JurPC Web-Dok. 171/1998 - DOI 10.7328/jurpcb/19981311170

LG München I, Urteil vom 03.09.98 (Az.: 7 O 1299/98)

"Juris solvendi"

JurPC Web-Dok. 171/1998, Abs. 1 - 26


§§ 14 Abs. 2, 5, 15 Abs. 2, 4, 5, 5 Abs. 1, 2 MarkenG

Leitsatz (der Redaktion)

Die Verwendung des Zeichens "Juris solvendi" ist gegenüber dem als Bestandteil eines Unternehmenskennzeichens geschützten Wort "juris" geeignet, Verwechselungsgefahr zu schaffen und begründet daher einen Unterlassungsanspruch. Dieser umfaßt auch die Verwendung des Zeichens als Bestandteil eines Internet-Domain-Namens.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt die größte deutsche juristische Datenbank und ist seit 15.10.1987 im Handelsregister von Saarbrücken eingetragen. Unternehmenszweck ist es, "uneingeschränkte und umfassende Möglichkeiten der Information auf dem Fachgebiet Recht und seinen Grenzgebieten bereitzustellen. Sie hat zu diesem Zweck Dokumentations- und Informationsdienstleistungen zu erbringen und jedermann verfügbar zu machen, sowie alle dafür erforderlichen Tätigkeiten auszuführen und zu fordern. Die Gesellschaft hat dabei den fachlichen Bedürfnissen der unterschiedlichen Benutzergruppen Rechnung zu tragen, Neutralität zu wahren und Meinungspluralität zu gewährleisten. Darüber hinaus kann die Gesellschaft weitere Dienstleistungen auf dem Gebiet der Informatik erbringen."(Anl. K 1). Die Klägerin ist des weiteren Inhaberin der deutschen Marke Nr. 1149790 "juris", die am 15.11.1989 für folgende Dienstleistungen eingetragen und am 30.12.1989 veröffentlicht wurde: "Betrieb und Ausbau eines computergestützten juristischen Auskunftssystems; Durchführung von Auftragsrecherchen und Rechtsangelegenheiten; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung; Vervielfältigung von Dokumenten; Sammeln und Liefern von Nachrichten aller Art aus dem juristischen Bereich." (K 2). Das Zeichen steht in Kraft. Im Jahr 1997 erzielte die Klägerin einen Umsatz von 24 Mio DM. Die Online-Nutzung ihrer Datenbank stieg von 18.800 Stunden im Jahr 1986 auf 138.000 Stunden im Jahr 1997, wobei die Inanspruchnahme durch Rechtsanwälte und Wirtschaftsunternehmen überproportionale Zuwächse verzeichnet.JurPC Web-Dok.
171/1998, Abs. 1
Die Beklagte bietet seit Mai 1997 unter der Bezeichnung "Juris solvendi" umfassende Marketingdienstleistungen für rechts- und steuerberatende Berufe vornehmlich in Form von Entwicklung und Umsetzung von Werbekonzepten für Rechtsanwälte sowie einer Anwaltssuchbörse an. Sie ist ferner Nutzungsberechtigte an der zugunsten ihres Geschäftsführers unter Nr. 39704804 beim Deutschen Patentamt am 26.02.1997 für Werbung eingetragenen Marke "JURIS solvendi Marketing-und Multimedia-Service für Rechtsanwälte GmbH" sowie an der ebenfalls fur Herrn F. am 06.11.1997 unter Nr. 39728955 für Werbung registrierten, nachfolgend abgebildeten Wortbildmarke:

(Es folgt die Abbildung der Wortbildmarke, Anm. der Redaktion)

