JurPC Web-Dok. 31/2002 - DOI 10.7328/jurpcb/200217352

OLG Köln
Urteil vom 14.02.2001

19 U 176/95

Lizenzvertrag über Individualsoftware einer Klinik

JurPC Web-Dok. 31/2002, Abs. 1 - 94


BGB §§ 320 ff., 633 ff.

Leitsatz

Gegenstand eines Lizenzvertrages kann auch die Entwicklung einer Individualsoftware sein. Gelingt dem Hersteller die versprochene Entwicklung einer den Bedürfnissen des Anwenders entsprechenden Software nicht, so ist er zur Rückzahlung der Lizenzgebühren verpflichtet. Seinen Entwicklungsaufwand kann er dem Besteller nicht in Rechnung stellen.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt in Bad F. eine Rehabilitationsklinik mit mehreren angeschlossenen Außenhäusern. Im Jahre 1990 beabsichtigte sie, die Arbeitsabläufe im Ärzteberichtswesen, im Abrechnungswesen mit den einzelnen Krankenkassen und bei den einzelnen Untersuchungen zu vereinfachen. Im Frühsommer 1990 wurde sie durch eine Berichterstattung in einer Computerzeitschrift auf die Beklagte aufmerksam, die im Auftrag des Bundesforschungsministeriums ein ARS-Dokumentationssystem entwickelt hatte. Gegenstand des Unternehmens war es, Planung, Monitoring und Auswertung von Studien mit medizinischen Fragestellungen durchzuführen und Dokumentationssoftware zu erstellen und zu verkaufen, wobei sowohl öffentliche als auch private Aufträge zur Unterstützung medizinischer Entscheidungsfindung mit Hilfe mathematischer Methoden bearbeitet werden sollten (GA 809).JurPC Web-Dok.
31/2002, Abs. 1
Nach zunächst telefonischer Kontaktaufnahme, bei der seitens der Beklagten erklärt worden ist, das Programm sei bisher nicht auf die Orthopädie ausgerichtet, eine Ausweitung sei aber möglich (GA 649), kam es am 25. Juli 1990 zu einer ersten Vorführung der in einem DokuMobil installierten ARS-Software der Beklagten. Dabei wurde vorgeführt, dass die Befundbeschreibung (Übersicht über Anamnese und Befundung durch Tabellen/Listen mit Kurztexten) durch die Software erfolgte und durch einen diktierten Text über den Status bei Beginn und Ende der Therapie und die Empfehlungen an den Hausarzt ergänzt werden konnte. Bei dieser Vorführung wies die Klägerin durch den Zeugen Dr. F., den Chefarzt für Orthopädie und Rheumatologie, darauf hin, dass die Software für orthopädische Zwecke nicht geeignet war, sondern nur rheumatologische Fälle befunden konnte, wenn einige Funktionen auch für die Orthopädie genutzt werden konnten. Auf Nachfrage der Klägerin erklärte die Beklagte, sie könne die Software für die Orthopädie erweitern (GA 650).Abs. 2
Unmittelbar nach der Vorführung besichtigte der Zeuge H. für die Klägerin das beklagte Unternehmen in A.; er interessierte sich insbesondere dafür, ob in dem jungen Unternehmen der Beklagten genügend Softwareentwickler zur Verfügung ständen. Hierzu verwies der Geschäftsführer der Beklagten darauf, dass die ARS-Software im Rahmen eines Entwicklungsauftrages des Bundesforschungsministeriums erstellt worden war (GA 651).Abs. 3
Bei einer Besichtigung der Klinik der Klägerin in Bad F. durch die Beklagte sprach der Zeuge H. auch die Frage an, dass das Ausfüllen der Formulare für die Landesversicherungsanstalten und Rententräger sehr zeitaufwendig sei und optimiert werden solle.Abs. 4
Unter dem 6. August 1990 unterbreitete die Beklagte der Klägerin ein Angebot (GA 670ff.), in dem es heißt:

"ars Dokumentationssystem des B.
...
wir bedanken uns für die freundliche Aufnahme in Ihrer Klinik und möchten Ihnen folgendes spezifisches Hard- und Software-Angebot für Ihre Klinik vorstellen. Liefer- und Zahlungsbedingungen sind dem beifügten Kaufvertrag zu entnehmen."

Abs. 5
Die beifügte Auflistung (GA 674ff.) beschreibt im einzelnen die Hardware- und Softwarekomponenten.Abs. 6
Unter dem 10. August 1990 übersandte die Beklagte ein "überarbeitetes" Angebot. In dem Anschreiben heißt es:

...
wie in Bad F. besprochen, senden wir Ihnen als Anlage ein überarbeitetes Angebot für unser Dokumentationssystem ars orthopaedica sowie die überarbeiteten Kauf- und Lizenzverträge.

Abs. 7
Die Kosten des Systems (Hardware- und übrige Software) werden mit 752.441,04 DM beziffert. Außerdem enthält das Angebot einen Lizenzschein für die installierte ars-Software (GA 684).Abs. 8
Die Klägerin reagierte auf diese Angebote mit Telefax vom 21. August 1990 (Anlage BB 11 in Bd. III d.A.). Hierin legte sie verschiedene Änderungswünsche dar, stellte Fragen, bezog sich auf eine mündliche Rabattvereinbarung von 15 %, wünschte eine Lizenzdauer von fünf Jahren für die "ARS-Software" und verlangte die Einfügung folgender Vertragsbestimmung:

" B. sind die Verhältnisse beim Kunden zwecks Einsatz der DV-Anlage zur Anwendung des ars-Dokumentationssystemes bekannt. B. hat bei der Auswahl der DV-Anlage mitgewirkt und versichert, daß die durch den Einsatz der DV-Anlage herbeizuführenden Leistungsergebnisse den Anforderungen des Kunden entsprechen."

Abs. 9
Mit Schreiben vom 24. August 1990 (GA 685) bestätigte die Beklagte die Wünsche der Klägerin und übersandte die geänderten Lizenz- und Kaufverträge. Ferner nannte sie ihre Konditionen für die von der Klägerin gewünschten Wartungsverträge. Mit Telefax vom 5. September 1990 (GA 688) bestätigte die Beklagte eine Terminvereinbarung betreffend

" 1. Vertragsabschluss ars Dokumentationssystem
2. Besprechung und Erstellung der Portierung der Software für die Terminplanung
3. Medizinisch-inhaltliche Festlegung der Dokumentation mit den Chefärzten der Orthopädie und Rheumatologie"

