JurPC Web-Dok. 172/2000 - DOI 10.7328/jurpcb/2000159181

LG Rottweil
Beschluss vom 04.09.1998

1 T 143/98

Unpfändbarkeit eines Notebook

JurPC Web-Dok. 172/2000, Abs. 1 - 9


ZPO §§ 825, 811 Nr. 5

Leitsatz (der Redaktion)

Ein Notebook kann als zur bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung erforderlicher und dem persönlichen Gebrauch des Schuldners dienender Gegenstand unpfändbar sein, wenn mit Hilfe von Notebook und Drucker Schreiben an Behörden, Geschäftspartner und andere Empfänger verfasst werden.

Gründe

I.
Die gemäß § 793 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde, die sich inhaltlich gegen den Beschluß des Amtsgerichts Spaichingen vom 16.7.1998 richtet (die Datumsangabe 3.7.1998 im Beschwerdeschreiben beruht offensichtlich auf einem Schreibversehen), ist unbegründet. Zu Recht hat der Vollstreckungsrichter des Amtsgerichts Spaichingen im angefochtenen Beschluß den am 9.6.1998 erlassenen Beschluß des Rechtspflegers über eine anderweitige Verwertung des beim Schuldner gepfändeten Notebooks aufgehoben.
JurPC Web-Dok.
172/2000, Abs. 1
1. Eine anderweitige Verwertung eines Pfandgegenstandes kann gemäß § 825 auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners angeordnet werden. Sie setzt unter anderem voraus, daß der von der Pfändung betroffene Gegenstand nicht unpfändbar ist (Zöller/Stöber, ZPO, 20. Auflage 1997, § 825 Rdn. 2 und 10; Gottwaldt, Zwangsvollstreckung, 1996, § 825 Rdn. 2). Unpfändbar sind unter anderem nach § 811 Nr. 1 ZPO die dem persönlichen Gebrauch oder dem Haushalt des Schuldners dienenden Sachen, insbesondere Kleidungsstücke, Wäsche, Betten, Haus- und Küchengeräte, soweit der Schuldner ihrer zu einer seiner Berufstätigkeit und seiner Verschuldung angemessenen, bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung bedarf und nach § 811 Nr. 5 ZPO bei Personen, die aus ihrer geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistung ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände. Allein zu der zuletzt genannten Vorschrift sind bisher, soweit ersichtlich, Entscheidungen veröffentlicht, die unter Umständen eine Unpfändbarkeit von bei der Tätigkeit eingesetzten Personalcomputer befürworten (Landgericht Heilbronn, JurBüro 1994, 740; Amtsgericht Bersenbrück, DGVZ 1990, 78).Abs. 2
2. Der Schuldner hat nicht dargelegt, daß er mindestens im Nebenerwerb als Erfinder tätig ist. Insbesondere hat er auch durch Vorlage der Kontoauszüge keinerlei Einnahmen belegt, die damit in Verbindung gebracht werden könnten.Abs. 3
Die Kammer ist jedoch der Auffassung, daß das Notebook des Schuldners unter den konkreten Umständen als zur bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung erforderlicher und dem persönlichen Gebrauch des Schuldners dienender Gegenstand unpfändbar ist. Er hat durch eine eindrückliche Demonstration gegenüber dem Vollstreckungsgericht nachgewiesen, daß er auf seinen PC nicht nur verschiedene Programme installiert und umfangreiche Dateien gespeichert hat, sondern diese auch in vielfältiger Weise zu nutzen versteht. Insbesondere verfaßt er mit Hilfe von PC und Drucker Schreiben an Behörden, Geschäftspartner und andere Empfänger. Zugleich verwendet er Tabellen, Kalkulationsprogramme und erstellt Grafiken mit diesem Gerät. Eine Kombination all dieser Möglichkeiten bietet nur ein mit einem Drucker verbundener Personalcomputer. Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung und dem eingetretenen Preisverfall für derartige Geräte sind sie heutzutage auch im privaten Bereich weit verbreitet. Damit verbunden haben sich auch die Erwartungen des Geschäfts- und Behördenverkehrs an Schriftbild und Gestaltung so verändert, daß sie durch den Einsatz einer Schreibmaschine nur noch unzureichend befriedigt werden können. Ähnlich wie Rundfunk- und Fernsehgeräte den Umweltbeziehungen und der Teilnahme am kulturellen Leben dienen, ist auch ein Personalcomputer unter den heutigen Umständen ein Hilfsmittel, um mit anderen Menschen oder Institutionen in Kontakt zu treten. So beabsichtigt der Schuldner, mit dem PC auch Online-Verbindungen herzustellen. So wie Rundfunk- und Fernsehgeräte, schließlich auch Farbfernsehgeräte, im Laufe der technischen Entwicklung als auch bei bescheidenen persönlichen Bedürfnissen angemessene Ausstattungsstücke angesehen wurden (vgl. zur Entwicklung die Nachweise in Zöller/Stöber, ZPO, 20. Auflage 1997, § 811 Rdn. 15), läßt sich inzwischen auch ein Personalcomputer mit einer bescheidenen Lebensführung in Einklang bringen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der derzeitige Verkehrswert der Anlage auf nur noch 500 DM geschätzt wird.Abs. 4
Erforderlich ist weiterhin, daß der Schuldner das Gerät auch tatsächlich nutzt, was im vorliegenden Fall unbedenklich angenommen werden kann.Abs. 5
3. Auch die Interessen der Gläubigerin gebieten keine andere Auslegung. Zwar ist ihre Restforderung noch relativ hoch, jedoch hätte sie durch eine Übereignung des Personalcomputers an die Gläubigerin lediglich in einer Höhe von 500 DM zurückgeführt werden können. Dieser Betrag ist verhältnismäßig geringfügig im Vergleich zu den Nachteilen, die dem Schuldner aus einem Entzug des Gerätes erwachsen würden.Abs. 6
Soweit die Gläubigerin geltend macht, der Schuldner habe bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Vermögensgegenstände verschwiegen, spielt dies keine Rolle. Die Pfändung und die Durchführung der Verwertung dienen nicht als Sanktion für etwaiges Fehlverhalten des Schuldners im Vollstreckungsverfahren.Abs. 7
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Abs. 8
III.
Der Beschwerdewert wird gemäß § 57 Abs. 2 S. 2 und 6 BRAGO festgesetzt.
JurPC Web-Dok.
172/2000, Abs. 9
[online seit: 28.09.2000]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
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