JurPC Web-Dok. 145/2021 - DOI 10.7328/jurpcb20213610145

VG Wiesbaden

Urteil vom 24.09.2021

6 K 442/21.WI

Fehlender Anspruch auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde

JurPC Web-Dok. 145/2021, Abs. 1 - 42


Leitsätze:

1.Ein gerichtlich im Wege der Verpflichtungsklage durchsetzbarer Anspruch auf zwingendes Einschreiten des Beklagten gegenüber der SCHUFA besteht nur, wenn das Einschreitermessen, also das behördliche Ermessen hinsichtlich des OB des Einschreitens gegen die Beigeladene, auf null reduziert ist.

2.Es ist nicht Aufgabe des Beklagten, die in der Sphäre des Klägers liegenden Gründe und Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln. Insoweit bedarf es eines vollständigen Vortrages des Klägers, aus dem sich dann möglicherweise eine Einschreitverpflichtung des Beklagten hätte ergeben können.

3.Ein Kläger hat seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen. Im Falle der Unterlassung ist eine Überprüfung, ob eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt nicht immer möglich.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die vollständige Löschung aller Einträge seine Person betreffend bezüglich der Eintragungen der E bei der S.Abs. 1
Mit Schriftsatz vom 10.02.2021 wendete sich der Bevollmächtigte des Klägers an den Beklagten. Dabei machte er geltend, dass die E. zu Lasten des Klägers einen Negativeintrag bei der S. lanciert habe. Unter dem 07.08.2012 sei eine Titulierung eingetragen worden. Ferner Folgeeinträge ab dem 31.01.2011. Die Forderung habe sich ursprünglich auf 807 Euro belaufen. Sie sei im September 2020 ausgeglichen worden. Die Ersteintragung habe wohl unmittelbar im Jahre 2012 nach der Titulierung stattgefunden. In der Folgezeit habe der Kläger zunächst 30 Euro monatlich auf die offene Forderung bezahlt und die Hauptforderung dadurch wohl insgesamt ausgeglichen. Dennoch sei im November 2015 ein Betrag über 98 Euro offen gewesen. Nach den geleisteten Zahlungen hätten die Forderungen wohl ausgeglichen sein müssen. Im September 2020 sei ein endgültiger Forderungsausgleich bei der S. hinterlegt worden. Mit Schreiben vom 16.12.2020 sei sowohl die E., als auch die S. zur Löschung aufgefordert worden. Die Beigeladene zu 1) habe die Löschung am 22.12.2020 abgelehnt, da der Forderung eine Titulierung aus dem Jahre 2007 zugrunde liege. E. habe den Forderungsausgleich im Juli 2020 bestätigt.Abs. 2
Soweit in dem Schriftsatz auf Anlagen Bezug genommen worden sind, sind diese in der Behördenakte nicht vorhanden.Abs. 3
Der Kläger trägt weiter vor, dass die S. bereits nach dem alten BDSG zur Löschung verpflichtet gewesen wäre. Dies ergebe sich daraus, dass die Prüfung der Notwendigkeit einer Speicherung alle vier Jahre vorzunehmen sei und gerade nicht nur das Erledigen der Ergebnisse in den Blick zu nehmen sei. Der Kläger habe zunächst 30 Euro monatlich bezahlt, um die Forderung auszugleichen. Spätestens mit Ablauf des Jahres 2015 sei klar, dass der Betroffene seine Pflichten bis dato rechtmäßig erfüllt habe, sodass eine weitere Speicherung nicht mehr notwendig gewesen sei. Das bloße Abstellen auf die Titulierung reiche nicht aus, um eine dauerhafte fortwährende Speicherung der Daten zu gewährleisten. Es handele sich um eine Altforderung, so dass der Gedanke des § 35 Abs. 2 Nr. 4 BDSG alte Fassung in diesen Fällen auf die titulierte Forderung anwendbar sei.Abs. 4
