Rigo Wenning *Konferenzbericht: A Borderless World / OECD Minister - Konferenz vom 7. - 9. Oktober 1998 in OttawaRealising the Potential of Global Electronic CommerceJurPC Web-Dok. 170/1998, Abs. 1 - 26 |
Einleitung |
Eine Welt ohne Grenzen, wer träumt nicht davon? Gemeint war allerdings nicht der Wegfall der Grenzkontrollen für Personen, der einem Europäischen Bürger als wichtigste Errungenschaft einfallen würde, sondern die grenzenlose weltweite digitale Wirtschaft. Es geht also um das Modewort E-Commerce, von dem niemand so genau weiß, was es eigentlich bedeutet. Die Kanadier subsumieren in ihrem Thesenpapier neben Dingen wie dem E-Shop auch alle Verwaltungsinformationen darunter. Die Konferenz in Ottawa steht im Zusammenhang mit den internationalen Bestrebungen, globale Rahmenbedingungen für das Internet und den E-Commerce zu schaffen. Die auf der G-7 Konferenz im Februar 1995 und auf der Bonner Konferenz im Juli 1997 zu globalen Informationsnetzwerken vereinbarte Zusammenarbeit wurde nun im Rahmen der OECD in Ottawa fortgesetzt. Dabei ist das Ereignis in Ottawa die Folgekonferenz der ersten Konferenz der OECD zum E-Commerce, die vom 19. bis 21. November 1997 in Turku, Finnlandstattfand. Die Themen und Ereignisse in Ottawa sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Die Verhandlungen zu den globalen Rahmenbedingungen finden nicht nur im Rahmen der OECD statt, sondern involvieren, je nach Themengebiet, andere internationale Organisationen, wie die WIPO, die ITU,die WTO und UNCITRAL. | JurPC Web-Dok.
170/1998, Abs. 1 |
Es erscheint angebracht, hier noch einmal die Ergebnisse der
ersten OECD-Konferenz zu E-Commerce in Turku zu rekapitulieren, um in die
Problematik der Konferenz von Ottawa einzuführen. Ziel der Konferenz in
Turku war zuerst einmal eine Inventur der bestehenden Hindernisse. Es sollten
die politischen Probleme identifiziert werden, mögliche Lösungen
gefunden und Organisationen zu ihrer Umsetzung benannt werden. Außerdem
war es Ziel, die bestehenden Initiativen in allen Sektoren zu erfassen und eine
Koordination anzubieten. Schließlich wollte man sich auf grundlegende
Prinzipien zwischen der Wirtschaft und den Regierungen einigen.
Diese Ziele wurden nicht erreicht. Dabei wurden die Grundprinzipien des Rahmens für E-Commerce nur diskutiert. Es sollte ein Markt sein und es sollte nur wenig Einmischung seitens der Regierungen geben. In Turku war nur klar, daß Steuern und Zölle jedenfalls eine staatliche Aktivität voraussetzen. Man tröstete sich damit, daß die derzeitige schnelle Entwicklung des E-Commerce weitere Veränderungen mit sich bringen würde. Die Definition von Zielen für die Konferenz in Ottawa wurde daher schon als ein entscheidender Fortschritt gesehen. Bei den drängenden Problemen der inhaltlichen Kontrolle, der Privatsphäre und des Verbraucherschutzes kündigte sich schon in Turku ein Dissens an zwischen den Anhängern einer staatlichen Regulierung und solchen, die die freiwillige Selbstkontrolle als das Allheilmittel ansehen. | Abs. 2 |
Die Ergebnisse der Konferenz in Turku waren vor allem Ziele für die Konferenz in Ottawa. Definiert wurden Arbeitsfelder für die weitere Arbeit der OECD: | Abs. 3 |
