JurPC Web-Dok. 39/2006 - DOI 10.7328/jurpcb/200621337

Michael Fülling *

Jugendschutz im Internet - Möglichkeiten und Grenzen *

JurPC Web-Dok. 39/2006, Abs. 1 - 37


I n h a l t s ü b e r s i c h t
I. Einführung
II. Möglichkeiten und Grenzen des Jugendschutzes
1.
Begriff und rechtssystematische Einordnung
2.
Verfassungsrechtliche Verankerung
3.
Jugendschutzrechtliche Vorgaben für das Internet
a)

Allgemeines
b)

Eingeschränktes Versandhandelsverbot
c)

Inhaltliche Vorgaben für Werbung
d)

Alterskennzeichnung auch für Computerspiele
e)

Technischer Jugendschutz im Internet
f)

Straf- und ordnungsrechtliche Möglichkeiten
4.
Problemkreise des Jugendschutzes im Internet
a)

Einsatz von Jugendschutzprogrammen
b)

Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten
c)

Grenzen hoheitlicher Kontrolle bei der Aufsicht
III. Zusammenfassung und Ausblick

I. Einführung

Eine durch das Internet bedingte Herausforderung ist der Jugendschutz. Größe und Struktur des Internets bieten den Anbietern jugendgefährdender Inhalte eine optimale Plattform für die Verbreitung ihrer Angebote. Vom Pornohändler bis hin zum Neonazi sind alle nur erdenklichen "Interessenvertreter" im Internet zu finden. Ihre Inhalte sind teils frei zugänglich, teils über eingegrenzte Benutzergruppen zu erreichen. Dazu bedarf es zumeist nur einiger Mausklicks. JurPC Web-Dok.
39/2006, Abs. 1
Lässt sich in Videotheken, Discos, Gaststätten usw. noch relativ einfach mittels Einsichtnahme des Personalausweises überprüfen, ob eine Person alt genug ist, um das jeweilige Angebot nutzen zu dürfen, so ist dies im Internet, wo gerade keine direkte Alters- bzw. "face-to-face"-Kontrolle erfolgen kann, nicht möglich. Die neue Gefährdungssituation wirft daher die Frage auf, wie Kinder und Jugendliche wirksam vor den für sie nicht geeigneten Inhalten im Internet geschützt werden können. Abs. 2
Mit dem vorliegenden Beitrag möchte der Verfasser auf die Möglichkeiten und Grenzen des Jugendschutzes (dazu unter II.) bezogen auf das Internet eingehen. Dabei gilt es zu beachten, dass das Internet die Rechtsordnung vor völlig neue Herausforderungen stellt und einer wirksamen Kontrolle allein aufgrund der besonderen Dynamik des Internets natürliche Grenzen gesetzt sind.(1) Abgerundet wird die Arbeit schließlich mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick (III.). Abs. 3

II. Möglichkeiten und Grenzen des Jugendschutzes

Heutzutage macht die Nutzung von Medien im Allgemeinen und des Internets im Besonderen bei den meisten Kindern und Jugendlichen den Großteil des Freizeitverhaltens aus. Dabei birgt gerade das Internet als anonyme Plattform die Gefahr des schädlichen Einflusses auf Kinder und Jugendliche in sich. Abs. 4
Laut einer vom ZDF in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage vom Institut forsa, Berlin, von November 2004 räumten 27% der Befragten dem Jugendschutz den höchsten gesellschaftlichen Stellenwert ein.(2) Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass gerade Kinder und Jugendliche das Medium Internet häufig nutzen und sich dessen Angebote schnell mehren, auf der anderen Seite der Gesetzgeber aber mit der sich immer weiter fortschreitenden technischen Entwicklung nicht immer Schritt halten kann, ergibt sich die Forderung an einen wirksamen Jugendschutz. Abs. 5

