JurPC Web-Dok. 61/2021 - DOI 10.7328/jurpcb202136461

OLG Köln

Urteil vom 26.03.2021

6 U 11/21

“American Food and Drinks”

JurPC Web-Dok. 61/2021, Abs. 1 - 71


Leitsatz:

1. Ein unterhalb der Artikelbezeichnung auf dem Portal Amazon.de als „Marke“ eingetragenes Zeichen wird in der Regel als Herkunftshinweis des Produktes wahrgenommen.

2. Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn ein Anbieter auf dem Amazon-Marketplace, der als erster ein Angebot erstellt und so eine ASIN generiert, als „Marke“ eine Marke einträgt, die entgegen den Richtlinien des Marketplace-Betreibers nicht auf dem Produkt oder dessen Verpackung abgedruckt ist, und sodann gegen Verkäufer vorgeht, die sich diesem Angebot anschließen.

Gründe:

I.Abs. 1
Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Frage, ob die Antragsgegnerin eine Marke der Antragstellerin im Rahmen eines Angebots auf dem Amazon Marketplace unbefugt genutzt und Verbraucher in die Irre geführt hat.Abs. 2
Die Antragstellerin betreibt einen Handel mit Lebensmitteln und Getränken vorwiegend aus dem US-Import. Sie vertreibt ihre Waren u.a. über ihre Online-Shops „v..de“ und „b..de“. Ihr Angebot richtet sich an Verbraucher und Gewerbetreibende.Abs. 3
Die Antragstellerin ist Inhaberin der Wortmarke „Marke1“ mit der Registernummer xxxxxxxx, die u.a. für die Waren „Chips, Erdnussbutter, Bonbons, Cerealien, Kaugummi, Nudeln und Schokolade“ geschützt ist. Für die Ware „Bier“ genießt die Marke keinen Schutz. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage AS 2 vorgelegten Markenunterlagen Bezug genommen.Abs. 4
Am 01.09.2020 stellte die Antragstellerin fest, dass die Antragsgegnerin auf dem Internetverkaufsportal Amazon Bonbons und alkoholische Getränke unter Verwendung des Zeichens „Marke1“ anbot, wie aus Anlagen AS 4 und AS 5 ersichtlich. Das Produkt wird wie folgt dargestellt:Abs. 5
Mike And Ike Mega Mix CandyAbs. 6
Marke: „Marke1“Abs. 7
sowieAbs. 8
US Bier – 14 Sorten 24 Dosen/Flaschen Anheuser Bush Bud Light Lime Coores Michelob Ultra Miller Genuine Draft High LifeMilwaukee Best Pabst Blue Ribbon lager (Bud Light, 24x 473 ml)Abs. 9
Marke: „Marke1“Abs. 10
Die „Marke“ des jeweiligen Produkts wird durch den ersten Anbieter, der das Produkt über die Plattform Amazon.de anbieten möchte, angegeben. Nach den von Amazon vorgegebenen Grundsätzen darf an der entsprechenden Stelle lediglich eine Marke eingetragen werden, der entweder auf dem Produkt selbst oder auf dessen Verpackung zu finden ist.Abs. 11
Die Antragstellerin hat in dem Angebot der Antragsgegnerin von Süßigkeiten eine Markenverletzung gesehen. Das Angebot sei darüber hinaus – wie auch das Angebot von Bier – irreführend, weil eine Täuschung über die betriebliche Herkunft im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG erfolge.Abs. 12
Die Antragstellerin hat behauptet, dass zwischen ihr und der Firma „V2“ lediglich eine Kooperation existiere. Die Firma „V2“ vertreibe Lebensmittel verschiedenster Art jedoch im eigenen Namen auf Amazon. Zu ihren eigenen Angeboten gehörten auch Waren aus dem Produktportfolio der Antragstellerin, welche die „V2“ im eigenen Namen verkaufe. Die Firma „V2“ vertreibe nicht nur Produkte der Antragstellerin im eigenen Namen, sondern auch Waren zahlreicher anderer Anbieter. Das Amazon-Konto der Firma „V2“ sei nicht der Antragstellerin zuzuordnen.Abs. 13
Die Antragsgegnerin habe zudem nicht glaubhaft gemacht, dass es sich bei ihren Angeboten lediglich um ein „Anhängen“ bei Amazon an ein fremdes Angebot gehandelt habe. Es sei nicht einmal erkennbar, wer überhaupt der angebliche Ersteinsteller der Angebote gewesen sein solle. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin selbst die Marke der Antragstellerin unberechtigt für ihre Angebote benutzt habe.Abs. 14
