JurPC Web-Dok. 167/2021 - DOI 10.7328/jurpcb20213612167

Kammergericht Berlin

Urteil vom 16.09.2021

10 U 63/19

Text- und Bildberichterstattung über Schwangerschaft einer Schauspielerin

JurPC Web-Dok. 167/2021, Abs. 1 - 43


Leitsätze (der Redaktion):

1. Ein in der Presse veröffentlichtes Gerücht über eine Schwangerschaft einer weithin bekannten Schauspielerin ist „allein“ ihrer Privatsphäre zuzuordnen. Das Anheizen von Spekulationen über eine Schwangerschaft betrifft den Kernbereich der Privatsphäre. Die Entscheidung der Öffentlichkeit diesen Umstand mitzuteilen, liegt allein bei der schwangeren Frau. Das gilt jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Schwangerschaft nach außen für jedermann zweifelsfrei erkennbar wird und dadurch eine soziale Dimension erlangt, die ein Heraustreten aus dem Kernbereich der Privatsphäre bewirkt.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um eine Bildberichterstattung im Bereich eines Ereignisses der Zeitschichte handelt, hat der durch die Bebilderung vermittelte Eindruck gegenüber der Wortberichterstattung zurückzutreten, wenn wie vorliegend die Berichterstattung über Dreharbeiten zu einem Film gegenüber der Information über eine mögliche Schwangerschaft der Schauspielerin in den Hintergrund tritt und das Interesse des Lesers gezielt auf die mögliche Schwangerschaft gelenkt wird. Die unzulässige Wortberichterstattung „infiziert“ damit gleichermaßen die Bildberichterstattung, die thematisch den gleichen Aussageinhalt präsentiert und sogar verstärkend wirkt.

Gründe:

I.Abs. 1
Die Klägerin, eine international bekannte ... Schauspielerin, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Veröffentlichung von zwei Fotos in Anspruch, die sie bei Dreharbeiten zu einem Kinofilm am 16.07.2018 in Leipzig zeigen. Hinsichtlich der begleitenden Textberichterstattung mit der Überschrift „...“ hat die Klägerin den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht – einseitig - für erledigt erklärt. Die Klägerin verlangt von der Beklagten ferner die Zahlung vorgerichtlicher anwaltlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.001,59 € nebst Zinsen.Abs. 2
Das Landgericht Berlin hat mit seinem am 18.06.2019 verkündeten, der Beklagten am 03.07.2019 zugestellten Urteil der Klage vollumfänglich entsprochen. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteienvortrages und der dort getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.Abs. 3
Die Beklagte hat am 10.07.2019 Berufung eingelegt und diese nach bis zum 04.10.2019 gewährter Fristverlängerung am 02.10.2019 wie folgt begründet:Abs. 4
Das Landgericht lasse mit seiner Zuordnung der Berichterstattung zur Privatsphäre die räumliche Komponente völlig außer Acht, die für die Abgrenzung zwischen Privat- und Sozialsphäre entscheidend sei. Die Klägerin habe bei den öffentlichen Dreharbeiten nicht die berechtigte Erwartung haben dürfen, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Sie sei im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit fotografiert worden. Es dürfe ihr, der Beklagten, nicht verwehrt werden, bestimmte Aspekte dieses öffentlichen Auftrittes zu kommentieren, nämlich den unverkennbaren Babybauch.Abs. 5
Nach der Logik des Landgerichts dürfte die Presse nie auf die deutlich erkennbare Schwangerschaft einer Prominenten hinweisen, selbst wenn sich diese bewusst in Situationen begebe, in denen sie mit einem großen Medieninteresse rechnen müsse. Ihre Funktion werde auf die eines Verlautbarungsorgans für Prominente reduziert, das eine offensichtliche Schwangerschaft solange zu verschweigen habe, bis sich die Prominenten selbst dazu äußerten. Das könne nicht richtig sein. Prominente könnten sich im öffentlichen Raum nicht auf einen unbeschränkten, insbesondere rein thematisch bestimmten, Schutz ihrer Privatsphäre berufen. Mit der Argumentation des Landgerichts lasse sich jede Presseberichterstattung verbieten, die eine breitere Öffentlichkeit erreiche als die am Ort des Geschehens anwesenden Beobachter. Die Rolle als Multiplikator sei der Presse aber immanent und von der Pressefreiheit geschützt.Abs. 6
