JurPC Web-Dok. 196/2000 - DOI 10.7328/jurpcb/20001511214

LG Bremen
Urteil vom 13.01.2000

12 O 453/99

Anspruch gegen Internet-Provider

JurPC Web-Dok. 196/2000, Abs. 1 - 17


TDG § 5 Abs. 3, MarkenG §§ 14, 15

Leitsatz (der Redaktion)

Ein Internet-Provider ist als markenrechtlicher Störer anzusehen, wenn der Kunde, für den er tätig war oder ist, für den Verletzten nicht erreichbar ist; auf den Haftungsausschluß nach § 5 Abs. 3 TDG kann sich der Provider nicht berufen.

Tatbestand

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin - nach vorheriger erfolgloser Abmahnung - die einstweilige Verfügung vom 29. September 1999 erwirkt, durch die ihr unter Androhung von Ordnungsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung untersagt worden ist, die Internetadresse "p...-d... .de" für Dritte im Internetverkehr bereitzuhalten. Die Antragstellerin hat die einstweilige Verfügung der Antragsgegnerin am 01.10.1999 - ohne Beifügung der Antragsschrift - zustellen lassen. Mit ihrem Widerspruch erstrebt die Antragsgegnerin die Aufhebung der Verfügung.JurPC Web-Dok.
196/2000, Abs. 1
Die Antragstellerin ist ein Foto- und Video-Einzelhandelsunternehmen mit über 70 Filialen im norddeutschen Raum. Sie führt ihre Firma seit Jahrzehnten und ist Inhaberin der Marke "p... d...". Unter der Domain-Adresse "p... .de" ist die Antragstellerin auch im Internet präsent. Die Antragsgegnerin betätigt sich als Hostmaster und Provider für Kunden, die Zugänge zum Internet wünschen. Für einen postalisch nicht erreichbaren Kunden "M... D... S... & S... GbR" , angeblich in H... Straße 10 b in 24941 Flensburg ansässig, ließ die Antragsgegnerin am 27.04.1999 beim Deutschen Network Information Center (DENIC e.G.) die Domain-Adresse "p...-d... .de" registrieren. Weil der Kunde der Antragsgegnerin nach deren Vortrag das vereinbarte Entgelt nicht zahlte, sperrte sie die Domain-Adresse ab 30.04.1999. Das hat zur Folge, daß bei Eingabe der Domain-Adresse "p...-d... .de" der Text erscheint: "Diese Präsenz ist zur Zeit nicht erreichbar"; nach Angabe der Antragsgegnerin nach automatischer Weiterleitung des Nutzers auf die Domain-Adresse "e... .de".Abs. 2
Die Antragstellerin ist der Auffassung, daß die Registrierung der Domain-Adresse "p...-d... .de" eine Verletzung ihrer Firmen- und Markenrechte bedeute; die Antragsgegnerin sei spätestens seit Kenntnis von dem Domain-Grabbing ihres obskuren Kunden, der offensichtlich unerkannt bleiben wolle, als Störer zu behandeln und unterlassungspflichtig. Unbeschadet der "Sperre" der Domain-Adresse dauere die Störung fort; die Textinformation "Diese Präsenz ist zur Zeit nicht erreichbar" sei z.B. geeignet, den falschen Eindruck zu erwecken, sie - die Antragstellerin - stecke in geschäftlichen Schwierigkeiten.Abs. 3
Die Antragstellerin beantragt,

die angefochtene einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Abs. 4
Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlaß gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Abs. 5
Sie meint, die einstweilige Verfügung sei nicht innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen worden und müsse schon deshalb aufgehoben werden. Sie sei aus sich heraus nicht verständlich, weshalb die Antragstellerin die Antragsschrift mit hätte zustellen lassen müssen. Des weiteren hätte die einstweilige Verfügung nicht ohne mündliche Verhandlung ergehen dürfen, da ein "besonders dringender Fall" nicht vorliege. Aber auch materiell könne die einstweilige Verfügung keinen Bestand haben. Sie - die Antragsgegnerin -. könne die Registrierung der beanstandeten Domain-Adresse nur im Auftrag und mit Zustimmung ihres Kunden, des Domain-Inhabers, aufheben (Aufhebung der Konnektierung). Die Antragstellerin habe die Möglichkeit, mit ihrem Begehren unmittelbar an die DENIC e.G. heranzutreten und dort einen Wait-Antrag zu stellen. Weiter ist die Antragsgegnerin der Auffassung, daß mit dem Erlaß der einstweiligen Verfügung die Hauptsache vorweggenommen worden sei. Und schließlich: Es stehe in den Sternen, was ihr Kunde mit der Registrierung der beanstandeten Internet-Adresse beabsichtige. Die Antragstellerin könne mangels Berühmtheit ihrer Marke für diese nicht unbeschränkt Schutz in Anspruch nehmen.Abs. 6
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.Abs. 7