| Abs. 4 |
Eine Zusammenfassung der Konferenz in Turku ist auf dem OECD-Serververfügbar. | Abs. 5 |
Die Konferenz in Ottawa war also mit hohen Erwartungen besetzt. Waren es in Turku etwa 400 Konferenzteilnehmer, so waren in Ottawa insgesamt etwa 1000 Personen beteiligt. Diese Zahl kam trotz einer Limitierung der Delegationen zustande. Die kanadische Regierung sprach eine Einladung für die Vertreter von NGO's aus, obwohl die Verhältnisse sehr beengt waren. Dies sorgte für frischen Wind und eine ausgeglichenere Repräsentanz der Interessen. Der kanadische Industrieminister Manley war dieser Politik entsprechend auf der vorab stattfindenden Konferenz, "The Public Voice in the Development of Internet Policy" der NGO's als Eröffnungsredner aufgetreten. In Ottawa war, resultierend aus den Erkenntnissen von Turku, vor allen Dingen die Einigung hinsichtlich der Basis-Prinzipien erwartet worden, damit die durch das Internet sofort sichtbaren Gefälle unterschiedlicher nationaler Regelungen abgemildert würden. Nach der Konferenz in Turku hatte das Business and Industry Advisory Committee (BIAC), also die Wirtschaft, mit mehreren anderen Organisationen, der GIIC, der ICC, der INTUG und der WITSA einen gemeinsamen Aktionsplan mit dem Namen "A Global Action Plan for Electronic Commerce (PDF), prepared by Business with Recommendations for Governments" geschaffen, an dem sich das Programm der Konferenz sehr stark orientierte. Als Kernpunkte der Beratungen wurden die vier zentralen Themenbereiche dieses Papiers gewählt: | Abs. 6 |
| Abs. 7 |
Wie schon in Turku blieb es auch in Ottawa vielfach bei Ankündigungen
und Aufrufen. Dennoch war zu spüren, daß den Ministern bewußt
war, was der kanadische Industrieminister John Manley, offen aussprach: "Das
Internet überfordert die Macht und Einwirkungsmöglichkeit einer
einzelnen Regierung". Man ist sich einig, daß man verdammt ist, den
globalen Markt zu schaffen, wenn man noch bestimmen will, welche Werte in diesem
Markt gelten. Wird diese Chance vertan, dann wird es sicherlich zu Verwerfungen
innerhalb des Marktes für E-Commerce kommen, deren heftige Auswirkungen
sich gerade den Deutschen mit den Vorkommnissen um CompuServe und XS4ALL bereits
angekündigt haben. Bisher ist jedoch keine der 29 Regierungen der
OECD-Staaten auf Konfrontationskurs gegangen. Die konkreten großen
Gegenspieler sind zur Zeit Ira Magaziner für die Amerikaner und Martin
Bangemann für die EU.
Insgesamt wurde auf der Konferenz unter den vier Kernpunkten ein unglaublich breites Spektrum von Themen behandelt, das hier nur ansatzweise wiedergegeben werden kann. Es erscheint angebracht, dabei der Klassifizierung in die vier Bereiche zu folgen, um die Diskussion übersichtlich zu halten. | Abs. 8 |
1. Vertrauensbildung für Nutzer und Verbraucher(Building trust for users and consumers) |
Unter diesem Punkt werden zur Zeit die Themen Datenschutz (Privatsphäre) und Kryptographie diskutiert. Im Abschlußpapier zur Konferenz heißt es: | Abs. 9 |
| Abs. 10 |