Die Antragstellerin hat am 15.09.2020 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts erwirkt, mit der der Antragsgegnerin bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel untersagt wurde,Abs. 15
a) im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland beim Verkauf von Bonbons das Zeichen „Marke1“ zu benutzen, wie in dem Amazon-Angebot ASIN BYYYY wie in der Anlage des Beschlusses wiedergegeben geschehen,Abs. 16
b) zum Zwecke des Wettbewerbs irreführende Angaben über die betriebliche Herkunft der Waren durch Nutzung des Zeichens „Marke1" zu machen, wie in dem Amazon-Angeboten ASIN BYYYY und ASIN BZZZZ wie in der Anlage des Beschlusses wiedergegeben geschehen.Abs. 17
Nach Widerspruch hat die Antragstellerin sinngemäß beantragt,Abs. 18
die einstweilige Verfügung mit einer Berichtigung eines konkret bezeichneten Schreibfehlers zu bestätigen.Abs. 19
Die Antragsgegnerin hat beantragt,Abs. 20
die einstweilige Verfügung der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 15.09.2020 (84 O 153/20) aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag vom 14.09.2020 zurückzuweisen.Abs. 21
Die Antragsgegnerin hat behauptet, die Antragstellerin vertreibe ihre Waren auf dem Internetportal Amazon über ein Treuhandkonto. Sie würde ihre Waren unter dem Shopnamen „V2“ vertreiben. Dieses Konto werde von ihr kontrolliert. Den Treuhandvertrag habe die Antragstellerin mit der Firma „V2“, Inhaber N. T., abgeschlossen. So sei die Anschrift der Antragstellerin im Impressum der „V2“ als Kundendienstadresse genannt (Anlage AG 2), die Bestellbestätigung würde von der Antragstellerin versandt (Anlage AG 3), die Antragstellerin versende die über den Account „V2“ verkaufte Ware im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (Anlage AG 4), die Zahlung erfolge direkt an die Antragstellerin (Anlage AG 5) und die Antragstellerin antworte auf Kundenanfragen (Anlage AG 6). An diese der Antragstellerin zuzurechnenden Angebote habe sie, die Antragsgegnerin, sich „angehängt“. Dies verletze weder die Markenrechte der Antragstellerin noch sei dies in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Bei den von der Antragstellerin über den Account „V2“ angebotenen Waren handele es sich um Originalwaren von Drittherstellern. Die Antragstellerin nutze die Möglichkeit zur Kennzeichnung mit ihrer Marke „Marke1“ offenbar bewusst, um Wettbewerber von dem Vertrieb von Originalwaren amerikanischer Dritthersteller auszuschließen und so zu behindern.Abs. 22
Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil bestätigt. Es könne dahinstehen, ob die Angebote der Firma „V2“ der Antragstellerin „zuzurechnen“ seien und diese die Angebote als erste eingestellt hätte. Dies unterstellt liege eine Markenverletzung vor, weil die Nutzung der Bezeichnung „Marke1“ durch die Antragsgegnerin die Rechte der Antragstellerin an der Wortmarke der Antragstellerin verletze, so dass diese Unterlassung verlangen könne, §§ 4, 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.Abs. 23
Die Antragsgegnerin habe sich das Angebot insgesamt zu Eigen gemacht. Das Zeichen werde als Marke genutzt und die Marke genieße Schutz für die angebotenen Produkte. Es bestehe Zeichen- und Warenidentität und die Nutzung sei nicht nach § 23 Nr. 2 MarkenG zulässig, was das Landgericht weiter darlegt.Abs. 24
Die Antragstellerin handele nicht rechtsmissbräuchlich. Soweit das „Anhängen“ an identische Produkte auf der Plattform Amazon.de vorgesehen sei, entbinde dies die Antragsgegnerin nicht von der Verpflichtung, ein Angebot zu prüfen, bevor sie sich an ein solches anhänge. Wenn eine Markenverletzung festgestellt werde, müsse ein eigenes Angebot erstellt werden.Abs. 25
Aus diesen Gründen bestehe ein Unterlassungsanspruch auch aufgrund einer Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 UWG.Abs. 26
