JurPC Web-Dok. 168/2003 - DOI 10.7328/jurpcb/2003186162

Otfried Krumpholz *

Das Verhältnis von § 12 BGB und § 15 MarkenG in der Rechtsprechung zu Domain-Konflikten
- aufgezeigt anhand des Urteils des OLG Frankfurt zu "amex.de" -

JurPC Web-Dok. 168/2003, Abs. 1 - 24


Übersicht:

1. Der Ausgangsfall "amex.de"
2. Ein kurzer historischer Rückblick: Die Entwicklung der Dogmatik des § 12 BGB
3. Die Rechtsprechung in Domain-Konflikten
4. Die Problematik: Kann § 15 MarkenG § 12 BGB wirklich voll ersetzen?
5. Eine Lösungsmöglichkeit: Die Figur der "Kennzeichenleugnung"
6. Zusammenfassung
Nachdem die Rechtsprechung in den Jahren nach der Markenrechtsreform sehr zögerte, bei kennzeichenrechtlichen Streitigkeiten die traditionelle ausdehnende Auslegung des § 12 BGB durch die Anwendung des nun zur Verfügung stehenden § 15 MarkenG zu ersetzen, hat sich die neue Vorschrift in der Rechtspraxis nun weitgehend durchgesetzt. Der Verfasser zeigt in diesem Aufsatz auf, welche Probleme hieraus entstehen können, und schlägt in Erweiterung der Dogmatik zu den markenrechtlichen Ansprüchen die Figur der "Kennzeichenleugnung" vor.JurPC Web-Dok.
168/2003, Abs. 1

1. Der Ausgangsfall "amex.de"

Dem vom OLG Frankfurt unter dem Az. 6 U 13/02 am 27.3.2003 entschiedenen Fall (= JurPC Web-Dok. 171/2003, Anm. der Red.) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin betrieb unter dem Firmenschlagwort "AMEX" einen Handel mit Nutzfahrzeugen, wobei sie den Namen seit 1975 regional und auch sehr bald bundesweit benutzte. Der Beklagte erbrachte gewerbliche Internet-Dienstleistungen. Er hatte 1999 die Domain "amex.de" reserviert, wobei streitig blieb, ob er dies im Rahmen eines Internetprojektes der "American Express Company" in deren Auftrag oder wenigstens mit deren Billigung getan hatte. Jedenfalls blieb die Seite mehrere Jahre ungenutzt, es gab auf ihr nur einen Zähler und einen Link zum Provider des Beklagten. Die Klägerin nahm den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch, da er keine eigenen Rechte an dem Zeichen "Amex" zu haben schien. In erster Instanz obsiegte sie vor dem LG Frankfurt. Dieses stützte sein Urteil auf die Anwendung des § 12 BGB: Da auch unterscheidungskräftige Firmenbestandteile, wie hier das Schlagwort "Amex", dem Schutz der Vorschrift unterfielen, könne die Klägerin nach dieser Vorschrift gegen jede unbefugte Benutzung ihres Namens vorgehen, also auch gegen die Benutzung in der Form einer Internet-Domain. Der Beklagte aber, dem zweifelsfrei kein eigenes Benutzungsrecht an dem Namen zustand, könne sich auch nicht auf ein Benutzungsrecht der Firma American Express aufgrund deren Marke "Amex" berufen. Der Beklagte habe nichts zu einem Gestattungsvertrag vorgetragen und insbesondere auch nicht, inwieweit die schuldrechtliche Gestattung noch fortbestehe, woran Zweifel bestünden, da das Internetprojekt aus dem Jahre 1999 nach wie vor nicht realisiert worden sei.Abs. 2
Hiergegen legte der Beklagte mit Erfolg Berufung ein. Überraschenderweise ging das OLG Frankfurt auf die zwischen den Parteien heiß umstrittene Frage der Gestattung gar nicht ein. Vielmehr ließ das Gericht den Anspruch der Klägerin schon an der mangelnden Anspruchsgrundlage scheitern. Unter Verweis auf die BGH-Entscheidung zu "shell.de"(1) stellte der Senat fest, dass Ansprüche aus § 12 BGB gegenüber der Benutzung eines Domain-Namens nur außerhalb des geschäftlichen Verkehrs in Betracht kämen. Das Firmenschlagwort der Klägerin sei zwar auch nach § 5 Abs. 2 MarkenG geschützt. Für einen Anspruch aus § 15 Abs. 2 MarkenG fehle es aber an der erforderlichen Verwechslungsgefahr, da eine Branchennähe weder zwischen den Gewerben der beiden Parteien vorliege noch zwischen dem Gewerbe der Klägerin und den Leistungen der Firma American Express, auf deren Homepage der Beklagte mittlerweile seine Domain umgeleitet hatte. Für die anderen denkbaren Ansprüche wie § 15 Abs. 3 MarkenG oder § 826 BGB fehle es an den Tatbestandsvoraussetzungen. Der Senat merkte noch an, dass sich der Sachverhalt zwar von Fällen unterscheide, in denen gleichnamige, branchenfremde Unternehmen um denselben Domain-Namen streiten, wie im Fall alcon.de(2), da der Beklagte hier über keine eigenen Rechte am streitgegenständlichen Kennzeichen verfüge. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 MarkenG als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren nicht erfüllt seien.Abs. 3