Abs. 2
Am 27.05.1997 wurde sie unter Nummer HRB 116656 im Handelsregister des Amtsgerichts München mit dem Unternehmensgegenstand "Bereitstellung von Marketing- und Multimedia-Agenturleistungen für rechts- und steuerberatende Berufe, insbesondere für Rechtsanwälte" eingetragen (Anl. K 16).Abs. 3
Unter der Adresse "http://www.juris-solvendi.de" unterhält die Beklagte im Internet eine Homepage, die über die Verbindung "Rechts-Infos"zu den aus der Anlage K 8 ersichtlichen, teils ihrerseits weiterführenden Hinweisen zu Gesetzgebungsvorhaben im Bereich der Ostförderung, Gesetzesänderungen im Bereich der Erbschaftssteuer sowie Rechtsprechung zur Bankenhaftung bei Anlageberatung leitet. Über die Verbindung "Aktuelle Links" gelangt der Benutzer u.a. zur Homepage der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, die wiederum direkte Verweisungen auf Gerichtsentscheidungen, Dissertationen und andere juristische Informationen enthält (K 10).Abs. 4
Mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 30. Oktober 1997 forderte die Klägerin vergebens die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Seit April 1998 betreibt die Beklagte die Löschung der klägerischen Marke beim Deutschen Patentamt.Abs. 5
Die Klägerin behauptet, auch außerhalb des engen Bereichs der juristischen Datenbank tätig zu sein. Insbesondere biete sie Dienstleistungen auf dem Gebiet der Informatik, wie im Handelsregister als Geschäftszweck beschrieben, nämlich Datenkonvertierung für den Aufbau von Fremddatenbanken, Gateway-Programme zur Datenbanknutzung sowie Erfassungsprogramme, mithin Multimediadienste an. Auch habe sie seit 1995 bereits in vierter Auflage eine CD-ROM "Gebühren- und Kostenrecht" herausgegeben, die auch ein Anwaltsverzeichnis enthalte. Sie meint, wie sich aus dem auf patentamtliches Ersuchen hin erstellte Gutachten des Deutschen Industrie- und Handelstages vom 03.05.1989 (Anl. K 3) ergebe, sei das Kennzeichen "Juris" bereits damals bekannt im Sinne der §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 3 MarkenG gewesen. Mit einem Zuordnungsgrad von 74,78 % in den Rechtsabteilungen von Großunternehmen, von 59,15 % in den Rechtsabteilungen von Kreditinstituten und von 67,57 % in den Rechtsabteilungen von Versicherungsunternehmen habe es Verkehrsdurchsetzung erlangt. Im übrigen sei die Bekanntheit der Marke bzw. der geschäftlichen Bezeichnung in den angesprochenen juristischen Kreisen bei Gericht offenkundig. Rein vorsorglich bietet sie hierfür Beweis durch Sachverständigengutachten an.Abs. 6
Die Klägerin beantragt,

zu erkennen, wie im Tenor geschehen.

Abs. 7
Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Verhandlung bis zur Entscheidung im Löschungsverfahren betreffend die Marke der Klägerin 1149790 auszusetzen.

Abs. 8
Sie bestreitet zunächst, daß die Klägerin für ihre Kennzeichen Juris Verkehrsdurchsetzung, Verkehrsgeltung oder Bekanntheit genieße; das vorgelegte Gutachten des Deutschen Industrie- und Handelstages sei schon wegen der Unmaßgeblichkeit der befragten Berufsgruppen nicht geeignet, die behauptete Bekanntheit der Marke zu belegen; denn mit ihren Dienstleistungsangebot richtet sich die Klägerin letztlich an jeden juristischen Endverbraucher, der über Telefonanschluß und PC verfüge. Im übrigen gebe es im Tätigkeitsbereich der Parteien keine Überschneidungen. Denn weder vermittele die Klägerin Rechtsbeistand noch erbringe sie Marketingdienstleistungen. Die Beklagte liefere demgegenüber – anders als die Klägerin - auch via Internet keine juristischen Informationen. Die über Links auf ihrer Homepage abrufbaren Daten könnten der Beklagten nicht zugerechnet werden. Im übrigen seien die streitgegenständlichen Zeichen bereits im Hinblick auf den von der Beklagten verwendeten unterscheidungskräftigen Zusatz "solvendi" auch nicht ähnlich, zumal dem Kennzeichen Juris jegliche Kennzeichnungskraft fehle. Jedenfalls habe die Klägerin einen eventuellen Unterlassungsanspruch verwirkt, insofern sie gegen ihr bekannte Unternehmen oder Marken, die seit mehr als fünf Jahren "Juris" bzw. "Jura" als Firmen- oder Markenbestandteil führten, trotz möglicher Kenntnis dieses Umstands nicht vorgegangen sei. Dadurch habe sie einen Vertrauenstatbestand jedenfalls für solche Firmen geschaffen, die nicht auf dem Kerngebiet ihrer Tätigkeit, nämlich dem Betreiben von Datenbanken und Nutzbarmachung der gespeicherten Daten, mit ihnen konkurrierten.Abs. 9
Im nachgelassenen Schriftsatz vom 31.07.1998 teilt die Beklagte mit, sie habe zur Vermeidung eventuell denkbarer Überschneidungen aus ihrer Rubrik "Aktuelle Links" im Internet all jene Links entfernt, die zu Anbietern führen, die ihrerseits möglicherweise datenbankähnliche Dienste erbringen.Abs. 10
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.Abs. 11