Abs. 10
Am 10. September 1990 kam es zur Unterzeichnung eines Lizenzvertrages für Softwareprodukte. Wegen des Inhalts dieses, in den wesentlichen Passagen im Tatbestand des angefochtenen Urteils (GA 177a ff.) wiedergegebenen Vertrages wird auf GA 9ff. und wegen des Lizenzscheins (= Programmschein), der die Lizenzgebühr für die "installierte ars-Software" festlegt, auf GA 188 Bezug genommen. Außerdem wurde der "Kaufvertrag über eine Datenverarbeitungsanlage" (GA 19ff.) geschlossen.Abs. 11
Bei der Unterzeichnung der Verträge am 10. September 1990 wurde angesprochen, dass die Sitzung über die Anforderungen der Klägerin parallel stattfand. Außerdem erhielt der Geschäftsführer der Beklagten spätestens zu diesem Zeitpunkt das von der Klägerin verwendete Krankenblatt (GA 690ff.). Es wurde besprochen, dass dieses Krankenblatt durch die ars-Software umgesetzt werden sollte (GA 655).Abs. 12
Wie vertraglich vereinbart, zahlte die Klägerin die bei Vertragsschluss fälligen 40 % der Lizenzgebühr für das erste Vertragsjahr in Höhe von 91.085,92 DM. Die Beklagte war in der Folgezeit mit der Umsetzung des Krankenblatts der Klägerin befasst. Sie entwickelte Maskenentwürfe, die von der Klägerin (Dr. F.) geprüft und kommentiert wurden.Abs. 13
In der Zeit vom 26. bis 28. Februar 1991 wurde bei der Klägerin an drei Tischen eine Probeversion (GA 148, 111ff., 781) zur Vorführung des Systems bei den Kassen installiert. In dieser Zeit geriet die Beklagte in Liquiditätsschwierigkeiten. Der Vorstand der Klägerin Dr. Z. sagte nach dem Vortrag der Beklagten auf deren Bitten Zahlung für abgeschlossene Leistungen zu. Daraufhin stellte die Beklagte u.a. die Kosten für die Präsentation im Februar 1991 und verschiedene Besprechungen mit letztlich 31.080,97 DM in Rechnung (GA 781ff.), die von der Klägerin nach erneuter Rechnungsstellung unter dem 14. Juni 1991 auch beglichen worden sind (GA 659). Ferner zahlte die Klägerin mit Rücksicht auf die Liquiditätsschwierigkeiten der Beklagten im Juni 1991 per Scheck einen weiteren Betrag von 110.000 DM als Vorschuss (GA 245, 600, 659).Abs. 14
Erst im Mai 1991 wurde die Hardware geliefert und die Software installiert. Am 3. Juni 1991, dem Tag der zunächst beabsichtigten Abnahme der Software (GA 150), kam es zu einem Gespräch zwischen den Parteien über Ergänzungen und Änderungen der installierten Software, insbesondere über die Arztberichte und Formulare für die Kostenträger, und die Umsetzung der Softwarelizenz in den organisatorischen Ablauf der Klägerin. Inzwischen hatte die Klägerin die Fa. L. als externe Beraterin über die "Funktionalität der gekauften ARS-Softwarelizenz und deren Umsetzung in den organisatorischen Ablauf" eingeschaltet, wobei der Schwerpunkt in der EDV-technischen Lösung und deren Integration in die Arbeitsabläufe lag. Auf deren Gesprächsprotokoll vom 3. Juni 1991 (GA 29f.), in dem der derzeitige Programmstand nach Angaben des Geschäftsführers der Beklagten und das weitere Vorgehen festgehalten sind, wird verwiesen. Einen Tag später, am 4. Juni 1991, fand sodann eine Besprechung zwischen dem Chefarzt Dr. F. der Klägerin und einem leitenden Mediziner der Rentenversicherungsanstalt statt, bei dem ein bereits ausgedruckter Arztbericht durchgegangen wurde, wobei, wie in dem Schreiben der Klägerin vom 10. Juni 1991 (GA 31) festgehalten ist, festgestellt wurde, dass dieser in keinem Fall den Anforderungen genügte, weil es sich nur um eine wenig sinnvolle Auflistung von Befunden handele (GA 4). Darauf regierte die Beklagte mit einem Schreiben vom 14. Juni 1991 (GA 248), in dem sie bestätigte, dass seit dem 10. September 1990 eine "J.-spezifische Software" entsprechend den Wünschen der Ärzte und den Notwendigkeiten der Klinikverwaltung entwickelt worden sei. Dabei verwies sie erstmals schriftlich darauf, dass vereinbart gewesen sei, dass sämtliche Leistungen, die über die für die Einführung des Systems vorgesehene Mannwoche hinausgingen, gesondert in Rechnung gestellt würden. Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben GA 248f. Bezug genommen.Abs. 15
Auf dieses Schreiben reagierte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Juni 1991 (GA 32f.). Sie widersprach den Feststellungen der Beklagten und wies darauf hin, dass der Auftrag sich von vornherein auf die Installation des "ARS-Dokumentations-Systems" bezogen habe, wobei die Erfassung der stationären Patientendaten sowie die Generierung der Entlassungsbriefe als unbedingte Voraussetzung formuliert worden seien. Man sei deshalb nicht bereit, irgendwelche Nachbesserungsarbeiten separat in Auftrag zu geben und gesondert zu bezahlen und setze nunmehr eine Frist zur Erfüllung des Vertrages bis zum 14. Juli 1991.Abs. 16
Am 3. Juli 1991 unterzeichneten Herr H. und Dr. W. eine handschriftliche Notiz (GA 793), in der das weitere Vorgehen skizziert wurde. Danach sollte die Abstimmung des Arztbriefes in einer Besprechung am 12. Juli, die Abstimmung der Masken und leichte Ergänzungen am 13. Juli 1991 erfolgen. Für die voraussichtliche Realisation der Entlassungsberichte inklusive der Bauernkassen wurde der 15. September 1991 vorgesehen, die Realisierung der textlichen Anteile sollte entsprechend der für den 13. Juli 1991 vorgesehenen inhaltlichen Abstimmung am 30. September 1991, 17.00 Uhr, erfolgen.Abs. 17
Unter dem 5. Juli 1991 verfasste Dr. F. bezüglich des bisherigen Arzt-Computerprogramms eine Mängelliste (GA 34ff.). Das Ergebnis der Besprechung vom 12. Juli 1991 fasste die Beklagte unter dem 16. Juli 1991 (Anl. BB 12 z. SS v. 22.12.1999, Bd. III) zusammen, wobei Dr. F. die Vollständigkeit der Darstellung und die genaue Absprache der Erscheinungsform in Frage stellte (BB 13 z. SS. v. 22.12.1999, Bd. III).Abs. 18
Mit Schreiben vom 22. Juli 1991 stellte die Beklagte der Klägerin für die weitere Entwicklungsarbeit einen Teilbetrag von 1.027.250 DM in Rechnung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 8. August 1991 (GA 251ff.) setzte sie eine Frist zur Begleichung dieser Teilrechnung bis zum 15. August 1991, zog dieses Schreiben aber später zurück (GA 827). In diesem Schreiben führte sie aus, dass die Klägerin mit dem ihr präsentierten System "ars rheumatologica" von vornherein in dem Sinne nicht zufrieden gewesen sei, dass sie ein im Output verfeinertes, den Wünschen und Bedürfnissen ihres Hauses (noch) besser entsprechendes Dokumentationssystem gewünscht habe (GA 255).Abs. 19
Mit Schreiben vom 2. September 1991 (GA 828) erklärte die Klägerin ihre Bereitschaft, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht "im gewissen Umfang hausspezifische Fassungen zu übernehmen", wenn das gesamte Softwarepaket von den Ärzten akzeptiert werde. In keinem Fall sei sie bereit, die in der Vergangenheit geltend gemachten Forderungen zur Entwicklung anzuerkennen. Der anzuerkennende Betrag für die Anpassung könne sich auf 50.000 DM belaufen, wenn sämtliche Anforderungen, die ärztlicherseits und seitens der Verwaltung gestellt werden, erfüllt seien. Der Installation der Software werde nunmehr "mit größter Spannung" entgegengesehen.Abs. 20
Den Wunsch der Beklagten nach einem persönlichen Gespräch beantwortete die Klägerin mit Schreiben vom 18. September 1991 (GA 36) dahingehend, dass hierfür eine vorherige Themenauflistung erforderlich sei. Außerdem erinnerte sie daran, dass der Termin zur Realisation der Entlassungsberichte vom 15. September 1991 verstrichen sei und der Termin für die Ablieferung der textlichen Anteile sowie die Abnahme am 30. September 1991, 17.00 Uhr, bevorstehe. Sie bat um Mitteilung, ob diese Termine noch eingehalten würden.Abs. 21
Am 18. September 1991 wurde die Software (teilweise) bei der Klägerin installiert (GA 43). Außerdem wurden der Klägerin 5 Abschlussberichte für die Leistungsträger "softwaremäßig übergeben und installiert" (GA 234).Abs. 22
Mit Schreiben vom 20. September 1991 (GA 796) schlug die Beklagte eine Besprechung über den Inhalt des Vertragsverhältnisses einschließlich der Entgeltregelung und die zeitliche und technische Abwicklung des Projekts vor. Unter dem 24. September 1991 (GA 41ff.) beanstandete die Klägerin, dass die installierte Software wiederum nur eine sprachlich nicht in Verbindung stehende Einzelbefundung als Output wiedergab (GA 43). In dem Schreiben heißt es abschließend:

"Inwieweit Herr Dr. W. in der Lage ist bis zum 30.09.1991 sowohl die formalen, wie auch inhaltlichen Anforderungen zu erfüllen, ist uns nicht bekannt. Festzustellen ist jedoch, dass die bislang mit der Materie vertrauten Mitarbeiter der Firma B. dieser nicht mehr zur Verfügung stehen und die neuen Mitarbeiter sehr schwer in diese doch sehr komplexe Materie eingearbeitet werden können."

