JurPC Web-Dok. 98/2020 - DOI 10.7328/jurpcb202035698

OLG Karlsruhe

Urteil vom 27.05.2020

6 U 36/20

Facebook “Fact-Check”

JurPC Web-Dok. 98/2020, Abs. 1 - 141


Leitsätze:

1. Der von Facebook gegen Entgelt beauftragte Faktenprüfer, der bei einem Beitrag eines Nachrichtenmagazins die untrennbar verbundenen Hinweise „Fact-Check“ und „Behauptungen teils falsch“ anbringt und dabei auf sein eigenes Nachrichtenmagazin verlinkt, nimmt eine geschäftliche Handlung vor.

2. Er stellt sich in diesem Fall durch seine Handlung in Wettbewerb zu dem Betroffenen und schafft dadurch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, das ihn zum Mitbewerber macht.

3. Diese Hinweise erwecken beim angesprochenen Nutzer in der Regel die Erwartung, die Faktenprüfung beziehe sich auf Tatsachen in genau dem Facebook-Beitrag, mit dem sie untrennbar verbunden worden sind. Wird diese Erwartung enttäuscht, weil im Wesentlichen nur auf Wertungsfragen eingegangen wird und im Mittelpunkt der Kritik nicht der geprüfte Beitrag selbst, sondern dort referierte Äußerungen Dritter stehen, kann in der Gesamtabwägung eine nicht hinzunehmende Herabsetzung vorliegen.

Gründe:

