JurPC Web-Dok. 36/1999 - DOI 10.7328/jurpcb/199914349

Alexander Jannasch *

Der Einsatz der EDV in der baden-württembergischen Verwaltungsgerichtsbarkeit

JurPC Web-Dok. 36/1999, Abs. 1 - 12


1. Systementscheidung: vernetzte PCs

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg hat sich sehr früh für ein System vernetzter PCs entschieden. Dies hatte neben manchen technischen Vorteilen den Vorzug der höheren Flexibilität in der allmählich zu Ende gehenden Aufbauphase, denn auch mit stand-alone PCs konnte den Richtern wie den anderen Mitarbeitern der Gerichte ein vielseitiges Arbeitsinstrument auf den Schreibtisch gestellt werden. Zugleich führte es allerdings dazu, daß die Richter mit unterschiedlich alten bzw. modernen und damit schnelleren oder langsameren Rechnern ausgestattet sind. In diesen Monaten werden die nur noch für ELEISA (hierzu unten) verwendeten sogenannten Recherche-PC vom Typ 386 ausgemustert, so daß alle PC (486 und Pentium verschiedener Leistungsklassen) unter Windows (3.11 oder 95) laufen und an das Netz angeschlossen werden können. Die Erfahrung belegt jedoch, daß auch in den kommenden Jahren mit – zunehmendem - Erneuerungsbedarf zu rechnen sein wird. JurPC Web-Dok.
36/1999, Abs. 1

2. Hardware

Inzwischen können wir für den Verwaltungsgerichtshof und die vier Verwaltungsgerichte (nahezu) von einer Vollausstattung sprechen, denn auch (fast) alle Richter, die dies ernstlich wünschen, verfügen jetzt über einen PC, der an das Netz angeschlossen ist, sowie einen Drucker (im allgemeinen Tintenstrahldrucker). Jedes Gericht ist mit einem oder mehreren Windows-NT Servern sowie einem CD-ROM Server mit je sieben CD-Laufwerken ausgestattet, auf die über das Netz zugegriffen werden kann. Zusätzlich ist beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim ein Exchange-Server sowie ein Web-Server für das landesweite Intranet der Verwaltungsgerichtsbarkeit eingerichtet.Abs. 2

3. Vernetzung der Gerichte

Bei allen Gerichten wird das Netzwerkprotokoll TCP/IP eingesetzt. Dieses Protokoll ermöglicht es, die erstinstanzlichen Gerichte in Freiburg, Karlsruhe, Sigmaringen und Stuttgart sowie den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim über ISDN-Router und das baden-württembergische Landesverwaltungsnetz miteinander zu verbinden. Für die Anbindung des Routers zum nächsten Einwählknoten stehen Standleitungen zur Verfügung, deren Bandbreite von derzeit 64.000 Kbit/s bei Bedarf erhöht werden kann. Dieses Intranet - ein mit Internet-Technologie aufgebautes Netzwerk - erlaubt, daß vom Arbeitsplatz aus z.B. auf die zentral in Mannheim vorrätig gehaltene Datenbank Asylfact (hierzu unten) zugegriffen werden kann und beispielsweise Informationen über e-mail ausgetauscht werden können. Mit dieser Infrastruktur ist gewährleistet, daß auch in Zukunft weitere Informationsquellen zentral für alle Verwaltungsgerichte zur Verfügung gestellt werden können. Das Landesverwaltungsnetz verfügt über ein durch eine firewall abgesichertes Gateway in das Internet, so daß es möglich ist, e-mail sowohl im X.400 Format als auch im SMTP-Format über das Internet zu senden und zu empfangen. Ein weitergehender Zugang in das Internet über ein ebenfalls mit firewall abgesichertes Gateway im Landesverwaltungsnetz, der dort auch Recherchen ermöglichen würde, ist vorgesehen. Der Zugang zum juris-Rechner in Saarbrücken erfolgt bisher ebenfalls noch über das Landesverwaltungsnetz und einen Großrechner beim Statistischen Landesamt. Dies führt jedoch zu zahlreichen Schwierigkeiten, so daß ein unmittelbarer Zugang realisiert werden soll, um auch bei der Online-Recherche die von der CD-ROM bekannte juris Formular Software sowie die Differenzrecherche nutzen zu können. Abs. 3

