JurPC Web-Dok. 260/2003 - DOI 10.7328/jurpcb/2003189247

Boris Hoeller *

"maxem.de" - Die Domainrechtsprechung des BGH auf Abwegen

Anmerkung zu BGH, Urteil vom 26.06.2003 - I ZR 296/00 - = JurPC Web-Dok. 258/2003

JurPC Web-Dok. 260/2003, Abs. 1 - 35


I.

Hatte man bisher den Eindruck, die Rechtsprechung des BGH zu Domains habe zumindest in den durch Urteil entschiedenen Einzelfällen (BGH Urteil vom 17.05.2001 - Az.: I ZR 216/99 - 'Mitwohnzentrale.de' - JurPC Web-Dok. 219/2001; BGH Urteil vom 17.05.2001 - Az.: I ZR 251/99 - 'ambiente.de' - JurPC Web-Dok. 220/2001; BGH Urteil vom 22.11.2001 - Az.: I ZR 138/99 - 'shell.de' - JurPC Web-Dok 139/2002; BGH Urteil vom 11.04.2002 - Az.: I ZR 317/99 - 'vossius.de' - JurPC Web-Dok. 155/2002) zum richtigen Ergebnis geführt, so wird dieser Eindruck mit der maxem.de Entscheidung mit bedauerlicher Prägnanz widerlegt.
JurPC Web-Dok.
260/2003, Abs. 1
Dabei ist der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt schnell dargelegt und auch unkompliziert: Der Nachname des Klägers ist zeichenidentisch mit der 2nd-Level Kennung der DE Domain des Beklagten, der als Motiv für die Domainregistrierung im Jahre 1998 angibt, sein seit 1992 ihm zugeordneter Spitzname sei gleich lautend.Abs. 2
Die auf eine Namensrechtsverletzung gestützte Unterlassungsklage mit den Anträgen, es zu unterlassen, "den Namen "Maxem" in Form einer E-Mail-Adresse und Internet-Homepage zu nutzen", hatten die Instanzgerichte abgewiesen. Es sei weder festzustellen, dass durch die Registrierung und den Betrieb schutzwürdige Namensinteressen des Klägers verletzt würden, noch habe der Beklagte mit konkreter Behinderungsabsicht gehandelt. Der Beklagte könne der Klage auch ein eigenes Namensrecht, das ihm aus der Benutzung als Spitzname erwachsen sei, entgegenhalten.Abs. 3
Der BGH hat diese Rechtsprechung, die in der juristischen und gesellschaftlichen Diskussion (Der Suchbegriff 'maxem.de' in diversen Suchmaschinen ergibt eine unüberschaubare Fülle an diesbezüglichen Referenzen) überwiegende Anerkennung gefunden hatte und für die Beantwortung vieler Fragen im Vorfeld der Revisionsentscheidung vielfach zitiert worden ist, umgeworfen.Abs. 4
II.

1.)
Die Domainname-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde durch den für Marken- und Wettbewerbsrecht zuständigen I. Zivilsenat entwickelt und geprägt. Den Streitfall 'maxem.de' hatte aber zunächst der für das Namensrecht im nichtgeschäftlichen Verkehr zuständige XII. Zivilsenat im Verlauf des Revisionsverfahren an den I. Zivilsenat abgegeben. Dies dürfte mit Blick darauf erfolgt sein, dass der Kläger geltend gemacht hatte, diese Domain für die Präsentation seiner in seinem Miteigentum stehenden Rechtsanwaltskanzlei verwenden zu wollen, deren vollständiger Name ("Rechtsanwaltskanzlei Maxem, Klaft und Theisen"), mit seinem Nachnamen beginne. Dass die Aufnahme der Verwendung eines Namens einer Rechtsanwaltsanwaltskanzlei im geschäftlichen Verkehr ein Recht einer geschäftlichen Bezeichnung in Form eines Unternehmenskennzeichens begründet, hat der BGH bereits entschieden (BGH Urteil vom 11.04.2002 - Az.: I ZR 317/99 - 'vossius.de' - JurPC Web-Dok. 155/2002; Stroebele/Hacker - Markengesetz 7. Auflage - § 13 Rn. 13). Über MarkenG § 5 Abs. 2 erlangt das Namensrecht im geschäftlichen Verkehr seine Wirkung. Eine Anwendung des MarkenG § 15 hat der I. Zivilsenat aber gar nicht erwogen, sondern den von ihm selbst formulierten Unterlassungsausspruch 'Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Domain-Namen "maxem.de" zu nutzen.' alleine auf BGB § 12 gestützt. Dies vorausgeschickt, zeigt die nähere Befassung mit dem Urteil erhebliche Begründungsdefizite und Rechtsfehler auf.