Abs. 23
Die für den 30. September 1991 vorgesehene Abnahme fand nicht statt. Mit Schreiben vom 1. Oktober 1991 (GA 797) beanstandete die Klägerin, dass die Beklagte lediglich an der Rezeption einen Brief übergeben, sich aber im Sekretariat der Vorstandsmitglieder nicht angemeldet hatte. Außerdem bat sie um einen neuen verbindlichen Terminvorschlag innerhalb der normalen Arbeitszeit sowie die Vorlage eines verbindlichen Schulungskonzeptes.Abs. 24
Mit Telefaxnachricht vom 14. Oktober 1991 (GA 37) beanstandete die Klägerin, dass die Beklagte auf verschiedene Versuche, einen neuen Abnahmetermin zu fixieren, nicht reagiert habe, und forderte die Beklagte letztmalig auf, einen Abnahmetermin zu benennen. Falls bis zum 21. Oktober 1991 kein Termin zustande komme, werde sie ein Beweissicherungsverfahren einleiten und die bereits geleisteten Anzahlungen auf die Software zurückverlangen.Abs. 25
In der Zeit von September 1991 bis Mai 1992 erstellte die Beklagte die Software für die anderen Formulare von Leistungsträgern sowie im Mai 1992 auf Wunsch der Klägerin - der Vorstand Wö. der Klägerin soll den neuen Mehrheitsgesellschafter der Beklagten und Mitgeschäftsführer Ha. hierzu am 14. Februar 1992 aufgefordert haben (GA 666) - sechs Formulare für die Bauernkassen neu, weil diese ihre Formulare zwischenzeitlich wesentlich geändert hatten. Außerdem arbeitete die Beklagte weiter an der Softwareentwicklung. Sie erstellte in dieser Zeit ein Programm "Parser", mit dessen Hilfe die einzelnen Ergebnisse zu einem Text zusammengefasst werden konnten.Abs. 26
Der neue Gesellschafter Ha. versuchte das Projekt erfolgreich zu Ende zu führen, ohne die im Sommer 1991 aufgeworfene Frage der Vergütung und Vertragsgestaltung "in den Vordergrund zu stellen" (GA 666). Er ging nämlich davon aus, dass die Klägerin im Falle der Zufriedenheit erhebliche Aufträge erteilen würde (GA 666/667).Abs. 27
Am 6. März 1992 kam es zu einer Besprechung zwischen den Parteien in Bad F. (GA 833), deren Ergebnis die Beklagte in einem Schreiben vom 11. März 1992 (GA 834; nicht vollständig) zusammen fasste.Abs. 28
Um die Akzeptanz bei den Ärzten zu erhöhen, führte die Beklagte im Mai 1992 Zeittests aus (GA 272ff.). Sie konnte aber die Anwendungsbereitschaft der Ärzte letztlich nicht verbessern. Noch heute nutzt die Klägerin unbestritten keine Software zwecks Erstellung der Entlassungsberichte und Arztbriefe.Abs. 29
Auf ein erneutes Gespräch vom 21. Mai 1992 verfasste die Beklagte am 2. Juni 1992 (GA 835) ein weiteres Schreiben, in dem sie u.a. ausführte (GA 837):

"Zur Realisierung dieser Zielsetzung führt die J. Reha-Kliniken AG ein Projekt zusammen mit dem Biometrischen Zentrum A. (B.) durch. Aufbauend auf den Funktionalitäten des Systems "ars" wird ein J.-spezifisches, EDV-gestütztes Anwendungs-System eingeführt, ..."

Abs. 30
In diesem Schreiben wird der "Ist-Zustand" geschildert und der erforderliche Handlungsbedarf (GA 839ff.) skizziert. Weiter heißt es:

"Die Programmierung der gesamten J.-spezifischen Anwendung ist ... zu 75% abgeschlossen."

Abs. 31
Ferner bot die Beklagte in diesem Schreiben ihre weiteren Leistungen für 600.000 DM sowie verschiedene Modifikationen des Lizenzvertrages an.Abs. 32
Obwohl der neue Mehrheitsgesellschafter der Beklagten bereit war, der Klägerin "massiv entgegenzukommen" (GA 667), konnten sich die Parteien über das weitere Vorgehen letztlich nicht einigen. Mit Schreiben vom 16. Juli 1992 (GA 799) verlangte die Klägerin Arztberichte, bei denen "zu vermeiden ist, dass die Standardisierung in der Wortwahl den individuellen Charakter des Berichtes vernichtet." In diesem Schreiben unterbreitete die Klägerin den Vorschlag, zunächst bis zum 31. Dezember 1992 den "grundsätzlichen Teil des Berichtswesens", nämlich die Arztberichte für die Krankenkassen zu erstellen und nach deren Einführung und Akzeptanz durch die Chefärzte über die Einführung des "Rechtswesens für den Bereich der Rentenversicherer zu entscheiden". Ferner erklärte die Klägerin Bereitschaft, für die vollständige Implementierung des gesamten Systems "ars" 300.000 DM zu zahlen, wobei jede geleistete Zahlung durch eine Bankbürgschaft der Beklagten gesichert werden sollte (GA 800).Abs. 33
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 16. November 1992 angekündigt hatte, sich zur Berichtsgenerierung medizinisch beraten zu lassen, bat die Klägerin mit Schreiben vom 2. Dezember 1992 (GA 802) um umgehende Stellungnahme mit Vorschlägen über "konstruktiv zielführende Schritte", damit mit dem kompletten "Ars-System" gestartet werden könne.Abs. 34
Im Schreiben der Klägerin vom 23. Januar 1993 (GA 801) heißt es dann:

"... in den mit Ihnen im vergangenen Jahr geführten Gesprächen haben wir den Eindruck gewonnen, daß die Firma B. trotz der, von Ihnen auch erkannten Probleme im Programmsystem "ars", das von uns mit Lizenzvertrag vom 10.09.1990 gekaufte und auch bezahlte, Nutzungsrecht erfüllen will.

Da wir auf unser Schreiben vom 02.12.1992 - in dem wir Sie um konstruktive Vorschläge für den Einsatz der Software, unter den Ihnen bekannten Voraussetzungen für unser Haus - bis heute keine Anwort erhalten haben, müssen wir zu der Ansicht gelangen, daß die Firma B. ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen kann.

Wir setzen Ihnen hiermit eine Frist von 4 Wochen bis zum 26.02.1993. Wir erwarten bis zu diesem Zeitpunkt die vertraglich fixierten Leistungen aus dem Lizenzvertrag.

Sollten Sie nicht in der Lage sein, die geforderte Software bis zu diesem Zeitpunkt zu liefern und uns abnahmebereit zu installieren, müssen wir auf § 7 des Lizenzvertrages verweisen und den Vertrag - unter Rückforderung der von uns geleisteten Zahlungen - kündigen."

Abs. 35
Die Beklagte erwirkte inzwischen gegen die Klägerin einen Mahnbescheid über ca. 76.000 DM, der der Klägerin am 29. Januar 1993 zugestellt wurde.Abs. 36
Mit Schreiben vom 16. April 1993 (GA 38) erklärte die Klägerin die Wandlung des Lizenzvertrages unter Fristsetzung zur Rückabwicklung bis zum 7. Mai 1993 und kündigte mit Schreiben vom 30. Juli 1993 (GA 40) die Einreichung der Klage an, die am 22. September 1993 erfolgte.Abs. 37
Die Beklagte geriet in der Folgezeit in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten. Sie war ab August 1994 nicht mehr liquide (GA 228); im Dezember 1994 wurde die Sequestration angeordnet (GA 229). Zum Sequester wurde Rechtsanwalt G. bestellt (GA 229). Am 10. November 1995 wurde die Beklagte infolge Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse aufgelöst und am 18. März 1997 wegen Vermögenslosigkeit gelöscht (GA 811).Abs. 38
Die Klägerin hat vorgetragen, Gegenstand des Softwarevertrages sei von Anfang die Entwicklung einer J.-spezifischen Ars-Software auf der Grundlage der vorhandenen ars rheumatologica gewesen. Weitere, darüber hinausgehende Verträge bezüglich der Entwicklung von Software seien zwischen den Parteien nicht geschlossen worden. Die Beklagte habe keine brauchbare Lösung entwickelt und implementiert. Die von ihr installierte Software erfülle nicht die Praxisanforderungen. Deshalb habe sie, die Klägerin, zu Recht die Wandlung des Lizenzvertrages erklärt und könne die geleisteten Zahlungen von der Beklagten zurückfordern.Abs. 39
Das Landgericht hat am 21. Dezember 1993 gegen die Beklagte Versäumnisurteil dahin erlassen, an die Klägerin Zug um Zug gegen Rückzahlung von 201.085,97 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 8. Mai 1993 die an die Klägerin gelieferte ars-Dokumentationssoftware zurückzunehmen.Abs. 40
Nachdem die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt hatte, hat die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil des Landgerichts aufrechtzuerhalten.

Abs. 41
Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Abs. 42
Sie hat behauptet, Gegenstand des Lizenzvertrages sei nur die bereits existente "ars rheumatologica" gewesen, während die Entwicklung der "ars orthopaedica" und die Erstellung der Software für das Ausfüllen der Formulare der Leistungsträger gesondert in Auftrag gegeben worden seien. Die Klägerin könne daher nicht wandeln oder vom Vertrag zurücktreten. Insofern sei ihr Rückforderungsanspruch auch verjährt.Abs. 43
Widerklagend hat sie beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 1.053,410,-- DM nebst 15 % Mehrwertsteuer zu zahlen.