Entscheidungsgründe

Die angefochtene einstweilige Verfügung ist zu bestätigen. Das weitere Verfahren hat ergeben, daß sie formell wie materiell nicht zu beanstanden ist.Abs. 8
1) Eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß den §§ 927, 929 Abs. 2 , 936 ZPO kommt nicht in Betracht. Die Antragstellerin hat sie ordnungsgemäß innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO durch Zustellung im Parteibetrieb vollzogen. Die Antragsgegnerin geht fehl in ihrer Auffassung, daß zu einer ordnungsgemäßen Zustellung vorliegend auch die Zustellung der Antragsschrift gehört hätte, da die einstweilige Verfügung aus sich heraus nicht verständlich sei. Sie ist verständlich - für einen Internet-Provider allemal. Die Antragsgegnerin hat es danach zu unterlassen, die Internet-Adresse (Domain-Adresse) "p...-d... .de" für Dritte bereitzuhalten. Das bedeutet nichts anderes, als daß sie die noch bestehende Konnektierung im Verhältnis zur DENIC e.G. aufzuheben hat. Das Begehren der Antragstellerin war der Antragsgegnerin im übrigen bereits aufgrund der vorprozessualen Abmahnung genau bekannt.Abs. 9
2) Es kann dahinstehen, ob , wie die Antragsgegnerin meint, das Gericht die einstweilige Verfügung vom 29. September 1999 nicht im Beschlußwege hätte erlassen dürfen. Ob die Verfügung Bestand hat oder nicht, bestimmt sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, nicht nach der prozeßrechtlichen Lage zu Beginn des Gerichtsverfahrens. Abs. 10
3) Allein die Existenz der beanstandeten Domain-Adresse, mag "diese Präsenz" nun zur Zeit erreichbar sein oder nicht, bewirkt eine Verletzung der Firma und Marke der Antragstellerin (§§ l4, 15 MarkenG). Technisch gesehen stellte die Internet-Adresse (der Domain-Name) nur den Kommunikationsweg dar, der zu der gewünschten Homepage führt. Insoweit ist der Domain-Name eher mit einer Telefonnummer vergleichbar. Nachdem aber der ursprünglich binäre Zahlencode im Interesse der Benutzerfreundlichkeit durch eine Buchstabenkennung ersetzt worden ist, besitzen die Domain-Namen, anders als Telefonnummern, ein ausgeprägtes Identifikationspotenzial. Domain-Namen werden denn auch bewußt zur Identifizierung des Inhabers der Homepage eingesetzt. Es wird mit der aus einem Namen bestehenden Domain-Adresse regelmäßig zum Ausdruck gebracht, daß der Namensinhaber gleichzeitig Inhaber der Internet-Adresse und der damit verbundenen Homepage ist. So verhält es sich mit der Domain-Adresse "p...-d... .de" im Verhältnis zur Firma und zur Marke ("p... d...") der Antragstellerin. Die Antragstellerin, die bereits unter der Adresse "p...-d... .de" im Internet präsent ist, hätte ebensogut die jetzt von dem Kunden der Antragsgegnerin belegte Domain-Adresse für sich wählen können. Jedenfalls deutet diese Sache, die sich lediglich durch den Bindestrich von der Domain-Adresse der Antragstellerin unterscheidet, ausschließlich auf die "P... D... GmbH", die Antragstellerin, hin; der in seiner Existenz fragwürdige Kunde der Antragsgegnerin hat zu diesem Namen nicht die geringste Beziehung.Abs. 11