Gegen dieses Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Die Geltendmachung der Ansprüche durch die Antragstellerin sei rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), weil die Antragstellerin den Verstoß provoziert habe und diese den Wettbewerb behindere, indem sie es dritten Anbietern unmöglich mache, ein Angebot des identischen Produkts auf der Plattform Amazon.de einzustellen, ohne die Marke oder die Vorgaben des Plattformbetreibers zu verletzen. Diese sähen insbesondere vor, dass das Einstellen eines identischen Produkts nur unter Nutzung des ursprünglichen Angebots zulässig sei. Vor diesem Hintergrund sei es Anbietern auf dem Marktplatz auch untersagt, als „Marke“ in die Angebote auf der Plattform eine Eintragung vorzunehmen, die nicht mit der Kennzeichnung der Produkte übereinstimme.Abs. 27
Die Antragsgegnerin habe glaubhaft gemacht, dass die ursprünglichen Angebote mit der Marke der Antragstellerin von dieser über einen Strohmann eingestellt worden seien. Insoweit wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihren erstinstanzlichen Vortrag.Abs. 28
Letztlich erfolge auch kein markenmäßiger Gebrauch, so dass die einstweilige Verfügung auch aus diesem Grund aufzuheben sei.Abs. 29
Die Antragsgegnerin beantragt,Abs. 30
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln vom 16.12.2020, Az. 84 O 153/20 und des Beschlusses des Landgerichts Köln vom 15.09.2020, Az. 84 O 153/20, den Verfügungsantrag vom 14.09.2020 zurückzuweisen.Abs. 31
Die Antragstellerin beantragt,Abs. 32
die Berufung zurückzuweisen. Abs. 33
Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass die Antragstellerin das dem Streit zugrundeliegende Angebot eingestellt hätte.Abs. 34
II.Abs. 35
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg. Zwar besteht im Ausgangspunkt ein Unterlassungsanspruch nach § 14 MarkenG. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Antragstellerin aber rechtsmissbräuchlich, so dass die Antragstellerin den an sich bestehenden Anspruch nicht durchsetzen kann. Im Einzelnen:Abs. 36
1. Das Landgericht hat mit Recht und mit zutreffender Begründung angenommen, dass sich ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin aus § 14 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1 MarkenG ergibt.Abs. 37
a) Die Antragstellerin ist als Inhaberin der Antragsmarke befugt, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen.Abs. 38
b) Die sich gegenüberstehenden Zeichen sind identisch im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 MarkenG.Abs. 39
c) Die Antragsgegnerin hat die Klagemarke der Antragstellerin benutzt. Eine markenmäßige Benutzung oder - was dem entspricht - eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (vgl. BGH, GRUR 2012, 1040 – pjur/pure, mwN). Wie das Landgericht zutreffend dargestellt hat, richtet sich die Frage, ob ein markenmäßiger Gebrauch vorliegt, in erster Linie nach der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise. Es ist auf den durchschnittlich informierten, verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsnutzer der angebotenen Dienstleistung abzustellen. Die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem fraglichen Bereich sind zu berücksichtigen (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 14 Rn. 123, mwN).Abs. 40
Vorliegend ist der Verkehr daran gewöhnt, dass als „Marke“ unterhalb der eigentlichen Artikelbezeichnung im oberen Bereich der Darstellung des jeweiligen Produktangebots auf der Plattform Amazon.de die Marke des Produktes benannt wird. Dies stelle regelmäßig eine Wiederholung der bereits in der Überschrift genannten Produktmarke dar.Abs. 41