2. Ein kurzer historischer Rückblick: Die Entwicklung der Dogmatik des § 12 BGB

Der rechtliche Schutz des Namens im bürgerlichen Recht wird von § 12 BGB gewährt. Ursprünglich war § 12 BGB lediglich zum Schutz des bürgerlichen Namens, genauer gesagt sogar nur des Familiennamens, gedacht(3). Es zeigte sich jedoch schnell, dass ein Bedürfnis für die Ausweitung der Anwendbarkeit bestand. Während Warenzeichen durch das WZG in ausreichendem Maße vor missbräuchlicher Verwendung durch andere als den Berechtigten geschützt waren, galt dies nicht für Namen von Personenvereinigungen außerhalb des Wirtschaftsverkehrs und nur eingeschränkt für die Personenvereinigungen des Handelsrechts.Abs. 4
Somit war es nicht verwunderlich, dass die Frage nach der Ausweitung der Anwendbarkeit von § 12 BGB bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes kontrovers diskutiert wurde(4). Schon bald entschied das Reichsgericht jedoch, dass § 12 BGB auch den Namen des eingetragenen Vereins schütze(5), kurz darauf ebenso für den nicht rechtsfähigen Verein(6). Diese Rechtsprechung wurde sehr bald auf den Schutz des Namens der juristischen Personen des Handelsrechts übertragen(7) und schließlich allgemein auf die Firma, auch die von Personengesellschaften, ausgedehnt(8). Soweit diese Erweiterungen des Tatbestandes von § 12 BGB begründet wurden, geschah dies vor allem unter Verweis auf den Gesetzeszweck. Im ersten der erwähnten RG-Urteile findet sich außerdem ein kurzer Hinweis auf die Lehre über die Funktionen des Namens(9): Auch der Name des eingetragenen Vereins sei wie der Familienname ein dem Namensträger beigelegtes Kennwort, das den Träger in auffälliger Weise von seinesgleichen unterscheiden solle(10). Daher könne § 12 BGB auch auf den e.V. angewendet werden.Abs. 5
Schließlich wurde der Schutz des § 12 BGB auch noch ausgedehnt auf Firmenbestandteile, Schlagworte, Abkürzungen und andere Bezeichnungen einschließlich Warenzeichen, die auf ein Unternehmen hinweisen. All dies wurde von der Literatur überwiegend gebilligt(11), später in die ständige Rechtsprechung des BGH übernommen und galt bis vor Kurzem als gefestigte Dogmatik(12). Aus dem Blick geriet dabei von Anfang an, ob diese Ausdehnung, ja Überdehnung des Tatbestandes des § 12 BGB angesichts der Schutzvorschriften im HGB und besonders im nach Inkrafttreten des BGB geschaffenen § 16 UWG (der dem heutigen § 15 MarkenG entsprach) überhaupt notwendig war(13). Das LG Berlin hatte in dem ersten Urteil, in dem § 12 BGB auf die Handelsfirma einer Aktiengesellschaft erstreckt wurde, die Vorschriften des UWG und WZG schlicht ignoriert(14). Das RG folgte dieser Verwendung der einschlägigen Normen, und so wurde § 12 BGB anstelle von § 16 UWG zur Grundnorm zum Schutz von Namen und Firma im geschäftlichen Verkehr(15). Das Reichsgericht befand bereits früh, dass bei Fällen von Namensanmaßung im geschäftlichen Verkehr, in denen die Unbefugtheit der Namensverwendung aus einer Verwechslungsgefahr resultiere, die Tatbestände von § 16 UWG und § 12 BGB in eines fielen(16). In den kommenden Jahrzehnten wurde diese Dogmatik des § 12 BGB in der Rechtsprechung unverändert fortgeführt und in der Literatur nur ganz vereinzelt kritisiert.Abs. 6