Eine Untersuchung des kanadischen Industrieministeriums hatte ergeben, daß viele Nutzer zurückhaltend bei E-Commerce und Online-Kauf sind, weil sie dem Medium nicht vertrauen. Sicherheitsaspekte rangieren weit oben in der Gunst der umworbenen digitalen Käufer. In den diesbezüglichen Kernpunkten Datenschutz und Datensicherheit herrscht Streit. Hinter den Begriffen Datenschutz und Datensicherheit verbergen sich die altbekannten Themen Verschlüsselung und freiwillige Selbstkontrolle im Datenschutz. Dabei ist der Riss, der früher zwischen Europa und Nordamerika bestand und in der Mitte des Atlantik lokalisiert werden konnte, nun auf den amerikanischen Kontinent gewandert. Vom Atmosphärischen her gesehen kann man sagen, daß Europa in den Informationstechnologien seiner Rolle als Global Player gerecht wird. | Abs. 11 |
a. Verschlüsselung |
Die Diskussion um Datensicherheit im Internet rankt sich im
Moment weitgehend um Verschlüsselung. Streitig war bisher vor allem die
Politik der USA im Bereich Kryptographie. Seit dem Scheitern des
Clipper-Chip,
der eine Einbruchstelle für Behörden und Geheimdienste enthielt, hat
die Clinton-Regierung am Prinzip des GAK (Governmental Access to Keys)
festgehalten. Es wurde seitdem von den USA außen- wie innenpolitisch
versucht dieses Prinzip mit immer neuen Spielarten durchzusetzen. Die Gegenwehr
im eigenen Land ist beträchtlich. So wurde in einer
Studie von Spezialistennachgewiesen, daß die GAK-Lösungen derzeit wohl kaum realisierbar
sind. Gerade Deutschland und die DG XIII der Europäischen Kommission hatten
sich immer wieder geweigert, auf den Kurs von Clinton und dessen
Sonderbotschafter
David Aaron einzuschwenken. Durch das Umschwenken Kanadas, das inzwischen
ebenfalls eine Regelung zur Kryptographie ablehnt, kommen die USA auf dem
eigenen Kontinent unter Druck. In Europa sind Frankreich und Großbritannien
bisher der Politik der USA gefolgt. In Frankreich ist der Gebrauch von starker
Verschlüsselung verboten, es sei denn, man hinterlegt seine privaten Schlüssel.
Dies wird in Fachkreisen, aber auch von Verbraucherschützern und
Menschenrechtsgruppen abgelehnt. In Großbritannien gab es immer wieder
Versuche, eine Lösung mit Schlüsselhinterlegung politisch
durchzusetzen. Bisher ohne Erfolg. Der Schlüssel für die Regulierung
der starken Kryptographie liegt in Deutschland. Mit seiner starken Soft- und
Hardwareindustrie ist Deutschland in diesem Bereich weltweit führend,
nicht zuletzt dank seines Widerstandes gegen jegliche Einschränkung der Möglichkeit
zur Verschlüsselung. Ottawa stand hinsichtlich Verschlüsselung und
digitaler Signatur ganz im Zeichen der Staaten, die eine liberale Politik
hinsichtlich Verschlüsselung betreiben. Die USA haben inzwischen einen
leichten Schwenk in ihrer Politik vollzogen. Es geht nicht mehr um die
Hinterlegung von privaten Schlüsseln oder eine Hintertür in den
Systemen. Vielmehr will man jetzt eine Sollbruchstelle einführen, die eine
spätere Entschlüsselung ermöglicht. Es gilt jedoch weiterhin:
Ohne starke Verschlüsselung gibt es keinen sicheren Vertragsschluß
via Internet. Gerade aus einer Übernahme der amerikanischen Politik durch
Europa würden sich gravierende Nachteile für die europäische
Industrie ergeben, die so den Schutz ihrer vertraulichen Kommunikation nicht
mehr gewährleisten könnte.