Abs. 44
Sie hat vorgetragen, der Lizenzvertrag vom 10. September 1990 habe nur die von ihr bereits entwickelte "ars rheumatologica" zum Gegenstand gehabt. Soweit die Klägerin darüber hinaus die Entwicklung einer J.-spezifischen Software "ars orthopaedica" verlangt habe, sei dies ebenso wie die Entwicklung der Software für die Ausfüllung der Formulare der Leistungsträger Gegenstand eines gesonderten, mündlich erteilten Auftrages gewesen. Dabei sei klar gewesen, dass - wie branchenüblich - die Vergütung nach Aufwand erfolgen sollte. Die Klägerin schulde die Vergütung dieses zusätzlichen Aufwandes jedenfalls in Höhe des Selbstkostenpreises von 800.400,-- DM. Außerdem schulde sie für die "ars rheumatologica" die Lizenzgebühren, auf die die Klägerin nur 40 % der Erstlizenz gezahlt habe.Abs. 45
Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Abs. 46
Sie hat die Auffassung vertreten, im Hinblick auf die insgesamt unbrauchbare und unvollständige Leistung der Beklagten stehe dieser weder für die gelieferte Software noch für Entwicklungsleistungen ein Anspruch zu, den diese mit der Widerklage geltend machen könne.Abs. 47
Das Landgericht hat nach Beweiserhebung durch Einholung schriftlicher Aussagen der Zeugen Dr. B., H., Ga. und Dr. F. das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Widerklage abgewiesen. Die Beklagte hatte für die von ihr benannten Zeugen die geforderten Auslagenvorschüsse nicht eingezahlt, allerdings nach Schluss der mündlichen Verhandlung schriftliche Aussagen der Zeugen Gi. und Sch. überreicht, mit deren Verwertung sich beide Parteien im Berufungsverfahren einverstanden erklärt haben.Abs. 48
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin könne nach § 7 des Lizenzvertrages die Wandlung des Lizenzvertrages verlangen. Dieser echte Lizenzvertrag weise viele werkvertraglichen Elemente auf, räume dem Lizenzgeber bei Fehlern zunächst ein Nachbesserungsrecht ein und gebe bei Fehlschlagen der Nachbesserung dem Lizenznehmer das Recht der Wandlung oder Minderung, wobei die Klägerin von ihrem Wandlungsrecht Gebrauch gemacht habe.Abs. 49
Die Klägerin sei zur Wandlung berechtigt gewesen, weil es der Beklagten nach den Aussagen der Zeugen Dr. B., H., Ga. und Dr. F. letztlich nicht gelungen sei, ein praxistaugliches Softwaresystem zu installieren. Hierfür spreche auch, dass über einen Zeitraum von fast drei Jahren Nachbesserungsbemühungen im Gange gewesen seien, in deren Verlauf die Beklagte kein einziges Mal eine Abnahme unter Hinweis auf eine einwandfreie Fertigstellung verlangt habe. Die Klägerin habe damit den Beweis der Mangelhaftigkeit der Software erbracht. Die von der Beklagten angebotenen Beweismittel (Zeugen- und Sachverständigenbeweis) hätten nicht erhoben werden müssen, weil die Beklagte die Auslagenvorschüsse nicht fristgerecht gezahlt habe (§ 356 ZPO).Abs. 50
Die Beklagte habe auch nicht bewiesen, dass zusätzlich zu den schriftlichen Verträgen ein mündlicher Vertrag über die Entwicklung/Weiterentwicklung der Software geschlossen worden sei. Keiner der Zeugen habe den Vortrag der Beklagten über den Abschluss eines solchen mündlichen Vertrages über eine noch zu gestaltende "ars orthopaedica" bestätigt, die Aussage des Zeugen Dr. B. spreche im Gegenteil gegen einen gesonderten mündlichen Vertrag. Deshalb sei auch der Widerklage der Erfolg versagt. Die Beklagte könne mit der Widerklage auch keine weiteren Lizenzgebühren fordern, weil die in Lizenz überlassene Software nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unbrauchbar gewesen sei.Abs. 51
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten.Abs. 52
Die Beklagte trägt nunmehr vor, dass - entsprechend den Erklärungen des Zeugen Ga. in der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2000 - der Klägerin klar gewesen sei, dass erheblich investiert werden müsse (GA 648). Sie bestreitet, dass ihr Geschäftsführer bei Vertragsabschluss zum Ausdruck gebracht habe, dass eine J.-spezifische Anpassung "sehr leicht ohne viel Aufwand möglich sei". Vielmehr habe Frau Dr. Br. vor der ersten Vorführung in einem sehr ausführlichen Telefonat erklärt, dass das Programm bisher nicht auf die Orthopädie ausgerichtet worden sei, dass aber eine Ausweitung möglich sei (GA 649).Abs. 53
Für sie, die Beklagte, sei die Arbeit für die Klägerin interessant gewesen, weil sich ein neuer Markt aufgetan habe, wobei sie natürlich bereit gewesen sei, die speziellen Bedürfnisse der Klägerin zu befriedigen (GA 232).Abs. 54
Mit Schriftsatz vom 12. September 1997 hat die Beklagte die Widerklage um die Folgelizenzen erweitert (GA 453).Abs. 55
Sie beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 21. Dezember 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 3.935.935,70 DM nebst 15 % Umsatzsteuer nebst 5% Zinsen aus 1.053.410,00 DM seit Rechtshängigkeit (9. Januar 1994, GA 178, 190) und aus 2.616.205,70 DM seit Rechtshängigkeit (23. Dezember 1996, GA 374, 388) und aus 266.320,00 DM seit Rechtshängigkeit (17. September 1997, GA 453) zu zahlen.

Abs. 56
Die Klägerin hat Anschlussberufung erhoben (GA 304ff.) und beantragt,

die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor des Versäumnisurteils des Landgerichts Aachen vom 21. Dezember 1993 - 1 O 439/93 - abgeändert und wie folgt neu gefasst wird: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zug um Zug gegen Rücknahme der ARS-Dokumentationssystemsoftware 201.095,97 DM nebst 12% Zinsen seit dem 8. Mai 1993 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der ARS-Dokumentationssystemsoftware in Verzug befindet.

Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

Abs. 57
Die Beklagte hat beantragt,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Abs. 58
Der Senat hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 22. Dezember 1995 (GA 343ff.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. Sp., GA 406ff.) sowie das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R., GA 565ff., Bezug genommen.Abs. 59
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.Abs. 60

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Auch die weitergehende Widerklage ist unbegründet. Auf die Anschlussberufung der Klägerin war hingegen der Tenor des erstinstanzlichen Versäumnisurteils, der allerdings auf dem eigenen Antrag der Klägerin beruhte, neu zu fassen.Abs. 61

I.

1. Bedenken gegen die Partei- oder Prozessfähigkeit der Beklagten bestehen nicht. Zwar ist die beklagte GmbH wegen Vermögenslosigkeit am 18.3.1997 von Amts wegen gelöscht worden (GA 809ff.). Dennoch ist sie in einem Rechtsstreit parteifähig, der - wie hier - Ansprüche zum Gegenstand hat, die sich nach der Löschung als vorhanden herausstellen. Mit der Widerklage nimmt die Beklagte eine Forderung von fast vier Mio. DM für sich in Anspruch, bei deren Bestehen eine Vermögenslosigkeit nicht mehr gegeben wäre. Für die Parteifähigkeit genügt, dass mit der Klage (oder Widerklage) Ansprüche geltend gemacht werden (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 50 Rdnr. 4b).
Abs. 62
Dem Erlass eines Sachurteils steht nicht entgegen, dass nach der Auffassung des Senats die Widerklageforderung nicht besteht. Auch wenn sich herausstellt, dass der Anspruch, dessen sich die gelöschte GmbH berühmt, nicht begründet ist, so ist die Klage nicht etwa durch Prozessurteil, sondern durch Sachurteil abzuweisen (vgl. Zöller/Vollkommer aaO). Auch die Prozessführungsbefugnis der Beklagten ist gegeben. Zur Vertretung einer gemäß § 141a FGG (bisher § 2 Abs. 1 LöschG) wegen Vermögenslosigkeit gelöschten GmbH sind die vom Gericht gemäß § 66 Abs. 5 GmbHG (bisher § 2 Abs. 3 LöschG) neu bestellten Liquidatoren befugt (Zöller/Vollkommer aaO § 51 Rdnr. 4a). Die Bestellung des Steuerberaters Wa. als Nachtragsliquidator ist von der Beklagten durch Vorlage des Beschlusses des Amtsgerichts Aachen vom 20. November 2000 (GA 862) belegt.Abs. 63
2. Auch die Rüge der fehlenden Prozessvollmacht (GA 804) greift nicht durch. Zum einen hat die Beklagte vorgetragen, der seinerzeitige Sequester Rechtsanwalt G. habe die Vollmacht zur Einlegung der Berufung erteilt (GA 333). Zum anderen hat nach Aufhebung der Sequestration am 14.7.1995 (GA 338) der Geschäftsführer Dr. W., der später auch Nachtragsliquidator gewesen ist (GA 862), die bisherige Prozessführung genehmigt (vgl. dazu OLG Rostock OLG Report 2000, 455f.). Im übrigen ermächtigt die einmal erteilte Vollmacht auch zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, auch zur Erhebung der Widerklage und zur Klageerweiterung (§ 81 ZPO; vgl. Zöller/Vollkommer aaO § 81 Rdnr. 2a). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Erhöhung der Widerklage durch den Geschäftsführer Dr. W. als damaligen Nachtragsliquidator oder einen anderen Nachtragsliquidator genehmigt worden ist.Abs. 64

II.

