JurPC Web-Dok. 92/2000 - DOI 10.7328/jurpcb/2000157110

AG Köln
Urteil vom 21.12.1998

125 C 533/98

Haftung für virenverseuchte Diskette (I)

JurPC Web-Dok. 92/2000, Abs. 1 - 13


Tatbestand

Der Kläger ist freier Journalist. Die Beklagte ist eine Verlagsgesellschaft und beauftragte den Kläger im Oktober 1997 mit dem Lektorat einer "Harley-Davidson"-Enzyklopädie. Nachdem die Beklagte dem Kläger zunächst Papierausdrucke zur Verfügung gestellt hatte , sandte sie ihm Ende Oktober 1997 Disketten mit den Texten zu. Anfang November 1997 wandte sich der Kläger an die Beklagte, da in seinem PC Probleme beim Speichern und Kopieren aufgetreten waren. Die Beklagte stellte dem Kläger aufgrund dessen Schilderung daraufhin Disketten mit einem Anti-Viren-Programm zur Verfügung. Da hierdurch für den Kläger keinen zufriedenstellenden Ergebnisse eintraten, ließ er durch die Firma ... am 7.11.1997 einen weiteren Viren-Scanner der Fa. ... installieren. Die Beklagte erklärte sich mit Schreiben vom 4.12.1997 bereit, als einmaliges Entgegenkommen die Kosten des McAfee-Scanners ohne Installation zu übernehmen. Sie räumte in diesem Schreiben ein , sie habe einen Virus "in den vergangenen Wochen" in ihrem System gehabt, lehnte jedoch eine Haftung gegenüber dem Kläger ab. Im Februar 1998 ließ der Kläger die neueste Version des ... Virenscanners installieren, um restliche Viren aufzufinden. Mit der Klage verfolgt der Kläger Schadensersatz für aufgewandte Arbeitszeit (insgesamt 3 Arbeitstage), die Kosten der Installation der Virenscanner sowie eine Pauschale für Telefon und Portokosten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Blatt 6 d.A. verwiesen.JurPC Web-Dok.
92/2000, Abs. 1
Der Kläger behauptet , die von der Beklagten Ende Oktober 1997 übersandten Disketten seien mit sogenannten "Schuhmann"-Viren verseucht gewesen , was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet. Er habe bereits damals - was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet - einen eigenen Virenscanner benutzt , der die Viren nicht erkannt habe . Er arbeite ansonsten nicht mit von Disketten stammenden Texten. Seine Ansprechpartnerin bei der Beklagten habe im November 1997 telefonisch eingeräumt, daß seine Probleme von den "Schuhmann" -Viren herrührten. Ferner habe diese Zeugin eingeräumt, daß das Auftreten der Viren bei der Beklagten bereits bekannt gewesen sei. Das von der Beklagten zunächst übersandte Anti-Viren-Programm sei auf seinem Rechner nicht gelaufen. Deshalb sei die Installation des ... -Viren-Scanners erforderlich gewesen , wobei allerdings erst die Installation der neuesten Version im Februar 1998 dazu geführt habe , daß keine Viren mehr vorzufinden gewesen seien. Anschließend sei noch eine aufwendige Operation im Boot-Sektor des Rechners notwendig gewesen. Durch die virenbedingten Störungen habe er insgesamt 3 Arbeitstage verloren, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet.Abs. 2
Der Kläger beantragt ,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 1.962,44 nebst 4% Zinsen aus DM 1.251,22 seit dem 15.3.1998 und aus DM 711,22 seit dem 19.10.1998 zu zahlen.

Abs. 3
Die Beklagte beantragt ,

die Klage abzuweisen.

Abs. 4
Sie behauptet, - was als solches unstreitig ist - sie habe das Virenschutzprogramm von Dr. Solomon implementiert und erhalte im Abonnement die entsprechenden Up-Dates. Außerdem habe sie das Anti-Viren-Programm von ... installiert. Trotz dieser Schutzvorkehrungen sei der sogenannte "Schuhmann"-Virus in ihr System eingedrungen.Abs. 5
Das Auftreten des Virus sei Ende Oktober 1997 bei ihr noch nicht erkannt worden. Hätte sie von dem Virus gewußt, hätte sie dem Kläger nicht die Disketten übersandt. Es fehle deshalb jedenfalls an einem Verschulden. Der Kläger könne zudem allenfalls den Aufwand ersetzt verlangen, den er bei Beauftragung eines Fachunternehmens mit der Störungsbeseitigung gehabt habe. Dabei seien Kosten von max. DM 300,-- entstanden. Abs. 6
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.Abs. 7