3. Die Rechtsprechung in Domain-Konflikten

So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Gerichte, als in der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre kennzeichenrechtliche Konflikte um Domain-Namen aufkamen, auch in Fällen, in denen § 15 MarkenG anwendbar gewesen wären, zunächst auf § 12 BGB zurückgriffen(17). Schon bald jedoch überwog die vorrangige Prüfung von § 15 MarkenG(18). Schließlich sprach Ende 2001 der BGH im Fall "shell.de" die Frage explizit an(19). Er beschied, dass im Anwendungsbereich der Vorschriften des MarkenG zum Schutz des Unternehmenskennzeichens keinerlei Raum für den Namensschutz nach § 12 BGB bleibe. Mit dem Inkrafttreten des Markengesetzes sei an die Stelle verschiedener kennzeichenrechtlicher Regelungen, die früher im Warenzeichengesetz oder im UWG enthalten waren oder den Generalklauseln der §§ 1 und 3 UWG oder des § 823 BGB entnommen wurden, eine umfassende, in sich geschlossene kennzeichenrechtliche Regelung getreten, die im Allgemeinen den aus den Generalklauseln hergeleiteten Schutz verdränge. Der Senat habe dies zuvor für die bekannte Marke und für geographische Herkunftsbezeichnungen entschieden; für den Schutz des Unternehmenskennzeichens gelte nichts anderes. Der BGH konnte sich zu diesem Zeitpunkt schon auf zahlreiche Stimmen in der Literatur stützen, die mittlerweile den Vorrang des § 15 MarkenG vor der überkommenen Auslegung des § 12 BGB forderten(20).Abs. 7