1. Begriff und rechtssystematische Einordnung

Unter dem Begriff "Jugendschutz" werden staatliche Maßnahmen zum Schutz von Jugendlichen vor gesundheitlichen, sittlichen und sonstigen Gefahren zusammengefasst. Schwerpunkte sind dabei unter anderem: Jugend in der Öffentlichkeit, Schutz vor jugendgefährdenden Medien, Jugendhilfe, Jugendarbeitsschutz. Abs. 6
Seit nunmehr rund drei Jahren, d.h. seit dem 1. April 2003 sind die für den Jugendschutz maßgeblichen Spezialgesetze, namentlich der Jugendmedienschutz-Staatsver-trag (JMStV) und das Jugendschutzgesetz (JuSchG) in Kraft;(3) sie enthalten auch eine Reihe von für das Internet maßgeblichen Vorschriften. Grund für diese Zweiteilung ist die unterschiedliche Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes.(4) Der Jugendmedienschutz musste aufgrund der kompetenzbedingten Zuteilung des Medienbereichs durch die beiden Mediensparten "Trägermedien"(5) auf der einen Seite und der "Rundfunk- und Telemedien"(6) auf der anderen Seite in zwei Gesetze unterteilt werden. Abs. 7
Bei den Trägermedien - dies sind nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 JuSchG alle "Medien mit Texten, Bildern oder Tönen auf gegenständlichen Trägern, die zur Weitergabe geeignet (...) sind" (also Printmedien, Audio- und Videokassetten, Disketten, CD-ROMs, DVDs usw.(7)) - ist gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG der Bund, und bei den sog. Telemedien (das sind vor allem Internetangebote,(8) vgl. § 1 Abs. 3 JuSchG) sind die Länder zuständig. Insofern regelt das JuSchG im Wesentlichen den Jugendschutz in der Öffentlichkeit und die Verbreitungsbeschränkungen bei jugendgefährdenden Trägermedien, während im JMStV unter anderem die Bestimmungen zu den Telemedien behandelt werden. Der Terminus "Telemedien" ist mithin als Gegenbegriff zu den Trägermedien zu verstehen.(9) Er soll den Online-Bereich mit Ausnahme des Rundfunks erfassen, womit alle Datenangebote von Texten, sonstigen Zeichen, Bildern oder Tönen, die auf elektronischen Weg übertragen werden, gemeint sind.(10)Abs. 8
Auf den Bereich der Medien bezogen hat sich die Begrifflichkeit "Jugendmedienschutz" gebildet. Der Jugendmedienschutz versucht, Einflüsse der Erwachsenenwelt, die dem Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen noch nicht entsprechen, möglichst gering zu halten und die Heranwachsenden bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. So ist es die Aufgabe des Jugendmedienschutzes, Medieninhalte aufgrund ihres Gefährdungspotenzials zu beurteilen und deren öffentliche Verbreitung zu regeln.(11)Abs. 9

2. Verfassungsrechtliche Verankerung

Der Jugendschutz ist ein Rechtsgut mit Verfassungsrang.(12) Grundrechtlich abgesichert ist er durch das Recht der Jugendlichen auf ungestörte Persönlichkeitsentwicklung, welches sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ergibt.(13) Daneben besteht das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG, das die Erziehung des Kindes in erster Linie den Eltern überträgt. Der Jugendschutz dient vor allem der Abwehr von Gefahren, die speziell den Kindern und Jugendlichen drohen - nicht zuletzt von Seiten der Medien. Abs. 10
Dabei bewegt sich das Verhältnis von Jugendschutz und den Medien im Spannungsfeld der Gewährleistung der Kommunikationsgrundrechte nach Art. 5 Abs. 1 GG zur nach Art. 5 Abs. 2 GG zulässigen Schrankensetzung für diese Grundrechte im Interesse des Schutzes der Jugend. Abs. 11
Für einen effektiven Jugendschutz bedarf es also materieller Regelungen. Der Jugendschutz wird in verschiedenen Gesetzen konkret umgesetzt. Dabei wurde ein Weg gewählt, der im Wesentlichen nach Art des Mediums unterscheidet. Der Grund hierfür liegt in der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. Dies führt - gerade im Bereich der Medien - oft zu einer unerwünschten Zersplitterung von an sich zusammengehörigen Regelungsmaterien.(14) Die grundgesetzliche Kompetenzverteilung weist dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis für den Jugendschutz als Teil der öffentlichen Fürsorge nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zu.(15)Abs. 12
Es kann mithin festgehalten werden, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet ist, effektiven Jugendschutz zu gewährleisten.(16)Abs. 13