All diese Punkte führten spätestens im Rahmen der Löschungsansprüche des Art. 17 Abs. 1 UA 1 lit. a) und d) DS-GVO zu einer Verpflichtung, die Daten zu beseitigen. Mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 UA 1 lit. f) DS-GVO führe der Sachverhalt zu einem Überwiegen des Betroffeneninteresses. Es werde auf die Grundsätze der Erforderlichkeit, Datenminimierung und Speicherbegrenzung hingewiesen. Zu berücksichtigen sei dabei, dass der Kläger über Jahre hinweg Raten bezahlt habe. Der bloße Umstand, dass die Ratenforderung in Höhe von knapp 100 Euro offengeblieben sei, führe nicht dazu, dass die Forderung weitere Jahre als offen geführt werden dürfe. Der bloße Umstand einer offenen Restforderung sage nichts über die Zahlungsmoral des Betroffenen aus. Ferner seien in der Interessenabwägung auch die weitreichenden Folgen eines negativen S.-Eintrages, also der Abwehr wirtschaftlicher Nachteile zu berücksichtigen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger zwischenzeitlich acht Jahre lang im S.-Datenbestand geführt werde. Seit acht Jahren werde vor dem Kläger als potenziell schlechtem Schuldner gewarnt, obwohl er eine Schuldnerbereinigung durchgeführt habe und langjährig seine Raten bezahlt habe. Die weitere Speicherung sei auch nicht notwendig.Abs. 5
Mit Bescheid vom 01.03.2021 teilte der Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers mit, dass er nicht gedenke einzuschreiten. Man habe für den Kläger großes Verständnis. Negativeinträge bei der S. seien für die Teilnahme am Wirtschaftsleben üblicherweise in hohem Maß belastend. Die Tätigkeit der Auskunfteien, wie der S., sei zum Schutz der Sicherheit des Wirtschaftsverkehrs seit vielen Jahren etabliert. Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Auskunfteien erfolge auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 UA 1 lit. b) und f) DS-GVO, sowie gemäß § 31 BDSG 2018, zur Beurteilung der Bonität der betroffenen Person durch Kreditgeber im weiten Sinne. Personenbezogene Daten, die der Beurteilung der Bonität dienten, dürften solange gespeichert werden, wie dies für die Zwecke, für die sie gespeichert sind, erforderlich seien. Die S. sei daher gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO zur Löschung verpflichtet, wenn die Erforderlichkeit nicht mehr gegeben sei. Personen, die Zahlungsschwierigkeiten ausgesetzt gewesen sind, würden erheblich häufiger erneut in Zahlungsschwierigkeiten geraten als andere Personen. Von der S. würden nur solche Merkmale gespeichert, die signifikant für die Beurteilung der Bonität gehalten würden. Um die Speicherdauer insgesamt zu begrenzen hätten sich die Auskunfteien freiwillige Verhaltensregeln gegeben. Danach seien personenbezogene Daten drei Jahre nach Erledigung des gespeicherten Ereignisses zu löschen. Soweit bemängelt werde, dass eine individuelle Prüfung nicht erfolgt sei, werde um Vorlage des mit der S. entstandenen Schriftwechsels gebeten. Aus dem Sachverhalt ergebe sich, dass der Kläger mehr als fünf Jahre benötigt habe, um eine ursprünglich über einen Betrag von ca. 800 Euro lautende Forderung zu begleichen, welche zuvor hätte tituliert werden müssen. Die Forderung sei offenbar auch in einer Summe geschuldet. Rückzahlungen wegen der Stundung stellten kein vertragsgerechtes Verhalten dar. Stundungen würden durch Gläubiger nur bewilligt, um überhaupt eine Chance auf Forderungsausgleich zu wahren. Auch ohne statistische Auswertung könne hier nicht von einer einwandfreien Zahlungsmoral ausgegangen werden. Die Ausführungen zur alten Rechtslage könnten nicht nachvollzogen werden.Abs. 6
