JurPC Web-Dok. 63/2001 - DOI 10.7328/jurpcb/200116234

Wolfgang Michel *

Bedeutet das Fernabsatzgesetz das Aus für die Internetversteigerung?

JurPC Web-Dok. 63/2001, Abs. 1 - 12


1.) Für die Zukunft noch nichts entschieden?

Wer glaubt, mit dem Urteil des OLG Hamm vom 14.12.2000 - 2 U 58/00 - (JurPC Web-Dok. 255/200) sei hinsichtlich der Rechtsfragen rund um die Internetversteigerung eine gewisse Klarheit geschaffen worden, kennt das Fernabsatzgesetz vom 27. Juni 2000, gültig ab 30. Juni 2000, noch nicht. Mag das OLG Hamm in seinem Urteil auch Richtungsweisendes gesagt haben, es betrifft weitgehend nur die vor dem 30. Juni 2000 liegenden Fälle.JurPC Web-Dok.
63/2001, Abs. 1

2.) Der Regelungsbereich des Fernabsatzgesetzes

Das Fernabsatzgesetz gilt ab diesem Zeitpunkt "für Verträge ..., die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden ...". Wer Verbraucher und Unternehmer ist, wird in BGB §§ 13, 14 definiert. Dass in den meisten Fällen bei Internetversteigerungen ein "Unternehmer" einem Verbraucher gegenübersteht, liegt auf der Hand. Die vergleichsweise geringe Zahl von Fällen, in denen keine der Vertragsparteien bei dem Rechtsgeschäft "in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt", in denen also das Fernabsatzgesetz nicht anzuwenden ist, können vorliegend außer Betracht bleiben. Abs. 2

3.) Die Entstehung des Fernabsatzgesetzes

a. Die Richtlinie 97/7/EG

Das Fernabsatzgesetz ist eine Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz. Art 3 Abs. 1 dieser Richtlinie nimmt "Verträge, die ... bei einer Versteigerung geschlossen werden", expressis verbis aus. Eine Definition, was eine Versteigerung im Sinne der Richtlinie ist, wird nicht gegeben. Abs. 3

b. Der Referentenentwurf

Der Referentenentwurf Fernabsatzgesetz (FernAG) Stand 31.05.1999, BMJ Referat IB 2 3420/12 - 4 (BT-Drs 14/2658, http://www.bmj.bund.de/download/fernag.doc) Fernabsatzgesetz Artikel 1, § 1 Abs. 3 Ziffer 7 c sah dementsprechend vor, daß das Fernabsatzgesetz keine Anwendung auf Verträge findet, "7. die geschlossen werden...c) im Wege einer Versteigerung". In der amtlichen Begründung wird hierzu ausgeführt: "Nach Buchstabe c sind entsprechend der Vorgabe der Fernabsatzrichtlinie Verträge auf Versteigerungen ausgenommen. Die Ausnahme betrifft sowohl die gerichtliche Versteigerung als auch die öffentliche Privatversteigerung. Versteigerungen im Wege des Fernabsatzes (z. B. im Internet) würden unangemessen behindert, wenn der Verbraucher ein gesetzliches Widerrufsrecht hätte." Abs. 4