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig; insbesondere ist das für den Feststellungsantrag zu Ziffer IV. gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse bereits im Hinblick auf die dreijährige Verjährungsfrist eines etwaigen Schadensersatzanspruches (§ 20 Abs. 1 MarkenG) gegeben.
Die Klage ist auch im vollen Umfang begründet.
Abs. 12
1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin gemäß §§ 14 Abs. 5, 15 Abs. 4, 4, 5 MarkenG zu.Abs. 13
a) Die Klägerin hat sowohl die unter Nr. 1149790 beim Deutschen Patentamt registrierte Marke "juris" als auch das gleichlautende, gemäß §§ 5 Abs. 1, 2 MarkenG geschützte Unternehmenskennzeichen inne. Zwar stellt die Bezeichnung "juris" nur einen Bestandteil der klägerischen Firma dar; dies hindert jedoch seine Schutzfähigkeit als geschäftliche Bezeichnung im Sinne des § 5 Abs. 2 MarkenG grundsätzlich nicht. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Nachweise in BGH, GRUR 1997, 468 ff., 469 – Netcom) kann Schutz für einen unterscheidungskräftigen Teil der Firmenbezeichnung beansprucht werden, wenn dieser nach seiner Art im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet ist, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor: Wie der erkennenden Kammer aus eigener Sachkunde bekannt ist, findet das streitgegenständliche Zeichen als alleinige Pars-pro-toto-Bezeichnung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr seit langem allgemeine Verwendung; demgegenüber ist die sperrige Gesamtbezeichnung mit dem Zusatz "Juristisches Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland" kaum bekannt. Dem Zeichen kommt auch die erforderliche Unterscheidungskraft zu. Insbesondere ist ihm ein eindeutiger Hinweis auf die Art der von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen im Bereich des Rechts, nämlich Dokumentation und Information, nicht zu entnehmen, so daß es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich in einer beschreibenden Angabe erschöpft.Abs. 14
b) Das von der Beklagten unstreitig benutzte Zeichen "Juris solvendi" ist auch geeignet, Verwechslungsgefahr mit der klägerischen Marke bzw. ihrer Unternehmenskennzeichnung im Sinne der §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 2 MarkenG zu begründen.Abs. 15
aa) Angesichts der wörtlichen Übereinstimmung hinsichtlich "Juris" kann entgegen der Auffassung dar Beklagten Zeichenähnlichkeit nicht unter dem Gesichtspunkt verneint werden, daß die Beklagte das für die Klägerin geschützte Zeichen nur mit dem Zusatz "solvendi" verwendet. Zwar ist für die Frage der Verwechslungsgefahr der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen auch dann maßgeblich, wenn sich, wie hier, das ältere Zeichen in einem jüngeren zusammengesetzten Zeichen identisch wiederfindet (BGH GRUR 1996, 777, 778; GRUR 1996, 68 für geschäftliche Bezeichnungen). Der Gesamteindruck wird jedoch, wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung anerkennt (Nachweise bei Ingerl-Rohnke, § 14 Rn. 328, 388) bei Wortzeichen wesentlich vom Wortbeginn, bei zusammengesetzten Zeichen vom ersten Wort geprägt. Berücksichtigt man dies sowie den Umstand, daß das Kennzeichen "Juris" angesichts seiner - nicht zuletzt durch die Umsatzzahlen der Klägerin dokumentierte – Bekanntheit unter Juristen das zusammengesetzte Zeichen der Beklagten dominiert, während der lateinische Zusatz "solvendi" keinerlei unterscheidungskräftige Assoziationen weckt, kann Verwechslungsgefahr zumindest unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht verneint werden: Im Hinblick auf den Umstand, daß die Klägerin ausweislich Anlagen K 15 a bis d ihre Marke im Verkehr auch in den Verbindungen "juriscdrom", "jurisdata" und "juris data line" verwendet, liegt die Gefahr nahe, das Zeichen der Beklagten lediglich als weitere Abwandlung des Stammes "Juris" der Klägerin zuzuordnen.Abs. 16
