgebührenpflicht entstehe nicht wegen der Innehabung einer Zweitwohnung, vielmehr werde sie gerätebezogen erhoben. Es herrsche im Rundfunkgebührenrecht der Grundsatz, dass ein Rundfunkteilnehmer, der mehrere Empfangsgeräte bereit halte, für jedes dieser Geräte eine Rundfunkgebühr zahlen müsse. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV ("... für Rundfunkempfangsgeräte ...") regele dies ihrem Wortlaut nach eindeutig. Hätte der Kläger in dem streitigen Zeitraum keine Rundfunkgeräte zum Empfang bereit gehalten, wäre er nicht rundfunkgebührenpflichtig gewesen. Das Bundesverfassungsgericht sehe die Benachteiligung bzw. die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Eheleuten durch die Zweitwohnungssteuer in den entschiedenen Fällen darin begründet, dass ein Ehegatte aufgrund melderechtlicher Vorschriften gezwungen sei, einen Zweitwohnsitz in der Gemeinde der Erwerbszweitwohnung anzumelden, und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen der zur verfassungsrechtlichen Überprüfung gestellten kommunalen Satzungen für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer erfülle, während Ledige die Erwerbswohnung als Hauptwohnung anmelden könnten und damit der Zweitwohnungssteuerpflicht entgingen. Für die Entstehung der Rundfunkgebührenpflicht sei jedoch die melderechtliche Einordnung einer Erwerbszweitwohnung unerheblich, vielmehr unterliege nicht nur jedes Ehepaar, sondern jede Lebensgemeinschaft und jede natürliche Person, die in mehreren Wohnungen Rundfunkgeräte zum Empfang bereit halte, der Rundfunkgebührenpflicht. Eine Ungleichbehandlung von Verheirateten sei gerade nicht zu erkennen. Im Übrigen sei in den vom Kläger herangezogenen Vergleichsfällen das Innehaben eines Zweitwohnsitzes berufsbedingt erforderlich gewesen, was für das Bereithalten von Rundfunkgeräten zum Empfang nicht gelte. Da die Rundfunkgebühr der Finanzierung von Rundfunkveranstaltungen diene, sei es unter Gleichheitsgesichtspunkten auch nicht zu beanstanden, dass dazu herangezogen werde, wer sich durch das Bereithalten eines Empfangsgerätes die Nutzungsmöglichkeit verschafft habe. Die festgesetzten Rundfunkgebühren seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Da demnach der Kläger die streitigen Rundfunkgebühren nicht rechtsgrundlos entrichtet habe, bestehe auch kein Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten nach § 7 Abs. 4 Satz 1 RGebStV. Die Rechtsgrundlage für den Säumniszuschlag finde sich in § 4 Abs. 7 RGebStV i.V.m. § 6 Abs. 1 der Satzung des Beklagten über das Verfahren zur Leistung von Rundfunkgebühren vom 17. Dezember 1993 i.d.F. vom 6. Dezember 1996.  Abs. 11
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt, dass die Rundfunkfunkgebührenpflicht nicht konsequent auf das Bereithalten von Empfangsgeräten abstelle, da § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 RGebStV ebenso wie die Zweitwohnungssteuer auch an das Innehaben weiterer Wohnungen anknüpfe. Ehegatten, die aus rein beruflichen Gründen auf eine Zweitwohnung angewiesen seien, könnten der Rundfunkgebührenpflicht daher nur entgehen, wenn sie keine Rundfunkgeräte zum Empfang bereit hielten. Dies widerspreche dem Grundrecht der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und verstoße gegen das Verbot der Diskriminierung der Ehe des Art. 6 Abs. 1 GG sowie das allgemeine Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn im Vergleich zu den Ehepaaren, die nicht aus beruflichen Gründen auf eine Zweitwohnung angewiesen seien, finde eine durch nichts gerechtfertigte Differenzierung zu Lasten derjenigen statt, die eine Zweitwohnung für die Berufsausübung nutzten. In diesen Fällen werde die Entscheidung gebührenrechtlich belastet, die gemeinsame eheliche Wohnung am bisherigen Wohnort nicht aufzulösen und eine Zweitwohnung zu nehmen, ohne auf das Informationsrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verzichten zu wollen. Dadurch werde der Zugang zu Informationen verfassungsrechtlich unzulässig erschwert. Es komme zu einer durch nichts zu rechtfertigenden Doppelbelastung. Abs. 12
Der Kläger beantragt sinngemäß, Abs. 13
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 7. Kammer - vom 4. Dezember 2007 zu ändern und Abs. 14
1. die Bescheide des Beklagten vom 2. September 2006 und 2. Oktober 2006 aufzuheben und festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, Rundfunkgebühren für von ihm in seiner Wohnung in der D. Straße, C., bereitgehaltene Rundfunkempfangsgeräte (ein Radio- und ein Fernsehgerät) zu entrichten, solange er diese Wohnung aus rein beruflichen Gründen innehat, Abs. 15
2. den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Betrag in Höhe von 158,38 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (4. Oktober 2006) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 56,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten. Abs. 16
Der Beklagte beantragt, Abs. 17
die Berufung zurückzuweisen, Abs. 18
und nimmt zur Erwiderung auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Bezug. Abs. 19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen. Abs. 20