Abs. 5
2.)
Der ansonsten dogmatisch und hinsichtlich der Reichweite von wettbewerbs- und markenrechtlichen Unterlassungsansprüchen sehr präzise I. Zivilsenat, zeigt im Domainstreit keinerlei Ambitionen eine gleichermaßen gebotene Strenge walten zu lassen. Die Domainrechtsprechung des I. Zivilsenats setzt sich zu seiner herkömmlichen Rechtsprechung in unauflösliche Widersprüche, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht gegeben wird, aber auch nicht auszumachen ist:
Abs. 6
a) Domainregistrierung als kennzeichen- und namensrechtlich neutrale Handlung
Der I. Zivilsenat sieht bereits "in der Registrierung eines fremden Namens als Domain-Name eine Namensanmaßung und damit eine Verletzung des Namensrechts derjenigen, die diesen bürgerlichen Namen tragen".Abs. 7
Das Postulat, in der Registrierung einer Domain immer eine Namensverletzung zu sehen, erweist sich als unzutreffend.Abs. 8
aa) Die Registrierung einer Domain ist bei genauer Betrachtung lediglich der Vertragschluss zwischen einer Person und einem Registrar, ohne kennzeichen- bzw. namensmäßige Außenwirkung, insoweit neutral. Im Streitfall hatte der Beklagte die Domain 'maxem.de' im Jahre 1998 bei der DeNIC e.G, Frankfurt/M (im folgenden DeNIC) registriert. Hauptgegenstand de Registrierung einer DE-Domain ist die Verpflichtung der DeNIC die vertragsgegenständliche Zeichenfolge (hier "maxem") in den für den toplevel DE vorgesehenen sog. root-Server einzutragen und dieser Zeichenfolge zwei anzugebende Nameserver Adressen zuzuordnen und diese Einträge für die Vertragslaufzeit aufrechtzuerhalten und nach Maßgabe des Domainregistranten die Nameserveradressen zu verändern und damit eine welt- bzw. internetweite Erkennbarkeit zu gewährleisten. Dafür zahlt der Registrant der DeNIC, die sich als unabhängige und neutrale Vergabestelle sieht, ein Entgelt. Der Registrant hat zur reibungslosen Abwicklung dieses Vertrages bestimmte Angaben zu seiner Person und zu bestimmten Beauftragten zu machen. Sinn und Zweck dieser vertraglichen Regelung ist ein Hinwirken auf einen möglichst reibungslose Vertragsabwicklung zwischen der DeNIC in ihrer Funktion als Registrar und dem Registranten. Bis auf den Umstand, dass nach der erfolgten Registrierung einer Domain, die DeNIC daran gehindert ist, diese Domain für eine Dritte Person zu registrieren, weil dies technisch bedingt ausgeschlossen ist, handelt es sich bei der Registrierung einer Domain um eine rein vertragliche Beziehung zwischen zwei Personen, die nicht mehr als die zuvor beschriebene Außenwirkung erzielt, nämlich, dass es der DeNIC ohne Vertragsbruch tatsächlich unmöglich ist, über die registrierte Zeichenfolge zeitgleich ein weiteres Vertragsverhältnis zu erfüllen.Abs. 9
bb) Schon in diesem Registrierungsvorgang sieht der I. Zivilsenat des BGH allerdings einen Namensgebrauch im Sinne des BGB § 12. Diese Subsumtion erweist sich als rechtlich fehlerhaft. Sie basiert auf einer fehlerhaften Auslegung des Tatbestandsmerkmals des 'Namensgebrauch' (im Gesetz heißt es 'den gleichen Namen gebraucht'), die dem Gesetz nicht entnommen werden kann (Verstoß gegen BGB § 12) und verkennt die Auswirkungen des Lebensvorgangs Domainregistrierung (Verstoß gegen ZPO § 286) .Abs. 10