Die Antragsgegnerin ist im Verhältnis zur Antragstellerin markenrechtliche Störerin. Als Internet-Provider (Vermittler zwischen Homepage-Inhaber und der DENIC e.G.) kann sie den Haftungsausschluß des § 5 Abs. 3 des Gesetzes über die Nutzung von Telediensten vom 22.07.1997 (TDG-BGBl. I S. 1870) nicht für sich in Anspruch nehmen und deshalb jedenfalls dann, wenn der Kunde, für den sie tätig ist oder war, für die Antragstellerin als Verletzte nicht erreichbar ist , unterlassungspflichtig, was vorliegend einer Pflicht zum Handeln gleich kommt. - Spätestens seit der vorprozessualen Abmahnung hat die Antragsgegnerin von der zweifelsfreien Markenrechtswidrigkeit der Internet-Adresse ihres Kunden M... D... S... & S... GbR" Kenntnis; sie ist also selbst dann,. wenn man das Haftungsprivileg des § 5 Abs. 2 TDG für sie gelten läßt, im Sinne des Verfügungsbegehrens unterlassungspflichtig.Abs. 12
Der Umstand, daß beim Anwählen der beanstandeten Domain-Adresse die Textinformation "Diese Präsenz ist zur Zeit nicht erreichbar" erscheint, ändert daran nichts; denn die markenrechtswidrige Störung dauert fort. Zutreffend weist die Antragstellerin darauf hin, daß ein Interessent, der mit der genannten Information konfrontiert wird, den Eindruck gewinnen kann, die Antragstellerin (jemand anderes kommt nicht in Betracht) habe ihre geschäftlichen Aktivitäten eingestellt oder jedenfalls ihre Gebühren nicht bezahlt. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß dergleichen geschäftsschädigende Auswirkungen haben kann.Abs. 13
4) Die Antragsgegnerin, der durch die einstweilige Verfügung untersagt worden ist, die Internet-Adresse "p...-d... .de" für Dritte im Internetverkehr bereitzuhalten, wird danach die Aufhebung der Konnektierung bei der DENIC e.G. - gegebenenfalls unter Vorlage dieses Urteils - zu bewirken haben. Geschieht dies, wird die Adresse von der DENIC e.G. freigegeben. Sie könnte also alsdann grundsätzlich für jeden Dritten neu registriert werden. Gleichwohl kann die Antragsgegnerin mit ihrer Auffassung, daß die angefochtene einstweilige Verfügung die Hauptsache vorwegnehme und nicht lediglich vorläufigen Rechtsschutz gewähre, kein Gehör finden; denn die Aufhebung der Konnektierung kann mit einer vorläufigen Sperre für eine Neubelegung der Adresse verbunden werden. Das ist technisch ohne weiteres möglich; die Antragsgegnerin hat auch nicht dargetan, daß sich die DENIC e.G. auf dergleichen nicht einläßt, wenn ihr nachgewiesen wird, daß das Gebot einer noch nicht rechtskräftigen Gerichtsentscheidung zu befolgen ist.Abs. 14
5) Es kann dahinstehen, ob die Antragstellerin, wie die Antragsgegnerin meint, ebensogut mit einem Wait-Antrag bei der DENIC e.G. zu dem gewünschten Erfolg kommen kann. Sie hat sich dafür entschieden, die Antragsgegnerin als eine der an der Registrierung der beanstandeten Internet-Adresse Beteiligten in Anspruch zu nehmen. Das ist nicht zu beanstanden.Abs. 15
6) Das Verteidigungsvorbringen der Antragsgegnerin schließlich, daß niemand wisse, was die M... D... S... & S... GbR mit der Domain-Adresse vorhabe und die Antragstellerin Markenschutz nur für die in der Eintragung aufgeführten Waren und Dienstleistungen in Anspruch nehmen könne, verschlägt ebenfalls nicht. Soweit das Firmenrecht der Antragstellerin berührt ist, bedarf das keiner weiteren Ausführungen. Bezüglich Waren und Dienstleistungen sei lediglich angemerkt, daß die Bezeichnung "p...-d... .de" nicht geeignet ist, Kundschaft etwa für Zahnbürsten oder Buchführungsarbeiten anzusprechen; die Bezeichnung steht vielmehr für Foto-Artikel und Foto-Dienstleistungen. Abs. 16
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
JurPC Web-Dok.
196/2000, Abs. 17
[online seit: 06.11.2000]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Bremen, LG, Anspruch gegen Internet-Provider - JurPC-Web-Dok. 0196/2000