JurPC Web-Dok. 72/2001 - DOI 10.7328/jurpcb/200116475

Andreas von Bonin *

Kurzrezension des Werkes "Liberalisierung der Telekommunikationsordnungen - Ein Rechtsvergleich" von Christian Koenig / Jürgen Kühling / ifo-Institut, Schriftenreihe Kommunikation & Recht, Heidelberg, 2000

JurPC Web-Dok. 72/2001, Abs. 1 - 9


Liberalisierung der Telekommunikationsordnungen: Ein Rechtsvergleich / hrsg. von Prof. Dr. Christian Koenig LL.M., Dr. Jürgen Kühling, LL.M., beide ZEI, Bonn und Hans Schedl, ifo Institut, München
Bearbeitet von Christian Koenig, Jürgen Kühling, Bernhard Pieper, Hans Schedl,

2000, 264 Seiten
Kt. DM 98.-
ISBN 3-8005-1269-6
Schriftenreihe Kommunikation & Recht, Band 9
Verlag Recht und Wirtschaft GmbH, Heidelberg.
Auch wenn die Unternehmen der Telekommunikationsindustrie längst weltweit operieren, spielen die verschiedenen nationalen Regulierungsrahmen und die sie ausführenden nationalen Behörden eine große Rolle. So wie einerseits die Besonderheiten nationaler Telekommunikationsregulierung den Unternehmen und den sie beratenden Praktikern bekannt sein müssen, wird andererseits ihre Harmonisierung in zunehmend globalen Märkten immer mehr zur Notwendigkeit. JurPC Web-Dok.
72/2001, Abs. 1
Das von Koenig, Kuehling und dem ifo-Institut als juristisch-ökonomische Analyse aufgebaute Buch verschafft dem Leser einen guten Überblick über unterschiedliche Regulierungssysteme im europäischen und außereuropäischen Ausland. Mit Großbritannien, Frankreich und Schweden werden beispielhafte europäische, mit den USA, Kanada, Japan, Australien und Neuseeland wichtige außereuropäische Regulierungsansätze vorgestellt. Ein besonderer Schwerpunkt dieser "Länderberichte" im ersten und zweiten Teil des Buches liegt auf Fragen der Lizensierung, der Zusammenschaltungs- und Entgeltregulierung sowie auf der Darstellung der zuständigen Regulierungsbehörden und ihrer Funktionsweise. Im dritten Teil des Buches werden die Länderberichte ausgewertet. Dabei wird in einem ersten Kapitel geprüft, ob die jeweilige Rechtsordnung die Schaffung von Wettbewerb in ehemaligen Monopolmärkten - und damit das Regulierungsziel - ökonomisch erreicht hat und ob sie dabei "effizient" war. In einem zweiten Kapitel wird die jeweilige Aufgabenverteilung zwischen den Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden bewertet und rechtspolitische Folgerungen gezogen. Abs. 2
Die darstellenden Teile enthalten durchgehend hilfreiche und teilweise auch überraschende Informationen. Wer hätte gedacht, dass heute im seit 1989 radikal deregulierten neuseeländischen Mobilfunkmarkt, nur noch Vodafone als Wettbewerber des Exmonopolisten(1) übrig geblieben ist? Der Aufbau der Darstellungen folgt einer gewissen Schematik, die der Übersichtlichkeit dient. Schade ist nur, dass eine geraffte Darstellung auch des deutschen Regulierungsrahmens fehlt, zumal die Autoren dessen Kenntnis immer wieder voraussetzen, wenn sie an Einzelpunkten Vergleiche zur Situation im größten Telekommunikationsmarkt in Europa anführen. Manchmal bleiben die zusammenfassenden Bewertungen etwas pauschal und sind deshalb nicht immer nachvollziehbar.(2)Abs. 3
Die ökonomische Analyse im Bewertungsteil gelangt zu - teilweise befremdlich - pessimistischen Einschätzungen über die Entwicklung der Märkte nach ihrer Liberalisierung. In der Zusammenfassung wird festgestellt, dass "alle ausgewählten Modelle ... zu ähnlichen Wettbewerbsergebnissen geführt [hätten]: Dominierte Märkte im Festnetz, Quasi-Monopole im Ortsnetz und Märkte mit Wettbewerbern signifikanter Marktmacht im Mobilfunk sowie auf den Fernverkehrs- und Mobilfunkmärkten mit deutlichem Preiswettbewerb."(3)Abs. 4
Führt man sich dagegen vor Augen, dass etwa im erst kürzlich geöffneten französischen Markt nach einem Jahr der Liberalisierung bereits 40 Netzbetreiber im Festnetz aktiv waren, in Schweden fünf Jahre nach der Liberalisierung bereits 60-70 Ortsnetzbetreiber arbeiten, während etwa in den USA, Japan oder Neuseeland zum vergleichbaren Zeitpunkt nur deutlich geringere Zahlen von Wettbewerbern erreicht wurden(4), so folgt daraus eigentlich zweierlei: Erstens hat die Liberalisierung unabhängig vom gewählten Regulierungsansatz zu ganz erheblichen Veränderungen der Märkte geführt, von denen der Verbraucher hinsichtlich Preisen und Leistungen insgesamt profitiert hat. Zweitens scheint das "europäische Modell" einer durch EG-Recht (teil-) harmonisierten Marktöffnung mit flankierender sektorspezifischer Regulierung zu deutlich anderen, vielfach auch besseren, Ergebnissen geführt zu haben als außereuropäische Modelle. Wiederum wäre der Vergleich mit Zahlen vom deutschen Markt erhellend gewesen.Abs. 5
An Einzelpunkten fehlt der Darstellung ein Verweis auf die Situation nach europäischem Recht, das gerade in Gestalt des - auch zum Zeitpunkt der Entstehung des Buchs jedenfalls im Entwurf bekannten - "neuen europäischen Rechtsrahmens". Wenn die Autoren zu Recht die möglichen Quersubventionierungen vom Monopolbereich Ortsnetz in den Wettbewerbsbereich kritisieren, so wäre ein Hinweis auf die inzwischen in Kraft getretene Verordnung der EG zum entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss(5) hilfreich gewesen. Wo die Autoren das kanadische Regulierungsmodell empfehlen, nach dem der Regulierer einzelne Märkte und Marktsegmente von sektorspezifischer Regulierung freistellen kann, hätte ein ergänzender Verweis auf die neue EG-Rahmenrichtlinie(6) interessiert, die ein System enthält, nach dem die Telekommunikationsmärkte kontinuierlich darauf geprüft werden, ob sie aus der sektorspezifischen Regulierung entlassen werden können mit der Folge der Anwendbarkeit allgemeinen Wettbewerbsrechts.Abs. 6
Im Rahmen einer Effizienzbewertung fragen die Autoren sodann nach den Kosten der Regulierung in den verschiedenen Rechtsordnungen im Verhältnis zum Erfolg der Wettbewerbsschaffung. Sich dabei allerdings im wesentlichen an den Personalkosten der jeweiligen Regulierungsbehörde zu orientieren, scheint etwas kurz gegriffen, zumal deren Aufgaben- und Planstellenzuschnitt kaum wirklich vergleichbar sein dürften.Abs. 7
In der abschließenden institutionellen und rechtspolitischen Auswertung werden dann zahlreiche interessante Bezüge zur deutschen Situation hergestellt, die wiederum die Einbeziehung des deutschen Marktes in die Länderberichte vermissen lassen. Zudem fehlen Hinweise auf den ebenfalls im neuen EG-Rechtsrahmen enthaltenen Veränderungen der Zusammenarbeit zwischen der EG-Kommission und den nationalen Regulierungsbehörden.Abs. 8
Insgesamt handelt es sich um ein vor allem in den darstellenden Teilen hochinteressantes und nicht nur für Praktiker empfehlenswertes Buch.
JurPC Web-Dok.
72/2001, Abs. 9