Ein Namensgebrauch im Sinne der Vorschrift kann nicht darin gesehen werden, dass eine mit dem (hier sogar nur: Nach-) Namen identische Zeichenfolge im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zwischen zwei Personen verwendet wird. Insoweit fehlt es an dem Vorliegen des ungeschriebenen Tatbestandmerkmals des 'namensmäßigen Gebrauchs' (vgl. Palandt/Heinrichts BGB 62. A. § 12 Rn. 20). Dass die einem Namen eines Dritten gleiche Zeichenfolge Gegenstand eines Vertrages wird, ohne zugleich eine Person zu benennen, erfüllt diese Bedingung nicht. Der Registrant identifiziert sich gegenüber der DeNIC e.G. vielmehr mit seinem vollständigen bürgerlich-rechtlichen Namen bzw. mit der seiner Firma etc. Die zur Domainregistrierung verwendete Zeichenfolge hat nur den Zweck, die Hoheit über die Verwendung der unterhalb der Zeichenfolge #zeichenfolge#.de Adresszone zu gewinnen. Ein konkrete Ankündigung, zu welchen Zwecken, mit welchen Inhalten oder zu welchen sonstigen Benutzungsarten die mit der Domain geplant sind oder die erfolgen sollen, ist nicht Gegenstand des Vertragsverhältnisses des Registranten mit der Registrarin . Damit erweist sich eine Domainregistrierung als solche kennzeichen- und namensrechtlich neutral (anders die Marke und Name/geschäftliche Bezeichung: Zeichen und Subjekt/Objekt stehen in funktional fester Beziehung und sachlich begrenzter Doppelidentität).Abs. 11
Somit ist die Zeichenfolge 'Maxem' beim Registrierungsvorgang der Domain 'Maxem' - zumindest nach außen hin - vom Revisionsbeklagten nicht "namensmäßig" gebraucht worden, wie dies von BGB § 12 tatbestandlich vorausgesetzt wird. Daher kann auch kein Beseitigungsanspruch hinsichtlich der Registrierung aus BGB § 12 verlangt werden: Diese kann nämlich nur für die Zustände verlangt werden, die einen 'namensmäßigen' Gebrauch darstellen. Die Gegenmeinungen (so auch der BGH in maxem.de) unterscheiden - teilweise schon begriffsterminologisch ( aus der Literatur: Ingerl/Rohnke, Markengesetz 2. Auflage Nach § 15; Rn. 14; Fezer, Markenrecht 3. Auflage § 3 MarkenG Rn. 30) - nicht zwischen "Registrierung einer Domain" und (anschließender) "Verwendung einer Domain als Internetadresse" und können deswegen gar nicht zu einer differenzierten Betrachtung kommen. Ohne namensmäßigen Gebrauch oder ohne einen Gebrauch der zumindest auf eine Beziehung zu einer bestimmten Person hinweist, fehlt es für eine Anwendung des BGB § 12 an der Grundlage.Abs. 12
Daher erweist sich die Entscheidung 'maxem.de' des BGH als unrichtig.Abs. 13
b) Zu weit gehende Verurteilung
Das vom BGH formulierte Verbot hat zur Folge, dass dem Beklagten jedwede Nutzung des Domain-Namen 'maxem.de' untersagt ist. Der Klageantrag lautete ursprünglich auf das Unterlassungspetitum gegen den Beklagten, "den Namen "Maxem" in Form einer E-Mail-Adresse und Internet-Homepage zu nutzen".Abs. 14
In Anbetracht der in Marken- und Wettbewerbssachen sonst so differenziert und wohlausgewogen wirkenden Rechtsprechung des I. Zivilsenats erstaunt es, dass bei der Rechtsanwendung hinsichtlich Domains so offensichtliche Rechtsfehler unterlaufen sind.Abs. 15
aa) In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien lediglich ihre Revisionsanträge gestellt. Im Tatbestand des Urteils heißt es, der Kläger verfolge mit der Revision seinen Klageantrag weiter. Nach ZPO § 308 ist das Zivilgericht nicht befugt einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Gegen diesen elementaren Grundsatz des Zivilprozessrechts verstößt das Urteil 'maxem.de'.Abs. 16