Dass die Produktmarke auf der Plattform Amazon.de regelmäßig an der genannten Stelle angegeben wird, so dass der Verkehr sich an eine entsprechende Bezeichnung gewöhnt hat, ergibt sich auch aus den Verkäuferbedingungen für ein Angebot auf dem Amazon Marketplace. Denn in den Bedingungen ist festgelegt, dass eine Marke „kein anderer Name sein (darf), der nicht auf den Markenprodukten oder –verpackungen angegeben ist“ (vgl. Bl. 90 eA). Da sich die große Mehrheit der Händler auf dem Amazon Marketplace an diese Vorgabe hält, ist aufgrund der entsprechenden Bedingungen ein Rückschluss auf die entsprechenden Gewohnheiten und damit auch auf die Verkehrsauffassung möglich.Abs. 42
Vor diesem Hintergrund wird der Verkehr, dem das Produkt „Mike And Ike Mega Mix Candy“ nicht als Produkt der Marke „Mike And Ike“ bekannt ist, davon ausgehen, das Produkt stamme von „Marke1“. Die Verkehrskreise, denen die Marke „Mike And Ike“ bekannt ist, werden jedenfalls teilweise davon ausgehen, die Lieferung werde jedenfalls durch „lifestyledrinkz“ vorgenommen. In beiden Fällen wird die Marke daher als Herkunftshinweis genutzt.Abs. 43
Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, führt § 23 MarkenG nicht zu einer Berechtigung der Antragsgegnerin, die Marke zu nutzen. Die entsprechende Annahme des Landgerichts hat die Antragsgegnerin auch nicht angegriffen.Abs. 44
2. Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Dieser wird gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG vermutet. Die Antragsgegnerin hat diese Vermutung nicht widerlegt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass die Antragstellerin durch langes Zuwarten seit Kenntnisnahme von der Verletzungshandlung die Dringlichkeit selbst widerlegt hätte.Abs. 45
3. Der Geltendmachung der Ansprüche aus § 14 MarkenG steht aber der Einwand des Rechtsmissbrauchs im Sinne von § 242 BGB entgegen, weil die Geltendmachung der Ansprüche unlauter gemäß §§ 3, 4 Nr. 4 UWG ist.Abs. 46
a) Den aus einer Marke hergeleiteten Ansprüchen kann einredeweise entgegen gehalten werden, dass auf Seiten des Markeninhabers Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes als eine wettbewerbswidrige Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2015 – I ZB 69/14, GRUR 2016, 380 – GLÜCKSPILZ; Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 – EROS; Urteil vom 12.07.2007 – I ZR 148/04, BGHZ 173, 230 – CORDARONE; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 55). Das wettbewerbsrechtlich Unlautere kann darin liegen, dass ein Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Zeichenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs einsetzt (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2005 – I ZR 45/03, GRUR 2005, 414 – Russisches Schaumgebäck; OLG Frankfurt, Urteil vom 27.10.2011 – 6 U 179/10, GRUR-RR 2012, 119). Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich angenommen, dass bei einer böswillig angemeldeten Marke dem Unterlassungsanspruch der Einwand des § 4 Nr. 4 UWG entgegen gehalten werden kann, auch wenn Löschungsansprüche nicht bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2015 – I ZB 44/14, GRUR 2016, 378 – LIQUIDROM).Abs. 47
b) Nach diesen Grundsätzen stellt die Geltendmachung der markenrechtlichen Ansprüche eine unlautere Behinderung der Antragsgegnerin gemäß § 4 Nr. 4 UWG dar.Abs. 48
aa) Eine Behinderung liegt vor, wenn die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers beeinträchtigt wird. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 210/16, GRUR 2018, 317 – Portierungs-Auftrag; Urteil vom 21.02.2002 – I ZR 281/99, GRUR 2002, 902 – Vanity-Nummer). Hierzu zählen alle Wettbewerbsparameter, wie der Absatz, wobei die Eignung zur Behinderung ausreicht, auch wenn diese noch nicht eingetreten ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 317 – Portierungs-Auftrag; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 4 Nr. 4 Rn. 4.6).Abs. 49
Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 – EROS). Hierbei sind auch die gesetzlichen Wertungen zu berücksichtigen, insbesondere auch das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Das Interesse des Handelnden kann allerdings auch dann zurücktreten, wenn dieses weniger schutzwürdig ist, als das Interesse des Gegenübers oder der Allgemeinheit (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Nr. 4 Rn. 4.11, mwN). Hat eine Handlung bei objektiver Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen, die so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen, dann ist diese ebenfalls als unlauter anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 – Außendienstmitarbeiter).Abs. 50
bb) Nach diesen Grundsätzen liegt eine gezielte Behinderung vor. Die Antragsgegnerin wird daran gehindert, die mit der jeweiligen Marke gekennzeichneten Produkte über den Amazon Marketplace anzubieten.Abs. 51
Die Antragsgegnerin hat durch die Vorlage der „Richtlinie zur ASIN-Erstellung“ des Amazon Marketplace glaubhaft gemacht, dass ein Produkt nur einmal unter einer sogenannten „ASIN“ angeboten werden darf. Dies hat zur Folge, dass der erste Anbieter eines bestimmten Produktes ein Angebot erstellen muss, an das sich weitere Anbieter „anhängen“ können, aber auch dürfen und müssen. Den weiteren Anbietern ist es – was die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht hat – untersagt, für dasselbe Produkt ein neues Angebot unter einer neuen „ASIN“ zu erstellen. In der Richtlinie ist ausdrücklich folgendes festgeschrieben:Abs. 52
Die Erstellung einer neuen ASIN für ein Produkt, das bereits im Amazon-Katalog vorhanden ist, ist nicht gestattet und kann dazu führen, dass Ihnen die Verkaufsberechtigung oder die Berechtigung für die Erstellung von ASINs vorübergehend oder dauerhaft entzogen wird.Abs. 53
Vor diesem Hintergrund läuft ein Anbieter, der entgegen der Regelungen durch den Amazon Marketplace neue Angebote erstellt und sich nicht an bestehende Angebote anhängt, Gefahr, keine Angebote mehr für den Amazon Marketplace mehr erstellen zu dürfen oder von der Nutzung der Plattform ausgeschlossen zu werden.Abs. 54
Dies hat zur Folge, dass der erste Anbieter eines bestimmten Produkts durch die Gestaltung des ersten Angebots, mit dem die sogenannte „ASIN“ angelegt wird, zahlreiche Vorgaben machen kann. Wie die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht hat, ist es etwa möglich, eine „Marke“ einzutragen, die in der dargestellten Form unterhalb des Produkts wiedergegeben wird. Diese Angaben sind zwar grundsätzlich durch die Richtlinie des Amazon Marketplace begrenzt, weil in diesem Feld – wie dargelegt – lediglich die Angabe der Bezeichnung zulässig ist, mit der das Produkt oder dessen Verpackung gekennzeichnet sind. Diese Vorgabe ist allerdings im vorliegenden Fall umgangen worden, weil die Bezeichnung „Marke1“ eingetragen wurde, obwohl weder das Produkt, noch die Verpackung diese Kennzeichnung aufweisen.Abs. 55
Die Eintragung der Bezeichnung „Marke1“ in dem Feld Marke hat sodann zur Folge, dass sich weitere Verkäufer, die das dort angebotene Produkt, das tatsächlich von der Marke „Mike And Ike“ stammt und auch so gekennzeichnet ist, lediglich diesem Angebot „anschließen“ können und daher die Marke „Marke1“ zwangsläufig – wie dargestellt – als Marke in unzulässiger Weise nutzen. Ein Verkäufer hat lediglich die Wahl, das konkrete Produkt nicht über den Amazon Marketplace anzubieten oder – entgegen den Vorgaben für die Nutzung des Amazon Marketplace – eine weitere ASIN für ein vermeintlich neues Produkt zu erstellen. Faktisch wird damit jeder Dritte daran gehindert, dasselbe Produkt anzubieten.Abs. 56