3. Jugendschutzrechtliche Vorgaben für das Internet

Mit der Verbreitung der Onlinekommunikation wuchs in den letzten Jahren die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche mit für sie schädlichen Inhalten konfrontiert werden. Vor diesem Hintergrund einigten sich der Bund und die Länder auf die bereits angesprochene Neuordnung des Jugendschutzes - insbesondere unter Berücksichtigung des Internets. Abs. 14

a) Allgemeines

Das neue Jugendschutzsystem ist dreistufig aufgebaut: Telemedien, die gegen einen Straftatbestand verstoßen oder die Menschenwürde verletzen, unterliegen gem. § 4 Abs. 1 JMStV einem absoluten Verbreitungsverbot. Die nächste Stufe erfasst schwere jugendgefährdende Inhalte. Solche dürfen nur innerhalb sog. geschlossener Gruppen verbreitet werden (§ 4 Abs. 2 JMStV). Die dritte Stufe erfasst Telemedienangebote, die geeignet sind, Minderjährige in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen. Bei ihnen hat der Anbieter sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche sie üblicherweise nicht wahrnehmen können, bspw. durch den Einsatz technischer Filter u.a. Abs. 15
An den Jugendschutz im Internet sind aufgrund der technischen Möglichkeiten und verbreiteten Inhalte spezielle Anforderungen zu stellen, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll. Abs. 16

b) Eingeschränktes Versandhandelsverbot

§§ 12 Abs. 3 Nr. 2, 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG enthalten ein Versandhandelsverbot für indizierte und schwer jugendgefährdende Trägermedien sowie für zur Weitergabe geeignete Bildträger. Grund hierfür sind Anonymitätsrisiken der Vertriebsform, die eine effektive Alterskontrolle kaum zulassen. Abs. 17
Eine praktisch bedeutsame Einschränkung vom Versandhandelsverbot besteht dann, wenn eine effektive Alterskontrolle gewährleistet ist. Dies ist durch den Einsatz von sog. Altersverifikationssystemen möglich. Hierauf wird noch einzugehen sein (unten Punkt 4 a). Abs. 18

c) Inhaltliche Vorgaben für Werbung

§ 6 JMStV regelt inhaltliche Vorgaben für die Werbung. Nach § 6 Abs. 2 JMStV sind direkte Kaufappelle an Kinder oder Jugendliche, die deren Unerfahrenheit oder Leichtgläubigkeit ausnutzen, oder zu einem entsprechenden Kaufverlangen gegenüber ihren Eltern auffordern, unzulässig.(18) Auch darf sich Werbung für alkoholische Getränke und Tabakprodukte gem. § 6 Abs. 5 JMStV weder an Minderjährige richten noch diese durch die Art der Alkoholdarstellung besonders ansprechen. Abs. 19

d) Alterskennzeichnung auch für Computerspiele

Eine Neuregelung des JuSchG findet sich nun in dessen § 12, wonach auch bei Computerspielen eine Alterskennzeichnung stattfinden muss - dies war bisher nur bei Kino- und Videofilmen der Fall. Die Altersstufen sind mit der bisherigen Kinofreigabe identisch.(19)Abs. 20