bb) Auch die für eine Verwechslungsgefahr erforderliche Identität bzw. Ähnlichkeit der erfaßten Dienstleistungen ist gegeben. Ausweislich des vorgelegten Handelsregisterauszugs bietet die Beklagte Multimediadienstleistungen für rechts- und steuerberatende Berufe an. Dies deckt sich sowohl hinsichtlich der intendierten Abnehmer als auch hinsichtlich der Quellen der angebotenen Informationen mit dem Unternehmensgegenstand der Klägerin, die umfassende Informationsmöglichkeiten auf dem Fachgebiet Recht und angrenzenden Gebieten bereitstellt (K 1) und ihre Marke u.a. für den Betrieb und Ausbau eines computergestützten juristischen Auskunftssystems, der Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung sowie für das Sammeln und Liefern von Nachrichten aller Art aus dem juristischen Bereich eingetragen hat. Insofern die Beklagte über sogenannte Links auf ihrer Homepage Gerichtsentscheidungen, Dissertationen sowie Hinweise auf Gesetzesänderungen und Gesetzgebungsvorhaben - sei es auch unsystematisch – zugänglich macht, kollidiert dies unmittelbar mit dem Dienstleistungsangebot der Klägerin.Abs. 17
cc) Ob Verwechslungsgefahr auch hinsichtlich der von der Beklagten ebenfalls angebotenen Marketing-Agenturleistungen für rechts-und steuerberatende Berufe besteht, kann dahinstehen. Zwar spricht der Umstand, daß die Klägerin zuletzt in vierter Auflage von 1995 eine CD-ROM u.a. mit einem Anwalts- und Notarverzeichnis aufgelegt und vertrieben hat, dafür, daß sie damit – ihrem Geschäftszweck, der umfassenden Informationen auch in Grenzgebieten des Rechts, entsprechend – auch Marketingleistungen zur Verfügung stellt. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung; denn angesichts der Bekanntheit des klägerischen Zeichens im Inland und seines Rufs genießt dieses den erweiterten Schutz nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 3 MarkenG. Dies vermag die Kammer – auch anhand der unwidersprochenen (§ 138 Abs. 3 ZPO) Angaben der Klägerin, z.B. zu ihrer Umsatzentwicklung – als Teil der angesprochenen Verkehrskreise aus eigener Sachkunde zu beurteilen. So ist "Juris" nicht nur bei den Richtern des Landgerichts München I u.a. durch wiederholte Hinweise auf den hauseigenen Anschluß, Schulungsangebote für die Benutzung u.a. allgemein bekannt. Auch die den Mitgliedern der Kammer zur Ausbildung zugewiesenen Referendare sind regelmäßig bereits vom Studium her damit vertraut. Angesichts des Umstands, daß sich der Jahresumsatz der Klägerin von 1987 bis 1997 auf 24 Mio. DM verfünffacht hat, die Online-Nutzung mit 130000 Stunden im Jahr 1997 gegenüber 1986 mehr als das siebenfache beträgt, wobei die Nutzung durch Rechtsanwälte und Wirtschaftsunternehmen überproportional angestiegen ist, erscheint es der Kammer ausgeschlossen, daß die Bekanntheit des klägerischen Zeichens hinter den bereits im Jahre 1989 vom DIHT (Anl. K 3) attestierten Grad von fast 60 % zurückgefallen ist. Bereits dieser damalige Wert liegt trotz der Zurückhaltung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, sich auf eine für alle Zeichen gleichermaßen geltende Grenze festzulegen, für die Kammer eindeutig im Bereich bekannter Marken (vgl. dazu auch Althammer/Ströbele/Klaka, § 14 Rn. 8, die im Regelfall von einem Bekanntheitsgrad nicht unter 35 % ausgehen).Abs. 18
Soweit die Beklagte das genannte DIHT-Gutachten angreift, erfolgt dies im wesentlichen unsubstantiiert. Insbesondere kann sie für ihre Auffassung, wonach zu den angesprochenen Verkehrskreisen über die befragten Rechtsabteilungen verschiedener Unternehmenszweige hinaus auch jede Privatperson gehöre, die über PC und Telefonanschluß verfüge, kein Gehör finden: Nach Auffassung der Kammer beschränkt sich der von der Klägerin als potentielle Abnehmer ihrer Dienstleistungen avisierte Personenkreis vielmehr auf die in der Marken- und Handelsregistereintragung benannten, im Bereich des Rechts und angrenzender Gebiete angesiedelten Berufe.
