JurPC Web-Dok. 250/2002 - DOI 10.7328/jurpcb/2002179185

Iris Speiser *

Die GEZ, das OLG Augsburg und das Sommerloch

JurPC Web-Dok. 250/2002, Abs. 1 - 16


Speiser, Iris
Pünktlich, kurz nachdem sich das Sommerloch in allen Amtsstuben breit gemacht hat, schlägt sie jedes Jahr wieder zu - die Flut von Briefen, Faxen und E-Mails, in denen eine frohe Botschaft verkündet wird: Die GEZ muss Rundfunkgebühren zurückzahlen!(1)JurPC Web-Dok.
250/2002, Abs. 1
Es ist doch wirklich ein Skandal! Während die armen, redlichen Gebührenzahler der Kampagne gegen das Schwarzsehen gefolgt sind und jedes Quartal schön brav ihre Gebühren für Rundfunk und Fernsehen entrichtet haben, haben diese Gebührenraubritter doch tatsächlich einen Überschuss von über einer Milliarde DM angehäuft. Doch jetzt hat ein mutiges Gericht der übermäßigen Gebührenabzocke endlich einen Riegel vorgeschoben.Abs. 2
Etwas ärgerlich ist es ja schon, dass man für diese Erstattung auch noch einen Antrag stellen muss - aber man weiß ja, dass eine Behörde nichts tut, ohne einen form- und fristgemäßen Antrag. Also munter ans Werk und den Antrag ausgefüllt...Abs. 3
Doch während jedes Jahr Tausende diesen Antrag voller Hoffnung an die GEZ schicken, regt sich bei einigen wenigen juristisch Versierten Zweifel.Abs. 4
Das OLG Augsburg soll im Februar 1998 über den Gewinn der GEZ aus dem Jahr 1997 entschieden haben? Der Gewinn kann doch frühestens nach Abschluss des Geschäftsjahres ermittelt worden sein. Und das OLG Augsburg hat weniger als 2 Monate danach schon entschieden. Donnerwetter! Leidgeprüfte Juristen, die regelmäßig Jahre warten, bevor sie auch nur einen Termin zur mündlichen Verhandlung bekommen, erstarren in Ehrfurcht vor diesen fleißigen Richtern.Abs. 5
Um so mehr erstarren diejenigen, die in Ansehung des § 119 GVG zu der Erkenntnis gelangt sind, dass es sich dabei um eine Entscheidung der zweiten Instanz handeln muss, denn ein OLG entscheidet ja bekanntermaßen in Zivilsachen nicht in erster Instanz. Sollte es tatsächlich passiert ein, dass die GEZ ihren Jahresabschluss in Rekordzeit fertigt und dann auch noch zwei Gerichte in Rekordzeit entscheiden? Spätestens jetzt ist der kriminalistische Spürsinn geweckt und das Dokument wird einer eingehenden Plausibilitätsprüfung unterzogen.Abs. 6
Zunächst fällt auf, dass auch der BGH, der das Urteil des OLG Augsburg bestätigt haben soll, dem Beispiel der Vorinstanz gefolgt ist und binnen zwei Monaten entschieden hat. Dieses Verfahren spornt die Richter offensichtlich zu wahren Höchstleistungen an.Abs. 7
Die weitere Analyse bringt weitere irritierende Erkenntnisse: Wieso entscheiden überhaupt ordentliche Gerichte in dieser Sache? Wäre da nicht das Verwaltungsgericht zuständig? Heftiges Blättern im Gesetzbuch hinterlässt Ratlosigkeit. Doch wenn dieses Urteil bares Geld wert ist, ist es doch im Grunde egal, wer es erlassen hat. "Hauptsache, ich bekomme einen Teil der viel zu hohen Gebühren zurück," wischt der wackere Gebührenzahler die Zweifel beiseite - und steckt den Antrag in sein Faxgerät.Abs. 8
Doch die Vorsichtigen legen den Antrag nun doch erst mal beiseite. Zur Sicherheit sollte man vielleicht erst einmal diese ominöse Entscheidung beim Gericht anfordern und genau studieren. Möglicherweise ist ja doch ein Haken dabei? Also flugs ein Schreiben an das OLG Augsburg aufgesetzt und einen Abdruck angefordert. Nun fällt der Blick auf das in der Mitteilung enthaltene Aktenzeichen des OLG Augsburg: 216§35. Sieht schon etwas seltsam aus. Offensichtlich hat das OLG Augsburg eine etwas eigenwillige Syntax bei der Bildung von Aktenzeichen - aber "die werden schon wissen, wie sie ihre Akten am besten durchnummerieren...". Jetzt nur noch die Adresse draufgeschrieben und weg damit. Wie war doch gleich noch mal die Adresse des OLG Augsburg? Ein Blick ins Online-Telefonbuch wird da sicher weiterhelfen(2). Pustekuchen! Dort findet sich nur die Adresse des Landgerichts in Augsburg.Abs. 9
Sollte es am Ende gar kein Oberlandesgericht in Augsburg geben?Abs. 10
Genauere Nachforschungen bestätigen diesen Verdacht. In Augsburg gibt es ein Amtsgericht(3), ein Landgericht(4) sowie eine Staatsanwaltschaft(5) -aber kein Oberlandesgericht. In Bayern gibt es drei Oberlandesgerichte: eines in München(6), eines in Nürnberg(7) und eines in Bamberg(8). In Augsburg sucht man hingegen vergebens(9).Abs. 11
Nach Verarbeitung dieses Schocks amüsieren sich Juristen und interessierte Laien über den gelungenen Scherz während des Sommerlochs - auf dem man natürlich niemals wirklich hereingefallen wäre...Abs. 12
Obwohl diese kettenbriefartig verbreitete frohe Botschaft inzwischen etwas in die Jahre gekommen ist(10), hat sie anscheinend noch nichts an Attraktivität für die gebührengeplagten Bürger verloren. Selbst die Euro-Einführung tut der Beliebtheit der sommerlichen Gebührenrückforderungen bisher offensichtlich keinen Abbruch.Abs. 13
Weniger amüsant findet das Ganze übrigens die GEZ, die sich kaum der zahlreichen Schreiben und Faxe der rückforderungswilligen Bürger erwehren kann und paradoxerweise noch einen Teil der eingenommenen Gebühren aufwenden muss, um die vielen ablehnenden Antworten zu verschicken(11).Abs. 14
Auch der BGH scheint in nicht unerheblichem Umfang mit Anfragen zu "seiner" Entscheidung eingedeckt zu werden(12).Abs. 15
Selbst das Juristische Internetprojekt Saarbrücken(13) erhält jedes Jahr zur Sommerzeit aufs neue zahlreiche Mails verunsicherter Nutzer, die sich Aufklärung über den rechtlichen Status der "GEZ-Kettenbriefe" erhoffen, die jedoch von der Redaktion des Projekts lediglich die schmerzliche Botschaft erhalten, dass aus dem Traum vom unverhofften Urlaubsgeld aus der Gebührenkasse nun doch nichts wird....
JurPC Web-Dok.
250/2002, Abs. 16