Fußnoten:

(1) Vgl. S. 180ff., die Telecom Corporation of New Zealand Ltd. wurde 1990 mehrheitlich an die US-Unternehmen Bell Atlantic und Ameritech verkauft.
(2) Auf S. 76 wird etwa die zusammenfassende Bewertung der französischen Regulierung eingeleitet mit der Aussage: "Insgesamt zeichnet sich das französische Regulierungssystem durch eine klare Kompetenzverteilung aus." Daran lassen aber sowohl die vorangehende Darstellung, als auch einzelne Erfahrungen aus der Praxis Zweifel aufkommen.
(3) Vgl. S. 221f.
(4) Vgl. die Tabellen auf S. 210 und 214. Danach konkurrierten in den USA fünf Jahre nach der Liberalisierung nur drei Betreiber im Fernnetz, einer im Ortsnetz und zwei im Mobilfunkmarkt; Japan: 4/1/1, obwohl mehr Lizenzen vergeben wurden.
(5)Vgl. Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss, Amtsblatt EG Nr. L 336 vom 30/12/2000 S. 4, unter http://europa.eu.int/eur-lex/de/lif/dat/2000/de_300R2887.html.
(6) Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste vom 12. Juli 2000, KOM (2000) 393, unter http://europa.eu.int/comm/information_society/policy/framework/pdf/com2000393_de.pdf
* Dr. Andreas von Bonin, LL.M. (Columbia University, New York), arbeitet seit März 2001 nach Jurastudium in Köln, Freiburg und New York sowie Rechtsreferendariat in Berlin bei Freshfields, Bruckhaus, Deringer in Brüssel. Näheres zum Autor unter http://www.vonbonin.de.
[online seit: 09.04.2001]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Bonin, Andreas von, Kurzrezension des Werkes "Liberalisierung der Telekommunikationsordnungen - Ein Rechtsvergleich" von Christian Koenig /Jürgen Kühling/ ifo-Institut, Schriftenreihe Kommunikation & Recht, Heidelberg, 2000. - JurPC-Web-Dok. 0072/2001