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 06.04.2021, eingegangen per EGVP am selben Tage beim Verwaltungsgericht Wiesbaden, hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass der Beklagte zum Einschreiten verpflichtet sei. Zwar stehe die Abhilfebefugnis aus Art. 58 Abs. 2 DS-GVO im Ermessen des Beklagten. Vorliegend sei das Ermessen aber auf null reduziert und der Löschungsanspruch gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO gegeben. Der Beklagte habe den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt. Es sei völlig schleierhaft, woher die fünf Jahre, die der Kläger zum Ausgleich der Zahlung benötigt hätte, hergekommen seien. Die Forderung sei 2017 ausgeglichen gewesen, sodass die Löschung nach den Codes of Conduct bereits im Jahre 2020 hätte erfolgen müssen. Bei den fünf Jahren, ab Führen des offenen Betrages über 98 Euro, werde explizit gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen. Der Sachverhalt sei nur teilweise verwertet und gerade nicht ausermittelt worden. Allein die vielfältigen verfahrensrechtlichen Fehler hinsichtlich des Untersuchungsgrundsatzes und der Ermessensentscheidung führten dazu, dass der Bescheid aufgehoben werden müsse.Abs. 7
Darüber hinaus bestehe ein Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO. Die Daten seien nicht mehr notwendig. Selbst wenn die Ratenzahlungsvereinbarung ein Entgegenkommen des Forderungsinhabers darstelle, was der Beklagte jedoch nicht ermittelt habe, sei ausschlaggebend, ob sich der Betroffene an die vereinbarte Zahlung halte. Dies habe der Kläger getan und über mehrere Jahre hinweg 30 Euro pro Monat an die Beigeladene zu 2) gezahlt. Auch bestünden Bedenken gegen den Verhaltenscodex. Durch den jahrelangen verlässlichen Ausgleich der Forderung habe der Kläger seine Zahlungswilligkeit unter Beweis gestellt. Darüber hinaus ergebe sich aus den Erwägungsgründen zu Art. 5 Abs. 1 lit. e) DS-GVO, dass die Speicherfrist für personenbezogene Daten auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt bleibe. Insoweit werde vorliegend gegen die Speicherbegrenzung verstoßen. Zum Zeitpunkt der Ratenzahlungsvereinbarung sei ein Betrag von 896,99 Euro offen gewesen. Der Kläger habe 31 Raten á 30 Euro gezahlt, was ein Betrag von 930 Euro ergebe. Ziehe man die Mahnkosten von 12 Euro ab, ergebe sich eine Gesamtforderung von 884,99 Euro. Damit sei die Forderung ausgeglichen. Selbst wenn die Anwaltsgebühren seinerzeit ordnungsgemäß abgerechnet worden seien, was bestritten werde, lege damit am Ende der Zahlung ein offener Betrag von maximal 19,99 Euro vor. Unklar sei auch, wofür die verauslagten Kosten für die Zwangsvollstreckung genau angefallen seien. Ein nachvollziehbarer Vortrag fehle hier gänzlich. Der Kläger sei auch nicht weiter kontaktiert worden, weitere Mahnschreiben seien nicht erfolgt. Bereits Ende 2015 seien unter Zugrundelegung des Vortrages von E. ca. 90 Prozent der zwischenzeitlich geltend gemachten Forderung ausgeglichen worden. Warum die Beigeladene zu 2) über Jahre hinweg die Restforderung nicht geltend gemacht und realisiert habe erschließt sich nicht. All diese Aspekte hätte der Beklagte bei der Erstellung des Bescheides erforschen müssen.Abs. 8