Zum Thema Vertragsschluß gab es dann doch eine Abschlußerklärung (PDF), in der die Minister sich gegen die Diskriminierung von Authentifizierungsmechanismen aus anderen Staaten wandten und eine weitere Entwicklung solcher Authentifizierungstechniken anmahnten. Dabei wurde insbesondere auf die Arbeit der UNCITRAL zur Mustervereinbarung E-Commerce verwiesen. Gleichzeitig wurde auf die OECD-Richtlinien von 1990 (Security of Information Systems) und 1997 (Cryptography Policy) verwiesen. Dies kann als Rückschlag für die US-Politik im Bereich Kryptographie interpretiert werden, da die OECD-Richtlinien dem Eingriff in die Freiheit der Verschlüsselung sehr restriktiv gegenüber stehen. | Abs. 12 |
b. Datenschutz |
Bei der Diskussion um den Datenschutz kam es in Ottawa zum
offenen Schlagabtausch zwischen den USA und der EU. Die USA hatten lange
versucht, die
EU-Datenschutzrichtlinie,
die ein informationelles Selbstbestimmungsrecht maßvoll auch im privaten
Sektor einführt, zu hintertreiben. Die Datenschutzrichtlinie ist eine
Umsetzung der
OECD-Richtlinie
zum Datenschutz aus dem Jahre 1980, die an die neuere Entwicklung angepaßt
wurde, allerdings ohne die Spezifika des Internet zu berücksichtigen. In
der OECD-Richtlinie beschäftigt sich ein Passus mit grenzüberschreitenden
Datenflüssen. Der Datenschutz macht keinen Sinn, wenn die Daten zur
Verarbeitung oder Zweckentfremdung einfach in ein anderes Land übertragen
werden. Die OECD-Richtlinie sah ein spezielles Verfahren vor, daß zum
Verbot des Transports von personenbezogenen Daten in ein Drittland führte,
wenn dort nicht ein adäquates Schutzniveau herrsche. Begründet wurde
dies von der OECD mit der Notwendigkeit, die grenzüberschreitenden
Datenströme möglich zu machen oder zu halten, denn ein Verbot bedürfe
damit einer genauen Prüfung, während die Freiheit des Datentransfers
die Grundregel bleibt. Genau diese Regelung wurde von der Datenschutzrichtlinie
in den Artikeln 25 f. und 31 übernommen. Und genau wegen dieser Regelung
gibt es erheblichen Streit. Es gibt in den USA keinen Datenschutz im privaten
Sektor, also wären die Voraussetzungen einer Unterbrechung des
Datenflusses gegeben. Die US-Regierung hat der heimischen Industrie als
Worst-Case-Scenario die Unterbrechung des transatlantischen Datentransfers an
die Wand gemalt. Diese signalisiert "nicht zu überwindende
wirtschaftliche Schwierigkeiten" bei der Einführung eines
entsprechenden Schutzniveaus. Clintons Sonderbotschafter Aaron bemühte
sich dann auch in einem Interview, das kürzlich im
Standarderschienen ist, die Wogen zu glätten: Die EU hätte die Maßnahmen
gegen die USA vorläufig auf Eis gelegt.
Dabei verläuft die Grenze nicht einmal geradlinig. EU-Kommissar Bangemann hat in seiner Rede betont, daß ein gleichartiges Schutzniveau, wie es die Richtlinie fordert, nicht notwendig durch ein Gesetz hergestellt werden muß. Dennoch müßten gewisse Rechte der Betroffenen gewährleistet werden. Die EU sieht die Lösung daher in einer Kombination eines gesetzlichen Rahmens mit freiwilliger Selbstkontrolle und technischen Lösungen, wie z.B. dem P3P-Projekt des W3-Consortiums. | Abs. 13 |