Die Erholung des von der Klägerin hilfsweise angebotenen Sachverständigengutachtens zum Bekanntheitsgrad ihres Zeichens war angesichts der untauglichen Angriffe der Beklagten auf die – Bekanntheit bereits für das Jahr 1989 attestierende - Stellungnahme des DIHT entbehrlich. Zwar hätte der Beklagten offengestanden, insoweit den Gegenbeweis etwa durch Erhebung einer Meinungsumfrage anzutreten. Dies hat sie jedoch nicht getan.
Abs. 19
Schließlich liegen auch die gemäß §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 3 MarkenG erforderlichen Unlauterkeitsmomente vor. Angesichts der mit der Ausnutzung des klägerischen Zeichens verbundenen Rufausbeutung ist die Verwerflichkeit der Anlehnung an die auch bei der Beklagten bekannte Marke indiziert (vgl. Althammer/Ströbele/Klaka, § 14 Rn. 18). Tatsächliche Umstände, die ihr Vorgehen rechtfertigte, hat die insoweit darlegungspflichtige Beklagte nicht vorgetragen.Abs. 20
dd) Auf Verwirkung kann sich die Beklagte nicht berufen. Ungeachtet des Umstands, daß die Voraussetzungen des § 23 MarkenG nicht dargetan sind, konnte sich die Beklagte auf eine eventuelle Duldung der von ihr angeführten Firmen ORGA JURIS, Sicherheitsdienst juris GmbH und Juris-Verlag unabhängig von der Frage der Verwechslungsgefahr bereits deshalb nicht berufen, weil die Verwirkung grundsätzlich nur inter partes wirkt (Ingerl/Rohnke, § 21 Rn. 21).Abs. 21
Demnach war dem Unterlassungsanspruch in vollem Umfang stattzugeben.Abs. 22
2. Neben der Unterlassung ist die Beklagte, wie gewohnheitsrechtlich anerkannt (vgl. Ingerl/Rohnke vor §§ 14 bis 19 Rn. 55 ff.), auch zur Beseitigung der Beeinträchtigung dergestalt verpflichtet, daß sie in die Löschung des Firmenbestandteils "Juris" in ihrer beim Amtsgericht München, HRB 116656, eingetragenen Firma einzuwilligen und den Bestandteil "juris" in ihrer Internet-Adresse zu löschen hat. Insbesondere birgt der Domain-Name "juris-solvendi.de", wie oben, Ziffer 1. b) erörtert, die Gefahr gedanklicher Verbindung mit dem Zeichen der Klägerin.Abs. 23
3. Gemäß §§ 14 Abs. 4, 15 Abs. 5 MarkenG ist die Beklagte auch zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der der Klägerin aus der Verletzung ihrer Kennzeichenrechte entstanden ist oder noch entstehen wird. Die dafür erforderliche schuldhafte Verletzung bedarf keiner näheren Erörterung und steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit: Die Beklagte hat die Marke der Klägerin wissentlich genutzt. Auf eine abweichende Beurteilung der Ver-wechslungsgefahr konnte sie sich unter dem Gesichtspunkt nicht berufen, als selbst bei unsicherer Rechtslage generell der Verletzer das Risiko tragt (BGH GRUR 1995, 825, 829; GRUR 1996, 271).Abs. 24
4. Weitere gewohnheitsrechtlich anerkannte (vgl. BGH GRUR 1995, 50, 53) Rechtsfolge der Verletzung der klägerischen Kennzeichenrechte ist schließlich die Pflicht der Beklagten, Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlung einschließlich der erzielten Umsätze sowie der betriebenen Werbung zu erteilen. Denn zur Vorbereitung ihres Schadensersatzanspruches ist die Klägerin auf die begehrte Information, über die nur die Beklagte verfügt, angewiesen (§ 242 BGB).Abs. 25

II.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO, wobei auf die Vollstreckung wegen der Kosten ein Betrag von DM 5.000,--, berechnet aus einem Streitwert von DM 100.000,--, angesetzt wurde.
JurPC Web-Dok.
171/1998, Abs. 26
[online seit: 13.11.98 ]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: München I, LG, "Juris solvendi" - JurPC-Web-Dok. 0171/1998