Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken
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StPO §§ 457 Abs. 3, 100 a |
Leitsatz |
Im Vollstreckungsverfahren ist für die Anordnung der Telefonüberwachung gemäß § 100 a StPO nicht ausreichend, dass die zu vollstreckende Strafe wegen einer Katalogtat verhängt worden ist. Die Verhältnismäßigkeit ist vielmehr nur dann gewahrt, wenn die noch zu vollstreckende Strafe nicht wesentlich unter der für die Katalogtat angedrohten Mindeststrafe liegt. |
Gründe |
Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vollstreckt gegen den Verurteilten einen Rest von 223 Tagen aus einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten. Der Verurteilte ist flüchtig und zur Festnahme ausgeschrieben. Als zusätzliche Fahndungsmaßnahme hat die Staatsanwaltschaft die Überwachung des Fernmeldeverkehrs betreffend einen Funktelefonanschluss seiner Ehefrau beantragt. Gegen die ablehnende Entscheidung der Strafkammer richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die zulässig ist, in der Sache allerdings ohne Erfolg bleibt. | JurPC Web-Dok. 92/2001, Abs. 1 |
Eine wesentliche Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anordnung der Überwachung der Telekommunikation im Rahmen der Strafvollstreckung folgt aus der Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 457 Abs. 3 S. 2 StPO). In diesem Rahmen ist zu berücksichtigen, dass die in § 100 a Nr. 4 StPO genannten Katalogtatbestände nach dem BtMG Mindeststrafen von einem Jahr und mehr androhen. Dem Antragsfall liegt zwar mit der Verurteilung vom 17. Mai 1991 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 4 BtMG a.F. eine solche Katalogtat zugrunde. Von entscheidender Bedeutung ist allerdings, dass aus der erkannten Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten nur noch ein Rest von 223 Tagen, also deutlich weniger als ein Jahr zur Vollstreckung ansteht. Während bei der Anwendung des § 100 a StPO im Ermittlungsverfahren bereits die abstrakte Strafdrohung der Katalogtat die Verhältnismäßigkeit des Grundrechteeingriffs indiziert, ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Vollstreckungsverfahren nach dem Gesetzeswortlaut des § 457 Abs. 3 S. 2 StPO die Dauer der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe maßgeblich. Der Umstand, dass es sich um eine Katalogtat handelt, ist für sich daher nicht ausreichend. Die Maßnahme nach § 100 a StPO erscheint nach Auffassung des Senats jedenfalls dann als unverhältnismäßig, wenn die noch zu vollstreckende Strafe deutlich unter der für die Katalogtat angedrohten Mindeststrafe liegt. Dies ist hier der Fall. | Abs. 2 |
Soweit die Staatsanwaltschaft darauf abstellt, dass gegen den Verurteilten weitere Strafen zur Vollstreckung anstehen und er auch dort zur Festnahme ausgeschrieben sein soll, vermag dies aus folgender Erwägung kein abweichendes Ergebnis zu begründen: | Abs. 3 |
Der Rest einer Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts
Neustadt an der Weinstraße vom 23. Juli 1987 betrifft keine Verurteilung
wegen eines Katalogdelikts; er hat daher aufgrund der gebotenen restriktiven
Anwendung des § 100 a StPO auch bei der Beurteilung einer anderen Sache außer
Betracht zu bleiben. Hinsichtlich der Verurteilung durch das Landgericht
Mannheim vom 3. Februar 2000 stellt lediglich die einbezogene Strafe aus dem
Urteil des Amtsgerichts Bitburg vom 7. November 1994 wegen unerlaubter Einfuhr
von Schusswaffen eine Katalogtat nach § 100 a Nr. 3 StPO dar. Es kann
dahinstehen, ob nicht bereits die gebotene restriktive Anwendung der Berücksichtigung
dieser Verurteilung im vorliegenden Vollstreckungsverfahren der beantragten
Telefonüberwachung entgegensteht, nachdem es sich zum einen um eine
Katalogtat aus einem anderen Deliktsbereich handelt und zum anderen die Strafe
von einer anderen Vollstreckungsbehörde vollstreckt wird, mit der keine
Abstimmung erfolgt ist und die sich zu der beabsichtigten Fahndung nicht geäußert
hat. Das Urteil des Amtsgerichts Bitburg ergibt jedenfalls, dass der Verurteilte
dort lediglich zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten (bei einer Mindeststrafe
des Katalogdelikts von 6 Monaten) verurteilt worden ist, wobei die in der Zeit
vom 4. November 1993 bis 11. März 1994, also mehr als 4 Monate erlittene
Untersuchungshaft zur Anrechnung kommt. Auch ohne die Einbeziehung der Strafe in
das Urteil des Landgerichts Mannheim wäre somit von einer fiktiv noch zu
verbüßenden Strafe von deutlich weniger als der Mindeststrafe des
Katalogdelikts auszugehen, was eine Telefonüberwachung im Rahmen der
Strafvollstreckung als unverhältnismäßig verbietet.
| JurPC Web-Dok. 92/2001, Abs. 4 |
[online seit: 07.05.2001] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Zweibrücken, Pfälzisches Oberlandesgericht, Telefonüberwachung - JurPC-Web-Dok. 0092/2001 |