4. Die Problematik: Kann § 15 MarkenG § 12 BGB wirklich voll ersetzen?

Dies scheint zunächst alles stimmig und richtig. Man bedenke jedoch folgende Fallkonstellation:Abs. 8
Variante 1: Ein deutschlandweit operierendes Unternehmen A habe ein durch § 5 Abs. 2 MarkenG geschütztes Recht an seinem Unternehmenskennzeichen "XYZ". "XYZ" sei aber kein bekanntes Kennzeichen i.S. von § 15 Abs. 3 MarkenG. Der Privatmann B, der zu den Internetnutzern der ersten Stunde gehört, habe, einer Laune oder einer Eingebung folgend, bereits frühzeitig die Domain "xyz.de" für sich registriert. Allerdings nutzt er sie derzeit nicht. Von dem Unternehmen A aufgefordert, die Domain freizugeben, teilt er mit, dies werde er nicht tun, denn ihm werde sicher noch eine gute Nutzungsmöglichkeit dafür einfallen.Abs. 9
Variante 2: Wie Variante 1, jedoch sei B kein Privatmann, sondern ein Internet-Dienstleister, der sich auf die Aufforderung des Unternehmens äußert, ihm werde sicher noch eine gute Nutzungsmöglichkeit für die Domain einfallen, etwa im Rahmen eines gewerblichen Internet-Portals.Abs. 10
Betrachten wir zuerst die Variante 1. Das Unternehmen A möchte nur ungern auf "xyz.com" oder "xyz-online.de" ausweichen und will daher gerichtlich gegen B vorgehen. Auf welche Anspruchsgrundlage kann A sein Begehren stützen? Die Vorschriften des MarkenG und des UWG sind nicht einschlägig, weil B nicht gewerblich handelt. Eine Sittenwidrigkeit kann man B auch nicht vorwerfen, da er jedenfalls nicht mit der Absicht handelt, A zu schädigen. § 826 BGB scheidet also auch aus. Damit bleibt - wie im BGH-Urteil zu "shell.de"(21) - § 12 BGB. Wenn man der Argumentationsweise des BGH in diesem Urteil folgt, ist diese Norm anwendbar. Denn selbst wenn eine Registrierung des fremden Kennzeichens als Domain-Namen nur zu privaten Zwecken erfolge, werde der Berechtigte von einer entsprechenden eigenen Nutzung seines Zeichens ausgeschlossen. Ihm werde die Möglichkeit genommen, dem interessierten Internet-Nutzer auf einfache Weise Information über das Unternehmen zu verschaffen. In der Verwendung des Domain-Namens durch den Nichtberechtigten liege allerdings keine Namensleugnung, da das Element des Bestreitens des Rechtes des Berechtigten fehle, sondern eine Namensanmaßung. Diese bejaht der BGH mit einer kuriosen Begründung: Ein - zu einer Identitätsverwirrung führender - unbefugter Namensgebrauch sei bereits dann zu bejahen, wenn der Nichtberechtigte den Domain-Namen bislang nur habe registrieren lassen. Denn die den Berechtigten ausschließende Wirkung setze bei der Verwendung eines Namens als Internet-Adresse bereits mit der Registrierung ein.Abs. 11
Das Element des Ausschließens ließe sich m.E. deutlich besser im Tatbestand der Namensleugnung einordnen. Denn wie ließe sich eine stärkere, das Recht des Berechtigten bestreitende Wirkung erzielen, als durch den faktischen Ausschluss des Gebrauchs des Namens? Demgegenüber scheint mir eine "Identitätsverwirrung durch Ausschluss von der Verwendung des Namens als Internet-Adresse" ein die Logik des Begriffs "Identitätsverwirrung" über Gebühr zu strapazierendes Konstrukt zu sein.Abs. 12
Aber unabhängig davon, ob man sich mit der Ansicht des Verfassers(22) auf die erste oder mit dem BGH auf die zweite Alternative des § 12 BGB stützt, auf jeden Fall kann das Unternehmen A den B zur Aufgabe der Domain-Registrierung zwingen (und hat, wenn es gut beraten war, einen DISPUTE-Eintrag bei DENIC gesetzt, so dass die Domain nun A zufällt).Abs. 13
Betrachten wir nun Variante 2. Mangels Sittenwidrigkeit kommen hier die Vorschriften § 1 UWG, § 826 BGB wiederum nicht in Betracht. § 12 BGB kommt nicht zur Anwendung, da im gewerblichen Bereich § 15 MarkenG Vorrang hat (B nutzt die Domain zwar nicht, hat sie jedoch zweifelsfrei im Rahmen seines Gewerbebetriebs registriert, so dass das Tatbestandsmerkmal "im geschäftlichen Verkehr" erfüllt ist). Wenn wir nun den Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 2 MarkenG prüfen, stellen wir jedoch fest, dass dieser eine Verwechslungsgefahr voraussetzt. Da B unter der Domain keine Inhalte eingestellt hat und auch nur bekannt ist, dass er sie gewerblich nutzen will, nicht aber, wofür, kann eine Verwechslungsgefahr nicht unterstellt werden. Der Anspruch von A scheitert, wie der der Klägerin im Fall "amex.de". Damit haben wir jedoch das paradoxe Ergebnis, dass A sich in Variante 1 gegen einen privaten Domaininhaber durchsetzen kann, nicht jedoch in Variante 2 gegen einen gewerblichen!Abs. 14