Soweit der BGH den Antragsteil 'den Namen "Maxem" ' umformuliert hat in den 'den Domain-Namen "maxem.de" ' dürfte es sich um ein abtrennbares Minus des gestellten Klageantrages handeln. Eine solche durch das Gericht tenorierte Beschränkung, ist auch ohne entsprechenden Parteiantrag zulässig (zuletzt noch hierzu: BGH, Urteil vom 27. Juni 2002 - I ZR 103/00 - 'Feldenkrais' abgedruckt in: WRP 2003, 384 m.w.N.). An dieser Beschränkung - die auch in der Kostenentscheidung Berücksichtigung gefunden hat - dürfte rechtlich nichts auszusetzen sein.Abs. 17
Der I. Zivilsenat hat aber die mit der Formulierung des Klageantrages einhergehende Konkretisierung des zu untersagenden Verhaltens auf bestimmte Verletzungsformen, die vom Kläger mit "in Form einer E-Mail-Adresse und Internet-Homepage" bezeichnet worden ist, fallengelassen. Wäre es dem Beklagten vor der Umformulierung nach einer antragsgemäßen Verurteilung nicht untersagt gewesen, die Domain maxem.de "in Form eines Internetspieleservers" zu benutzen, so sorgt die Verbotsformulierung des Urteils des BGH nunmehr dafür, dass dem Beklagten auch diese Benutzungsform untersagt ist. Damit wird der Verstoß gegen ZPO § 308 offenbar (vgl. in dem Zusammenhang wie genau der I. Zivilsenat es im Wettbewerbsrecht mit ZPO § 308 nehmen kann: BGH Urteil vom 3. April 2003 - Az.: I ZR 1/01 - 'Reinigungsarbeiten' - abgedruckt in WRP 2003, 896 ).Abs. 18
Daher erweist sich die Entscheidung 'maxem.de' des BGH als unrichtig.Abs. 19
bb) Der I. Zivilsenat hat seine sachlich richtige Grund- und Leitentscheidung (BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - I ZR 241/95 - 'Rolex-Uhr mit Diamanten' abgedruckt in: GRUR 1998, 696; BGH, Urteil vom 30. April 1998 - I ZR 268/95 - 'MAC Dog' abgedruckt in: BGHZ 138, 349, 353), das Kennzeichenrecht in eine geschäftliche und außergeschäftliche Rechtsphäre zu trennen, im Domainstreit für anwendbar erklärt (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - I ZR 138/99 - 'BGH Urteil vom 22.11.2001 - Az.: I ZR 138/99 - 'shell.de' - JurPC Web-Dok 139/2002, abgedruckt in: WRP 2002, 694).Abs. 20
In der Entscheidung 'maxem.de' spielt diese Entscheidung dann aber keine Rolle mehr, wenn der I. Zivilsenat ohne jegliche Ausführungen, dem Beklagten jedwede Nutzungen der Domain 'maxem.de' untersagt, ohne Rücksicht darauf, ob diese im geschäftlichen oder im kontradiktorischen nichtgeschäftlichen Verkehr erfolgen.Abs. 21
In der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2003 hieß es bei der Einführung in den Rechtstreit durch den Vorsitzenden, es sei vom Beklagten nur vorgetragen, dass dieser seinen Spitznamen "Maxem" nur im Privatverkehr verwendet habe. Wenn eine Nutzung durch den Beklagten im geschäftlichen Verkehr stattgefunden hätte, wäre die Revision wohl erfolglos geblieben, so das Gericht. Dies dürfte sich daraus ergeben, dass eine erforderliche Branchennähe zwischen den Parteien nicht anzunehmen wäre und es sich bei 'Maxem' um keine bekannte geschäftliche Bezeichung handelt, somit die Voraussetzungen des MarkenG § 15 Abs. 2 und Abs. 3 nicht gegeben wären und der Beklagte deswegen befugt gewesen wäre, die Zeichenfolge 'maxem.de' als geschäftliche Bezeichnung zu nutzen (vgl. BGH Urteil vom 21.02.2002 - Az.: I ZR 230/99 - 'defacto' JurPC Web-Dok. 273/2002, Abs. 36; BGH, Urteil vom 24. Januar 2002 - Az.: I ZR 156/99 - 'Bank 24' abgedruckt in: WRP 2002, 537 ). Insoweit fehlte es für eine Untersagung im geschäftlichen Verkehr bereits an einer konkreten Begehungsgefahr (vgl. hierzu Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 24.07.2003 - Az.: 3 U 154/01 - "schuhmarkt.de" = JurPC Web-Dok. 239/2003 - rechtskräftig-).Abs. 22
