JurPC Web-Dok. 54/2000 - DOI 10.7328/jurpcb/200015457

Friederike Wapler *

Wien, Wien, nur Du allein

- Die österreichische Bundeshauptstadt überrascht mit ihrer umfassenden Internetpräsenz -

JurPC Web-Dok. 54/2000, Abs. 1 - 10


Verloren in Wien? Kein Problem, sofern Sie ein Modem dabei haben. Klicken Sie auf http://www.magwien.gv.at/, und schon haben Sie Zugriff zu allen wesentlichen Informationen: Ziehen Sie sich zunächst einmal den Stadtplan auf den Bildschirm, um Ihre Lage zu bestimmen. Buchen Sie sodann online ein nettes Hotel. Wenn Sie mit dem Auto angereist sind, versäumen Sie nicht den Abstecher zum Baustelleninformationssystem, damit Sie auf dem Weg nicht im Stau stecken bleiben. Sind Sie auf öffentliche Verkehrsmitteln angewiesen, dann lassen Sie sich bei der Fahrplanauskunft die günstigste Verbindung heraussuchen. Liegt Rauch über der Stadt? Riecht es anders als bei Ihnen zu Hause? Dann befragen Sie vorsichtshalber den aktuellen Luftgütebericht. Hat der fremdartige Geruch dort noch keine Erwähnung gefunden, so wenden Sie sich per e-mail an den zuständigen Sachbearbeiter, oder klicken Sie gleich auf den Link Greenpeace Österreich.JurPC Web-Dok.
54/2000, Abs. 1
Diese Angebote und zahlreiche mehr finden sich auf der Homepage des Magistrats der Stadt Wien. Was ist der Magistrat? Auch diese Frage läßt sich mit einem Mausklick beantworten - in der Rubrik Organisation der Wiener Stadtverwaltung. Sie läßt sich über die Volltextsuche finden, wenn man das Stichwort "Stadtverwaltung" eingibt. Dort erfahren wir: Wien ist nicht nur die Hauptstadt der Republik Österreich, sondern auch die des Bundeslandes Wien, einem Stadtstaat, vergleichbar mit Hamburg und Bremen. Zugleich ist Wien eine Gemeinde mit der entsprechenden Gemeindeverwaltung, dem Magistrat. Dessen Presse- und Informationsservice hat dafür gesorgt, daß Wien mit einem Internetangebot aufwarten kann, von dem sich so manche deutsche Großstadt eine Scheibe abschneiden könnte.Abs. 2
Nehmen wir unsere Hauptstadt, Berlin (www.berlin.de). Ein Besucher in der oben skizzierten Lage käme hier nicht weit: kein Stadtplan, keine Baustelleninformation, keine Fahrplanauskunft und auch kein aktueller Luftgütebericht. Immerhin die Wetterlage wird in stündlich aktualisierter Form mitgeteilt und spart so den Blick aus dem Fenster.Abs. 3
Der Wiener Magistrat nutzt das Internet, um die Ansprüche an moderne Stadtverwaltungen zu erfüllen, der in den meisten Behörden noch immer schwer durchzusetzen ist: die Bürgerfreundlichkeit. Wollte der erwähnte Besucher sich dauerhaft in der Stadt niederlassen, so müßte er mit Hilfe des Web-Service nicht lange allein im Hotel wohnen bleiben. Die Seiten Wohnen, Familie und Soziales bieten eine Fülle an Kontaktadressen von städtischen und privaten Einrichtungen. Wollte er ein Unternehmen gründen, so führte das Schlagwort Wirtschaft ihn zu Förderfonds und Wirtschaftsverbänden. Zudem ist auf jeder dieser Seiten die E-Mail-Adresse eines Ansprechpartners bei der Stadt angegeben - eine Art Bürgerbüro online.Abs. 4