5. Eine Lösungsmöglichkeit: Die Figur der "Kennzeichenleugnung"

Dies erscheint irgendwie merkwürdig, zumal doch ein Angriff auf die Rechte des Zeicheninhabers aus dem gewerblichen Bereich schwerer wiegen sollte als wenn ein Privater dasselbe tut.Abs. 15
Der Grund für dieses "schiefe" Ergebnis liegt natürlich darin, dass § 15 MarkenG keinen der Namensleugnung entsprechenden Tatbestand beinhaltet. Wenn man es - auch aus der historischen Auslegung heraus - für richtig und konsequent hält, den § 12 BGB auf den Schutz des Familiennamens zu beschränken und nicht für Unternehmenskennzeichen heranzuziehen, ist einem auch verwehrt, den Namensleugnungstatbestand neben dem § 15 MarkenG auf letztere anzuwenden.Abs. 16
Einen Ausweg aus dem Dilemma zeigt eine Rechtsfigur auf, die schon vereinzelt für das Recht an einer Marke diskutiert wurde. Sie stützt sich auf die Tatsache, dass das Recht an einer Marke - ebenso wie das Namensrecht oder das Recht am Unternehmenskennzeichen - ein absolutes Recht ist(23). Daraus folgt nicht nur ein Verbietungsrecht gegenüber unbefugter Benutzung, sondern auch ein positives Benutzungsrecht(24). Wie auch bei anderen absoluten Rechten kann ein Eingriff in das Recht auf Benutzung eines Unternehmenskennzeichen über §§ 5, 15 MarkenG i.V.m. § 1004 BGB analog oder i.V.m. § 12 BGB analog abgewehrt werden. Im Beispielsfall, Variante 2, könnte dann A von B mit Erfolg das Unterlassen des Aufrechterhaltens der Registrierung fordern, soweit dieser keine eigenen berechtigten Interessen einwenden kann.Abs. 17
Der Verfasser verkennt nicht, dass diese Konstruktion dem Inhaber eines Unternehmenskennzeichens praktisch das Recht auf "seinen" Domain-Namen gibt. Dies soll daher noch kurz überprüft werden:Abs. 18
Aus dem Recht am eigenen Namen wurde schon seit langem von Rechtsprechung und Literatur das Recht natürlicher Personen abgeleitet, sich unter dem Namen wirtschaftlich zu betätigen und ihn auch als Marke zu benutzen(25). Dasselbe muss für Träger von Wahlnamen gelten, da das letztlich auf das Persönlichkeitsrecht zurückzuführende Bedürfnis, im Geschäftsverkehr unter dem eigenen Namen aufzutreten, auch für diese gilt. Außerdem zeigen §§ 12, 13 MarkenG, dass Unternehmenskennzeichen im Markenrecht prinzipiell gleichwertig zu Marken sind, so dass ein prioritätsälteres Unternehmenskennzeichen den Vorrang vor einer jüngeren, gleichlautenden Marke hat. Der Inhaber könnte daher durchsetzen, sein Kennzeichen auch als Marke zu verwenden.Abs. 19
Folglich stellt sich die Frage, ob man hieraus auch auf ein Recht schließen kann, den eigenen Namen als Domain-Name zu verwenden. Die wirtschaftliche Bedeutung von Domain-Namen steht außer Frage. Die Zahl der Domain-Anmeldungen allein unter der Top Level Domain "de" übersteigt die der Markenanmeldungen bei weitem(26). Ein Unternehmen wird daher im Regelfall in ähnlicher Weise an einer mit der eigenen Bezeichnung übereinstimmenden Internetadresse interessiert wie an einer solchen Marke. Dies gilt um so mehr, als die praktische Bedeutung der zeichenmäßigen Übereinstimmung beim Domain-Namen noch viel höher ist, da ein wesentlicher Teil der Internetnutzer die Homepage eines ihnen namentlich bekannten Unternehmens zumindest auch mit der Methode zu erreichen sucht, dass die vermutete Adresse "www.name.de" aufgesucht wird(27).Abs. 20
Angesichts dieser praktischen Bedürfnisse von Unternehmen und der aufgezeigten Parallelen zum Recht, den eigenen Namen als Marke zu verwenden, scheint es also gerechtfertigt, auch ein Recht auf die Verwendung des Unternehmenskennzeichen als Domain-Name anzuerkennen. Eine Blockade dieser Domain würde sich daher als Namensleugnung bzw., im Bereich des Markengesetzes, als "Kennzeichenleugnung" gem. §§ 5, 15 MarkenG i.V.m. § 1004 BGB analog darstellen, jedenfalls aber als eine nach diesen Normen zu untersagende Beeinträchtigung des Rechts auf Gebrauch des Kennzeichens.Abs. 21
Auf die Frage, wie weit dieses Postulat auch für natürliche Personen und für öffentlich-rechtliche Körperschaften trägt, soll hier wegen der thematischen Beschränkung nicht näher eingegangen werden. Der Verfasser ist aber der Ansicht, dass wegen der Beschränktheit der Zahl der Domain-Namen natürliche Personen nur ein Recht auf die Domain "vorname-nachname.de" und öffentlich-rechtliche Körperschaften nur ein Recht auf die Domain, die dem vollen amtlichen Namen (also unter Hinzufügung des Bestandteiles "Stadt", "Kreis", "Gemeinde", "Markt" usw.) haben(28).Abs. 22