Schon im Ansatz hätte die Verurteilung des BGH - folgt man seinem gegebenen Begründungsansatz und ungeachtet der Problematik des ZPO § 308 - nur auf eine Tenorierung wie 'Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Domain-Namen "maxem.de" im nichtgeschäftlichen Verkehr zu nutzen.' lauten dürfen.Abs. 23
Daher erweist sich die Entscheidung 'maxem.de' des BGH als unrichtig.Abs. 24
c) Verbliebe nach vorstehenden Erwägungen allenfalls ein in Betracht kommender Unterlassungsausspruch "Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Domain-Namen "maxem.de" in Form einer E-Mail-Adresse und Internet-Homepage im nichtgeschäftlichen Verkehr zu nutzen" so stellen sich weitere Grundsatzfragen:Abs. 25
aa) Wie selbstverständlich geht der BGH davon aus, dass bereits die Verwendung eines bürgerlichen *Nach*namens einen Eingriff in das von BGB § 12 geschützte zivilrechtliche Namensrecht darstellt. In seiner markenrechtlichen Rechtsprechung hat der I. Zivilsenat noch betont, es bestehe "kein Erfahrungssatz dahin, daß sich der Verkehr bei Marken, die aus Vor- und Familiennamen bestehen, regelmäßig an dem Familiennamen als prägendem Bestandteil orientiere" (vgl. BGH Beschluss vom 08.06.2000 - I ZB 12/98 - 'Carl Link' JurPC Web-Dok. 11/2001, Abs. 29). Ob der Verkehr bereits in der isolierten Verwendung eines Zeichens als Domainname, das nicht zugleich als Gattungsbegriff (vgl. hierzu BGH Nichtannahmebeschluss vom 15.8.02 - Az.: I ZR 246/01 'Name ./. Sachbegriff' - Vorinstanz OLG Köln: http://www.bonnanwalt.de/entscheidungen/OLG-Koeln15U47-01.html) verstanden wird, sogleich und ohne weiteres den namensmäßigen Hinweis auf eine bestimmte Person sieht, erscheint in Anbetracht der Situationsbedingten und -adäquaten Erfahrungen, die der Internetnutzer macht, eher unwahrscheinlich. Es ist bedauerlich, dass der BGH diese höchst bedeutsame Frage demoskopisch ungeklärt lässt und sich insoweit auf seine eigene Wahrnehmungen verlässt. Der Verkehr wird nur dann relevanter Manier annehmen, dass die Internetdomain zugleich die Abbildung eines bürgerlich-rechtlichen Namens einer bestimmten Person darstellt, wenn dieser ersichtlich aus einem Vor- und Nachnamen gebildet ist. Erst in solchen Fällen spricht die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Betreiber die Internetadresse (!) als Hinweis auf die Verantwortlichkeit einer bestimmten nambar gemachten Person verstanden sehen will, ohne das freilich endgültige Gewissheit besteht, die nur durch situationsbedingt veranlassten Abruf erfolgen kann. Die Wertung für konkrete Internetadressen hat aber stets im Einzelfall zu erfolgen, nicht in der Generalität, die der BGH nunmehr zum Axiom machen will. Der Nutzer weiß, dass ihm durch das Internet eine in seiner Gesamtheit nicht fassbare Informationswelt eröffnet ist. Er weiß dass dadurch im Internet eine nicht überaschbare Vielzahl von Personen an Kommunikationsvorgängen beteiligt sind und die herkömmlich Bewertungsschemata damit leicht versagen können. Dies schult zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und einem erhöhten Verständnis, was zu einem erhöhten Niveau der Unterscheidungsfähigkeit führt.Abs. 26
Eine Domain "VornameNachname.de" war aber nicht Gegenstand des Streitfalles 'maxem.de'.Abs. 27
bb) Der BGH bezeichnet das Interesse eines Namensträgers, sich dagegen wehren zu können, dass ein 'Nichtberechtigter' den Nachnamen unter der in Deutschland üblichen Top-Level Domain ".de" registriert als "besonders schutzwürdig" und macht diese Wertung zum Ausgangspunkt seiner Entscheidung. Dies überzeugt aber keinesfalls.Abs. 28