e) Technischer Jugendschutz im Internet

Der JMStV kennt - neben dem oben genannten absoluten Verbreitungsverbot - im Wesentlichen zwei Arten des technischen Jugendschutzes: Besonders schwer jugendgefährdende Inhalte, insbesondere Pornografie und durch die Bundesprüfstelle indizierte Inhalte, dürfen nur in sog. geschlossenen Benutzergruppen angeboten werden, bei denen sichergestellt ist, dass nur Erwachsene Zugang haben,(20) § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV. Technisch realisiert wird dies über die Vorschaltung der bereits genannten Altersverifikationssysteme. Abs. 21
Bei schlicht jugendbeeinträchtigenden Angeboten, wie z.B. FSK-16-Angeboten, ist gem. § 5 Abs. 1 JMStV eine vom Anbieter veranlasste bloße "Zugangserschwerung" über sog. Jugendschutzprogramme ausreichend.(21) Ist dies beim Rundfunk relativ einfach durch eine Ausstrahlung zu einer bestimmten Abend- oder Nachtzeit möglich,(22) so gestaltet sich dies innerhalb des Internets schwierig. Im Rundfunk wird ein im Vorfeld festgelegtes Programm zu einer vorbestimmten Zeit ausgestrahlt. Im Internet hingegen werden Inhalte zum Abruf bereitgestellt und sind, sofern sie nicht gelöscht werden, ständig und jederzeit verfügbar. Technisch umgesetzte zeitliche Begrenzungen können hierbei allenfalls länderbezogen und nicht weltweit realisiert werden.(23)Abs. 22

f) Straf- und ordnungsrechtliche Möglichkeiten

Neben den einschlägigen Normen des Strafgesetzbuches(24) hat der Gesetzgeber auch innerhalb der jugendschutzspezifischen Gesetze diverse straf- und ordnungsrechtliche Vorschriften erlassen (vgl. §§ 23 f. JMStV, §§ 27 f. JuSchG). So ist bspw. das (auch fahrlässige) Verbreiten oder Zugänglichmachen offensichtlich schwer jugendgefährdenter Angebote ohne die erforderlichen Sicherungssysteme in Telemedien gem. § 23 JMStV strafbar. Abs. 23

4. Problemkreise des Jugendschutzes im Internet

a) Einsatz von Jugendschutzprogrammen

Die Verpflichtung der Anbieter zum Einsatz von Jugendschutzprogrammen ist wohl eine der schwierigsten Aufgaben seit dem Inkrafttreten der neuen Jugendschutzgesetze. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es derzeit keine anerkennungsfähigen Programme gibt und auch noch keine Klarheit über die Anforderungen an solche Programme besteht.(25)Abs. 24
Auch über die Frage der Ausgestaltung der sog. Altersverifikationssysteme (AVS), mittels derer eine Altersüberprüfung stattfinden soll, wird heftig gestritten. Rechtliche Relevanz haben die AVS i.R. des § 4 Abs. 2 JMStV und der §§ 184 ff. StGB. Abs. 25
Eine sichere Altersüberprüfung stellt die sog. "face-to-face"-Kontrolle dar, bei der ein Anbieter das Alter des Nutzers mittels des Ausweises kontrollieren kann. Das Problem, dass dies bei Internetangeboten wohl kaum zu bewerkstelligen ist (Anbieter und Nutzer befinden sich i.d.R. weit voneinander entfernt), kann beispielsweise mittels des sog. PostIdent-Verfahrens der Deutschen Post gelöst werden, welches als sicheres AVS anerkannt wird.(26)Abs. 26
Teilweise wird - unter Verweis auf eine Grundrechtsverletzung bei Auferlegung einer mittelbaren Zugangsbeschränkung - darauf hingewiesen, dass die Angabe der Personalausweisnummer ausreichen soll.(27)Abs. 27
Wegen der leichten Manipulationsmöglichkeit der Abfrage der Personalausweisnummer wird diese Art der Altersprüfung, ebenso wie die Eingabe der Reisepass- bzw. Kreditkartennummer, als nicht ausreichend abgelehnt.(28) Das OLG Düsseldorf ging sogar einen Schritt weiter und konstatierte m.E. zu Recht, dass selbst ein System, welches die Eingabe von Personalausweis-/Reisepassnummern i.V.m. der Eingabe von Postleitzahl des Ausstellungsortes und der Auslösung eines Zahlungsvorgangs durch Eingabe von Kontonummer, Bankleitzahl und Kreditkartennummer vorsieht, keine "effektive Barriere" und mithin kein Zugangshindernis darstellt.(29) Denn auch ein solches System bietet keine hinreichende Sicherheit vor Zugriffen Minderjähriger auf die geschützten Internetseiten. Dies ist in der einfachen Umgehungsmöglichkeit begründet; für "interessierte" Kinder und Jugendliche dürfte es ein leichtes sein, an solche Daten zu gelangen (man denke nur daran, dass sich Jugendliche heimlich die Ausweispapiere ihrer Eltern oder anderer Erwachsener "ausleihen", um sodann die notwendigen Daten einzugeben). Auch findet man solche Daten heutzutage mittels einer Suchmaschine Zuhauf im Internet. Abs. 28
Ein Zugangshindernis ("effektive Barriere") vermag selbst ein zusätzlich ausgelöster Zahlungsvorgang nicht darzustellen. Denn eine Vielzahl von Jugendlichen verfügt über ein Girokonto. Ferner können sich Kinder und Jugendliche die entsprechenden Bankdaten heimlich von ihren Eltern oder anderen Erwachsenen beschaffen, denen die sodann ausgelöste Zahlung nicht notwendigerweise auffallen muss.(30)Abs. 29
Letztlich lässt sich mittels der heutigen technischen Möglichkeiten auch allein durch den Einsatz von Filtersystemen kein umfassender Jugendmedienschutz gewährleisten.(31) Es darf auch nicht vergessen werden, dass dies im weltumspannenden Internet wohl nie möglich sein wird. Abs. 30

b) Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten

Angesichts der bei einem Verstoß drohenden schweren Sanktionen und der vielerorts vorhandenen Unwissenheit dürfte auch die Pflicht des § 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV zur Bestellung von Jugendschutzbeauftragten für so manchen Anbieter ein Problem, jedenfalls aber eine nicht unerhebliche Belastung darstellen.(32)Abs. 31

c) Grenzen hoheitlicher Kontrolle bei der Aufsicht

Das neue Aufsichtsmodell einer sog. regulierten Selbstregulierung ist heiß umstritten.(33) Die Landesmedienanstalten sind zuständige Aufsichtsbehörden für Jugendschutzfragen hinsichtlich der Telemedien (§§ 14 Abs. 1, 20 Abs. 1 JMStV). Bei länderübergreifenden Angeboten handeln diese durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), §§ 13, 14 Abs. 2 Satz 2 JMStV.(34)Abs. 32
Vor die Tätigkeit der KJM ist jedoch - und das ist neu - eine freiwillige Selbstkontrolle vorgeschaltet. D.h. etwaig behauptete Verstöße gegen den Jugendschutz sollen zunächst von einer anerkannten Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle untersucht werden. Hierunter können jedoch nur solche behauptete Verstöße von Anbietern fallen, die sich einer derartigen Einrichtung freiwillig angeschlossen und unterworfen haben (§ 20 Abs. 5 JMStV). Eine mögliche Selbstkontrolleinrichtung bedarf jedoch der Zertifizierung durch die KJM.(35)Abs. 33
Inwieweit sich ein solches Kontrollsystem als praktikabel und vor allem justiziabel erweist, bleibt abzuwarten. Von der Idee her ist die regulierende Selbstregulierung m.E. angesichts des Umstands, dass eine rein staatliche Kontrolle vor der Masse an Internetangeboten zwangsläufig keinen durchschlagenden Erfolg haben wird, grundsätzlich der richtige Weg für eine Kontrolle. Abs. 34