c. Die Vorstellungen des Rechtsausschusses

aa) Keine generelle "Herausnahme" der Versteigerung
Diese generelle "Herausnahme" von Versteigerungen aus dem Geltungsbereich des Fernabsatzgesetzes hat der Rechtsausschuss abgelehnt. In "Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6.Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf" (BT-Drs. 14/3195, http://www.rws-verlag.de/volltext/14_3195_2.htm#Zu Artikel 1 § 1 (§ 1), die dann insoweit Gesetz geworden sind, wird zu Artikel 1, § 1 (§ 1 FernAbsG) folgendes ausgeführt: "Inhaltlich nicht einverstanden ist der Ausschuss damit, Versteigerungen vollständig aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes herauszunehmen, was allerdings nach der Fernabsatzrichtlinie zulässig wäre. Der Ausschuss verkennt zwar nicht, dass diese Ausnahme deutlich weniger weit reicht, als dies meist angenommen wird. Die meisten sog. Internetversteigerungen sind nämlich keine Versteigerungen im Rechtssinne. Eine Versteigerung im Rechtssinne wird definiert in § 156 BGB als ein Vertragsschluss, bei dem das Angebot durch ein Gebot des einen Teils und die Annahme desselben durch den Zuschlag erfolgt. Behält sich der andere Teil die Annahme trotz Zuschlags vor, liegt keine Versteigerung im Rechtssinne vor. Es handelt sich dann vielmehr um einen Kaufvertrag gegen Höchstgebot, der auch nach dem Vorschlag des Regierungsentwurfs im vollen Umfang dem Fernabsatzgesetz unterliegt. Wie die Bundesregierung ist auch der Ausschuss nicht der Auffassung, dass echte Versteigerungen im Fernabsatz, sei es durch Internet oder aber auch in anderer Form der Fernkommunikation, vollständig dem Fernabsatzgesetz unterworfen werden sollten. Denn insbesondere das Widerrufsrecht würde solche Versteigerungen unmöglich machen. Die Endgültigkeit des Zuschlags ist das Wesensmerkmal einer Versteigerung, das auch bei einer Versteigerung im Fernabsatz erhalten bleiben muss. Andererseits haben Vorgänge in der jüngsten Zeit gezeigt, dass die Kunden in aller Regel keine Klarheit darüber haben, an welcher Art von Versteigerung sie teilnehmen, ob es sich um eine echte Versteigerung oder nur um einen - als "Versteigerung" deklarierten - Kauf gegen Höchstgebot handelt, der für den Kunden das erhöhte Risiko birgt, dass er "ersteigerte" Ware am Ende doch nicht erhält. Der Ausschuss neigt deshalb einer vermittelnden Lösung zu. Es sollten in diesen Fällen zwar nicht das Widerrufsrecht, wohl aber die Informationspflichten gelten. Technisch bedeutet das, dass die Ausnahme für Versteigerungen in § 1 Abs. 3 Nr. 7 Buchstabe c gestrichen und an ihrer Stelle eine Ausnahme vom Widerrufsrecht in § 3 Abs. 2 für derartige echte Versteigerungen geschaffen wird. Dies ist nach der Richtlinie auch möglich, da diese es erlauben würde, die Versteigerungen gar nicht den Vorschriften des Fernabsatzgesetzes zu unterwerfen."Abs. 5
bb) Ein "Rest" von Ausnahme
In FernAbsG § 3 - Widerrufsrecht, Rückgaberecht - wurde dann mit folgender Formulierung in Abs. 2 "eine zusätzliche Ausnahme für echte Versteigerungen vorgesehen, ... 5. die in der Form von Versteigerungen (§ 156 des bürgerlichen Gesetzbuchs) geschlossen werden." Auch das wurde folgerichtig ins Gesetz aufgenommen.Abs. 6

4.) Fernabsatzgesetz und die Folgen für die Internetversteigerung - eine Frage der Definition von "Versteigerung"

a. Die Buchstaben des Gesetzes

Demnach ist nach dem FernAbsG für die Internetversteigerung von folgendem auszugehen:Abs. 7
Das FernAbsG gilt grundsätzlich für alle Versteigerungen. Das heißt, die dort formulierten Informationspflichten betreffen uneingeschränkt auch die Internetversteigerungen. Eine Privilegierung hinsichtlich des Widerrufs- und Rückgaberechts ist nur für solche Versteigerungen vorgesehen, die in der Form des § 156 BGB erfolgen.Abs. 8

b. Die Auffassung des Rechtsausschusses

Wie der Rechtsausschuss zutreffend feststellt, bedeutet "insbesondere das Widerrufsrecht" das praktische Aus für Internetversteigerungen. Nach dem FernAbsG kommt es somit entscheidend darauf an, was eine Versteigerung "in der Form des § 156 BGB" ist. Der Rechtsausschuss vertritt in seiner Empfehlung die Auffassung, dass "die meisten sogenannten Internetversteigerungen ... nämlich keine Versteigerungen im Rechtsinne" sind. "Eine Versteigerung im Rechtssinne wird definiert in § 156 BGB als ein Vertragsschluss, bei dem das Angebot durch ein Gebot des einen Teils und die Annahme desselben durch den Zuschlag erfolgt." Abs. 9

c. Der Bund-Länderausschuss "Gewerberecht"