Fußnoten:

(1) Das hier wiedergegebene Schreiben ist eine wörtliche Wiedergabe eines Handzettels, der der Verfasserin von einem Bekannten übergeben wurde; die Mitteilung geistert aber auch über Webseiten, z.B. http://www.76287news.de/klicktwo.html
(2) http://www.telefonbuch.de
(3) http://www.justiz-augsburg.de/ag/index.htm
(4) http://www.justiz-augsburg.de/lg/index.htm
(5) http://www.justiz-augsburg.de/sta/
(6) http://www.justiz.bayern.de/olgm/
(7) http://www.justiz.bayern.de/olgn
(8) http://www.justiz.bayern.de/olg-ba
(9) Das Oberlandesgericht München unterhält allerdings im Augsburger Justizgebäude auswärtige Zivil- und Familiensenate.
(10) Derartige Schreiben sind nach Erkenntnissen der Verfasserin mindestens seit dem Jahr 1999 im Umlauf
(11) http://www.gez.de (http://www.gez.de/infoszurgez00.html)
(12) http://www.bundesgerichtshof.de/HaeufigeFragen.htm
(13) http://www.jura.uni-sb.de
* Iris Speiser, Assessorin jur., ist seit 1997 am Institut für Rechtsinformatik der Universität des Saarlandes (http://rechtsinformatik.jura.uni-sb.de/) als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und promoviert dort derzeit über Rechtsfragen des Internets. Sie betreut die Website des Bundesverfassungsgerichts (http://www.bundesverfassungsgericht.de) als Webmasterin. Iris Speiser ist zudem Mitglied der Redaktion des Juristischen Internetprojekts Saarbrücken (http://www.jura.uni-sb.de), wo sie die Anfragen der Nutzerinnen und Nutzer des Projekts bearbeitet.
[online seit: 26.08.2002]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Speiser, Iris, Die GEZ, das OLG Augsburg und das Sommerloch - JurPC-Web-Dok. 0250/2002