Derweil nimmt Kanada eine Mittelposition ein, die ihm sichtlich Vorteile verschafft. Aus subjektiver Sicht ist Kanada das Land, in dem die Entwicklung und intellektuelle Durchdringung des Internet in rechtlicher Hinsicht bisher am weitesten fortgeschritten ist. Dabei hat sich der Konsens und die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten aus Staat, Wirtschaft, Politik und Verbänden als Motor erwiesen. Anstatt im Gegeneinander, haben die Kanadier im Miteinander tragbare Lösungen im Bereich Datenschutz und Datensicherheit entwickelt. Dies hat unter anderem dazu geführt, daß Kanada ein neues Datenschutzgesetz verabschiedet und die Politik einer Regulierung von Verschlüsselungstechniken aufgegeben hat. Interessant war allerdings, daß der Datenschutz urprünglich durch eine freiwillige Selbstkontrolle gewährleistet werden sollte. Nachdem aus den diesbezüglichen Gesprächen ein gemeinsames Gefüge von Regelungen hervorgegangen war, hat man von staatlicher Seite den Kompromiß einfach in ein Gesetz gegossen. Die Verbraucherschützer hatten dergleichen von Anfang an gefordert. Die Proteste der Wirtschaft hielten sich in Grenzen, hatte man doch inhaltlich den Lösungen zugestimmt. | Abs. 14 |
Die Konferenz brachte keine Lösung des Streits. Ein Report der GILC zu Fragen des Datenschutzes und der Privatsphäre sieht die USA in ihrer ablehnenden Haltung hinsichtlich der Verabschiedung von Regelungen zum Datenschutz isoliert. Alle sind nun gespannt, ob die EU ernst macht und die Übertragung von personenbezogenen Daten in die USA stoppt. Bis dahin wird weiter an einem Kompromiß gearbeitet. Das Abschlußpapier der Konferenz enthält zu diesem Thema jedenfalls nur Andeutungen. Festgehalten werden kann, daß die Minister die Wertungen der OECD-Empfehlung von 1980 zum Datenschutz und der Erklärung zum grenzüberschreitenden Fluß von Daten als nach wie vor verbindlich ansehen. Der Weg dahin ist streitig. Dementsprechend vage ist die Abschlußerklärung der Minister in diesem Bereich: | Abs. 15 |
(Die Regierungen der beteiligten OECD-Staaten erklären:) | Abs. 16 |
| Abs. 17 |
c. Verbraucherschutz |
Die OECD hat derzeit eine Richtlinie zum Verbraucherschutz
projektiert, die 1999 fertig werden soll. Ottawa war hier eine wichtige
Plattform für Verbraucherschützer, ihre Anliegen vorzutragen. Dabei
konnte nicht nur die Arbeitsgruppe, die mit der Erstellung der Richtlinie beschäftigt
ist, erreicht werden. Vor allen Dingen konnten die Fragen zum Verbraucherschutz
im E-Commerce direkt an Minister und Vertreter der Wirtschaft gestellt werden,
die diesem Thema in ihrem Action-Plan einen weiten Raum gegeben hatten. Einen zentralen Raum nahmen dabei die Ausführungen von Louise Sylvain von Consumers International ein, die mit einem Vortrag über 12 Kernpunkte die weitere Richtung der Diskussion sehr stark beeinflußt hat. Laut ihrem Vortrag liegen die Verbraucherinteressen, vor allem im Datenschutz, der Identifizierung der Anbieter und in Transparenz und Zahlungsmodalitäten. Noch problematischer sind der materiellrechtliche Verbraucherschutz, der derzeit absolut uneinheitlich ist. Probleme gibt es einerseits wegen der dadurch entstehenden Uneinheitlichkeit des Marktes. Andererseits wurde die internationale Zuständigkeit und das internationale Privatrecht 1 diskutiert. Hier gilt es in erster Linie, eine effektive Rückgriffsmöglichkeit des Verbrauchers und alternative Modelle der Streitschlichtung zu schaffen. Angeregt wurde beispielsweise, daß sich der Verbraucher immer nach seinem lokalen Verbraucherschutzrecht richten könne, weil es Unternehmen besser gelinge, sich auch in einem internationalen Umfeld zurechtzufinden. Auch beim Schutz vor unlauteren Praktiken ist von der Wirtschaft das hohe Lied von der freiwilligen Selbstkontrolle zu hören. Das Problem ist hier jedoch die Effektivität. Das hehre Bild der freiwilligen Selbstkontrolle oder self-regulation hat inzwischen einige Kratzer bekommen, weil die Wirtschaft sich sehr effektiv um Sanktionsmechanismen zur Durchsetzung der Ergebnisse dieser Selbstkontrolle gedrückt hat. | Abs. 18 |