Auch hätte das Landgericht zu ihren Gunsten berücksichtigen müssen, dass die unstreitig wahre Tatsache der Schwangerschaft aufgrund der Vorberichterstattung bekannt gewesen sei.Abs. 7
Das Landgericht habe schließlich das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Hinblick auf die Leitbild- und Kontrastfunktionen von Prominenten unzureichend berücksichtigt. Dazu gehöre die Gestaltung der Partnerschaft wie auch der Umstand, dass die Klägerin mit 42 Jahren schwanger sei und sich offenbar bester Gesundheit erfreue und trotz Babybauch weiterhin ihrer Arbeit nachgehe. Die Themen Kinderwunsch –trotz sogenannter Risikoschwangerschaft- und Vereinbarkeit von Familie und Karriere böten Anlass zu einer die Allgemeinheit interessierenden Sachdebatte. Es sei dabei nicht erforderlich, dass eine solche Sachdebatte in dem Artikel umfassend geführt werde. Es genüge, wenn die Berichterstattung mit den vermittelten Informationen einen Bezug zu einer Sachdebatte von allgemeinem Interesse aufweise.Abs. 8
Das Landgericht verkenne, dass es sich bei dem Anlass der Berichterstattung, den Dreharbeiten in der Leipziger Innenstadt, um ein zeitgeschichtliches Ereignis handele. Die mitgeteilten Informationen zum Ablauf der Dreharbeiten sowie über die offenkundige Schwangerschaft der prominenten Hauptdarstellerin gehörten untrennbar zusammen.Abs. 9
Selbst wenn man - zu Unrecht - von einer Betroffenheit der Privatsphäre ausginge, wäre die Eingriffsintensität gering, auch wegen der öffentlichen Vorbekanntheit der Schwangerschaft. Bei einer zutreffenden Zuordnung zur Sozialsphäre komme es auf ein überwiegendes Informationsinteresse angesichts der wahren Berichterstattung ohnehin nicht an.Abs. 10
Bei den beanstandeten Fotos von den öffentlichen Dreharbeiten handele es sich um Bildnisse der Zeitgeschichte, deren Veröffentlichung keine überwiegenden berechtigten Interessen der Klägerin entgegenstünden. Die Fotos illustrierten kontextgerecht eine zulässige Textberichterstattung.Abs. 11
Das Landgericht differenziere auch hier in unzulässiger Weise zwischen der Berichterstattung über die Dreharbeiten als solche und der dabei zwangsläufig wahrnehmbaren Schwangerschaft der Klägerin. Es ordne die Fotos allein wegen der Bildunterschriften dem Tabu-Thema Schwangerschaft zu.Abs. 12
Jedenfalls sei auch hier die Wiederholungsgefahr entfallen, nachdem der Partner der Klägerin und Vater des Kindes am 09.03.2019 nachträglich ein Foto der hochschwangeren Klägerin auf seinem Instagram-Account veröffentlicht habe. Auch die Klägerin veröffentliche inzwischen Fotos der kleinen Tochter auf Instagram. All das belege, welche geringe Bedeutung beide dem Schutz ihrer Privatsphäre tatsächlich beimäßen.Abs. 13
Die Beklagte beantragt,Abs. 14
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 18. Juni 2019 die Klage abzuweisen.Abs. 15
Die Klägerin beantragt,Abs. 16
die Berufung zurückzuweisen.Abs. 17
Nachdem sie den Klageantrag zu Ziffer 1.a) der Klageschrift - betreffend die beanstandete Bildberichterstattung - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, ist der Senat mit Zustimmung der Parteien ins schriftliche Verfahren übergegangen und hat als Termin, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, den 26.09.2021 bestimmt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.08.2021 mitgeteilt, dass sie sich der Erledigungserklärung nicht anschließe und an dem Berufungsantrag festhalte.Abs. 18
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 12.08.2021 sowie auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.Abs. 19
