JurPC Web-Dok. 43/2002 - DOI 10.7328/jurpcb/200217347

OLG München
Urteil vom 26.07.2001

29 U 3265/01

Anbieterkennzeichnung nach § 6 Nr. 2 TDG

JurPC Web-Dok. 43/2002, Abs. 1 - 21


TDG § 6 Nr. 2; MDStV § 6 Abs. 1 und Abs. 2

Leitsätze

1. Unter den Begriff "Personenvereinigungen und -gruppen" in § 6 Nr. 2 TDG fallen auch juristische Personen.

2. "Vertretungsberechtigt" i.S.d. § 6 Abs. 1 MDStV ist nicht mit "verantwortlich" i.S.d. § 6 Abs. 2 MDStV gleichbedeutend.

Tatbestand

Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen und weiterer Verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Er ist Rechtsnachfolger u.a. des Verbraucherschutzvereins e.V., Berlin, der ursprünglich die Unterlassungsklage erhoben hat. Auch der Kläger ist in der vom Bundesverwaltungsamt in Köln geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 22 a AGBG eingetragen. Die Beklagte bietet über das Internet u.a. Bücher, Videos, Computer- und Videospiele an. Die auf ihrer Web-Seite http://www.a... .de in das Internet eingestellte Form des Impressums, wie sie im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wiedergegeben ist, führte für den Bereich "Warenrücknahme" als Anbieterkennzeichnung an:JurPC Web-Dok.
43/2002, Abs. 1

"verantwortlich für den Inhalt:
Bücher: Stefan R...
Musik, Video und DVD: Thorsten R...
E-Carts: Maiken M...-H...
Computer- & Videospiele: Markus P...
Software & CD-ROMS: Markus P..."

Abs. 2
Der gesetzliche Vertreter der Beklagten war im Rahmen der Anbieterkennzeichnung nicht aufgeführt.Abs. 3
Der Kläger machte geltend, dass die Angaben der Beklagten auf ihrer Web-Seite nicht den Anforderungen des § 6 des Gesetzes über die Nutzung von Telediensten genügten. Es reiche nicht aus, dass lediglich die für den Inhalt verantwortlichen Mitarbeiter benannt würden, nicht aber der oder die vertretungsberechtigten Personen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei gemäß § 22 AGBG i.V.m. § 6 TDG begründet. Zugleich stelle der Verstoß gegen die verbraucherschützende Vorschrift des § 6 TDG auch einen Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs dar.Abs. 4
Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im Zusammenhang mit Angeboten im Internet keine den Anforderungen des § 6 des Gesetzes über die Nutzung von Telediensten (TDG) genügende Anbieterkennzeichnung anzugeben, insbesondere nicht den Namen des oder der vertretungsberechtigten Person/Personen zu nennen.

Abs. 5
Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.
Abs. 6
Sie zog die Aktivlegitimation des Klägers in Zweifel und trat den Angriffen des Klägers gegen ihre Anbieterkennzeichnung entgegen. Im Impressum seien Personen als verantwortlich - und damit vertretungsberechtigt - für die einzelnen Rubriken aufgeführt. Die Verbraucher könnten deshalb dem Impressum auf einen Blick entnehmen, wie das anbietende Unternehmen heiße, wo es seinen Sitz habe, welche Person innerhalb des Unternehmens für den jeweiligen Bereich zuständig und vertretungsberechtigt sei und wie diese Person ohne weiteres erreicht werden könne. Ein Verstoß gegen § 6 TDG liege nicht vor. Diese Bestimmung solle den Nutzern von Telediensten vorwiegend die Kenntnis über die Identität des Anbieters ermöglichen. Wer Online-Angebote in Anspruch nehme, solle - entsprechend einem Kaufhauskunden - erkennen können, mit wem er es als Geschäftspartner zu tun habe. Dies sei durch Beachtung der Vorschrift des § 6 Nr. 1TDG gewährleistet. Die in § 6 Nr. 2 TDG geforderten Angaben sollten zwar auch die Rechtsverfolgung erleichtern. Diese Bestimmung sei aber nicht dahin auszulegen, dass - über den Wortlaut hinaus - ein juristisch Vertretungsberechtigter zu nennen sei. Selbst wenn von einem Verstoß gegen § 6 TDG auszugehen sein sollte, bestehe kein Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß § 1 UWG. § 6 TDG sei eine wertneutrale Vorschrift, deren Verletzung erst dann wettbewerbswidrig sei, wenn der Handelnde bewusst und planmäßig vorgehe, um einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb vor gesetzestreuen Mitbewerbern zur erlangen. Hieran fehle es im Streitfall.Abs. 7
Schließlich müsse der zu allgemein gehaltene Klageantrag zu einer Teilabweisung führen.Abs. 8
Die Beklagte hat das Verfahren zum Anlass genommen, auf der Impressum-Seite noch den Namen des Geschäftsführers anzufügen.Abs. 9
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 14.3.2001 mit der Begründung abgewiesen, es könne dahingestellt bleiben, ob mit "Vertretungsberechtigter" im Sinne des § 6 TDG der gesetzliche Vertreter gemeint sei, denn es handele sich bei dieser Bestimmung um eine wertneutrale Vorschrift, so dass ein Verstoß nur dann wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG sei, wenn besondere wettbewerbsrelevante Umstände hinzuträten. Ein Verhalten, das zeige, dass die Beklagte bewusst und planmäßig gehandelt habe, um sich einen sachlich ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb zu verschaffen, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Auf das landgerichtliche Urteil wird verwiesen.Abs. 10
Mit der Berufung verfolgt der Kläger das Unterlassungsbegehren weiter. Unter Wiederholung seines Vorbringens im ersten Rechtszug rügt er, das Landgericht habe § 22 AGBG als Anspruchsgrundlage für das Unterlassungsbegehren unberücksichtigt gelassen. Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung sei lediglich, dass eine dem Verbraucherschutz dienende Vorschrift verletzt werde. Auf die zu § 1 UWG entwickelten Voraussetzungen für den sogenannten Rechtsbruchtatbestand komme es in § 22 AGBG gerade nicht an. § 6 TDG diene dem Verbraucherschutz, ein Verstoß hiergegen löse den Unterlassungsanspruch aus § 22 AGBG aus. Da bei einer GmbH der "Vertretungsberechtigte" nun einmal der "gesetzliche Vertreter" sei, führe der in der Nichtaufführung des gesetzlichen Vertreters liegende Verstoß zum Unterlassungsanspruch.Abs. 11
Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Landshut vom 14.3.2001 die Beklagte bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, geschäftsmäßige Angebote ohne Namen und Anschrift des Vertretungsberechtigten im Internet zu veröffentlichen.