Die Minister verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung zum Verbraucherschutz: | Abs. 19 |
| Abs. 20 |
Bei alledem mußten die Minister zusätzlich darüber wachen, daß der Markt des E-Commerce ein globaler Markt wird. Dessen waren sie sich bewußt und wollen sich nun an der zu erwartenden Richtlinie der OECD orientieren. Deren Fertigstellung wurde von den Ministern in ihrer Abschlußerklärung ausdrücklich angemahnt, nachdem es immer wieder Verzögerungen bei der Erarbeitung durch die OECD gab. | Abs. 21 |
2. Regulatorischer Rahmen für den globalen digitalen MarktEstablishing ground rules for the digital marketplace |
Unter dieser Überschrift wurden fast ausschließlich
die Fragen der steuerlichen Behandlung des globalen Marktes diskutiert. Dabei
ging es um die Verhinderung der Diskriminierung in bestimmten Bereichen, den
Abbau von Verwaltungshürden und die Vermeidung neuer Steuern. Diskutiert
wurde ein
Bericht der CFA
(PDF-Committee on Fiscal Affairs). Dieser war nach Turku und einer
neunmonatigen Diskussion mit offiziellen Stellen und Ministerien der
Finanzverwaltung in Ottawa den Ministern vorgestellt worden. Auch hier gab es
eine Kontroverse zwischen der EU einerseits und den USA bzw. Japan auf der
anderen Seite. Will die Clinton-Administration eine Bit-Steuer auf jeden Fall
verhindern, so erhoffen sich die Europäer vom E-Commerce einen Aufschwung für
die leeren Kassen. Viel brisanter ist allerdings die Forderung des Berichts
nach Bereitstellung einer elektronischen Schnittstelle durch die
Finanzverwaltung. Wenn es einen globalen Markt gibt, dann können die
Verantwortlichen in der Wirtschaft nicht jährlich alle neunundzwanzig
OECD-Länder bereisen, um ihrer Steuer- und Erklärungsschuld gerecht zu
werden. Die Kommunikation mit der Finanzverwaltung solle vielmehr mit
elektronischen Hilfsmitteln auf die Höhe der Zeit gebracht werden.
Gleichzeitig sollen alle beteiligten Länder eine effektive Durchsetzung der
steuerlichen Ansprüche gewährleisten. Damit ergäben sich
Rahmenbedingungen, die auch kleinen und mittleren Unternehmen eine Teilnahme am
globalen Markt ermöglichen würden. Gerade im steuerlichen Bereich hält die OECD selbst eine sehr informative Seite zur aktuellen Entwicklung vor . | Abs. 22 |
3. Ausbau der digitalen Infrastrukur für E-CommerceEnhancing the information infrastructure for electronic commerce |
Man könnte meinen, in diesem Bereich sei vorwiegend das
Problem der weltweiten Fernnetze besprochen worden. Es war jedoch der
Schwerpunkt Entwicklung aus dem Kürzel OECD, der zum Tragen kam. In einer
außergewöhnlichen
Rede hatte der südafrikanische Telekommunikationsminister Naidoo
angemerkt, daß es in Tokyo oder New York mehr Telefonanschlüsse gebe
als in ganz Afrika. Er mahnte eindringlich, die armen Länder, die Menschen
der Vorstädte und ländlichen Regionen nicht zu vergessen. Letztlich
geht es um ein Problem, was auf der CPSR-Konferenz " One Planet, One Net"
ebenfalls angesprochen und als die last mile bezeichnet wurde. Die großen
Carrier sind heute zwar schon ausgelastet und demnächst wohl auch überlastet.