II.Abs. 20
Die zulässige, insbesondere die Form- und Fristvorschriften wahrende Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Nachdem die Beklagte im schriftlichen Verfahren ihren auf Klageabweisung gerichteten Berufungsantrag aufrechterhalten hat, war auf die einseitigen Erledigungserklärungen der Klägerin zu prüfen, ob in Bezug auf die beanstandete Wort- und Bildberichterstattung ein ursprünglich zulässiges und begründetes Unterlassungsbegehren vorlag, das nachträglich gegenstandslos geworden ist. Eine einseitige Erledigungserklärung kann - wie vorliegend bezüglich der Bildberichterstattung geschehen - auch noch in einer höheren Instanz abgegeben werden, da es sich um eine nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässige Beschränkung der Klage handelt (vgl. Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl., § 91a, Rn. 34, 36). Die demnach vom Senat zu treffende Feststellung hatte zu Gunsten der Klägerin zu erfolgen. Denn diese wurde im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Berichterstattung in www. ... .de vom 16.07.2018 und auch noch bei Zustellung der Klageschrift am 16.11.2018 hierdurch im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs.1 GG bzw. in Verbindung mit den §§ 22, 23 KUG in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht rechtswidrig verletzt.Abs. 21
Im Hinblick auf eine öffentliche Äußerung der Klägerin vom Dezember 2018 in Bezug auf ihre Tochter hat das Landgericht auf die entsprechende einseitige Erledigungserklärung festgestellt, dass sich der Rechtsstreit zu Ziffer 1.b) der Klage (betr. die Wortberichterstattung) in der Hauptsache erledigt habe.Abs. 22
Die vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil angeordnete Untersagung der streitgegenständlichen Bildberichterstattung erweist sich nicht bereits deshalb als rechtswidrig, weil sich der Rechtsstreit, wie im hiesigen Verfahren festzustellen war, auch insoweit bereits erledigt hatte. Zwar war die Klägerin gehalten, den Rechtsstreit in der Hauptsache auch bezüglich der Bildberichterstattung bereits in erster Instanz für erledigt zu erklären, nämlich zeitnah zu der Veröffentlichung am 09.03.2019 des sie hochschwanger zeigenden Fotos auf dem Instagram-Account ihres Partners (vgl. BGH, Beschluss vom 31.08.2010 - X ZB 3/09 -, Juris, Rn. 11; NJW 2011, 529f.). Die Verzögerung bei der Abgabe einer gebotenen Erledigungserklärung vermag sich aber nur hinsichtlich etwaiger Erstattungsansprüche von Kosten der Prozessführung auszuwirken. Da der das erledigende Ereignis, die der Klägerin zuzurechnende Fotoveröffentlichung, nicht zum Gegenstand des erstinstanzlichen Parteivortrages geworden war, hat das Landgericht zu Recht auf der Grundlage des ihm unterbreiteten Vorbringens entschieden.Abs. 23
Ferner hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise die aus den ursprünglich begründeten Unterlassungsansprüchen gemäß §§ 280, 249 BGB abgeleiteten Schadensersatzansprüche hinsichtlich der der Klägerin außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zuerkannt.Abs. 24
Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt demgegenüber die weiterhin vollumfänglich beantragte Abweisung der Klage nicht. Zur Begründung wird zunächst auf die die ursprünglichen Unterlassungsansprüche tragenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil verwiesen.Abs. 25
Im Hinblick auf die Berufungsangriffe der Beklagten ist ergänzend folgendes auszuführen.Abs. 26
1. Wortberichterstattung:Abs. 27
Die Beklagte vermag dem Vorrang des Persönlichkeitsschutzes der Klägerin gegenüber dem für Presse- und Medienrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG nichts Durchgreifendes entgegenzusetzen.Abs. 28