Selber räumt der BGH ein, dass die Zuordnungsverwirrung über die Identität des Betreibers für sich genommen nicht besonders schwer wiege, wenn sie durch die sich öffnende Homepage rasch beseitigt wird, was im Streitfall ohne weiteres der Fall gewesen ist. Geht man von der Formel "Je geringer der Grad einer Zuordnungsverwirrung ist, desto größer muss der Grad der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Namensinhabers sein, um zur Annahme einer Rechtsverletzung zu kommen" aus, so sticht die Argumentation des BGH nicht.Abs. 29
Der Grad des Interesses einer Person, selber Inhaber der 'DE'-Domain zu sein, die den eigenen Nachnamen widerspiegelt, hängt von dem jeweiligen Charakter ab und BGB § 12 schützt auch rein persönliche oder ideelle, ja selbst Affektionsinteressen. Deshalb wird aber der Schutz des Namens nicht gegen jede Beeinträchtigung gewährleistet (vgl. in diesem Sinne: Österreichischer OGH, Urteil vom 20.5.2003, 4 Ob 47/03w - 'adnet.at II'). In Deutschland gibt es 500.000 Nachnamen (DUDEN Familiennamen. Herkunft und Bedeutung von über 20.000 Nachnamen). Über 300.000 Personen sollen mit Nachnamen "Müller" heißen. Nur 25 Personen Nachnamens 'Maxem' sind über www.telefonbuch.de auszumachen. Darin mag eine Besonderheit des Streitfalles liegen, gleichwohl aber auch die Erkenntnis, dass ohne Vorliegen weiterer Umstände anhand des Nachnamens eine einzelne Person nicht identifiziert werden kann. Nur die Gruppe der Personen, die diesen Nachnamen tragen. Das senkt -selbst bei einem Nachnamen wie 'Maxem' - den Grad der persönlichen Betroffenheit eines Einzelnen - und nur dieser hat vorliegend geklagt, nicht etwa eine Klagegemeinschaft aller Personen mit dem Nachnamen 'Maxem'-, weil es an einem direkten Bezug auf eine bestimmte Person fehlt. Kann - wie der BGH feststellt - eine aus einer bestimmten Zeichenfolge bestehende Domain aber nur einmal unterhalb '.de' registriert werden, so folgt daraus, dass die Aussichten, die gewünschte Nachnamendomain zu bekommen, von Umständen abhängen, die der Betroffene im Regelfall nur durch eigene Schnelligkeit beeinflussen kann. Das Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" hatte der I. Zivilsenat für Gattungsbegriffsdomains unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten bestätigt (BGH Urteil vom 17.05.2001 - Az.: I ZR 216/99 - 'Mitwohnzentrale.de' - JurPC Web-Dok. 219/2001 Abs. 25). Warum sollte zwischen Privaten etwas anderes gelten, wenn es um die Registrierung von Domains geht, bei denen es ersichtlich um Zeichen geht, die eine ganz bestimmte Person nicht schlechthin für sich beanspruchen kann und daher von Hause aus die begründete Gefahr besteht, dass regelmäßig dem vom BGH angenommenen "besonderen Interesse" eines Namensinhabers gar keine Geltung verschafft werden kann.Abs. 30
Unter diesen Umständen - auch bei einem seltenen Namen wie "Maxem" - dem Beklagten, der nachvollziehbar seit Jahren seinen Spitznamen "Maxem" genutzt hat, die Domainnutzung schlechthin zu verbieten, auch wenn bei Nutzung des Port 80 Dienstes gleich Inhalte erkennbar werden, die keine namensmäßige Bezüge auf spezielle Person vorweisen ggf. sogar klarstellende Hinweise enthalten, ist eine unangemessen weite Erstreckung des Namensrechts auf Internetdomains, die weniger Rechtsfrieden schafft, als Unfrieden provoziert. Zumindest hätte eine solche Entscheidung im Jahre 2003 solider begründet werden müssen.Abs. 31
III.