Dennoch gibt es in diesem Bereich weniger Probleme, als auf dem letzten
Kilometer bis zum Computer nach Hause oder an einem Gemeinschaftsort. Laut einem
Vergleich der Telekommunikationskosten und -dichte in einem
kanadischen
Strategiepapier (PDF) steht Deutschland dabei an vorletzter Stelle. Die
hohen Kosten der letzten Meile hindern nach den Erkenntnissen der kanadischen
Studie also die Entwicklung des Internet und damit des E-Commerce in
Deutschland. Der Unmut der Internet-Nutzer zeigte sich nicht zuletzt im kürzlich
erfolgten Internet-Streik 2. Als Vergleich kann dienen, daß ein Konferenzteilnehmer
vom Hotel aus mit einem Laptop im Internet gearbeitet hatte und für jeweils
etwa vier Stunden an drei Tagen unter $ 5,- bezahlen mußte. Sein Provider
hatte eine örtliche Einwahlmöglichkeit in Ottawa. Das Problem der
letzten Meile wurde aber auch für die USA und Kanada angesprochen, wo
sozial schwache Haushalte zwar die Verbindungsgebühr, nicht aber den
Anschluß und dessen Verlegung finanzieren könnten. Dennoch ist die
Aufgabe, immer mehr Menschen ans Internet anzuschließen in den
Entwicklungsländern ungleich schwerer. Das UNDP hat derzeit ein
Programm
aufgelegt, mit dem Konnektivität in ländliche Regionen von
Entwicklungsländern gebracht werden soll.
Auf Anfrage der Minister wurde außerdem das bekannte y2k- oder Jahr-2000-Problem behandelt. Dies soll allerdings hier nicht behandelt werden. Als Anhaltspunkt für die weitere Vertiefung kann eine Linksammlung der OECD, eine Suche mit dem englischen Begriff y2k oder dem deutschen Begriff dienen. Eine Recherche zu diesem Thema fördert eine wahre Informationsflut zutage. | Abs. 23 |
4. Maximierung der positiven EffekteMaximising the benefits of electronic commerce |
Mit "Maximierung der positiven Effekte" hat man einen
sehr schillernden Begriff gewählt, unter dem die sozialen und
gesellschaftlichen Implikationen der weiteren Digitalisierung besprochen und
verhandelt werden. Ein niederländisches Papier sprach beim Begriff der "Datenautobahn"
von einem Begriff, der den Übergang zur Informationsgesellschaft ausdrücke.
Dabei wurden mehrere Phasen beschrieben: Zuerst sei das Internet ein Luxusgut,
in dem die Dienste eher als Zusatz betrachtet werden und das Entertainement im
Vordergrund stehe. In einer zweiten Phase sei das Netz komplementär in dem
Sinne, daß die neuen Medien von hohem wirtschaftlichen und sozialem
Stellenwert sind. Drittens komme dann eine Phase des Umbruchs, wenn es Bürgern
nicht mehr möglich ist, ohne die gebräuchlichsten Formen der neuen
Informationsinfrastruktur auszukommen, weil die traditionellen Wege der
Informationsverteilung an Bedeutung verloren haben. Auch die OECD selbst hatte dazu ein kurzes Papier erarbeitet. Dort werden summarisch die Veränderungen untersucht, die der E-Commerce mit sich bringen wird. Angesprochen wurde zum Beispiel der Arbeitsmarkt, insbesondere die Weiterbildung der Arbeitnehmer. Ebenfalls positiv, aber auch negativ betroffen sind kleine und mittlere Betriebe. Es geht dabei um den Zugang dieser Betriebe zur Information und die für diese Betriebe bestehenden Sicherheitsrisiken, aber auch um neue Märkte und Marktchancen. Schließlich wurde der Bildungssektor angesprochen. Auf Dauer ist die Benutzung der neuen Techniken die Voraussetzung für eine breite Basis des E-Commerce. Nur durch den Bildungssektor und seine Ausrichtung auf die neuen Techniken kann dies gewährleistet werden. In diesem Bereich ist man der Phase des Prüfens und Faktensammelns noch nicht entwachsen. Dementsprechend spricht das Abschlußpapier auch von der Aufforderung an die OECD, ihre Kompetenz in diesen Sektor einzubringen und durch weitere Untersuchungen eine bessere Entscheidungsbasis für die Regierungen zu bieten, es handelt sich fast ausschließlich um weitere Forschungsaufträge: | Abs. 24 |