Der Kläger beantragt,Abs. 9
den Bescheid vom 01.03.2021 des Beklagten aufzuheben und dem Beklagten aufzuerlegen die Beigeladene zu 1) gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. g) DS-GVO i.V.m. Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO zu verpflichten, den Negativeintrag bezüglich E. zu löschen.Abs. 10
Der Beklagte beantragt,Abs. 11
die Klage abzuweisen.Abs. 12
Die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe den Sachverhalt weder ausermittelt, noch inhaltlich zutreffend bewertet, sei als unbegründet zurückzuweisen. Die von dem Kläger nunmehr zitierten Anlagen habe er offensichtlich nicht für so wichtig gehalten, dass er von der Vorlage im Beschwerdeverfahren abgesehen habe. Insoweit habe der Beklagte zur Ermittlung des Sachverhaltes im erforderlichen Umfang Gebrauch gemacht.Abs. 13
Ein Anspruch auf Löschung bestehe nicht. Der Beigeladene habe ausweislich des Schreibens vom 22.12.2020 eine individuelle Prüfung der Forderung der E. vorgenommen und bestätigt bekommen, dass die Meldevoraussetzungen vorliegen. Der Forderung habe ein Schuldtitel des Amtsgerichtes Stuttgart vom 08.08.2012 zugrunde gelegen. Die Forderung ist seit dem 30.07.2020 als erledigt geführt. Gründe, warum die Eintragung vor Ablauf von drei Jahren zu löschen wären, seien nicht dargetan.Abs. 14
Die Beigeladene zu 1) beantragt,Abs. 15
die Klage abzuweisen.Abs. 16
Mit Schriftsatz vom 17.09.2021 äußerte sich die Beigeladene zu 1) über ihren Bevollmächtigten. Sie macht geltend, dass die Klage als Verpflichtungsklage nicht statthaft sei, die Klage darüber hinaus unbegründet sei. Es bestünde nur ein eingeschränkter, gerichtlicher Kontrollmaßstab. Es bestehe auch kein Anspruch auf Löschung bzw. Neubescheidung des Klägers. Der Vortrag des Klägers zur Forderung der Beigeladenen zu 2) führe nicht weiter. Zahlungsstörungen seien von dem Beklagten nicht zu prüfen. Dabei wurde der Mahnbescheid mit einer Gesamtforderung von 805,67 Euro vorgelegt.Abs. 17
Die Beigeladene zu 2) wurde mit Beschluss vom 23.07.2021 beigeladen.Abs. 18
Sie ließ sich dahin ein, dass eine Korrespondenz mit dem Kläger mit dem Ziel einer abschließenden Kontoschließung und Erfüllung der Leistung zwischen 2015 bis heute bei ihr nicht archiviert sei. Darüber hinaus legte sie einen Abrechnungskontoauszug vor, aus dem sich ergibt, dass am 14.01.2013 eine Anwaltsgebühr für einen Ratenzahlungsvertrag in Höhe von 65 Euro angefallen sein soll. Der gerichtlichen Aufforderung zur Vorlage weiterer Unterlagen, welche auch steuerrelevant sind, ist die Beigeladene zu 2) ebenso wenig nachgekommen, wie der Anordnung der Stellung eines Vertreters zur mündlichen Verhandlung. Insoweit wurde gegen die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro festgesetzt.Abs. 19
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Miniheftstreifen Behördenakte Bezug genommen, welche sämtlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gemacht worden sind. Abs. 20