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das von der Beklagten veröffentlichte Gerücht über eine Schwangerschaft der Klägerin „allein“ ihrer Privatsphäre zuzuordnen ist. Der Senat teilt die Auffassung, dass das Anheizen von Spekulationen über eine Schwangerschaft den Kernbereich der Privatsphäre betrifft und dass die Entscheidung, der Öffentlichkeit diesen Umstand mitzuteilen, allein bei der schwangeren Frau liegt. Das gilt jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Schwangerschaft nach außen für jedermann zweifelsfrei erkennbar wird und dadurch eine soziale Dimension erlangt, die ein Heraustreten aus dem Kernbereich der Privatsphäre bewirkt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.11.2015 - 15 U 97/15 -, Juris, Rn. 15; NJW 2016, 818ff.; LG Köln, Urteil vom 28.10.2011 - 28 O 510/11 -, Juris, Rn. 31). Vorliegend ließ sich die -unstreitig bestehende- Schwangerschaft der Klägerin im Zeitpunkt der Berichterstattung nach dem Dafürhalten des Senats noch durch die Wahl geeigneter Kleidung verdecken und war nicht für jedermann zweifelsfrei erkennbar, weswegen die „Aufdeckung“ bzw. das „Anheizen“ eines bestehenden Gerüchts durch die Beklagte angesichts der zu jener Zeit von der Klägerin nicht offenbarten Schwangerschaft nicht durch ein öffentliches Informationsinteresse legitimiert war. Das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin zu diesem Zeitpunkt war noch höher zu bewerten als das aus Art. 5 GG geschützte Interesse der Beklagten. Die dagegen vorgebrachten Einwände sind unbegründet.Abs. 29
Insbesondere teilt der Senat nicht die Ansicht, das Landgericht habe mit der Zuordnung der Berichterstattung zur Privatsphäre die „räumliche Komponente“ völlig außer Acht gelassen. Ebensowenig überzeugt die Auffassung, dieser Aspekt und der Umstand, dass die Berichterstattung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin stehe, führten dazu, dass nur die Sozialsphäre der Klägerin betroffen sei. Allein der Umstand, dass sich die Berichterstattung auch mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin befasst, nämlich den zu jener Zeit in der Innenstadt von Leipzig stattgefundenen Dreharbeiten, lässt den Fakt unberührt, dass es sich bei einer möglichen Schwangerschaft thematisch ausschließlich um einen Umstand aus der Privatsphäre handelt. Eine „Herabstufung“ in die Sozialsphäre ist schon im Ansatz zu verneinen. Wenn die Rechtsprechung betont, dass die Privatsphäre sowohl eine thematische als auch eine räumliche Komponente habe bzw. aufweisen könne, heißt dies nicht, dass beide Aspekte kumulativ vorliegen müssten, um eine Angelegenheit der Privatsphäre zuordnen zu können.Abs. 30
Die Beklagte lässt zudem außer Acht, dass sich einem Passanten, der sich im Bereich der Dreharbeiten aufhielt, den Umständen nach keinesfalls der Gedanke aufdrängen musste, die Klägerin sei in schwangerem Zustand bei den Filmaufnahmen tätig. Die Klägerin erscheint für den Außenstehenden als die von ihr dargestellte Figur einer dunkelhaarigen Agentin. Von den beiden streitgegenständlichen Fotos vermag lediglich das im Artikel zuerst angeführte Foto im Hinblick auf eine wahrnehmbare Bauchwölbung möglicherweise einen Hinweis auf eine Schwangerschaft zu geben, während das zweite Foto insoweit keine Anhaltspunkte enthält. Die Klägerin wird dort mit einem Rucksack und einer offen getragenen Jeansjacke abgebildet. Anzeichen einer möglichen Schwangerschaft liefert dieser Anblick dem Betrachter nicht. Zu dem anderen Foto hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass ein unbefangener Passant angesichts der nur gelegentlich sichtbar hervortretenden Bauchwölbung schon deshalb bei der Klägerin nicht zwangsläufig von einer Schwangerschaft ausgehen musste, weil den äußeren Gegebenheiten nach der vermittelte Anschein einer von der Seite sichtbaren Bauchwölbung am Set ohne weiteres der Rolle und damit dem Beruf der Klägerin zugeordnet werden könne. Schon deshalb ist der Argumentation der Beklagten nicht zu folgen, Informationen über die Dreharbeiten und die offenkundige Schwangerschaft der prominenten Hauptdarstellerin gehörten untrennbar zusammen. Zu Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang berücksichtigt, dass das Aussehen der Klägerin auch die Beklagte lediglich zur Spekulation über eine mögliche Schwangerschaft der Klägerin veranlasst hat. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass es sich bei den Dreharbeiten in der Leipziger Innenstadt, an denen die Klägerin als Hauptdarstellerin mitgewirkt hat, um ein zeitgeschichtliches Ereignis gehandelt hat, über das nach presserechtlichen Gesichtspunkten berichtet werden durfte. Unzulässig war hingegen, diesen statthaften Berichterstattungsanlass zum Gegenstand der Spekulation über eine Schwangerschaft, also über einen höchstpersönlichen Lebensbereich, zu machen bzw. die Berichterstattung darauf zu erweitern.Abs. 31
Ebensowenig vermag sich die Beklagte mit Erfolg auf den Umstand einer bereits bestehenden öffentlichen Bekanntheit der Schwangerschaft im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Berichterstattung zu berufen. Zwar kann das Gewicht einer Weiterverbreitung im Falle von erfolgten Vorberichterstattungen erheblich gemindert werden. Die Voraussetzungen hierfür liegen allerdings nicht vor. Erforderlich wäre, dass eine wahre Tatsache einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden ist und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitprägt. Diesen Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht zu einer Berichterstattung über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren entwickelt, in welchem bereits durch eine Vielzahl von anderen Medien berichtet worden und der Betroffene dadurch einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden war. Hiervon kann indessen abgewichen werden, wenn durch die in Rede stehende Berichterstattung der Kreis der Rezipienten erheblich erweitert wurde. Dann kann eine Verringerung des Verletzungsgehaltes durch die nachfolgende Berichterstattung nicht, jedenfalls nicht mehr als wesentlich festgestellt werden und es verbleibt dabei, dass das rechtswidrige Verhalten Dritter einen Störer nicht entlasten kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.2010 - 1 BvR 1891/05 -, Juris, Rn. 33; AfP 2010, 365ff.).Abs. 32
Es ist bereits zweifelhaft, ob die unstreitige Berichterstattung der ... vom 02.06.2019 (Anlage B 9), dass die Klägerin ihr erstes Kind erwarte, die Sicht auf die Klägerin bereits wesentlich geprägt hat. Jedenfalls ist durch die streitgegenständliche Berichterstattung der Beklagten der Kreis der Rezipienten erheblich erweitert worden, denn die Reichweite von www.....de ist ebenso wie die der Printausgabe der ...-Zeitung weitaus größer als die der .... Das ist allgemein bekannt. Schon deshalb kann die Beklagte aus diesem Gesichtspunkt keine Abmilderung der Eingriffstiefe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin für sich reklamieren, geschweige denn eine Legitimation für das „Anheizen“ des Gerüchts über eine Schwangerschaft herleiten. Die anderweitig, insbesondere in englischsprachigen Medien zuvor verbreiteten Gerüchte (Anlagen B 6 - B 8) waren aus demselben Grund nicht geeignet, die streitgegenständliche Berichterstattung zu sanktionieren. Im Übrigen hat die Beklagte gegen die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts (vgl. S. 11/12 des Urteils) nichts Erhebliches vorgebracht.Abs. 33
2. Bildberichterstattung:Abs. 34
Die Berufung der Beklagten hat auch insoweit im Ergebnis keinen Erfolg. Die Bildberichterstattung war bis zur Veröffentlichung eines die Klägerin in hochschwangerem Zustand zeigenden Fotos durch ihren Lebenspartner und Vater des Kindes am 09.03.2019 auf Instagram gemäß §§ 22, 23 KUG unzulässig, da sie ohne Einwilligung der Klägerin erfolgte und ein Ausnahmetatbestand für eine auch ohne Einwilligung zulässige Bildveröffentlichung nicht vorlag.Abs. 35