Es ist auch zu berücksichtigen, dass der angesprochene Verkehr es gewohnt ist, dass der Verkäufer von Produkten bei Amazon.de in einem gesonderten Bereich genannt wird, weil eine Vielzahl der Produkte über Amazon.de von zahlreichen Verkäufern, aber unter einer einheitlichen Präsentation angeboten werden. Daher kann die Bezeichnung des Anbieters in dem Feld „Marke“ im konkreten Fall eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise darstellen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.11.2018 – 4 U 73/18, GRUR–RR 2018, 180).Abs. 57
Weiter ist davon auszugehen, dass einem Verkäufer auf dem Amazon Marketplace die Bedingungen für deren Nutzung bekannt sind. Die Eintragung einer eigenen Marke entgegen den Bedingungen des Amazon Marketplace kann daher nur den Zweck haben, Dritte daran zu hindern, dieses Produkt über die Plattform Amazon.de anzubieten. Nicht zuletzt aufgrund der großen wirtschaftlichen Bedeutung, die der Möglichkeit des Verkaufs über die Plattform Amazon.de zukommt, erfolgt die Eintragung der Bezeichnung, die nicht der Marke des Produkts entspricht, nicht, um den eigenen Wettbewerb zu fördern, sondern alleine, um den Wettbewerb von Dritten zu behindern. Es kommt hinzu, dass hierdurch die für den Verbraucher wesentliche Möglichkeit, den Verkäufer mit dem günstigsten Verkaufspreis auszuwählen, vereitelt werden kann.Abs. 58
Insgesamt ist die Eintragung der Marke „Marke1“ in dem konkret zum Gegenstand des Unterlassungsantrags gemachten Angebots vor diesem Hintergrund als gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG anzusehen.Abs. 59
Soweit der Senat in dem Verfahren 6 U 19/19 im Rahmen der mündlichen Verhandlung davon ausgegangen ist, dass ein Rechtsmissbrauch nicht vorliege, wenn ein Briefkasten, der über einen Hersteller bezogen wurde, mit einem eigenen Branding versehen wurde, das als Marke in vergleichbarer Form angegeben wurde, und sodann gegen einen Dritten vorgegangen wird, der sich an das Angebot „angehängt“ hat, ist dieser Fall nicht vergleichbar. Denn im vorliegenden Fall wird das Originalprodukt eines Dritten angeboten und nicht ein Produkt, dass sich der Inhaber der Marke durch die entsprechende Kennzeichnung deutlich sichtbar zu Eigen macht.Abs. 60
cc) Es liegt auch eine gezielte Behinderung durch die Antragstellerin vor. Dies ist für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs notwendig, weil die Geltendmachung von markenrechtlichen Ansprüchen durch den Markeninhaber bei Nutzung der Marke durch einen Dritten im Rahmen eines Angebots auf der Verkaufsplattform Amazon.de für sich alleine keinen Rechtsmissbrauch zu begründen vermag, auch wenn hierdurch die Möglichkeit des „Anhängens“ an fremde Angebote im Einzelfall verhindert werden mag.Abs. 61
Die Antragsgegnerin hat glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin faktisch das Konto des „N. T.“, der bei Amazon unter „V2“ Produkte vertreibt, beherrscht. Dies ergibt sich daraus, dass als „Kundendienstadresse“ des vorgenannten Kontos die Anschrift der Antragstellerin angegeben wird (vgl. Anlage AG2, Bl. 30 Anlagenheft) und bei einer Bestellung über dieses Amazon-Verkäuferkonto unter der Bezeichnung „USA Drinks“ eine Rechnung der Antragstellerin erstellt wurde (vgl. Anlagen AG 3, Bl. 33 Anlagenheft und AG 4, Bl. 35 Anlagenheft). Es kommt hinzu, dass die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht hat, der Geschäftsführer der Antragstellerin beantworte persönlich Anfragen, die an den Verkäufer „US Drinks Food & Sweet“ gesandt wurden (vgl. Bl. 65 d.A.). Dem ist die Antragstellerin lediglich pauschal entgegen getreten.Abs. 62
Auf die Frage, ob die eidesstattliche Versicherung des Zeugen Prümmer (Anlage AG 1, Bl. 28 Anlagenheft), der die Beherrschung eidesstattlich versichert hat, glaubhaft ist, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Allein die Tatsache, dass dieser vormals für die Antragstellerin tätig war und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gütlich erfolgte, führt allerdings noch nicht dazu, dass die eidesstattliche Versicherung, die sich im Übrigen vollständig in die weiteren Glaubhaftmachungsmittel einfügt, nicht überzeugend wäre.Abs. 63