4. Stammdaten, Dezernatsverwaltung

Mit Hilfe des seit mehreren Jahren eingesetzten und laufend fortentwickelten Programms JULIA-VG (Juristisches LAN Informations- und Auskunftsprogramm für die Verwaltungsgerichtsbarkeit) der Firmen Siemens und Sontheimer Datentechnik werden die Stammdaten der Gerichtsverfahren (einschließlich Streitgegenstände, Adreßdaten, Rechtsanwälte, Herkunftsländer, etc.) erfaßt und für nahezu alle im Geschäftsbetrieb anfallenden Arbeiten genutzt. Auch werden die Daten für das kleine Schreibwerk sowie für die Erstellung von Rubren für Urteile und Beschlüsse zur Verfügung gestellt. Die Übergabe der Daten über DDE (DirectDataExchange) in sämtliche Versionen der Textverarbeitung Word für Windows ist unproblematisch. Da die modular aufgebaute Anwendung auf der Datenbank Microsoft FoxPro für Windows basiert, ist die kontinuierliche Weiterentwicklung und Pflege der Software sowie die Implementierung neuer Anwendungen auch in Zukunft gewährleistet. Mit Hilfe des von uns als JULIA-R bezeichneten Moduls haben auch die Richter Zugriff auf die Stammdaten. Zum einen kann im gesamten Datenbestand des Gerichts nach dem Namen eines Beteiligten oder nach dem Aktenzeichen gesucht werden, zum anderen stehen den Berichterstattern und den Vorsitzenden zahlreiche Recherche- und Sortiermöglichkeiten innerhalb des Verfahrensbestands des eigenen Dezernats oder des Spruchkörpers zur Verfügung. Dabei können auch zusätzliche Notizen eingegeben werden, auf die nur der jeweilige Autor Zugriff hat. Ein Feld dieser Notizen (Betrefffeld) ist zusammen mit den übrigen Recherchefunktionen suchfähig (Und-Verknüpfung). Damit kann der Richter sich also zu den in der allgemeinen Stammdatenverwaltung vorhandenen Kriterien eigene Suchbegriffe hinzufügen. Abs. 4

5. Rechtsdatenbanken

Seit der Vernetzung der PC innerhalb der Gerichte erfolgt auch der Zugriff auf Rechtsdatenbanken auf einem zentralen Server. Abs. 5
Unsere Elektronische Leitsatzsammlung (ELEISA)(1) enthält inzwischen über 8000 Leitsätze des Verwaltungsgerichtshofs für den Zeitraum seit 1980. Sie kann auch von sonstigen Nutzern (Behörden, Gerichte etc.) abonniert werden. Gegenwärtig prüfen wir die Einbeziehung von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, an denen durch die Einführung der Zulassungsberufung bzw. -beschwerde ein erhöhtes Interesse entstanden ist. Ferner erwägen wir, teilweise auch die vollständigen (natürlich anonymisierten) Entscheidungen besser zugänglich zu machen, die gegenwärtig bei der Registratur des VGH angefordert werden können. Abs. 6
Ferner steht den Richtern die (inzwischen bekanntlich zweigeteilte) juris CD-ROM Verwaltungsrecht über das hausinterne Netz zur Verfügung, so daß in dieser am Arbeitsplatz recherchiert werden kann. Ein Zugriff auf juris-online ist aus Kostengründen nur in den Bibliotheken der Gerichte möglich. Die einzelnen Gerichte halten darüberhinaus weitere CD-ROM vor (Nomos-Bundesrecht, BVerwG-DAT, Schönfelder, top cases etc.)Abs. 7