Bürgerfreundlich ist auch das Bemühen der Stadt, ihre Behördenentscheidungen transparent zu machen. Auf dem Gebiet der Stadtplanung zum Beispiel stellt sie alle aktuellen Bauvorhaben sowie Planungsverfahren im Stadtgebiet vor und erklärt den Einwohnern ihre Beteiligungsrechte. Wäre unser Besucher nicht ganz so orientierungslos, wie es oben noch schien, sondern hätte in Wien ein Grundstück geerbt, so könnte er hier auch nachschlagen, wo und wann er den entsprechenden Bebauungsplan einsehen kann.Abs. 5
An dieser Stelle allerdings muß einmal eine Lanze für eine der deutschen Großstädte gebrochen werden. Denn die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover (www.hannover.de) geht hier noch einen Schritt weiter: Mit Hilfe des Adobe Acrobat Reader, der bei Bedarf gleich mitgeliefert wird, können Interessierte dort jeden Bebauungsplan im Stadtgebiet herunterladen und sich so den Gang zum Bauamt sparen. Auch in punkto Weltläufigkeit hat sich die selbsternannte "Expo- und Messestadt" ins Zeug gelegt und durch vielfältige Querverweise die verschiedenen staatsrechtlichen Ebenen Stadt, Land, Bund und Europa transparent gemacht.Abs. 6
Hier allerdings, wo es für Juristen interessant wird, hat "Wien online" wiederum die Nase vorn: Es bietet links zu allen Gesetzen der Republik Österreich und des Bundeslandes Wien sowie zu den wichtigsten Bestimmungen der Europäischen Union. Deutsche Gesetze - die den aktuellen Gesetzgebungsstand wiedergeben - im Internet zu finden, ist hingegen ein nahezu hoffnungsloses Unterfangen.Abs. 7
Deutsche Gerichte aber sind zunehmend im Internet präsent, allen voran das Bundesverfassungsgericht, das seine Entscheidungen mittlerweile im Volltext zur Verfügung stellt. Nur leider verweisen die deutschen Landeshauptstädte nicht dorthin. Von der Wiener Homepage dagegen können sowohl die Entscheidungen des österreichischen Verfassungsgerichtshofes als auch des Europäischen Gerichtshofes im Volltext eingesehen werden. Zum Vergleich die Lage in Hamburg (www.hamburg.de): Unter dem vielversprechenden Stichwort "Rechtswegweiser" erfährt der interessierte Leser, daß auch in Hamburg die Justiz unabhängig ist. Weitere Verknüpfungen sucht man vergebens. Ähnlich trübe sieht es in Stuttgart (www.stuttgart.de) und der ostdeutschen Vorzeigestadt Dresden (www.dresden.de) aus.Abs. 8
Berlin immerhin verweist auf die Internetseite seines Verwaltungsgerichtshofes. Dieser hat das Inhaltsverzeichnis seiner Entscheidungssammlung ins Netz gestellt, das sich jedoch als Sackgasse entpuppt. Nach der Lektüre von so aussagekräftigen Überschriften wie "Erschöpfung des Rechtsweges" oder "Beteiligtenfähigkeit im Organstreitverfahren" kann der Internetnutzer sehen, wo er bleibt.Abs. 9
Fazit: Wien Online versteht das Medium Internet in einer Weise einzusetzen, daß es den Nutzern wirklich nützt, während viele andere Großstädte in erster Linie sich selbst präsentieren und die Surfer dann per Querverweis ins Nirgendwo schicken. Auch die Sache mit dem Wetterbericht haben die Wiener übrigens sehr charmant gelöst: Eine Web-Camera zeigt den jeweils tageszeitaktuellen Blick auf das Burgtheater (www.magwien.gv.at/ma53/webcam.htm). Da kann man dann auch nachsehen, ob es gerade regnet.
JurPC Web-Dok.
54/2000, Abs. 10
* Friederike Wapler ist Rechtsreferendarin und absolviert z.Zt. ihre Wahlstation beim Richard Boorberg Verlag, Stuttgart.
[online seit: 25.04.2000]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Wapler, Friederike, Wien, Wien nur Du allein - JurPC-Web-Dok. 0054/2000