III. Zusammenfassung und Ausblick

Bei der Erschaffung des Internets hat der Jugendschutz keine Rolle gespielt. Im Mittelpunkt stand vielmehr die Funktionsfähigkeit des Computernetzes,(36) weshalb sich der Jugendschutz - nicht nur, aber vor allem auf das Internet bezogen - noch in der anfänglichen Entwicklung befindet. Unpraktisch erscheint in diesem Rahmen, dass der Jugendschutz nicht in einem Gesetzeswerk geregelt werden konnte, was nicht nur für Nichtjuristen verwirrend ist.(37) Darüber hinaus erfordert der schnell fortschreitende Wandel dieses Mediums eine fortwährende Anpassung an die neuen, insbesondere technischen Gegebenheiten, die im und durch das Internet ermöglicht werden; das Internet selbst stellt dabei eine schwer zu überwindende Hürde dar (schneller zeitlicher Fortschritt/Entwicklung, technische Aspekte, Anonymität, schwierige Kontrollierbarkeit, keine Automatisierungsmöglichkeit, weltweiter Aktionsradius etc.). Abs. 35
Zwar wird jede neue Technik auch neues Recht hervorbringen. Doch bei allen gesetzgeberischen Handlungen sollte nie vergessen werden, dass es vollumfängliche, abschließende und vor allem sicher kontrollierbare Regelungen (wohl) nie geben kann. Selbst bei optimalem Zusammenwirken von hoheitlicher Aufsicht, Selbstregulierung und Einsatz technischer Vorkehrungen wird nicht vollständig zu verhindern sein, dass jugendgefährdende Inhalte von irgendeiner Stelle der Welt im Internet verbreitet werden. Abs. 36
Hinsichtlich eines vernünftigen Jugendmedienschutzes obliegt es mitunter den Lehrern und insbesondere den Eltern, Kinder und Jugendliche frühzeitig zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Medium Internet anzuhalten.
JurPC Web-Dok.
39/2006, Abs. 37
 

Fußnoten:

(1)* Der Beitrag entstand im Rahmen eines Seminars bei Prof. Dr. Peter Schiwy an der Dt. Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Der Autor ist Rechtsreferendar im OLG-Bezirk Düsseldorf und seit 2002 Mitglied der Forschungsstelle für Rechtsinformatik am Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg sowie Mitglied in der Dt. Gesellschaft für Recht und Informatik e.V. (DGRI). Vgl. hierzu Haug, Grundwissen Internetrecht, 1. Aufl. 2005, Rn. 5 f.
(2) Schumacher, Media Perspektiven 2005, 70 - nur der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird mit 40% ein noch höherer Stellenwert eingeräumt.
(3) Mit dem neuen Jugendschutzrecht wurden alte Regelungen des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG), des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjSM) sowie Jugendschutzbestimmungen in Rundfunkstaatsvertrag (RStV) und Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) abgelöst.
(4) Eingehend hiezu Petersen, Medienrecht, 2. Auf. 2005, § 13, Rn. 12 ff.
(5) Der Gesetzgeber ersetzt mit dem Begriff der "Trägermedien" den bisher beim Jugendschutz im Mittelpunkt stehenden Begriff der "Schriften" und trägt damit der fortentwickelnden Medientechnik Rechnung; vgl. BT-Drs. 14/9013, S. 17 f.
(6) Positiv hervorzuheben ist, dass die Unterscheidung zwischen Tele- und Mediendiensten aufgegeben wurde.
(7) Weiterführend hinsichtlich der Trägermedien Liesching, NJW 2002, 3281, 3283.
(8) So auch Petersen, a.a.O. (Fn. 4), § 16, Rn. 7.
(9) Damit hat sich die bisher schwierige Differenzierung zwischen Tele- und Mediendiensten erledigt.
(10) Liesching, NJW 2002, 3281, 3283 f.
(11) Siehe hierzu Sieber, Neue Medien im Spannungsverhältnis zwischen Europa-, Bundes- und Landesrecht, S. 185.
(12) Bornemann, NJW 2003, 787, 790 m.w. Nachw.; Langenfeld, MMR 2003, 303, 305 m.w. Nachw.; Petersen, a.a.O. (Fn. 4), § 16, Rn. 11.
(13) Schaar, Datenschutz, Rn. 396; Fechner, Medienrecht, 4. Aufl. 2003, Rn. 417.
(14) Siehe hierzu Köppen, Das Grundrecht der Informationsfreiheit unter besondere Berücksichtigung der neuen Medien, S. 174 f.
(15) Vgl. nur Fechner, a.a.O. (Fn. 13), Rn. 422.
(16) Bornemann, NJW 2003, 787, 790 m.w. Nachw.
(17) Zur Vertiefung der Problematik vgl. Ukrow, Jugendschutz und Werbung, abrufbar unter http://www.emr-sb.de/EMR/Vortrag_Ukrow.pdf, S. 1 ff.
(18) Vgl. auch Liesching, Der neue Jugendschutz, 1. Aufl. 2003, S. 18.
(19) Vgl. Liesching, NJW 2002, 3281, 3285.
(20) Zur "geschlossenen Benutzergruppe" und deren Voraussetzungen Grapentin, CR 2003, 458, 459 f.; Erdemir, CR 2005, 275.
(21) Siehe hierzu Liesching, Das neue Jugendschutzrecht seit 1. April 2003, abrufbar unter http://www.lehrer-online.de/dyn/bin/343267-343540-1-jugendschutzrecht.pdf, S. 12 f.
(22) Vgl. § 5 Abs. 4 JMStV.
(23) Siehe zu diesem Problem auch Stettner, ZUM 2003, 425, 431.
(24) So z.B. §§ 184 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3, 130, 86 a StGB; vgl. hierzu insgesamt Holznagel/Kussel, RdJB 2002, 295, 296 f.
(25) So auch Grapentin, CR 2003, 458, 463 f.
(26) Näheres u.a. zur technischen Umsetzung bei Liesching, a.a.O. (Fn. 21), S. 11 f.; Hinweise auf weitere als sicher eingestufte Verfahren finden sich in der Pressemitteilung 9/2005 der ALM vom 25.10.2005, online abrufbar über http://www.alm.de.
(27) Berger, MMR 2003, 773, 775 f.; i.E. auch AG Neuss, MMR 2002, 837 f.; so tendenziell auch das LG Düsseldorf MMR 2003, 418, 419, das zumindest eine Personalausweisabfrage i.V.m. einer Kostenpflichtigkeit des Angebots als ausreichenden Schutz ansieht. - Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bedenken sei nur auf die Gegenargumentation des OLG Düsseldorf, JurPC Web-Dok. 158/2005, Abs. 18 f. m.w. Nachw., verwiesen.
(28) LG Duisburg, Urt. v. 30.08.2004, 21 O 97/04; LG Krefeld, Urt. v. 15.09.2005, 11 O 85/04; Döring/Günter, MMR 2004, 231, 234; vertiefend Haug, a.a.O. (Fn. 1), Rn. 175 ff.
(29) OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.05.2005, I-20 U 143/04 = JurPC Web-Dok. 158/2005, Abs. 16 f. m.w. Nachw.; siehe auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.02.2004, III-5 Ss 143/03 - 50/03 I.
(30) Hinsichtlich der unterschiedlichen Konstellationen vgl. OLG Düsseldorf, JurPC Web-Dok. 158/2005, Abs. 17.
(31) Holznagel/Kussel, RdJB 2002, 295, 303.
(32) Zur Vertiefung Grapentin, CR 2003, 458, 461 f.
(33) Bornemann, NJW 2003, 787, 790 m.w. Nachw.
(34) Näheres zur Ausgestaltung der KJM bei Stettner, ZUM 2003, 425, 433 ff.; interessant sind auch die Erläuterungen des Gesetzgebers, vgl. BT-Drs. 14/9013, S. 14 ff.
(35) Zu den näheren Voraussetzungen Langenfeld, MMR 2003, 303, 309; vertiefend auch Bornemann, NJW 2003, 787, 790 f.
(36) Vgl. hierzu Schaar, Rn. 58 ff.
(37) Köhler/Arndt, Recht des Internet, 3. Aufl. 2001, Rn. 581.

* Der Autor ist Rechtsreferendar im OLG-Bezirk Düsseldorf und seit 2002 Mitglied der Forschungsstelle für Rechtsinformatik am Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg sowie Mitglied in der Dt. Gesellschaft für Recht und Informatik e.V. (DGRI). Vgl. hierzu Haug, Grundwissen Internetrecht, 1. Aufl. 2005, Rn. 5 f.
[online seit: 17.03.2006 ]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Fülling, Michael, Jugendschutz im Internet - JurPC-Web-Dok. 0039/2006