Schon der Bund/Länderausschuss "Gewerberecht" hat die Auffassung vertreten, dass die Verkaufstätigkeit im Internet - zumindest in dem zu beurteilenden Fall - keine erlaubnispflichtige Versteigerung nach GewO § 34 b sei. "Versteigern bedeute nämlich, dass innerhalb einer zeitlich und örtlich begrenzten Veranstaltung eine Mehrzahl von grundsätzlich vor Ort anwesenden Personen aufgefordert werde, eine Sache oder ein Recht zu erwerben, und dass diese Personen im gegenseitigen Wettbewerb, ausgehend von einem Mindestgebot, Vertragsangebote ... in Form des Überbietens dem Versteigerer gegenüber abgeben, der das höchste Gebot im eigenen oder Fremden Namen annimmt." Im anstehenden Fall sei weder eine örtliche noch eine zeitliche Begrenzung der Veranstaltung möglich, die zu einer Versteigerung gehörende Aktion und Reaktion der Bieter sei daher nicht möglich, zumal sich die Auktion über Tage oder sogar Wochen hinziehen könne.(1)Abs. 10

d. Die bisherige Rechtsprechung

Die - bislang veröffentlichte - Rechtsprechung zu dieser Frage ist geteilter Meinung. Während das LG Hamburg (JurPC Web-Dok. 213/1999), das AG Sinsheim (JurPC Web-Dok. 50/2000) und nunmehr auch das OLG Hamm (JurPC Web-Dok. 255/2000) von einer Versteigerung im Sinne der Gewerbeordnung ausgehen, verneinen dies das LG Wiesbaden (JurPC Web-Dok. 57/2000) zumindest für den von ihm entschiedenen Fall und sehr entschieden das LG Münster (JurPC Web-Dok. 60/2000). Aber auch die Entscheidungen, die eine "Versteigerung" annehmen, beurteilen diese Frage keineswegs nach den Kriterien des Rechtsausschusses. Hierzu sei insbesondere auf LG Hamburg (JurPC Web-Dok 213/1999, Abs. 19 f) mit umfangreichen Literaturnachweisen verwiesen; OLG Hamm (JurPC Web-Dok.255/2000, Abs. 106, 108) stellt zwar, mehr beiläufig, Erwägungen zu § 156 BGB an, weist aber in diesem Zusammenhang auf eine "Abweichung vom Leitbild des § 156 BGB" und das Fehlen eines Auktionators hin.Abs. 11

5.) Ausblick

Die sehr enge Begriffsbestimmung in FernAbsG § 3 Abs. 2 Ziffer 5 lässt wenig Spielraum für eine im Sinne der Internetversteigerungen als Versteigerung "sui generis" großzügige Auslegung. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung künftig hierzu entscheiden wird. Die Chancen für die heute üblichen Internetversteigerungen, die durchweg nicht "in der Form von Versteigerungen (§ 156 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) geschlossen werden", dürften nicht allzu gut sein.
JurPC Web-Dok.
63/2001, Abs. 12

Fußnote:

(1) Zitiert nach B. Fuchs in Fuchs/Demmer, Sitzung des Bund-Länder-Ausschusses "Gewerberecht" - 80. Tagung am 22./23. Oktober 1996 - GewArch 1997, S. 60 ff, (63) Ziff. 8
* Wolfgang Michel ist Richter am Oberlandesgericht a.D. und Schriftleiter von JurPC.
[online seit: 12.02.2001]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Michel, Wolfgang, Bedeutet das Fernabsatzgesetz das Aus für die Internetversteigerung? - JurPC-Web-Dok. 0063/2001