Abs. 12
Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Abs. 13
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft ihren Rechtsstandpunkt. Sie führt aus, dem Landgericht sei zu folgen, dass § 6 Nr. 2 TDG eine lediglich aus Gründen ordnender Zweckmäßigkeit erlassene Vorschrift sei. Die Anwendbarkeit von § 22 AGBG setze voraus, dass der Verbraucherschutz der eigentliche Zweck der Gesetzesbestimmung sei. Unterstellt, die Einhaltung von § 6 Nr. 2 TDG liege auch im Interesse des Verbrauchers, weil es für ihn angenehm sei, einen Vertretungsberechtigten auf der Web-Site zu finden, sei doch der Aspekt des Verbraucherschutzes nur von untergeordneter Bedeutung. Sämtliche für die Rechtsverfolgung (und weitere Aufklärung der Identität des Diensteanbieters) notwendigen Informationen seien bereits durch § 6 Nr. 1 TDG geregelt. Da § 6 Nr. 2 TDG gerade nicht von dem "juristischen Vertreter" des Anbieters, sondern von einem "Vertretungsberechtigten" spreche, genüge es schon nach wörtlicher Auslegung, wenn ein für den jeweiligen Bereich verantwortlich Handelnder genannt werde. Im Übrigen müsse der Vertretungsberechtigte nur bei "Personenvereinigungen und -gruppen" angegeben werden. Juristische Personen, also auch sie, die Beklagte, seien sonach von § 6 Nr. 2 TDG nicht erfasst. Grund hierfür sei, dass eine effektive Rechtsverfolgung gegenüber juristischen Personen auch ohne Nennung des Vertretungsberechtigten durch Einsichtnahme in das Handelsregister möglich sei. Bei Personenvereinigungen und -gruppen, etwa bei einem als BGB-Gesellschaft betriebenem Anbieter, sei dies nicht der Fall. Ein Verstoß gegen § 6 Nr. 2 TDG liege sonach im Streitfall nicht vor.Abs. 14
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.Abs. 15