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Abs. 21
Diese Entscheidung trifft der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht als erforderlich ansieht. Abs. 22
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die auf Aufhebung der Rundfunkgebührenbescheide des Beklagten vom 2. September 2006 und 2. Oktober 2006, Feststellung, dass er für die von ihm in seiner Zweitwohnung zum Empfang bereit gehaltenen Rundfunkgeräte nicht gebührenpflichtig sei, und Erstattung zu Unrecht gezahlter Rundfunkgebühren gerichtete Klage abgewiesen. Insoweit wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Abs. 23
Ergänzend wird im Hinblick auf die von dem Kläger zur Begründung seiner Berufung erhobenen Einwände Folgendes ausgeführt: Abs. 24
Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen keinerlei Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Gebührenpflicht auch für die Rundfunkgeräte, die in aus beruflichen Gründen gehaltenen Zweitwohnungen verheirateter Rundfunkteilnehmer zum Empfang bereit gehalten werden, und an der die Gebührenfreiheit für Zweitrundfunkgeräte regelnden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV. Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch aus Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und / oder aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf eine Ausdehnung (im Wege einer verfassungskonformen Auslegung) der in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV enthaltenen Vergünstigung für Ehegatten in Form der Gebührenfreiheit für die in der gemeinsamen Ehewohnung vorgehaltenen Zweitgeräte auf die Fälle, in denen ein Ehepartner - wie im Falle des Klägers - aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung innehat und in dieser ebenfalls Rundfunkgeräte zum Empfang bereit hält. Abs. 25
Anhaltspunkte für einen dahin gehenden Anspruch des Klägers ergeben sich nicht aus der vom Kläger angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Zweitwohnungssteuer (Beschluss vom 11.10.2005 - 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03 -, BVerfGE 114, 316, NJW 2005, 3556). Denn der Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrunde lag, ist nicht vergleichbar mit dem vorliegenden Fall. Abs. 26
In den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen knüpfte die Zweitwohnungsteuer an das Halten einer Zweitwohnung am Ort der Berufsausübung eines Ehepartners als zwangsläufige Konsequenz der Entscheidung der Ehegatten zu einer gemeinsamen Ehewohnung an einem anderen Ort und damit an einen Steuergegenstand an, in dem sich das eheliche Zusammenleben in spezifischer Weise verwirklichte. Steuerlich belastet wurde die Entscheidung, die gemeinsame eheliche Wohnung nicht aufzulösen und bei Wahrung des Fortbestands der gemeinsamen Wohnung am bisherigen Ort nur eine Zweitwohnung zu begründen, weil Verheiratete wegen der von den steuerrechtlichen Regelungen in Bezug genommenen melderechtlichen Vorschriften, nach denen Hauptwohnung die von ihrer Familie vorwiegend benutzte Wohnung ist, die Besteuerung der von ihnen selbst vorwiegend benutzten Zweitwohnung nicht vermeiden konnten. Dagegen hatten nicht verheiratete Personen für die von ihnen selbst vorwiegend benutzte Wohnung keine Zweitwohnungssteuer zu entrichten. In dieser Benachteiligung Verheirateter sah das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen den sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden besonderen Gleichheitssatz, der eine Diskriminierung von Ehe und Familie insbesondere gegenüber Ledigen verbietet. Abs. 27
Im Falle der Gebührenerhebung für Rundfunkgeräte ist hingegen zum einen der Gegen-stand, für den diese Gebühr erhoben wird, ein anderer und zum anderen eine Benachteiligung verheirateter Rundfunkteilnehmer oder ein sonstiger Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG nicht ersichtlich. Abs. 28
Nach dem die Rundfunkgebührenpflicht regelnden § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV hat jeder Rundfunkteilnehmer für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten jedes Fernsehgerätes jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten. Diese Regelung knüpft nicht an das Innehaben einer (Zweit-)Wohnung an und differenziert auch nicht zu Lasten Verheirateter. Anhaltspunkte für einen Verstoß des § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV gegen Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG sind daher nicht ersichtlich. Abs. 29
