Armin Horn*Bauer / Heckmann / Ruge / Schallbruch (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, KommentarJurPC Web-Dok. 86/2013, Abs. 1 - 8 |
Bauer / Heckmann / Ruge / Schallbruch (Hrsg.) Verwaltungsverfahrensgesetz Kommentar gebunden 1. Auflage 2012 1302 Seiten 99,– Euro |
Eigentlich müsste der Titel des Werkes nicht nur - wie es im sog. „Waschzettel“ heißt - schlicht „Verwaltungsverfahrensgesetz“ - und unscheinbar klein gedruckt - „mit rechtlichen Aspekten des E-Government“, Kommentar, lauten, sondern vielmehr „Verwaltungsverfahrensgesetz mit rechtlichen Aspekten des E-Government“ oder ganz anders „Die verwaltungsverfahrensrechtlichen Aspekte des E-Government“, Kommentar. Denn genau dabei geht es bei diesem Kommentar, der nicht versuchen will, die herkömmlichen Verwaltungsverfahrensgesetz-Kommentare zu verdrängen, sondern der einen eigenen Weg beschreitet, um eine Lücke in dieser Kommentarliteratur zu füllen, die durch den zunehmenden Einfluss elektronischer Medien und in der Folge hierzu erlassener Vorschriften aufgebrochen ist. Denn schon lange sind der elektronische Rechtsverkehr und - was den hier zu besprechenden Kommentar anbelangt - das elektronische Verwaltungsverfahren nicht mehr aufzuhalten. Insbesondere ist in der Verwaltung des Bundes und der Länder der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik nichts Außergewöhnliches mehr. Erste elektronische Akten (wobei man trefflich darüber streiten kann, ob etwas und was diesen Namen verdient und ob alles, was da mittlerweile zum Einsatz kommt, auch den Verwaltungsalltag wirklich leichter macht) wurden in der öffentlichen Verwaltung entwickelt und eingesetzt, lange bevor der vollständige elektronische Rechtsverkehr auf den Weg gebracht wurde (auf dem dieser sich noch immer befindet, allerdings nunmehr mit größeren Schritten und flankiert von den aktuellen Bemühungen zu seiner forcierten Verwirklichung, vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 11.12.2012). Vieles wurde in Pilotprojekten und in unterschiedlichster Form entwickelt, wobei auf kommunaler, Landes- und Bundesebene unterschiedliche Anforderungen gesehen wurden. Erst nach und nach erfolgte eine für alle maßgebliche normative Umsetzung der Schritte hin zum E-Government. Die Einführung und Verbreitung des neuen Personalausweises mit seinen elektronisch nutzbaren Identifizierungsfunktionen und das De-Mail-Gesetz haben weitere entscheidende Impulse zur Einführung und Umsetzung des E-Government gesetzt. Insofern ist es nur allzu verständlich, wenn nun die verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften im Lichte und unter besonderer Berücksichtigung des E-Government eine kommentarmäßige Aufarbeitung erfahren. Betrachtet man zusätzlich noch den europäischen Bezug, so ist auch auf dieser Ebene festzustellen, dass das „elektronische Verfahren“ nicht mehr aufzuhalten, im Gegenteil zu großen Teilen bereits in der öffentlichen Verwaltung umgesetzt ist (vgl. insofern auch die Bemühungen in anderen europäischen Länder wie beispielsweise in Österreich, wo vieles bereits im - digitalen - Alltag umgesetzt und immer noch vieles geplant ist, http://www.digitales.oesterreich.gv.at). Hier wie dort sind im Übrigen diesselben grundsätzlichen Problemstellungen zu bewältigen und hier wie dort zeigt sich, dass es sich beim E-Government nicht um ein singuläres Projekt handelt, dass irgendwann seinen Abschluss finden wird. Denn, wie der Sprecher der Plattform Digitales Österreich, Herr Christian Rupp, in seinen Vorträgen stets betont, ist E-Government „a journey, not a destiny“. | JurPC Web-Dok. 86/2013, Abs. 1 |
Diese also durch das E-Government aufgebrochene Lücke in der Kommentarliteratur schließt das vorliegende Werk in gelungener Weise. Wer allerdings bei ca. 1300 Seiten beispielsweise entsprechend umfangreiche Kommentierungen zu klassischen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes erwartet, wird - entsprechend den obigen Darlegungen zur Konzeption des Werkes folgerichtig - enttäuscht. So erschöpft sich, um eine Vorschrift klassischen Verwaltungsverfahrensrechts herauszugreifen, die eigentliche Kommentierung zu § 48 VwVfG (Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes) in gerade einmal 15 Seiten (was jedoch kein Vorwurf sein soll, denn auf solche, vom Einfluss des E-Government wenig bis nicht betroffener Vorschriften zielt der Kommentar - wie dargelegt - gerade nicht). Demgegenüber fallen die Kommentierungen von Vorschriften in proportionaler Weise zum Gesamtumfang des Werkes aus, die mit Regelungen des E-Government zusammenhängen. Insbesondere versuchen die Autoren durchgängig, den Bezug zum E-Government - soweit vorhanden - bei jeder einzelnen Vorschrift aufzuzeigen. Bei den allermeisten Vorschriften ist daher in der Kommentierung dazu ein besonderer Absatz enthalten: „Bezüge zum E-Government“. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch, dass regelmäßig zu Beginn jeder Kommentierung einer Vorschrift eine Literaturübersicht vorangestellt wird, die vielfach auf Aufsätze, etc. mit Bezug zum E-Government verweist, die so nicht ohne weiteres auffindbar wären, nachdem Standardwerke zum E-Government (noch) nicht allgegenwärtig sind und sich die wissenschaftliche-literarische Auseinandersetzung bislang zumeist auf einzelne Werke, Monografien, Festschriften und vor allem unzählige Zeitschriftenaufsätze und -beiträge beschränkt, die wiederum in einer Vielzahl unterschiedicher Zeitschriften veröffentlicht sind, die nicht jeder sein eigen nennen kann (insbesondere auch nicht jede Behörde oder Verwaltung). Auf diese überhaupt aufmerksam zu werden und sie dann auch noch aufzufinden, ist daher kein einfaches Unterfangen. Umso wertvoller erscheinen insofern die umfangreichen Literaturnachweise, die zudem - wie ausgeführt - am Anfang jeder Vorschrift mit besonderem E-Government-Bezug und abgestellt auf deren Regelungsgehalt aufgelistet sind und auf diese Weise das Ganze noch einmal erleichtern. Eine weitere Besonderheit des Werkes ist der „Anhang“. Dort werden auf ca. 150 Seiten die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG), das Personalausweisgesetz (PauswG), das De-Mail-Gesetz, das Signaturgesetz (SigG) und die Signaturverordnung (SigV) auszugsweise dargestellt und vor allen Dingen auch kommentiert. Derartige Kommentierungen, vor allen Dingen zu den „Spezialgesetzen“ zum elektronischen Rechtsverkehr, sind kaum vorhanden, und schon gar nicht in einer derartigen Bündelung in einem Werk. Insofern wird hier das Verwaltungsverfahrensrecht mit den Bezügen zum E-Government „aus einem Guss“ geliefert und der Leser verfügt über ein geschlossenes Kommentarwerk ohne die Notwendigkleit, noch weitere Kommentare separat beiziehen zu müssen. | Abs. 2 |
Hervorzuheben ist auch die 35 Seiten umfassende Einführung von Prof. Dr. Heckmann, die das E-Government vollumfänglich beleuchtet. Angefangen von der Ausgangslage über den derzeitigen Bestand werden auch sämtliche Zielvorstellungen ausführlich dargestellt sowie - über den Tellerrand blickend - auch der weitere Kontext, in dem sich das E-Government befindet, erörtert. Besondere Hervorhebung verdient dabei auch die Darlegung der aktuellen Verwaltungspraxis, wie das E-Government auf Bundesebene und auch auf Landesebene umgesetzt ist und wird. Dabei werden insbesondere das De-Mail-Gesetz, der elektronische Personalausweis und das P23R-Prinzip (ein Infrastrukturkonzept zur Vereinfachung des Datenflusses zwischen Wirtschaft und Verwaltung bei zugleich erhöhter Sicherheit und einem beschleunigten Austausch) vertieft, Kommunikations- und Wahlplattformen auf Landesebene erläutert sowie die E-Vergabe gestreift. | Abs. 3 |
Auch das nahezu 30 Seiten umfassende Stichwortverzeichnis kann sich sehen lassen. Wer aktuelle Stichworte im Zusammenhang mit Verwaltung und E-Government sucht, wird hier fündig. | Abs. 4 |
Vor diesem Hintergrund wendet sich der Kommentar demgemäß folgerichtig an die gesamte Verwaltung, an die Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie an Studenten, Kammern, Verbände und Institutionen, bis hin zu Auszubildenden von Verwaltungshochschulen und stellt für alle diese unterschiedlichen Nutzer eine für Fragen des E-Government unverzichtbare Arbeitshilfe dar. | Abs. 5 |
Für die entsprechende Kommentierungstiefe wartet denn auch ein fachlich fundiertes und doch bunt gemischtes Autorenteam auf, das sämtliche Arbeitsfelder mit verwaltungsverfahrensrechtlicher Relevanz abdeckt. So zeichnen für den Inhalt des Kommentars verantwortlich: Christian Ademmer, Referent im Bundeministerium des Innern, Florian Albrecht, Universität Passau, Geschäftsführer der Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik, Professor Dr. Dirk Heckmann, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Sicherheits- und Internetrecht an der Universität Passau, Universitätsprofessor in Friedrichshafen nebenamtlicher Verfassungsrichter in Bayern, Gutachter und Betreiber der Online-Plattform VERiGO (Verifying E-Government), Herausgeber des juris PraxisReports IT-Recht, des AnwaltZertifikatOnline IT-Recht, Dr. Stefanie Fischer-Dieskau, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Jutta Keller-Herder, Referentin im Bundeministerium des