Die Berufung der Beklagten und die weitergehende Widerklageforderung sind nicht begründet; die Anschlussberufung ist hingegen gerechtfertigt.
Abs. 65
Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben, wobei der Tenor des Versäumnisurteils im Sinne der Anschlussberufung klarstellend neu zu fassen war.Abs. 66
Die Klägerin ist berechtigt, die gezahlte Lizenzgebühr zurückzuverlangen. Hingegen stehen der Beklagten weder die weiteren Lizenzgebühren noch Ansprüche wegen der Anpassung und Entwicklung einer J.-spezifischen Software zu.Abs. 67
Zwischen den Parteien ist hinsichtlich der Hardware ein Kaufvertrag, im übrigen ein Lizenzvertrag zustande gekommen. Dabei kann zunächst dahin stehen, ob Gegenstand des Lizenzvertrages nur die bereits existente Software gewesen ist oder auch die weiteren Entwicklungsarbeiten mit den vereinbarten Lizenzgebühren abgegolten sein sollten. Denn jedenfalls ist auch nach dem Vorbringen der Beklagten kein gesonderter (Werk-)vertrag zwischen den Parteien mit dem Inhalt zustande gekommen, dass die Arbeiten an der Weiterentwicklung der Software von der Klägerin gesondert vergütet werden sollten.Abs. 68
Der Lizenzvertrag vom 10. September 1990 umfaßte auch die "ars orthopaedica". Unstreitig war Gegenstand der Vereinbarungen der Parteien, die von der Beklagten im Auftrag des Bundesforschungsministeriums entwickelte Ars-Software auf die Bedürfnisse der Klägerin anzupassen und zu erweitern, wobei auch schon vor Abschluss der Verträge seitens der Klägerin zum Ausdruck gebracht worden war, dass auch die Ausfüllung der Formulare für die Versicherungsanstalten und Rententräger per EDV ermöglicht werden sollte. Zwar wird in dem schriftlichen Lizenzvertrag nur eine Lizenzgebühr "für die installierte ars-Software" genannt, ohne diese näher zu beschreiben. Dass der Lizenzvertrag eine auf die Bedürfnisse der Klägerin zugeschnittene "ars orthopaedica" zum Gegenstand hatte, ergibt sich aber mit aller Deutlichkeit aus den auf die Auflage des Senats vorgelegten Angeboten der Beklagten. Im Angebot vom 6. August 1990 (GA 670) nimmt die Beklagte auf die Besichtigung der Klinik der Klägerin Bezug und stellt ein "spezifisches Hard- und Software-Angebot für Ihre Klinik" vor. Im Schreiben vom 10. August 1990 (GA 677) übersendet sie "ein überarbeitetes Angebot für unser Dokumentationssystem ars orthopaedica (!) sowie die überarbeiteten Kauf- und Lizenzverträge". Das heißt aber eindeutig, dass Gegenstand des Lizenzvertrages die an die Bedürfnisse der Klägerin anzupassende Ars-Software gewesen ist. Aus der - entscheidenden - Sicht der Klägerin war damit bei Abschluss der Verträge am 10. September 1990 auch die weitere Entwicklungsarbeit in das Vertragswerk einbezogen.Abs. 69
Dem stehen zwar die im Einverständnis der Parteien verwertbaren schriftlichen Aussagen der Zeugen Gi. (GA 145a) und Sch. (GA 147a) entgegen, wonach der Lizenzvertrag nur die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses existenten und der Klinikleitung vorgeführten Rheumatologiemodelle betroffen habe. Beide Zeugen waren aber bei Vertragsschluss nicht anwesend und haben auch die vorbereitenden Vertragsgespräche nicht geführt. Der Zeuge Gi. schlussfolgert vielmehr aus der Tatsache, dass bei Vertragsschluss nur die Rheumatologie-Software existierte und dass der Lizenzvertrag nur die Nutzung existenter Software regeln könne, dass der Lizenzvertrag deshalb die Nutzung der Orthopädie-Software nicht betroffen haben könne. Der als studentische Hilfskraft beschäftigte Zeuge Sch. konnte nur zum unstreitigen Stand der Softwareentwicklung bei Vertragsschluss, nicht aber zu den vertraglichen Abreden der Parteien aussagen.Abs. 70
Demgegenüber hat der seinerzeit ebenfalls für die Beklagte tätige Zeuge Dr. B. bestätigt, dass von vornherein ein "geschlossenes klinisches Diagnose- und Verwaltungssystem in den Bereichen Orthopädie und Rheumatologie" installiert werden sollte (GA 112ff.). Auch er konnte aber zu den ursprünglichen Vertragsvereinbarungen der Parteien keine Angaben machen.Abs. 71
Hingegen hat der Zeuge H., der auf das Programmangebot der Beklagten durch die Lektüre der Computerzeitschrift "COMPAQ" aufmerksam geworden war, ausgesagt (GA 152f.), der bei der Programmpräsentation vorgestellte Bericht habe nicht den Vorstellungen des Hauses J. entsprochen. Es sei dabei diskutiert worden, welche Änderungen in dem vorgeführten Programm noch erforderlich seien. Vor Vertragsabschluss seien noch Besprechungen darüber geführt worden, mit welchen Erweiterungen das zu bestellende Programm noch auszustatten sei. Der Abschluss einer zusätzlichen mündlichen Vereinbarung sei ihm nicht bekannt. Auch die Zeugen Ga. (GA 161) und Dr. F. (GA 164) haben mündliche Vereinbarungen, die über den Lizenzvertrag hinausgingen, nicht bestätigt.Abs. 72
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass es solche mündlichen Nebenabreden nicht gegeben hat und dass diese jedenfalls nicht eine besondere Vergütungspflicht der Klägerin bezüglich der weiteren Entwicklungsarbeiten zum Gegenstand hatten. Dies folgt schon daraus, dass die Klägerin, wie auch die Beklagte im Schreiben vom 8. August 1991 festgehalten hat (GA 255), von vornherein klargestellt hat, dass sie mit dem präsentierten System "ars rheumatologica" in dem Sinne nicht zufrieden war, als sie ein im output verfeinertes, ihren Wünschen und Bedürfnissen besser entsprechendes Dokumentationssystem haben wollte. Vor diesem Hintergrund macht es wenig Sinn, wenn sie einen Lizenzvertrag über eine fünfjährige Vertragsdauer abgeschlossen hätte, obwohl sie die vorhandene Software für ihre Zwecke nicht zufriedenstellend einsetzen konnte. Ihr von Anfang an geäußerter Wunsch, auch die Orthopädie einzubeziehen und die Software mit den Vorgaben des verwendeten Krankenblatts in Einklang zu bringen sowie das Ausfüllen der Formulare der Versicherungsträger per EDV zu ermöglichen, machte der Beklagten deutlich, dass nur eine so erweiterte Software für die Klägerin von Interesse war. Die Beklagte hatte die Klinik der Klägerin vor Vertragsabschluss besichtigt und die Vorstellungen der Klägerin sowohl dort als auch in A. besprochen. Sie musste sich daher darüber im klaren sein, dass ihr Angebot über die Lizensierung einer "ars orthopaedica" von der Klägerin so verstanden werden würde, dass damit nicht die existente Version, sondern eine auf die Bedürfnisse der Klägerin anzupassende Software Vertragsgegenstand sein würde. Dass nur eine solche angepasste Software für eine Rehabilitationsklinik vom Zuschnitt der Klägerin brauchbar war, hatte die Klägerin auch durch ihre Frage, ob die Beklagte über genügend Entwickler verfüge, hinreichend deutlich gemacht; dies war für die Beklagte, die sich über Jahre im Forschungsbereich gerade auch mit den medizinischen Vorgaben eng vertraut gemacht hatte, überdies ohne weiteres ersichtlich.Abs. 73
Die Beklagte räumt selbst ein, dass schon vor, jedenfalls bei der Unterzeichnung der schriftlichen Verträge die Krankenblätter der Klägerin und die Formulare der Renten- und Versicherungsträger angesprochen oder übergeben worden sind. Dabei kann durchaus als richtig unterstellt werden, dass ihr damaliger Geschäftsführer Dr. W. erklärt hat, der besonderen Problematik der Ausfüllung der Formulare werde man sich später widmen, wenn die Probleme wegen der unstreitig gewünschten Einbeziehung der Orthopädie gelöst seien. Dass Dr. W. dabei erklärt haben will, das Thema Formulare müsse später im Rahmen eines künftigen Auftrages behandelt werden, reicht indes nicht aus, um insoweit das Zustandekommen eines gesonderten Vertrages anzunehmen, in dem sich die Klägerin verpflichtet hätte, den üblichen Werklohn für eine solche Entwicklungsarbeit zu leisten. Ein solcher bloßer Hinweis auf einen zukünftigen gesonderten Auftrag führte aus der damaligen Sicht der Klägerin nicht zur Annahme eines solchen gesonderten Vertragsschlusses. Auch später haben die Parteien sich hinsichtlich der Entwicklung der Formulare nicht auf die Herausnahme dieser Arbeiten aus dem Lizenzvertrag und den Abschluss eines gesonderten vergütungspflichtigen Vertrages geeinigt.Abs. 74