Entsprechendes gilt für die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV, nach der eine Rundfunkgebühr nicht zu leisten ist für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person oder ihrem Ehegatten in ihrer Wohnung oder ihrem Kraftfahrzeug zum Empfang bereitgehalten werden, wobei für Rundfunkempfangsgeräte in mehreren Wohnungen für jede Wohnung eine Rundfunkgebühr zu entrichten ist. Diese Bestimmung begründet keinen weiteren Gebührentatbestand. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV regelt sowohl nach seinem Wortlaut - "eine Rundfunkgebühr ist nicht zu leisten" - als auch nach seinem Sinn und Zweck keine Belastung der Rundfunkteilnehmer, sondern ausschließlich deren Entlastung, indem im Sinne der Sozialverträglichkeit der Rundfunkgebühr private Haushalte durch die Gebührenfreiheit für Zweitgeräte in einer Wohnung entlastet werden (vgl. Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl., § 5 RGebStV Rn. 1, 19). Der nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV maßgebliche Gegenstand der Rundfunkgebühr - Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten - bleibt auch im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV unverändert. Denn indem diese Ausnahmeregelung von dem in § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV geregelten Grundsatz der Gebührenpflicht für jedes Rundfunkempfangsgerät in den Fällen abweicht, in denen Verheiratete oder Ledige mehrere Rundfunkgeräte in ihrer Wohnung zum Empfang bereit halten, und für diese Fälle bestimmt, dass ausnahmsweise keine Rundfunkgebühren für das Zweitgerät und alle weiteren Rundfunkempfangsgeräte zu leisten sind, begründet diese Vorschrift keine an das Innehaben einer Wohnung anknüpfende Belastung, sondern ausschließlich eine Vergünstigung für private Haushalte. Diese Vergünstigung gilt auch für Zweitwohnungen, da auch in diesem Falle je Wohnung lediglich eine Rundfunkgebühr zu leisten ist und alle weiteren Rundfunkempfangsgeräte gebührenfrei sind, wie die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 RGebStV klarstellt, die daher entgegen der Meinung des Klägers ebenfalls keinen eigenständigen wohnungsbezogenen Gebührentatbestand enthält. Abs. 30
Auch insoweit sind Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht ersichtlich. Denn die die betroffenen Rundfunkteilnehmer begünstigende Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV differenziert unter keinem Gesichtspunkt zu Lasten Verheirateter. Sie enthält vielmehr insofern eine besondere Begünstigung für Ehepaare, als diese in den Genuss der Gebührenfreiheit für Zweitgeräte auch dann gelangen, wenn die in der gemeinsamen Wohnung befindlichen Rundfunkempfangsgeräte nicht (wie üblich) von beiden Ehegatten zum Empfang gehalten werden. Abs. 31
Schließlich ist auch ein Anspruch des Klägers aus Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG auf eine Ausdehnung (im Wege einer verfassungskonformen Auslegung) der in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV geregelten Gebührenfreiheit für Zweitgeräte auf die Fälle, in denen ein Ehepartner - wie im Falle des Klägers - aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung innehat und in dieser ebenfalls Rundfunkgeräte zum Empfang bereit hält, nicht ersichtlich. Abs. 32
Der Gesetzgeber hat bei der Gewährung von Ausnahmen oder Befreiungen von der Rundfunkgebührenpflicht, die den Grundsatz, dass für jedes Rundfunkgerät eine Rundfunkgebühr zu zahlen ist, durchbrechen, einen weiten Gestaltungsspielraum, der erst an der Willkürgrenze endet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.2.1996 - 6 B 72.95 -, NJW 1996, 1163, m.w.N.). Hier ist die in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV getroffene Regelung auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG offensichtlich nicht willkürlich. Sie zieht für die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastung privater Haushalte insbesondere von Ehepaaren eine klare Grenze, indem sie die Gebührenfreiheit für Zweitgeräte auf die in einer Wohnung vorgehaltenen Rundfunkempfangsgeräte begrenzt. Eine Ausdehnung auf mehrere Wohnungen einer Person oder ihres Ehepartners und erst recht die von dem Kläger begehrte Differenzierung zwischen dem Fall, dass die Zweitwohnung von einem verheirateten Rundfunkteilnehmer aus beruflichen Gründen gehalten wird, und allen übrigen Fällen würde zeitraubende Ermittlungen erfordern und der notwendigen Vereinfachung des Rundfunkgebührenverfahrens als Massenverfahren zuwider laufen. Sachliche Gründe, die gleichwohl eine Ausdehnung des Ausnahmetatbestandes des 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV erfordern könnten, wie etwa eine mit der Gebührenzahlung je Wohnung verbundene erhebliche wirtschaftliche Belastung der davon betroffenen privaten Haushalte, sind angesichts der hier in Rede stehenden geringen Gebühren nicht erkennbar. Abs. 33
Deshalb erfordert auch die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Informationsfreiheit entgegen der Auffassung des Klägers keine Ausdehnung der Ausnahmeregelung des 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV. Denn Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG enthält keine Garantie kostenloser Information. Staatliche Entgelte für die Rundfunknutzung verletzen dieses Grundrecht nur dann, wenn sie darauf zielen oder der Höhe nach objektiv dazu geeignet sind, nutzungswillige Interessenten von Informationen aus bestimmten Quellen fernzuhalten (BVerfG, Beschluss vom 6.9.1999 - 1 BvR 1013/99 -, NJW 2000, 649), wovon hier keine Rede sein kann.
JurPC Web-Dok.
43/2010, Abs. 34
[ online seit: 02.03.2010 ]
Zitiervorschlag: Lüneburg, OVG, Verfassungsmäßigkeit der Gebührenpflicht für Rundfunkgeräte in Zweitwohnungen - JurPC-Web-Dok. 0043/2010