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, denn der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde ein Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladene zu 1). Entgegen der Meinung der Beigeladenen zu 1) steht dem Kläger ein wirksamer Rechtsbehelf nach Art. 47 GrCh i.V.m. Art. 77 Abs. 1 und Art. 78 Abs. 1 DS-GVO zu (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 31.08.2021, Az. 6 K 226/21.WI).Abs. 21
Bei der Entscheidung des Beklagten nicht zugunsten des Klägers gegen die Beigeladene zu 1) einzuschreiten, handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Abs. 1 HVwVfG. Insoweit macht der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der zuständigen Aufsichtsbehörde geltend, die hierüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden hat, was sie auch getan hat.Abs. 22
Der Kläger ist Adressat des abgelehnten Verwaltungsaktes und damit klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Ein Vorverfahren findet gemäß § 20 Abs. 6 BDSG i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VwGO nicht statt. Die Monatsfrist ist gewahrt.Abs. 23
Richtiger Klagegegner ist gemäß § 20 Abs. 5 Nr. 2 BDSG der hessische Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Der hessische Beauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist vorliegend die zuständige Aufsichtsbehörde gemäß Art. 64 Abs. 1 lit. a) DS-GVO i.V.m. § 13 HDSIG. Dieser ist gemäß § 20 Abs. 4 BDSG beteiligungsfähig, wenn es um Streitigkeiten zwischen einer natürlichen oder juristischen Person und einer Aufsichtsbehörde des Bundes oder eines Landes über die Rechte gemäß Art. 78 Abs. 1 und 2 DS-GVO geht.Abs. 24
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ist gemäß § 20 Abs. 1 und 3 BDSG i.V.m. Art. 78 Abs. 2 DS-GVO örtlich zuständig.Abs. 25
Die insoweit zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.Abs. 26
Der Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten nach Art. 77 Abs. 1, 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 lit. a), 58 DS-GVO des Beklagten gegen die Beigeladene zu 1) (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).Abs. 27
Nach Art. 77 Abs. 1 DS-GVO hat jede betroffene Person unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedsstaat ihres gewöhnlichen Aufenthalts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die Datenschutzgrundverordnung verstößt. Nach Art. 57 Abs. 1 lit. a) DS-GVO muss jede Aufsichtsbehörde die Anwendung der DS-GVO überwachen und durchsetzen. Art. 58 DS-GVO regelt die Befugnisse der Aufsichtsbehörde (in diesem Sinne auch EuGH, Urteil vom 14.06.2021, Az. C-645/19).Abs. 28
Der Beklagte hat im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise mit seinem Bescheid vom 04.01.2021 sein Einschreitermessen gegen die Beigeladene ausgeübt, wobei er vorliegend nicht eingeschritten ist.Abs. 29
Der Kläger hatte sich gemäß § 77 DS-GVO an die Beklagte gewandt, um die Löschung der streitgegenständlichen personenbezogenen Daten zu erreichen. Hierzu machte er allgemeine Ausführungen zu der bei der Beigeladenen zu 1) eingetragenen Forderung und erklärte, dass die Forderung wohl ausgeglichen sein müsse. Bezüglich des positiven Zahlungsverhaltens verwies er auf die regelmäßige Zahlung von 30 Euro bis zum November 2015 und beanstandete, dass die Beigeladene zu 2) die Restforderung weiter fortgeschrieben hat, ohne den Kläger anzumahnen. Dabei ist auffällig, dass der damalige Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) den Kläger unter dem 15.08.2015 zur Zahlung aufgefordert hatte wegen „Nichteinhaltung vereinbarter Restzahlung“, dies zu einem Zeitpunkt, in dem der Kläger die Ratenzahlung noch erbrachte.Abs. 30
Aus dem Mahnschreiben (Blatt 178 GA) ergibt sich zwar, ebenso wie aus den Zahlungsaufstellungen der Beigeladenen zu 1), dass im Januar 2018 wohl eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen worden ist. Diesen Ratenzahlungsvertrag hat der Kläger jedoch weder dem Beklagten, noch bis zur mündlichen Verhandlung dem Gericht vorgelegt und vorlegen können. Eine zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites allerdings wesentlicher Tatsache, da es bei den Eintragungen der Beigeladenen zu 1) auf den tatsächlichen Inhalt und die Absprache der Ratenzahlungsvereinbarung ankommt.Abs. 31