Gegen den Abschluss mündlicher Zusatzaufträge spricht ferner, dass die Parteien die schriftlichen Verträge sorgfältig vorbereitet und ihre Änderungswünsche auch jeweils schriftlich abgestimmt haben. So hat die Klägerin den Kaufvertrag über die Hardware von dem Abschluss eines Wartungsvertrages abhängig gemacht hat ("ohne Wartungsvertrag keinen Kaufvertrag") und sich im Kaufvertrag zusichern lassen, dass die Hardware für die einzusetzende Software richtig dimensioniert war. Dies und die zahlreichen weiteren Anmerkungen der Klägerin zu den Vertragsangeboten der Beklagten zeigen, dass sie auf den Abschluss der schriftlichen Verträge große Sorgfalt aufgewandt hat. Mit ihrem umsichtigen Verhalten ist es schlechterdings nicht vereinbar, dass sie einen Lizenzvertrag über die vorhandene "ars-Software" geschlossen hätte, ohne die sich angesichts des Zuschnittes ihrer Klinik aufdrängenden Fragen der Fassung der Arztberichte, der Ausfüllung der Formulare und der Einbeziehung der Orthopädie einer schriftlichen Vertragsregelung zuzuführen und nicht einmal eine mündliche Absprache über den Umfang und die voraussichtlichen Kosten einer solchen Entwicklungsarbeit zu treffen, wie sie auch nach der Darstellung der Beklagten nicht erfolgt ist. Die Beklagte hat keine nachvollziehbaren Gründe dafür dargelegt, warum man am 10. September 1990 zwei schriftliche Verträge abgeschlossen hat, den dritten Vertrag aber, der der Beklagten besondere Entwicklungsarbeiten abverlangte und nach ihrer jetzigen Vorstellung erheblich größere finanzielle Konsequenzen haben soll als die beiden schriftlichen Verträge, nur mündlich abgeschlossen, und zwar ohne in dem schriftlichen Lizenzvertrag etwa klarzustellen, dass entgegen der Formulierung im Angebot nur die vorhandene "ars rheumatologica" lizensiert werden sollte.Abs. 75
Nachdem die Klägerin nicht etwa, wie die Beklagte meint, nur "vage Vorgaben" gemacht, sondern durch die Überlassung der Krankenblätter und die diskutierte Notwendigkeit der Ausfüllung von Formularen für die Versicherungs- und Rententräger sowie die auch im Kaufvertrag (GA 19) erwähnte Generierung der Entlassungsbriefe ihre Bedürfnisse an eine neue Hard- und Software klar zu erkennen gegeben hatte, hätte es der Beklagten oblegen zu prüfen, ob sie diese Anforderungen erfüllen und der Klägerin auch ein für sie wirtschaftlich attraktives Angebot machen konnte. Das Risiko einer Fehlkalkulation lag dabei aus der Sicht beider Parteien eindeutig bei der Beklagten, die allein beurteilen konnte, welche Zeit und Arbeitskraft sie in die Weiterentwicklung ihrer Software noch stecken musste, um die im Ansatz klaren Vorstellungen der Klägerin zu erfüllen.Abs. 76
Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Zeuge Ga. habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, es sei von vornherein klar gewesen, dass erheblich investiert werden müsse (GA 648). Zum einen bedeuteten die Anschaffung der EDV-Anlage und der Abschluss des Lizenzvertrages selbst bereits "erhebliche Investitionen". Zum anderen kann aus einer solchen vagen Einschätzung des Zeugen nicht abgeleitet werden, dass die verantwortlichen Entscheidungsträger der Klägerin bereit waren, die Weiterentwicklung der Software durch die Klägerin insgesamt und neben dem Lizenzvertrag zu finanzieren. Dass sie im Falle der erfolgreichen Entwicklung der Software bereit gewesen wären, Zusatzaufträge zu erteilen, steht der Annahme, dass zunächst das Anforderungsprofil der Klägerin erfüllt werden sollte, nicht entgegen.Abs. 77
Auch die Regelung über die Lizenzgebühren spricht dafür, dass die gesamte "ars-Software" Gegenstand des Lizenzvertrages geworden ist. Hätten die Parteien den Vertrag nur über die "ars rheumatologica" abschließen wollen, so hätten sie für die fünfjährige Vertragsdauer identische Jahreslizenzen vereinbaren können. Dadurch, dass die Beklagte demgegenüber für die Software im ersten Jahr eine gegenüber den Folgejahren deutlich höhere Lizenzgebühr ansetzte, brachte sie gegenüber der Klägerin zum Ausdruck, dass damit der höhere Entwicklungs- und Installationsaufwand im ersten Jahr mit abgegolten sein sollte. Die Regelung, dass 40% der ersten Lizenzgebühr bei Wirksamwerden des Vertrages und 60% bei Inbetriebnahme und Übergabe der DV-Programme fällig werden sollten (GA 12), spricht dafür, dass auch die zukünftig erst zu entwickelnden Programme mit umfaßt werden sollten.Abs. 78
Dass die Beklagte selbst davon ausging, dass mit den Lizenzgebühren ihr gesamter Arbeitseinsatz für die Weiterentwicklung des Projekts abgegolten sein sollte und der Lizenzvertrag sich folglich von Anfang an auf eine J.-spezifische Softwareentwicklung erstreckte, zeigt auch die nachfolgende Entwicklung bis Juni 1991. Wäre Gegenstand des Kauf- und Lizenzvertrages nur die Lieferung der Hardware und die Installation der vorhandenen Software "ars rheumatologica" gewesen, so hätte nichts näher gelegen, als diese zunächst zu beschaffen und zu installieren, um über den Kaufpreis für die Hardware und die Softwarelizenzen möglichst schnell Einnahmen zu erzielen. Vor dem Hintergrund der unstreitig im Februar 1991 bereits angesprochenen Liquiditätsschwierigkeiten der Beklagten ist nur schwer verständlich, dass die Beklagte bis Mai 1991 mit der Installation der Hard- und Software zuwartete, wenn es nicht darum ging, dass von vornherein die Anpassung der Software und Installation dieser spezifischen Software geschuldet war. Nachdem Dr. Z. im Februar 1991 in Aussicht gestellt hatte, die aus der Sicht der Beklagten abgeschlossenen Arbeiten zu begleichen, hat diese nicht etwa Entwicklungsarbeiten an der "ars orthopedica", die nach den vorgelegten Masken (GA 698ff.) im Jahre 1990 durchgeführt wurden, in Rechnung gestellt, sondern Mitarbeiterkosten vor Ort, im wesentlichen für eine Präsentation vor Kassenvertretern im Februar 1991. Auch dies ist nicht nachvollziehbar, wenn Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen ein gesonderter mündlicher Auftrag über Softwareentwicklungsarbeiten gewesen wäre.Abs. 79
Die Installation einer Probeversion Anfang 1991 an drei Tischen spricht ebenfalls gegen die Darstellung der Beklagten von einem neben den schriftlichen Verträgen bestehenden mündlichen Entwicklungsauftrag. Nach den Anmerkungen von Dr. F., die der Zeuge B. in einem Bericht festhielt (GA 148), sollte danach eine Akzeptanztestung des Systems stattfinden.Abs. 80