6. Zusammenfassung

Richtigerweise ist im geschäftlichen Verkehr in Kennzeichenstreitigkeiten nicht § 12 BGB, sondern § 15 MarkenG anzuwenden, da dieser als speziellere Vorschrift für Unternehmenskennzeichen vorgeht.Abs. 23
Bei der Blockade eines Domain-Namens durch einen Nichtberechtigten kann der Tatbestand der Namensleugnung Anwendung finden. Gegenüber einer Person, die im geschäftlichen Verkehr handelt, würde in einer solchen Konstellation eine Schutzlücke entstehen. Dieses Problem kann gelöst werden, indem man den Tatbestand einer "Kennzeichenleugnung" gemäß §§ 5,15 MarkenG i.V.m. § 1004 BGB analog oder i.V.m. § 12 BGB analog zur Anwendung bringt.
JurPC Web-Dok.
168/2003, Abs. 24

Fußnoten:

(1) BGH vom 22.11.01, http://www.netlaw.de/urteile/bgh_09.htm ; offline: WRP 02, 694
(2) OLG Frankfurt vom 4.5.00, http://www.jurpc.de/rechtspr/20000103.htm ; offline: MMR 00, 486
(3) B. Mugdan, Die gesammten Materialien zum Buergerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Einführungsgesetz und Allgemeiner Teil, Berlin 1899, S. 598; Diethelm Klippel, Der zivilrechtliche Schutz des Namens, Zürich 1985, S. 250ff., 305; Horst-Peter Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, Tübingen 1995, S. 80; RGRK-Krüger-Nieland, Rn.2 zu § 12 BGB
(4) Klippel, a.a.O., S. 566ff., m.w.Nw.
(5) RG, Urteil vom 7.7.1910, RGZ 74, S. 114ff.
(6) RG, Urteil vom 13.12.1911, RGZ 78, S. 101ff.
(7) RG, Urteile vom 26.9.1924, RGZ 109, S. 213ff. (für die AG) und vom 9.2.1926, SeuffA 80, S. 187ff. (für die GmbH)
(8) RG, Urteil vom 11.6.1926, RGZ 114, S. 90ff.
(9) s. hierzu bei Klippel, a.a.O. (Fn. 4), S. 355ff.
(10) RG, Urteil vom 7.7.1910, RGZ 74, S. 114ff. (115)
(11) ausführlich dazu Klippel, a.a.O. (Fn.4), S. 340ff.
(12) vgl. etwa nur Staudinger-Habermann/Weick, Rn. 189ff. zu § 12 BGB; MüKo-Schwerdtner, Rn. 29ff. zu § 12 BGB; Soergel-Heinrich, Rn. 113ff. zu § 12 BGB
(13) Klippel a.a.O. (Fn.4), S. 309, 311
(14) LG Berlin, Urteil vom 11.12.1917 ("Mitropa"), JW 1918, S. 381f.
(15) Klippel a.a.O. (Fn.4), S. 311, 347
(16) RG, Urteil vom 19.2.1929, JW 1929, S. 1226f.
(17) OLG München, Urteile vom 12.8.1999 ("rolls-royce.de"), http://www.jurpc.de/rechtspr/20000113.htm , offline: MMR 2000, S. 104ff. und vom 25.3.1999 ("shell.de"), http://www.netlaw.de/urteile/olgm_04.htm ; LG München I, Urteil vom 15.1.1997 ("juris.de"), http://www.jurpc.de/rechtspr/19980032.htm , offline: CR 1997, S. 479; OLG Hamm, Urteil vom 13.1.1998 ("krupp.de"), http://www.jurpc.de/rechtspr/19980080.htm , offline: CR 1998, S. 241; KG, Urteil vom 25.3.1997, ("concert-concept.de"), http://www.netlaw.de/urteile/kgb_04.htm , offline: NJW 1997, S. 3321; LG Berlin, Urteil vom 9.6.1998 ("d-tel.de"), http://www.jurpc.de/rechtspr/19990024.htm