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.
Dem Kläger stehen gegenüber der Beklagten keine Schadensersatzansprüche wegen der behaupteten Übersendung virenverseuchter Disketten aus positiver Forderungsverletzung oder § 823 Abs. 1 BGB zu.
Der Kläger hat unter Berücksichtigung aller Umstände ein rechtswidriges bzw. pflichtwidriges Verhalten der Beklagten nicht ausreichend dargelegt. Nach allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungslast muß der Geschädigte ein objektiv pflichtwidriges bzw. rechtswidriges Verhalten darlegen, wohingegen der vermeintliche Schädiger sein fehlendes Verschulden darzulegen hat. Ein pflichtwidriges bzw. rechtswidriges Verhalten der Beklagten ergibt sich nicht schon aus der vom Kläger behaupteten Übersendung objektiv virenverseuchter Disketten. Ausgehend davon, daß nahezu ständig neuartige Viren auftauchen und in Systeme eintreten können, kann ein pflichtwidriges Verhalten nur darin bestehen, entweder keine Schutzmechanismen gegen Virenbefall zu verwenden oder aber trotz bekannten Virenbefalls zu einer weiteren Verbreitung beizutragen. Derjenige, der sich auf eine solche Pflichtverletzung beruft, muß - unter Berücksichtigung seiner eingeschränkten Möglichkeiten, zu diesen Umständen in der Sphäre des Gegners vorzutragen - zumindest greifbare Anhaltspunkte hierfür darlegen. Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers nicht. Es ist unstreitig , daß die Beklagte Virenschutzprogramme implementiert hat und sie dennoch nicht in der Lage war, das Eindringen des "Schuhmann"-Virus zu verhindern. Was die vom Kläger angesprochene Verwendung sogenannter "Fire Walls" anbelangt, war die Beklagte hierzu nicht verpflichtet. Die Beklagte ist ein Verlag und kein EDV-Unternehmen. Disketten sind für sie - wie auch für den Kläger - lediglich ein Hilfsmittel. Der Einsatz von Viren-Schutz-Programmen auf Seiten der Beklagten muß deshalb als ausreichend angesehen werden .
Abs. 8
Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Beklagte habe zugestanden, vom Virenbefall bei Übersendung der Disketten Ende Oktober 1997 Kenntnis gehabt zu haben, ist dieser Vortrag nicht hinreichend substantiiert. Der Kläger spricht in diesem Zusammenhang nur davon, die Zeugin ... habe dies telefonisch (wann?) geäußert. Das vom Kläger herangezogene Schreiben vom 4.12.1997 dieser Zeugin beinhaltet tatsächlich die Äußerung, die Beklagte habe "in den vergangenen Wochen" den in Rede stehenden Virus im System gehabt, doch ist dies mit Blick auf die bereits Ende Oktober 1997 erfolgte Übersendung der Diskette kein Beweis. Abs. 9
Ist damit ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten nicht ausreichend vorgetragen, entfallen schon dem Grunde nach Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung oder aus § 823 Abs. 1 BGB, sofern man insoweit überhaupt von einer Eigentumsverletzung ausgehen kann.Abs. 10
Desweiteren ist der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auch der Höhe nach überwiegend nicht schlüssig dargelegt. Die eigene Arbeitsleistung ist grundsätzlich keine ersatzfähige Aufwendung, sondern es sind nur die Kosten der Beauftragung eines Fachunternehmens mit der Störungsbeseitigung ersatzfähig (vgl. Palandt, BGB, 56. Auflage, Vorbemerkung vor § 249 Rd. Ziffer 37 und 38). Solche Kosten hat der Kläger aber nicht dargelegt. Auch der Ansatz im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 17.11.1998 - entgangener Gewinn - ist nicht nachvollziehbar, da der Kläger nur während des Einsatzes eines Fachunternehmens nicht mit seinem PC hätte arbeiten können und er als freier Journalist nicht an bestimmte Arbeitszeiten gebunden ist.Abs. 11
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.Abs. 12
Streitwert:
DM 1.962,44.
JurPC Web-Dok.
92/2000, Abs. 13
Anmerkung der Redaktion:
Bitte beachten Sie auch die Entscheidung der zweiten Instanz, LG Köln, Urteil vom 21.07.1999, 20 S 5/99 = JurPC Web-Dok. 91/2000.
[online seit: 03.07.2000]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Köln, AG, Haftung für virenverseuchte Diskette (I) - JurPC-Web-Dok. 0092/2000