Auch das Gesprächsprotokoll vom 3. Juni 1991 (GA 30) spricht dafür, dass der Lizenzvertrag die Generierung der Arztbriefe und Formulare umfaßte. Wenn es zum "derzeitigen Programmstand" heißt: "Alle Programme für die Erfassung der Untersuchungsdaten sind vorhanden. .. Die Datenbank ist installiert. Die Erfassung der Aufnahmedaten und die Ausgabe der Arztberichte ist vorhanden. Der Ausdruck der Formulare ist für ein Formular erstellt. Die Übernahme der Labordaten ist noch offen. Die Ausbildung der Ärzte, des Verwaltungspersonals und der Systemverwalter steht noch aus.", so beruht dies auf den damaligen Angaben von Dr. W. und berechtigt zu dem Schluss, dass auch die Beklagte davon ausging, dass diese Leistungen geschuldet waren. Dies folgt auch aus den weiteren Darlegungen in der Gesprächsnotiz vom 3. Juni 1991 (GA 30), in der es heißt: "Für den Praxisstart wurde eine Mindestleistungsumfang einer Version ARS 1.0 besprochen." sowie "Der Verwaltungsbereich steht und fällt mit dem Handling der Formularausdrucke." Hätte es sich bei den in dem Gesprächsprotokoll genannten Angaben zum damaligen Programmstand um zusätzliche Leistungen gehandelt, die neben der vereinbarten Lizenzgebühr gesondert vergütet werden sollten, so hätte die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt bereits die volle Lizenzgebühr verdient gehabt. Warum dann nach ihrem Vortrag die im Juni 1991 unstreitig gezahlten 110.000 DM nicht als Betrag für die Lizenzen, sondern als Vorschuss auf Entwicklungsarbeit geflossen sein sollen, ist nicht verständlich. Der dahingehende Vortrag der Beklagten, der überdies mit ihren gegenteiligen Darlegungen im Schriftsatz vom 10.01.1994 (GA 63) in Widerspruch steht, ist nicht damit in Einklang zu bringen, dass die Beklagte bei den vorhandenen ernsten Liquiditätsschwierigkeiten zunächst die vollständige Jahreslizenz für die fertige Software "ars rheumatologica" gefordert hätte, wenn sich hierauf der Lizenzschein bezog, statt sich einen Vorschuss auf Entwicklungsarbeiten zahlen zu lassen, für die die Parteien schriftlich keine Vereinbarungen getroffen hatten. Auch dieses Verhalten zeigt, dass die Lizenzgebühr sich auf die gesamte "ars-Software" beziehen sollte.Abs. 81
Selbst wenn man aber jedenfalls hinsichtlich der Arbeiten an der Verbesserung der Arztbriefe und der Ausfüllung der Formulare annehmen wollte, diese seien nicht Gegenstand des Lizenzvertrages, so führt das mangels abweichender Absprachen nicht dazu, dass diese nur gegen Entgelt zu erwarten waren. Die Beklagte war vielmehr von sich aus interessiert, die Entwicklung ihrer Software voranzutreiben. Die vereinbarte Lizenzgebühr für eine fünfjährige Laufzeit mag zwar den schon bei Vertragsschluss absehbaren Aufwand für die Softwareentwicklung wirtschaftlich nicht gerechtfertigt haben. Zu bedenken ist aber, dass die Beklagte ein erhebliches Eigeninteresse an der Weiterentwicklung der Software hatte. Mit Hilfe der Klägerin und ihrer fachkundigen Ärzte war sie nämlich in der Lage, ihr Programm weiterzuentwickeln, um es anschließend auf den Markt zu bringen. Der Zeuge B. hat bestätigt, dass die Beklagte das Softwareprogramm für die Klägerin, aber auch für niedergelassene Ärzte schrieb (GA 122, 126, 129, 143). Dass die Beklagte entgegen ihrem Vorbringen nicht eine allein auf die Bedürfnisse der Klägerin zugeschnittene Individualsoftware entwickeln, sondern ihre Entwicklungsarbeiten auch weiter vermarkten wollte, ergibt sich nicht nur aus der Einbeziehung der niedergelassenen Ärzte, sondern weiter daraus, dass die Beklagte noch am 26. August 1993 über ihren damaligen Bevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. Za., mitteilen ließ, dass sie sich bemühe, die Rechte an der Software zu "verkaufen" und dass es für einen Käufer sehr interessant und wichtig sei, die Klägerin, der sie weder Eigentums- noch Urheberrechte an der neuen Software eingeräumt hatte, als Referenz-Anwenderin zu gewinnen (GA 152a). Vor diesem Hintergrund ist auch das Bemühen des damals neuen Geschäftsführers Ha. zu sehen, das Projekt zum Abschluss zu bringen, "ohne die finanzielle Frage in der Vordergrund zu spielen" (GA 666). Für die Beklagte bedeutete der Kontakt zu der Klägerin und der erfolgreiche Abschluss des Projekts zweifellos eine große Chance, das weiterentwickelte Projekt auch anderweitig zu vermarkten.Abs. 82
Die Beklagte hat die von ihr geschuldete Leistung, nämlich die Installation der "J.-spezifischen" Software für die Orthopädie und Rheumatologie sowie die EDV-unterstützte Bearbeitung der Formulare der Leistungsträger, nicht erbracht. Die Klägerin war, da eine Abnahme der Leistungen ausweislich des von den Parteien jetzt vorgelegten Schriftwechsels nicht stattgefunden hat, berechtigt, von dem Lizenzvertrag, der überwiegend werkvertraglichen Charakter hat, nach § 326 BGB zurückzutreten, nachdem der Beklagten zahlreiche Nachbesserungsversuche eingeräumt worden sind und es dieser nicht gelungen ist, ein abnahmefähiges Werk zu erstellen, jedenfalls aber, den Vertrag nach § 634 Abs. 1 S. 2 BGB zu wandeln. Insofern kommt auch eine Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Klägerin nicht in Betracht.Abs. 83
Soweit die Klägerin ihr Rückforderungsbegehren auf Wandlung nach § 7 des Lizenzvertrages stützt, dürfte die Anwendung dieser Anspruchsgrundlage zweifelhaft sein, weil es in ihr um Gewährleistung dafür geht, dass Teile der Lieferung infolge schlechten Materials, fehlerhafter Konstruktion oder mangelhafter Ausführung schadhaft oder unbrauchbar werden, während die Klägerin vorliegend beanstandet, dass das Programm nicht den Anforderungen entspricht. Auch wenn es sich um einen Lizenzvertrag handelt, so folgt aus dieser Regelung nach Auffassung des Senats, dass auch die Parteien werkvertragliche Regelungen anwenden wollten. Vor der Abnahme stehen der Klägerin aber die allgemeinen Rechte aus §§ 320 ff., 326 BGB, jedenfalls aber aus § 634 Abs. 1 S. 2 BGB zu.Abs. 84
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen vor. Der Beklagten ist es trotz dreijähriger Nachbesserungsversuche und zahlreicher Fristsetzungen der Klägerin mit Ablehnungsandrohung, zuletzt mit Schreiben vom 23. Januar 1993 (GA 801) nicht gelungen, die geschuldete Software zu erstellen. Die von ihr am 18. September 1991 und zu späteren Zeitpunkten aufgespielte Software war, jedenfalls was die Arztberichte und die Formulare angeht, nicht fertiggestellt. Die Beklagte kann sich angesichts der vorgelegten Korrespondenz zwischen den Parteien nicht darauf berufen, am 30. September 1991 sei die Software abnahmefähig installiert gewesen und die Klägerin habe die Abnahme verweigert, indem sie zum Abnahmetermin nicht erschienen sei. Abgesehen davon, dass die Klägerin zuvor vergeblich um Bestätigung des Termins gebeten hatte und auch nach dem 30. September 1991 erfolglos versuchte, einen neuen Abnahmetermin zu vereinbaren, war die Software auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig gestellt. Die Beklagte hat bis zur Einreichung der Klage im Jahre 1993 vielmehr die geschuldete Gesamtlösung nicht entwickelt. Wie die Bemühungen der Beklagten um die Vervollständigung der Software Ende 1991 und 1992 zeigen, war sie über mehr als ein Jahr damit befasst, die von der Klägerin von Anfang an gewünschte Lösung zu implementieren. Ihre eigenen Schreiben aus dieser Zeit zeigen, dass sie selbst davon ausging, das vertragliche Ziel einer J.-spezifischen Lösung noch nicht erreicht zu haben. Noch im Schreiben vom 2. Juni 1992 (GA 835ff.), in dem die Beklagte den Ist-Zustand beschreibt, formuliert sie weiteren Handlungsbedarf, wobei sie die Programmierung der gesamten J.-spezifischen Lösung selbst erst für zu 75% abgeschlossen hält. Sie hat auch schriftsätzlich eingeräumt, dass das Projekt letztlich nicht abgeschlossen worden ist (GA 602).Abs. 85