6. Asylfact

Seit dem Sommer 1998 halten wir die bei der Informations- und Dokumentationsstelle beim Verwaltungsgericht Wiesbaden erarbeiteten Daten der Asylfaktensammlung "Asylfact" auf einem zentral beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim betriebenen Lotus-Domino-Server vor. Der Datenbestand wird täglich mit einem Server beim Verwaltungsgericht Gießen repliziert, so daß ein tagaktueller Datenbetand verfügbar ist. Der Lotus-Domino-Server stellt die Daten der in Hessen eingesetzten Lotus-Notes-Datenbank im HTML-Format zur Verfügung. Auf diesen Datenbestand "Asylfact" kann von allen Gerichten aus mit Hilfe eines Internet-Browsers (eingesetzt wird der Microsoft Internet Explorer) zugegriffen werden. Gegen die flächendeckende Ausstattung aller Arbeitsplätze mit Lotus-Notes-Clients sprechen für uns die landeseinheitlichen Standardisierungsvorgaben des Landessystemkonzepts sowie Kostengründe. (Eine ähnliche Lösung planen soweit ersichtlich auch andere Bundesländer.)Abs. 8

7. Textverarbeitung, e-mail, sonstige Informationen

Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich auch die Möglichkeiten des Austausches von Texten zwischen Kanzlei und Richter über das Netz sowie das Versenden von e-mails. Die Vernetzung erlaubt es ferner, zahlreiche weitere Informationen aktuell bereitzustellen, beispielsweise Telefonverzeichnisse, eine Telefonbuch CD-ROM, einen Routenplaner oder den Fahrplan der Bahn. Wir beabsichtigen, dieses Angebot in Zukunft noch zu erweitern. Abs. 9

8. Internet

Der Verwaltungsgerichtshof und die vier Verwaltungsgerichte sind seit einiger Zeit auch im Internet vertreten. Die Homepage (http://www.justiz.baden-wuerttemberg.de/vg) ist in die teilweise noch im Aufbau befindlichen Seiten der baden-württembergischen Justiz integriert.(2) Recherchen im Internet sind derzeit (aus Sicherheitsgründen) nur von stand-alone PCs in den Bibliotheken möglich. Abs. 10

9. Organisatorisches

In jedem Gericht sind ein Systembetreuer sowie ein richterlicher EDV-Beauftragter tätig, die sich jeweils zu regelmäßigem Erfahrungsaustausch treffen. Ihnen obliegt (von seltenen externen Schulungen abgesehen) Schulung und Betreuung der Nutzer. Naturgemäß ist der Verwaltungsgerichtshof für zahlreiche die Verwaltungsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg insgesamt betreffende Aufgaben und die Koordinierung der Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) zuständig. Auch erfolgt die Beschaffung der DV-Anlagen und der Software zentral beim Verwaltungsgerichtshof. Abs. 11
Das System der Service-Einheiten ist inzwischen an allen Verwaltungsgerichten des Landes eingeführt worden. Auch bei uns bestehen (u.a. mit den Richterräten eingehend besprochene) Regelungen über Datenschutz und Datensicherheit.
JurPC Web-Dok.
36/1999, Abs. 12

Fußnoten:

(1) Vgl. bereits VBlBW 1991, 290

(2) S.a. BDVR Rundschreiben 1998, 155


* Dr. Alexander Jannasch ist Richter am VGH Baden-Württemberg und EDV-Beauftragter des Gerichts. Adresse: VGH Baden-Württemberg, Postfach: 103264, 68032 Mannheim, Fax: 0621-416195, e-mail: Jannasch@vgh.bwl.de
[online seit: 05.03.99]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Jannasch, Alexander, Der Einsatz der EDV in der baden-württembergischen Verwaltungsgerichtsbarkeit - JurPC-Web-Dok. 0036/1999