Im Falle einer Beschwerde hat der Beklagte den Sachverhalt zu ermitteln und aufzuklären und zu prüfen. Insoweit hat er insbesondere von seiner Befugnis nach Art. 58 Abs. 2 DS-GVO hier nach Art. 58 Abs. 2 lit. d) DS-GVO, Gebrauch zu machen.Abs. 32
Ein gerichtlich im Wege der Verpflichtungsklage durchsetzbarer Anspruch auf zwingendes Einschreiten des Beklagten gegenüber der Beigeladenen zu 1) besteht aber nur, wenn das Einschreitermessen, also das behördliche Ermessen hinsichtlich des OB des Einschreitens gegen die Beigeladene, auf null reduziert ist. Dies lag vorliegend selbst in dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Denn bezüglich des Anspruchs und des Begehrens auf Löschung der Forderung bedurfte es nur der Prüfung des Beklagten, ob die Speicherung der Daten zur Forderung im Zeitpunkt des Löschungsbegehrens durch den Kläger noch rechtmäßig ist, mithin die Voraussetzung des Art. 6 Abs. 1 UA 1 lit. f) DSGO noch vorliegen.Abs. 33
Der Kläger beschränkt sich bei seinem Vortrag jedoch nur auf die Tatsache, dass zwischenzeitlich eine längere offene Forderung vorliegt und über acht Jahre der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) eingetragen sei. Dabei macht er geltend, dass die Hauptforderung lange erfüllt sei. Er verkennt insoweit, dass gemäß § 367 Abs. 1 BGB Leistungen zunächst auf die Kosten, dann die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet werden. Insoweit sind sowohl die Ausführungen zu den „Mahnkosten“ und den anwaltlichen Gebühren sog. „Nebelkerzen“, denn die Gebührenrechnungen müssten dem Kläger ebenso vorliegen, wie eine offensichtlich geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung.Abs. 34
Es ist nicht Aufgabe des Beklagten, die in der Sphäre des Klägers liegenden Gründe und Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln. Insoweit bedarf es eines vollständigen Vortrages des Klägers, aus dem sich dann möglicherweise eine Einschreitverpflichtung des Beklagten hätte ergeben können. Spätestens im Gerichtsverfahren bei Klageerhebung, wäre der Zeitpunkt gewesen alle Tatsachen vorzulegen. Es ist auch nicht Sache des Gerichtes den Sachverhalt abschließend aufzuklären. Diese Mängel gehen zu Lasten des Klägers und hat dieser sich zurechnen zu lassen. Insoweit fehlen wesentliche Ausführungen des Klägers. Der Beklagte hat zumindest in seinem Bescheid vom 01.03.2021, Seite 3 unten, versucht, den Sachverhalt zu ermitteln. Der Kläger ist seiner Mitwirkungspflicht jedoch bis zum Ende der mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen.Abs. 35
Auch wenn es interessant wäre, warum trotz erfolgter Schlusszahlung die Beigeladene nunmehr immer noch ein Saldokonto führt, bei dem der Kläger wiederum mit 18,73 Euro im Minus sein soll ist dies allenfalls eine Frage, die die für die Beigeladene zu 2) zuständige Aufsichtsbehörde zu klären hätte.Abs. 36
Vorliegend ist die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht einzuschreiten jedoch letztendlich nicht zu beanstanden. Es liegt keine Ermessensreduzierung auf Null vor, dies mit der Folge, dass die Klage abzuweisen war.Abs. 37
Der Beklagte war auch nicht zur Neubescheidung zu verpflichten, da sich über den bisherigen Vortag hinaus auch in der mündlichen Verhandlung keine Änderung der Sachlage ergeben hat.Abs. 38
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.Abs. 39
Es entspricht billigen Ermessen die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) dem Kläger aufzuerlegen, da diese durch die Stellung von Anträgen selbst, entgegen der Beigeladenen zu 2), ein Kostenrisiko übernommen hat (§154 Abs. 3 VwGO).Abs. 40
Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit bezüglich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO entsprechend.Abs. 41
Rechtsmittelbelehrung...Abs. 42

(online seit: 26.10.2021)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Wiesbaden, VG, Fehlender Anspruch auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde - JurPC-Web-Dok. 0145/2021