As recommended in the report, the OECD will continue work to:
| Abs. 25 |
Zusammenfassend kann man vor der hier rollenden
Informationsflut kapitulierend einfach ein Gefühl weitergeben. Die
entscheidenden Player Amerika, Europa und Japan bestimmen die Richtung und das
hohe Tempo der Entwicklungen. Sie laufen allerdings bisher den Entwicklungen in
der Online- und Telekommunikationswirtschaft hinterher. Man ist sich bewußt,
daß alle zur Zusammenarbeit verurteilt sind, wenn man sich nicht vollständig
von der Entwicklung abkoppeln will. In Turku haben Regierungen und Wirtschaft
miteinander gesprochen. Der Kreis der Gesprächspartner ist in Ottawa um
Arbeitnehmer und NGO's ausgedehnt worden. Bei der Schaffung eines globalen
Marktes kann man eben nicht vermeiden, sich die Frage nach den sozialen und
ethischen Wertentscheidungen zu stellen, wie es Prof. Lawrence Lessig in seinemEröffnungsvortrag
(PDF) zur anschließend stattgefundenen Konferenz One Planet, One Net in
Boston sehr treffend herausgestellt hat. Er bezog es auf den aktuellen
Konflikt um die Verwaltung der Domain-Namen. Lessig konstruierte seinen Vortrag um einen bemerkenswerten Satz: "The single unifying force is that we don't want the government running things." Eine solche Tendenz war auch in Ottawa zu spüren und ist in vielen vorbereitenden Konferenzpapieren zu erkennen. Es wurde deutlich, daß es eine allgemeine Tendenz gibt, die Regierungen zurückdrängen will, weil Regierungen weder mit der Geschwindigkeit noch mit der notwendigen Flexibilität auf das Internet reagieren. Regierungen waren bisher nicht sonderlich erfolgreich bei der Schaffung international anerkannter Normen, die IETF und die IANA schon. Lessig setzte einen neuen Focus mit der Bemerkung, daß wir nicht mehr wissen, wer die Entscheidungen für uns trifft. Es sei letztlich egal, ob Regierungen oder andere Entitäten die Entscheidungen treffen. Wichtig ist, daß die Entscheidungen demokratisch getroffen werden und mit den Grundwerten, wie sie z.B. in der Universalen Erklärung der Menschenrechte von 1948 niedergelegt sind, übereinstimmen. Die Überlegungen, wie die Wahrung dieser Werte und die demokratische Entscheidungsfindung organisiert werden kann, beginnen erst. Eines erscheint jedoch sehr wahrscheinlich: Die klassische Regierungsform, wie sie nationalstaatlich existiert, wird diesen Aufgaben kaum gewachsen sein. Von daher ist der Satz wiederum verständlich und nachvollziehbar: "The single unifying force is that we don't want the government running things." | JurPC Web-Dok. 170/1998, Abs. 26 |
Fußnoten:(1) Vgl. Rüßmann, Internationale Zuständigkeit für die Durchsetzung von Ansprüchen aus Geschäfts- und Wettbewerbshandlungen im Internet, JurPC Web-Dok. 108/1998, Abs. 1 - 56,(2) Vgl. ct' 22/98, Internet-Streik gegen die Telekom, http://www.heise.de/ct/98/22/020/ und die Seite der Streikenden: User gegen Wucher, http://www.gamespy.de/Internetstreik/home.html |
* Rigo Wenning ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtsinformatik von Prof. Dr. Maximilian Herberger an der Universität des Saarlandes und arbeitet im Juristischen Internetprojekt Saarbrücken mit. Homepage: http://www.uni-sb.de/~wenning/. E-Mail: wenning2@rz.uni-sb.de. |
[online seit: 20.11.98 ] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Wenning, Rigo, Konferenzbericht: A Borderless World/OECD Ministerkonferenz vom 7. - 9. Oktober in Ottawa - JurPC-Web-Dok. 0170/1998 |