Der BGH hat den Fall 'maxem.de' ersichtlich zum Anlass genommen, um in Hauruck-Methode eine Rechtsfortbildung im Domainrecht zu betreiben, die der Fall nicht hergegeben hat und sich im Ergebnis auch nur als Fehlentwicklung kennzeichnen lässt. Die Reichweite, in der der I. Zivilsenate Untersagungsverbote formuliert, ist überraschend und hat in seiner marken- und wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung kein Vorbild, aber auch insgesamt keine sachliche Rechtfertigung erfahren. Der BGH hat im Streitfall den Tenor offenbar nur deswegen zu einem (nicht beantragten) Schlechthinverbot umgeschrieben, weil sonst der zur Rechtsfortbildung formulierte Leitsatz nicht gepaßt hätte.
Abs. 32
Darüberhinaus aus dem allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Namensrecht - bei Beachtung eines außerprozessualen Details (Stellung eines DISPUTE-Antrages durch einen Namensträger) - praktisch ein positives Domainverschaffungsrecht zu entwickeln, übersteigt aber die Grenzen der Rechtsfortbildung. Das Namensrecht hat selbst bei enorm großzügiger Betrachtung Anwendungsgrenzen, die den Raum für Verwendungsmöglichkeiten einer Domain niemals ganz auszufüllen vermögen. Redlich geschaffene Besitzstände können so - nämlich bei vom BGH propagierter und unsachgemäßer rein kennzeichenrechtlicher Behandlung - willkürlich vernichtet werden, obwohl ein 'namensmäßiger' Gebrauch in bestimmten Hinsichten gar nicht vorliegen kann und jenseits der Reichweite der Ansprüche, die aus BGB § 12 gefolgert werden können, liegt. Dies wird dem Lebenssachverhalt "Domain", der ihrem Inhaber Eigentumsrechte nach GG Art. 14 garantiert, nicht gerecht.Abs. 33
Mögen konkrete das Namensrecht eines einzelnen verletzende Inhalte, die von einer sich mit dem Namensrecht überschneidenden Internetadresse ausgehen, von konkret Betroffene mit allem Recht des BGB § 12 angegriffen werden und insoweit der künftigen Untersagung und gegenwärtigen Beseitigung unterliegen. Daran besteht kein Zweifel und daran besteht kein Anlass zu rütteln, nur weil der etwaige Namensrechtsverletzungen virtuell erfolgen. Gegen gezielt in konkreter Schädigungsabsicht erfolgte Domainregistrierungen - wie dies in der Vergangenheit vorgekommen ist - können sich 'Namensberechtigte' mit Vorschriften zum Schutze gegen unerlaubte Handlungen erfolgreich wehren. Dass der BGH hinzukommend den Schutz des 'Spitznamens' auf den Opfertisch seiner Domainrechtsprechung geworfen hat, ist nicht weitsichtig, da jetzt viele anderweitige Streitigkeiten vorprogrammiert sind.Abs. 34
Das Namensrecht aber als Instrument gegen den redlichen Domainregistranten auszugestalten und somit im Ergebnis auch Domainnutzungen zu untersagen, die schon gar nicht "namensmäßig" erfolgen oder nicht so schwer wiegen, dass im Rahmen der Interessensabwägung von einer Namensrechtsverletzung ausgegangen werden kann, u.a. weil der Rechtseingriff unsachgemäß auf den Registrierungsvorgang verlegt wird, war mit Sicherheit keine gute Idee.
JurPC Web-Dok.
260/2003, Abs. 35
* Boris Hoeller ist Rechtsanwalt bei HOELLER Rechtsanwälte - Homepage: http://www.bonadvo.de.
[online seit: 15.09.2003]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Hoeller, Boris, "maxem.de" - Die Domainrechtsprechung des BGH auf Abwegen - JurPC-Web-Dok. 0260/2003