(18) z.B. OLG Hamburg, Urteil vom 5.11.1998 ("emergency.de II"), http://www.netlaw.de/urteile/olghh_01.htm; OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.5.1997 ("Südwest-Online"), MMR 1998, S. 148ff.; OLG Dresden, Urteil vom 29.9.1998 ("dresden-online.de"), http://www.jurpc.de/rechtspr/19990014.htm , offline: CR 1999, S.102ff.; LG Frankfurt, Urteil vom 10.9.1997 ("lit.de"), MMR 1998, S. 151f.; LG Düsseldorf, Urteil vom 15.1.1998 ("alltours.de"), CR 1998, S. 766; LG Braunschweig, Urteil vom 5.8.1997 ("deta.com"), CR 1998, S. 364; LG Köln, Urteil vom 10.6.1999, http://www.netlaw.de/urteile/lgk_11.htm ; LG Hamburg, Urteil vom 10.6.1998 ("emergency.de"), http://www.jurpc.de/rechtspr/19980110.htm und Urteil vom 25.3.1998 ("eltern.de"), http://www.netlaw.de/urteile/lghh_04.htm , offline: CR 1999, S. 47; LG Bochum, Urteil vom 27.11.1997 ("hellweg.de"), http://www.netlaw.de/urteile/lgbo_02.htm
(19) BGH, Urteil vom 22.11.2001 ("shell.de"), http://www.jurpc.de/rechtspr/20020139.htm
(20) Michael Goldmann, Der Schutz des Unternehmenskennzeichens, Köln, Berlin, Bonn, München 2000, S. 38; MüKo-Schwerdtner, Rn. 57ff. zu § 12 BGB; Ingerl/Rohnke, MarkenG, Rn. 7 zu § 5 MarkenG m.w.Nw.
(21) s.o. Fn. 19
(22) s.a. Otfried Krumpholz, Rechtsfragen von Domain-Namen, Frankfurt 2003, S. 131ff., 155
(23) z.B. Ulrich Krieger, Das Recht zur Benutzung der Marke, in: FS Rohwedder, S. 229ff.
(24) Fezer, Markenrecht, Rn. 12 zu § 14 MarkenG; M.Lehmann/Th.Schönfeld, Die neue europäische und deutsche Marke: Positive Handlungsrechte im Dienste der Informationsökonomie, in: GRUR 1994, S. 481, 484ff.; Krieger, a.a.O. (Fn. 23); Joachim Starck, Zur Vereinheitlichung des Rechts der Kennzeichen im geschäftlichen Verkehr durch das neue Markengesetz, in: FS 100 Jahre Markenamt, S. 298ff.; Helmut Eichmann, Die dreidimensionale Marke im Verfahren vor dem DPMA und dem BpatG, in: GRUR 1995, S. 184 (194f.)
(25) RGRK-Krüger-Nieland, Rn. 65 zu § 12 BGB; Wolfgang Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Rn. 238 zu Allgemeine Grundlagen; Klippel, a.a.O. (Rn. 3), S. 403; Götting, a.a.O. (Rn.3), S. 88; BGHZ 4,96 ("Farina"); BGH GRUR 51, 410 ("Luppy"), GRUR 57, 342 ("Underberg"), GRUR 58, 187 ("Wyeth"), GRUR 60, 33ff. ("Zamek") und GRUR 91, 475ff. ("Carmen Pfleger")
(26) Krumpholz, a.a.O. (Rn. 22), S. 150
(27) Dies wurde bestätigt durch eine Umfrage des Verf., deren Ergebnisse a.a.O. (Rn. 22) auf S. 126 wiedergegeben sind.
(28) Krumpholz, a.a.O. (Rn. 22), S. 151ff.
* Dr. iur. Otfried Krumpholz ist als Partner der Rechtsanwaltssozietät Brum Jordan Dr. Krumpholz in Bad Vilbel tätig. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört der Gewerbliche Rechtsschutz, insbesondere Markenrecht und Domainrecht.
[online seit: 16.06.2003]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Krumpholz, Otfried, Das Verhältnis von § 12 BGB und § 15 MarkenG in der Rechtsprechung zu Domain-Konflikten aufgezeigt anhand des Urteils des OLG Frankfurt zu - amex.de - - JurPC-Web-Dok. 0168/2003