Insbesondere handelte es sich im Hinblick auf die konkrete Präsentation nicht um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Die streitgegenständlichen Bildnisse dienen in erster Linie der Visualisierung der -unzulässigen- Textberichterstattung über die Gerüchte einer Schwangerschaft der Klägerin. Der Leser wird bereits bei Wahrnehmung der Überschrift des Artikels thematisch darauf eingestimmt: „...“. Die beigefügten zwei Fotos wurden dementsprechend mit einer dazu korrespondierenden Textaussage (“...“; bzw. „...“...“) verbunden. Demgegenüber enthält der Artikel kaum nennenswerte Informationen über den Inhalt oder Ablauf der Dreharbeiten und die berufliche Tätigkeit der Klägerin. Demzufolge tritt der Aspekt eines durch die Bebilderung vermittelten Eindrucks von den Dreharbeiten, mag er auch nicht gänzlich zu vernachlässigen sein, zumindest stark in den Hintergrund. Das Interesse des Lesers wird gezielt auf die textlich und visuell in den Vordergrund gestellte Information einer möglichen Schwangerschaft der Klägerin gelenkt. Die unzulässige Wortberichterstattung „infiziert“ gleichermaßen die Bildberichterstattung, die thematisch den gleichen Aussageinhalt präsentiert und sogar verstärkend wirkt. Zwar bedarf es bereits bei der Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, einer -ergebnisoffenen- Abwägung der kollidierenden Rechtspositionen. Allerdings ist der Privatsphäre regelmäßig der Vorrang einzuräumen, wenn diese, wie vorliegend, im Kernbereich tangiert wird (vgl. Korte, Praxis des Presserechts, 2. Aufl., § 2, Rn. 69, mwN). Schon deshalb sind die Bildnisse aufgrund der konkreten Darstellung unter Einbeziehung des Begleittextes nicht als Abbildung eines zeitgeschichtlichen Ereignisses einzustufen. Aus den zur Wortberichterstattung angeführten Erwägungen kann von einer kontextgerechten Illustration einer zulässigen Textberichterstattung keine Rede sein.Abs. 36
Allerdings weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass mit der Veröffentlichung eines Fotos der hochschwangeren Klägerin am 09.03.2019 durch ihren Lebenspartner die als materielle Anspruchsvoraussetzung erforderliche Wiederholungsgefahr weggefallen ist. Die Klägerin hat jedoch diesem Umstand prozessual entsprochen, indem sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Rechtsstreit auch insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat.Abs. 37
Da die Veröffentlichung am 09.03.2019 als erledigendes Ereignis erst nach Rechtshängigkeit erfolgt ist, war im Hinblick auf die einseitig gebliebene Erledigungserklärung die entsprechende Feststellung zu treffen. Der von der Beklagten dagegen weiter verfolgte Antrag, dass die Klage insoweit von Beginn an unberechtigt gewesen sei, bleibt dagegen unbegründet.Abs. 38
3. Schadensersatzanspruch hinsichtlich außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten:Abs. 39
Die Berufung bleibt auch diesbezüglich ohne Erfolg. Aus den ursprünglich begründeten Unterlassungsansprüchen resultiert der geltend gemachte Sekundäranspruch auf Ersatz der zur Rechtsverfolgung angefallenen erforderlichen Kosten, deren Höhe von der Beklagten nicht näher angegriffen oder in Zweifel gezogen worden ist. Es kann deshalb auch insoweit auf die weiter zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden.Abs. 40
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.Abs. 41
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Abs. 42
Es bestand keine Veranlassung die Revision zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.Abs. 43

(online seit: 07.12.2021)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Berlin, Kammergericht, Text- und Bildberichterstattung über Schwangerschaft einer Schauspielerin - JurPC-Web-Dok. 0167/2021