Schließlich ist davon auszugehen, dass das Erstangebot von dem Kontoinhaber „N. T.“ unter der Bezeichnung „V2“ erstellt wurde. Hierfür spricht, dass nur der Inhaber der Marke bzw. ein verbundenes Unternehmen ein Interesse daran hat, unter der „Marke“ im ersten Amazon dieses Produkts entgegen den Vorgaben durch Amazon die Bezeichnung „Marke1“ aufzuführen. Für jedes dritte Unternehmen, das sich von vorne herein nicht auf Rechte aus der Marke berufen kann, liegt die Nutzung der Marke „Marke1“ fern.Abs. 64
Es kommt hinzu, dass die Antragstellerin jedenfalls eine entsprechende Behauptung aufgestellt hat und hierzu Indizien vorgetragen hat sowie – wie dargelegt – glaubhaft gemacht hat, dass die Antragstellerin über das Konto des „V2“ verfügen kann. Vor diesem Hintergrund hätte es der Antragsgegnerin jedenfalls oblegen, konkret vorzutragen, dass weder sie selbst noch der Inhaber des Kontos „V2“ das ursprüngliche Angebot eingestellt hat. Dieser sekundären Darlegungslast ist die Antragstellerin nicht hinreichend nachgekommen. Sie hat lediglich vorgetragen, für die gegenteilige Behauptung der Antragsgegnerin fehle es an einer Glaubhaftmachung. Diesen Vortrag hat sie im Rahmen der Berufungserwiderung vertieft und behauptet, die Firma US Drinks, Food & Sweet sei nicht als Ersteinsteller vermerkt. Damit hat die Antragstellerin weiterhin nicht hinreichend substantiiert bestritten, dass das Angebot tatsächlich von dieser stammte, sondern lediglich weiter vorgetragen, dass der Vortrag der Antragsgegnerin nicht ausreiche.Abs. 65
4. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen kommt eine Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 1 UWG ebenfalls nicht in Betracht.Abs. 66
a) Allerdings liegen auch insoweit – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – die Anspruchsvoraussetzungen vor. Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin berechtigt, Ansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend zu machen. Das Einstellen des dem Streit zugrundeliegenden Angebots auf Amazon.de stellt eine geschäftliche Handlung dar und diese war irreführend, weil – wie dargelegt – über den Hersteller des Produkts oder jedenfalls den Lieferanten getäuscht wurde. Dies gilt hinsichtlich des Angebots der Süßigkeiten, aber auch hinsichtlich des Angebots von des Biers, wie es jeweils konkret zum Gegenstand des Unterlassungsantrags gemacht worden ist. Da es sich um ein Angebot der Antragsgegnerin handelt, haftet diese für dessen Inhalt, zumal ihr bekannt war, welchem Angebot sie sich angeschlossen hat.Abs. 67
b) Wie das OLG Hamm (GRUR-RR 2019, 180) angenommen hat, ist das Vorgehen allerdings rechtsmissbräuchlich. Ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8c Abs. 1 UWG liegt vor, weil das Vorgehen – wie dargelegt – eine gezielte Behinderung der Antragsgegnerin darstellt.Abs. 68
Die Tatsache, dass auch Verbraucher in die Irre geführt werden könnten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar kann insoweit der sogenannte Unclean Hands Einwand nicht greifen, weil auch Verbraucherinteressen geschützt werden. In Anbetracht der bewussten und zielgerichteten Verhinderung von Wettbewerb stellt sich das Verhalten der Antragstellerin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls dennoch als missbräuchlich dar.Abs. 69
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.Abs. 70
6. Der Streitwert für das Berufungsverfahrens wird wie folgt festgesetzt: 60.000 €.Abs. 71

(online seit: 27.04.2021)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Köln, OLG, "American Food and Drinks" - JurPC-Web-Dok. 0061/2021