JurPC Web-Dok. 130/2009 - DOI 10.7328/jurpcb/2009246118

Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen
Beschluss vom 05.03.2009

2 U 4/08

Zum Verbot öffentlicher Glücksspiele im Internet

JurPC Web-Dok. 130/2009, Abs. 1 - 5


Leitsätze (der Redaktion)

    1. Der Senat hält auch an seiner durch das Bundesverfassungsgericht jetzt bestätigten (Beschluss v. 14.10.2008, 1 BvR 928/08) Auffassung fest, dass das in § 4 Abs. 4 GlüStV angeordnete generelle Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet verfassungsgemäß ist.
    2. Der Senat ist aber der Ansicht, dass die europarechtliche Frage, ob die in § 4 Abs. 4 GlüStV enthaltene Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG europarechtskonform ist, nicht abschließend und hinreichend geklärt ist. Dies betrifft in erster Linie die Forderung des Europäischen Gerichtshofes nach einer kohärenten und systematischen Bekämpfung der Spielsucht und die damit einhergehende Frage, ob die sogenannte "äußere Kohärenz" es erfordert, alle Sparten des Glückspiels "bewertend in den Blick zu nehmen", damit die Bereiche des Glückspiels mit vergleichbarem Suchtpotential in gleicher Weise geregelt werden. Ob bei einer solchen Gesamtbetrachtung insbesondere unter Berücksichtigung der Automatenspiele, denen besondere Suchtgefährdungen zukommen sollen, noch von einer kohärenten Bekämpfung der Spielsucht gesprochen werden kann, erscheint zweifelhaft. Gleiches gilt für die Frage, ob die weiterhin bestehende Erlaubnis, Pferdewetten im Internet zu bewerben und zu veranstalten, mit den Verboten in den §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 und Abs. 4 GlüStV in Einklang zu bringen ist.

Beschluss

Wie der Senat im Termin 15. Januar 2009 bereits erläutert hat trifft den Senat keine Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG, weil gegen das Berufungsurteil die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO zulässig ist; im Übrigen wäre im Hinblick auf die derzeit noch nicht durch den Bundesgerichtshof geklärte Rechtslage nach Inkrafttreten des Glückspielstaatsvertrages gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. JurPC Web-Dok.
130/2009, Abs. 1
Der Senat hält auch an seiner — durch das Bundesverfassungsgericht jetzt bestätigten (Beschluss v. 14.10.2008, 1 BvR 928/08) — Auffassung fest, dass das in § 4 Abs. 4 GlüStV angeordnete generelle Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet verfassungsgemäß ist. Die letzten Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts bestätigen zudem, dass dieses verfassungsrechtlich nicht daran Anstoß nimmt, dass es keine alle Glücksspielbereiche umfassende Gesamtregelung gibt (siehe auch Beschluss vom 01.04.08, 2 BvR 2680/07; Beschluss v. 26.03.07, 1 BvR 2228/02). Abs. 2
Der Senat ist aber, wie gleichfalls im Termin erörtert, der Ansicht, dass die europarechtliche Frage, ob die in § 4 Abs. 4 GlüStV enthaltene Einschränkung der auch zugunsten der Beklagten zu 1. und damit auch mittelbar für den Beklagten zu 2. streitenden Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG europarechtskonform ist, nicht abschließend und hinreichend geklärt ist. Dies betrifft in erster Linie die Forderung des Europäischen Gerichtshofes nach einer kohärenten und systematischen Bekämpfung der Spielsucht und die damit einhergehende Frage, ob die sogenannte "äußere Kohärenz" es erfordert, alle Sparten des Glückspiels "bewertend in den Blick zu nehmen" (so das OVG Lüneburg, Beschluss v. 29.09.2008, 11 LC 281/06, BeckRS 2008 39624), damit die Bereiche des Glückspiels mit vergleichbarem Suchtpotential in gleicher Weise geregelt werden. Abs. 3
Ob bei einer solchen Gesamtbetrachtung insbesondere unter Berücksichtigung der Automatenspiele, denen besondere Suchtgefährdungen zukommen sollen, noch von einer kohärenten Bekämpfung der Spielsucht gesprochen werden kann, erscheint zweifelhaft. Gleiches gilt für die Frage, ob die weiterhin bestehende Erlaubnis, Pferdewetten im Internet zu bewerben und zu veranstalten, mit den Verboten in den §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 und Abs. 4 GlüStV in Einklang zu bringen ist. Abs. 4
Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass jedenfalls der im GlüStV enthaltene Erlaubnisvorbehalt nicht zu beanstanden sei und die dortigen Beklagten hiergegen auf jeden Fall verstießen, überzeugt den Senat diese Argumentation nicht. Ob die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 49 EG europarechtlich Bestand hat, richtet sich nach der die Spiel- und Wettsucht normierenden Gesamtregelung. Ist diese nicht europarechtskonform, weil der EuGH eine "Gesamtkohärenz" der Regelungen verlangt, hilft es der Klägerin auch nicht weiter, dass ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt im Grundsatz — ebenso wie etwa ein vollständiges Monopol oder ein generelles Verbot — ein taugliches Mittel zur europarechtskonformen Bekämpfung der Spielsucht sein kann.
JurPC Web-Dok.
130/2009, Abs. 5
[ online seit: 30.06.2009 ]
Zitiervorschlag: Bremen, Hanseatisches Oberlandesgericht, Zum Verbot öffentlicher Glücksspiele im Internet - JurPC-Web-Dok. 0130/2009