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet, soweit der Unterlassungsantrag auf den konkreten Verletzungsfall gerichtet ist. Dem aktivlegitimiertem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gemäß § 22 AGBG gegen die Beklagte zu. Der weitergehende Antrag ist unbegründet.Abs. 16
Wie der ursprüngliche Kläger, der Verbraucherschutzverein e.V., gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugt war, ist auch der nunmehrige Kläger als Rechtsnachfolger des Verbraucherschutzvereins nach dieser Bestimmung und gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG i.V.m. § 22 a AGBG klagebefugt. Nach § 22 Abs. 1 AGBG kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen. Entgegen der Ansicht der Beklagten dienen die in § 6 TDG unter Nr. 1 und ebenso unter Nr. 2 für die Anbieterkennzeichnung als geboten angesehenen Angaben dem Verbraucherschutz. Es ist zwar richtig, dass eine Vorschrift nur dann dem § 22 AGBG unterfällt, wenn der Verbraucherschutz der eigentliche Zweck der Bestimmung ist und nicht nur eine beiläufige Nebenwirkung darstellt. Dieser eigentliche Zweck liegt aber nicht nur bei den in Abs. 2 des § 22 AGBG aufgezählten Gesetzen vor, sondern auch bei der als Einzelbestimmung gezielt Verbraucherschutz bewirkenden Vorschrift des § 6 TDG (vgl. auch Ulmer/Hensen AGB-Gesetz, 9. Aufl., § 22 Rdnr. 8).Abs. 17
§ 6 Nr. 2 TDG schreibt für die Anbieterkennzeichnung bei Personenvereinigungen und -gruppen die Angabe von Name und Anschrift des Vertretungsberechtigten vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten, die sich insoweit auf Gola-Müthlein, Kommentar zum TDG, § 6, Rdnr. 5.3 beruft, versteht der Senat "Personenvereinigungen und -gruppen" nicht nur im Sinne von Personenzusammenschlüssen, die im Gegensatz zu natürlichen und juristischen Personen nicht rechtsfähig sind. Unter diesen Begriff fallen vielmehr auch juristische Personen, beispielsweise wenn es sich bei dem Dienstanbieter um eine GmbH, eine OHG, eine AG oder einen Verein handelt (vgl. Burcher/Leyendecker, Mediengesetze, § 6 MDStV, Rdnr. 2). Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass - wie der Kläger meint - in jedem Fall der gesetzliche Vertreter in der Anbieterkennzeichnung anzugeben sei. Wäre eine solche Beschränkung auf den gesetzlichen Vertreter gemeint, so hätte dies im Gesetzestext - wie etwa in § 35 a GmbHG für Angaben auf Geschäftsbriefen durch das Gebot, die Geschäftsführer anzugeben - seinen Niederschlag gefunden. "Vertretungsberechtigte" sind aber nicht schon solche Personen, die "für den Inhalt verantwortlich" sind. Für den Innhalt verantwortliche Personen sind in der im MDStV vorgesehenen Anbieterkennzeichnung zusätzlich zum Vertretungsberechtigten anzugeben, wie sich § 6 MDStV entnehmen läßt. Absatz 2 dieser Bestimmung sieht nämlich vor, dass Anbieter von journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, zusätzlich einen Verantwortlichen mit Angabe des Namens und der Anschrift benennen müssen. "Zusätzlich" bezieht sich auf Absatz 1, der, wie § 6 TDG, unter Nr. 2 bei Personenvereinigungen und -gruppen die Angabe auch des Namens und der Anschrift des Vertretungsberechtigten gebietet. Auch im Streitfall ist mit der Angabe des jeweils für den Inhalt Verantwortlichen noch nichts über die Vertretungsberechtigung ausgesagt. Die Angabe des Vertretungsberechtigten, der nicht notwendigerweise der gesetzliche Vertreter sein muss, ist aber zum Schutz des Verbrauchers unerläßlich. Der Auffassung der Beklagten, dem Verbraucherschutz sei jedenfalls durch Beachtung von § 6 Nr. 1 TDG ausreichend Genüge getan, die Rechtsverfolgung werde allein schon durch Angabe von Namen und Anschrift des Dienstanbieters gewährleistet, kann nicht beigetreten werden.Abs. 18
Es verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, bei der hier vorliegenden Fallgestaltung den Unterlassungsanspruch nach § 22 AGBG als begründet anzusehen. Der Verstoß ist hinreichend gewichtig, um im Interesse des Verbraucherschutzes unterbunden zu werden.Abs. 19
Der Beklagten ist allerdings beizupflichten, dass der ursprüngliche Klageantrag, soweit er allgemein gehalten auf das generelle Verbot gerichtet war, keine den Anforderungen des § 6 des Gesetzes über die Nutzung von Telediensten genügende Anbieterkennzeichnung anzugeben, zu unbestimmt und zu weitgehend war. Der konkrete Verletzungsfall wird erst mit dem "insbesondere-Zusatz" beschrieben und angegriffen. In einem solchen Zusatz ist keine Beschränkung auf die konkrete Verletzungshandlung zu sehen. Es liegt auch keine zur besseren Kennzeichnung des konkreten Verletzungsfalls zulässige Verallgemeinerung des Klageantrags vor. Hierzu müßte in der erweiterten Form das Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung zum Ausdruck kommen, was durch die schlichte Bezugnahme auf die "Anforderungen des § 6 TDG" nicht geschehen ist. Da der teils unzulässige teils unbegründete allgemein gehaltene Antrag in der Berufungsverhandlung nicht mehr gestellt wurde, ist insoweit Klagerücknahme erfolgt. Die im verkündeten Urteilstenor unter III. infolge eines offensichtlichen Versehens erfolgte Zurückweisung der Berufung im Übrigen war deshalb im Wege der Berichtigung gemäß § 319 ZPO zu streichen.Abs. 20
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
JurPC Web-Dok.
43/2002, Abs. 21
[online seit: 04.03.2002]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: München, OLG, Anbieterkennzeichnungen nach § 6 Nr. 2 TDG - JurPC-Web-Dok. 0043/2002