Der Senat ist danach davon überzeugt, dass der Beklagten die Entwicklung der von vornherein versprochenen Lösung nicht gelungen ist und dass die Nichtfertigstellung der Arbeiten nicht etwa darauf beruhte, dass die Klägerin immer neue Anforderungen stellte, die über die ursprünglich verlangte Leistung hinausgingen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin ein Pflichtenheft nicht erstellt hat und dass - wie von vornherein konzipiert - die Einzelheiten erst im Laufe der Entwicklungsarbeiten besprochen worden sind. Aus den schriftlichen Unterlagen folgt aber hinreichend, welche Anforderungen die Klägerin an die Software gestellt hat und dass sich die Beklagte hiermit einverstanden erklärte. Aus dem Gesprächsprotokoll vom 3. Juni 1991 (GA 29f.) ergibt sich nicht nur der damalige Programmstand und das beabsichtigte weitere Vorgehen nach den Angaben des Geschäftsführers der Beklagten, sondern auch, dass für den Praxisstart ein Mindestleistungsumfang einer Version ARS 1.0 besprochen und vereinbart wurde, zusätzlich alle Formulare für die Kostenträgerabrechnung fertig zu stellen. Ferner wurde am 4. Juni 1991 festgestellt, dass der Arztbericht nur eine wenig sinnvolle Auflistung von Befunden enthalte. Aus der handschriftlichen Notiz vom 3. Juli 1991 (GA 793) folgt, dass die Abstimmung des Arztbriefes in einer Besprechung am 12. Juli und die Abstimmung der Masken und leichte Ergänzungen am 13. Juli 1991 erfolgen sollten. Für die voraussichtliche Realisation der Entlassungsberichte inklusive der Bauernkassen wurde der 15. September 1991 vorgesehen, die Realisierung der textlichen Anteile sollte entsprechend der für den 13. Juli 1991 vorgesehenen inhaltlichen Abstimmung am 30. September 1991 erfolgen. Die am 5. Juli 1991 verfassten Mängelliste (GA 34ff.) zeigt weiter, welche Anforderungen das Programm noch nicht erfüllte. Die Beklagte selbst fasste unter dem 16. Juli 1991 (Anl. BB 12 z. SS v. 22.12.1999, Bd. III) das Anforderungsprofil an den ärztlichen Entlassungsbericht zusammen.Abs. 86
Die danach gemeinsam im Sommer 1991 festgestellten Mängel sind in der Folgezeit nicht behoben und das Anforderungsprofil damit nicht erfüllt worden. Wie sich aus dem unstreitigen Sachvortrag und der durchgeführten Beweisaufnahme ergibt, ist es der Beklagten letztlich nicht gelungen, ein praxistaugliches Softwaresystem zu installieren, das den Anforderungen der Klägerin entsprach. Der Zeuge Dr. B. hat allerdings über die weitere Entwicklung keine Angaben machen können, weil er bereits im Juli 1991 bei der Klägerin ausgeschieden ist; er hat den übereinstimmenden Vortrag aber bestätigt, dass bis dahin die Anforderungen noch nicht erfüllt waren. Der Zeuge H. hat erklärt, dass Programm habe die Anforderungen nicht erfüllt. Auch der Zeuge Ga. wußte zu berichten, dass die Software noch zu Zeiten der Tätigkeit des Geschäftsführers Ha. den Anforderungen vor allem hinsichtlich der Arztberichte nicht genügte. Dr. F., mit dem auch nach der Aussage des Zeugen Gi. alles abgesprochen worden ist, hat eindeutig erklärt, das Programm habe verschiedene Befunde nicht befriedigend dokumentiert, die Generierung der Entlassungsbriefe sei nicht möglich gewesen und die vorgelegten Musterbriefe stellten allenfalls unzureichende rudimentäre Ansätze dar. Angesichts der Tatsache, dass diese Aussagen weitgehend durch die Vermerke und Schreiben der Parteien aus der damaligen Zeit objektiviert werden, hat der Senat trotz der Nähe der Zeugen zur Klägerin und ihrer persönlichen Befassung mit dem Sachverhalt keine Bedenken, an der Richtigkeit dieser Aussagen zu zweifeln.Abs. 87
Auch Prof. Dr. R. hat in seinem vom Senat eingeholten Gutachten (GA 565ff.) - das Gutachten von Prof. Spi. hat der Senat nach der persönlichen Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 14.11.1997 (GA 474f.) bei seiner Entscheidungsfindung nicht verwertet - bestätigt, dass die Gebrauchstauglichkeit für die medizinischen Zwecke der J.-Klinik im Vergleich zu seinerzeit geltenden allgemeinen Leistungsstandards nur als eingeschränkt beurteilt werden könne. Zwar sei eine gute Grundfunktionalität vorhanden gewesen, die ausbaufähig gewesen sei. Die Umsetzung komplexer medizinischer Datenkostellationen in Arztbriefen sei aber wegen methodischer Schwierigkeiten in der Rheumatologie nur bedingt erreicht. Die Software habe zwar anspruchsvollen Textverarbeitungs- und Dokumentationssystemen der damaligen Zeit entsprochen, stelle jedoch nur ein Werkzeug und nicht ein auf alle Bedürfnisse der Klinik maßgeschneidertes, abgeschlossenes Produkt dar (GA 579). Die vorliegende Software generiere aufwendige Befundberichte, aber keine Arztbriefe im Sinne einer komplexen Interpretation einer Vielzahl von Befunden (GA 580). Ferner hat der Sachverständige die Unübersichtlichkeit der Befund- und Entlassungsberichte bestätigt, die Leerformeln enthielten und nicht den Anforderungen der Leistungsträger entsprächen.Abs. 88
Soweit der Sachverständige zu den im übrigen im Beweisbeschluss des Senats vom 22. Dezember 1995 (GA 343) bezeichneten Mängel keine sicheren Feststellungen hat treffen können, kommt es auf das Vorliegen dieser Mängel nicht entscheidend an. Da auf Grund des inzwischen unstreitigen Vorbringens der Parteien feststeht, dass das Projekt nicht abgeschlossen wurde, weil die Vorgaben der Klägerin hinsichtlich der Arztbriefe und der Formulare nicht erfüllt wurden und da diese Vorgaben nach der Auffassung des Senats von vornherein allgemein und im Frühsommer 1991 durch die Parteien gemeinsam in konkreter Form festgehalten wurden, bevor die Beklagte ihre Forderung auf gesonderte Honorierung erhob, reicht die auch von der Beklagten als solche nicht bestrittene (GA 630) Bestätigung des Sachverständigen, dass diese Vorgaben hinsichtlich der Arztbriefe nicht erfüllt worden sind. Unter diesen Umständen bedurfte es auch der von der Beklagten in den Schriftsätzen vom 22. Dezember 1999, GA 589ff., und vom 6. April 2000, GA 625ff., beantragten Anhörung des Sachverständigen zu den übrigen Mängeln nicht. Soweit die Beklagte über den Beweisbeschluss des Senats hinausgehende Fragen an den Sachverständigen zu den Vorgaben der Klägerin sowie den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien angekündigt hat (GA 591 - 602), bedurfte es einer Erläuterung durch den Sachverständigen nicht, da es sich hierbei um Rechts- und Tatsachenfragen handelt, auf deren Beantwortung es entweder für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt oder die der Zuhilfenahme eines Sachverständigen nicht bedarf.Abs. 89
Hat danach die Beklagte weder die Entlassungsberichte realisiert noch die Generierung der Arztbriefe in dem mit der Klägerin abgesprochenen Zuschnitt beendet, so hat sie die versprochene Leistung nicht vollständig und nicht mangelfrei erbracht. Dass sie selbst nicht davon ausgegangen ist, ihre Arbeiten beendet zu haben, zeigt nicht nur die Korrespondenz in den Jahren 1992 und 1993, sondern auch die Tatsache, dass sie die 60% Lizenzgebühr erst am 23. Dezember 1994 zusammen mit den Folgelizenzen berechnet hat.Abs. 90
Da die installierten Programme unvollständig waren, ist die Klägerin berechtigt, die geleisteten Vorschusszahlungen in Höhe von 201.085,97 DM zurückzuverlangen. Dass auch der Vorschuss von 110.000 DM auf die Lizenzgebühr für die "ars rheumatologica" geleistet worden ist, hat die Beklagte selbst eingeräumt (GA 63). An dieses Geständnis ist sie gebunden (§ 295 ZPO). Im übrigen müsste sie den Vorschuss auch zurückzahlen, wenn er auf die weitere Entwicklungsarbeit zusätzlich zur Lizenzgebühr geleistet worden wäre, da sie auch diese unstreitig nicht zu Ende gebracht hat.Abs. 91
Die Widerklage ist unbegründet. Die Klägerin hat der Beklagten die Bezahlung der Anpassungs- und Entwicklungsarbeiten über den Lizenzvertrag hinaus nicht versprochen. Die Anpassung der Software an die Bedürfnisse der Klägerin sollte vielmehr durch die Lizenzgebühren mit abgegolten werden und im übrigen ohne gesonderte Honorierung erfolgen. Die Beklagte hat darüber hinaus jedenfalls ab August 1991 Leistungen in Kenntnis der mangelnden Zahlungsbereitschaft der Klägerin erbracht. Auch die Folgelizenzen stehen ihr mangels Installation einer mangelfreien vollständigen Software nicht zu.Abs. 92
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Abs. 93
Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer der Beklagten: 4.137.021,67 DM (201.085,97 DM Klage; 3.935.935,70 DM Widerklage)
JurPC Web-Dok.
31/2002, Abs. 94
Anm. der Redaktion:
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
[online seit: 11.03.2002]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Köln, OLG, Lizenzvertrag über Individualsoftware einer Klinik - JurPC-Web-Dok. 0031/2002