Innern, Dr. Anika Dorthe Luch, Referentin im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Peter Preuß, Staatsanwalt in München, Professor Dr. Olaf Reidt, Rechtsanwalt, Johanna Reinker, Referentin bei der d-NRW Besitz-Gmbh & Co. KG, Dr. Klaus Ritgen, Referent beim Deutschen Landkreistag, Dr. Kay Ruge, Beigeordneter beim Deutschen Landkreistag, Martin Schallbruch, IT-Direktor im Bundeministerium des Innern, Dr. Gernot Schiller, Rechtsanwalt, Dr. Sönke E. Schulz, Geschäftsführer des Lorenz-von-Stein-Instituts, Dr. Margit Seckelmann, Geschäftsführerin des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung, Speyer, Dr. Jan Skrobotz, Richter beim Verwaltungsgericht Potsdam, Professor Dr. Katrin Stein, Professorin an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung, Mühlheim, Privatdozentin an der Universität Osnabrück sowie Andreas Völzke, Referent im Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen. Allein schon dieser illustre Kreis von Fachleuten im Bereich des E-Government macht neugierig auf die Lektüre dieses trotz seines Umfangs immer noch handlichen Werks. Insbesondere zeigt auch die „Verstrickung“ vieler der genannten Autoren mit Kollegen und Projekten im europäischen Umfeld (vgl. beispielhaft die alljährlichen - übernationalen - Veranstaltungen der „Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik“ – kurz For..Net – einer unabhängigen Forschungs- und Beratungseinrichtung der Universität Passau; aktuell fand am 18. und 19. April 2013 in Passau das 8. Internationale For..Net-Symposium statt), dass hier nicht irgendwer versucht, E-Government im deutschen Verwaltungsverfahrensrecht zu erklären und im Rahmen einer Kommentierung zu begleiten, sondern dass es sich hierbei um Fachleute handelt, die den „Blick über den Tellerrand“ gewagt haben und sich den in allen europäischen Ländern in vergleichbarer Weise stellenden Problemlagen zum E-Government bewusst sind. | Abs. 6 |
Schön wäre es schließlich, nachdem sich der Kommentar gerade spezifisch mit den elektronischen Aspekten des Verwaltungsverfahrensrechts befasst, wenn er sich auch diesem „Medium“ anschließen würde und beispielsweise auch online verfügbar wäre, zumindest jedoch (auch) als e-book. Nachdem sich in der letzten Zeit auch bei den geeigneten „Abspielgeräten“ rasante Entwicklungen vollzogen haben und mit Smartphones, Tablet-PCs und dergleichen mehr im digitalen Alltag auch weitere Alternativen zu herkömmlichen Lesegeräten zur Verfügung stehen, scheint mir dies zum jetzigen Zeitpunkt die richtige Vorgehensweise zu sein wie sich nicht zuletzt auch an der derzeitigen rasanten Entwicklung zahlreicher „Apps“ ersehen lässt (vgl. beispielhaft das Programm der IRIS 2013 (Internationales Rechtsinformatik Symposion der Universitäten Salzburg und Wien). Möglicherweise können derartige Erwägungen für die 2. Auflage angestellt werden, die - der Schnelllebigkeit dieser Materie geschuldet - wohl auch nicht allzu lange auf sich warten lassen wird. Wenn es sich im Übrigen wie mit anderen Werken dieses Genre verhalten sollte, dass im Zuge weiterer Auflagen auch der Umfang des Werkes drastisch zunehmen wird, wäre es zu begrüßen, wenn die Form eines gebundenen Bandes beibehalten werden könnte. Eine Loseblattsammlung hat zwar zugebenermaßen auch spezifische Vorteile, aus meiner - subjektiven - Sicht leidet die Haptik und das sonstige „Lesevergnügen“ aber ungemein. Noch vor Veröffentlichung der Rezension ist dem Autor bekannt geworden, dass dankenswerterweise tatsächlich bereits für den Mai 2013 das Erscheinen einer e-book-Version vorgesehen ist. | Abs. 7 |
Es
bleibt zu hoffen, dass dem Werk für den elektronischen
Rechtsverkehr ein „Pendant“ beschieden sein wird und sich
vor allem E-Government und E-Justice gemeinsam und auf einander
abgestimmt entwickeln werden. So wäre es insbesondere aus meiner
richterlichen Sicht mehr als nur wünschenswert, wenn die
Verfahren auch in technischer Hinsicht auf einander aufbauen könnten
und vom Antrag bei der Behörde bis zur Rechtskraft der
Entscheidung ein einheitlicher, seinen Namen verdienender „Workflow“
gewährleistet wäre. Für das Verwaltungsverfahrensrecht
ist mit dem vorliegenden Kommentar jedenfalls ein erster großer
Schritt getan.
| JurPC Web-Dok. 86/2013, Abs. 8 |
* Autor: Armin Horn, Richter am Verwaltungsgericht Sigmaringen. |
[ online seit: 14.05.2013 ] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
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Zitiervorschlag: Horn, Armin, Bauer / Heckmann / Ruge / Schallbruch (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar - JurPC-Web-Dok. 0086/2013 |