I.Abs. 1
Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte wegen einer behaupteten Wettbewerbsverletzung im Wege einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung in Anspruch.Abs. 2
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) publiziert im Internet unter www.(k).de ein auch in Printform erscheinendes Magazin unter der Bezeichnung „(K.)“. Ferner bewirbt die Klägerin die auf ihrer Internetseite veröffentlichen Artikel durch Veröffentlichung eines Anreißers mit Link auf ihre Internetveröffentlichung auch auf ihrem Profil im sozialen Netzwerk Facebook. Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) ist eine gemeinnützige Gesellschaft und betreibt ein Recherchezentrum, das journalistisch-redaktionelle Artikel auf der eigenen Internetseite www.(b).org und in Zusammenarbeit mit anderen Medien veröffentlicht. Beide Parteien bitten ihre Leser online um Spenden zur Unterstützung für ihre journalistische Tätigkeit. Ferner vertreiben beide online Bücher.Abs. 3
Die Verfügungsbeklagte betreibt auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung einen sogenannten „Faktencheck“ für Facebook. Hierfür erhält sie eine Aufwandsentschädigung. Nach der Kooperationsvereinbarung übermittelt Facebook der Beklagten in bestimmter technischer Form Beiträge, die durch einen Algorithmus – etwa auf Grundlage von Nutzerbeschwerden – ausgewählt wurden und welche die Beklagte einem Faktencheck in Gestalt eines journalistischen Artikels unterziehen und unter anderem als falsch, teils falsch, zutreffend oder als reine Meinungsäußerung qualifizieren kann. Tut sie dies und beanstandet sie den Artikel, erfolgt bei Facebook technisch eine Verknüpfung des geprüften Beitrags mit dem Ergebnis der Bewertung und einem Anreißer samt Link zu dem bewertenden Artikel.Abs. 4
Am 26.09.2019 veröffentlichte die Klägerin einen Artikel mit der Überschrift: „500 Wissenschaftler erklären: ‚Es gibt keinen Klimanotfall‘“. Auf den als Anlage (KV.) 6a vorgelegten Artikel, in welchem über einen offenen Brief berichtet wird, in welchem in Gestalt einer „European Climate Declaration“ eine neue Klimapolitik gefordert wird, wird wegen des näheren Inhalts verwiesen. Auch diesen Artikel bewarb die Klägerin auf facebook.com durch Veröffentlichung eines Beitrags in Gestalt eines Anreißers mit Link auf den auf ihrer Internetseite veröffentlichten Artikel, wie in Anlage (KV.) 6b ersichtlich.Abs. 5
Rechts oben über dem Beitrag der Klägerin wurde dabei – wie stets bei allen Beiträgen von Medienunternehmen auf Facebook – in Höhe der Mitte des Beitrags eine kleine Schaltfläche mit der Aufschrift „i“ eingeblendet. Dies geschah wie nachfolgend ersichtlich:Abs. 6
Bei Aufruf der Schaltfläche „i“ erhielt der Nutzer – wie auch bei anderen Beiträgen von Medienunternehmen auf Facebook – in einem nachfolgend ersichtlichen Pop-Up unter der Überschrift „Infos zu diesem Content“ zunächst eine Kurzbeschreibung der Klägerin und Informationen darüber, ob der Beitrag bereits durch andere Nutzer geteilt, also verbreitet worden war.Abs. 7
Der Artikel der Klägerin war Gegenstand des Faktenchecks der Beklagten für Facebook und wurde von der Beklagten als „teils falsch“ bewertet. In einem weiteren Abschnitt: „Mehr zum Thema“ wurde in diesem Zusammenhang in dem durch Klick auf die Schaltfläche „i“ aufrufbaren Pop-Up seitens Facebook ein Anreißer und ein Link zu einem auf deren Internetseite veröffentlichten Artikel der Beklagten unter der Überschrift „(B).ORG Fact-Check“ und der Headline „Nein: Es sind nicht „500 Wissenschaftler“: Behauptungen teils falsch“ eingefügt, wie nachfolgend ersichtlich:Abs. 8
In dem als Anlage (KV.) 10 vorliegenden Artikel der Beklagten, auf den ebenfalls wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, setzt sich die Beklagte kritisch mit dem im Artikel der Klägerin zitierten „Offenen Brief“ auseinander und verweist dabei auch auf die Publikation der Klägerin. Sie vertritt darin die Auffassung, es handle sich bei den Unterzeichnern des Offenen Briefs entgegen der Darstellung in einigen Medien, darunter auch derjenigen der Klägerin, nicht sämtlich um Wissenschaftler, namentlich seien einige der Unterzeichner bereits im Ruhestand beziehungsweise für Unternehmen tätig. Weiterhin sei insbesondere die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit als gering zu bewerten, weil die Aussagen zentralen Kontext vermissen ließen.Abs. 9
Der Artikel beginnt wie folgt:Abs. 10
In Artikel der Beklagten sind auch Spendenaufrufe eingerückt, unter anderem wie folgt:Abs. 11
Wer den Eintrag der Klägerin auf Facebook teilen, also den Beitrag der Klägerin in Gestalt des Anreißers samt Link zu dem Artikel auf der Internetseite der Klägerin in seinem eigenen Profil verbreiten will, erhält ein Pop-Up nachfolgenden Inhalts angezeigt, in welchem abermals auf den Artikel der Beklagten und das Ergebnis deren Faktenchecks verwiesen wird:Abs. 12
Entscheidet sich der angesprochene Verkehr durch Klick auf „Trotzdem teilen“ dazu, den Beitrag der Klägerin zu teilen, geschieht dies dadurch, dass dem geteilten Beitrag auf dem Profil des teilenden Nutzers das Ergebnis des Faktenchecks und der Anreißer zum Artikel der Beklagten in einem nachfolgenden Abschnitt unter der Überschrift „Mehr zum Thema“ wie nachfolgend ersichtlich angefügt wird.Abs. 13
Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.10.2019 ließ die Klägerin die Beklagte abmahnen und zur Unterlassung der Verknüpfung eines Artikels der Klägerin auf Facebook in der dargestellten Weise und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die Beklagte ließ dies mit anwaltlichem Schreiben vom 06.11.2019 zurückzuweisen.Abs. 14
Die Klägerin hat geltend gemacht:Abs. 15
Die dargestellte Verknüpfung des Artikels der Beklagten mit demjenigen der Klägerin sei als geschäftliche Handlung der Beklagten einzustufen. Mit der streitgegenständlichen Vorgehensweise übe die Beklagte nicht nur eine bezahlte Tätigkeit für Facebook aus, sondern verlinke ihr eigenes publizistisches Online-Angebot, auf welchem sie gezielt und insoweit im Wettbewerb zur Klägerin stehend Spenden einwerbe. Die ideelle Zielsetzung der Beklagten stehe dem nicht entgegen, da auf die tatsächliche Betätigung im Wettbewerb abzustellen sei.Abs. 16
Die Parteien seien Wettbewerber und konkurrierten einerseits im Hinblick auf den Vertrieb publizistischer Leistungen. Außerdem stünden sie im Wettbewerb um den Erhalt finanzieller Zuwendungen in Form von Spenden und Unterstützungsleistungen für einzelne Beiträge und ihre jeweiligen Publikationen.Abs. 17
Die Beklagte überschreite mit der streitgegenständlichen Verknüpfung ihres Beitrags bewusst ihre journalistisch-publizistische Tätigkeit und suche zielgerichtet die Verbreitung konträrer publizistischer Inhalte zu unterbinden oder zumindest zu behindern.Abs. 18
Dabei verknüpfe die Beklagte ihre Inhalte technisch-medial mit jenen der Klägerin zu deren Lasten und zu Lasten deren Verbreitungsgrades in Gestalt teilender Nutzer. Die Beklagte hänge sich mit ihrem Inhalt an den von der Klägerin verbreiteten Inhalt an und nutze damit schmarotzerisch die Leserreichweite der Beklagten für sich aus. Gleichzeitig werde die Klägerin zu einem unfreiwilligen Werkzeug der Verbreitung des Warnhinweises der Beklagten.Abs. 19
Ferner nehme die Beklagte für sich sowohl durch die Eigenbezeichnung als „Faktenprüfer“ als auch durch die seitens Facebook eingeräumten technischen Möglichkeiten eine übergeordnete und scheinbar neutrale Prüfungsautorität in Anspruch, die dem Einfluss des Mediums, vor dessen Veröffentlichung gewarnt wird, entzogen seien. Diese Position der Beklagten werde durch die von ihr verwendete Top-Level-Domain „.org“ untermauert. Tatsächlich sei die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Wettbewerberin um Spenden und Zuwendungen ebenso wie aufgrund ideologischer Voreingenommenheit nicht geeignet, neutral als „Faktenprüfer“ für Facebook zu agieren.Abs. 20
Die fehlende Neutralität der Beklagten zeige sich schon an der intransparenten Schieflage bei der Auswahl der Prüfobjekte, da die Beklagte selbst erkläre, etablierte Medien nicht überprüfen zu wollen. Auch die streitgegenständliche Bewertung sei willkürlich gesucht und vorsätzlich irreführend, wenn der Begriff „Wissenschaftler“ in bestimmter, abweichender Weise definiert oder die Wissenschaftlichkeit der Äußerungen in dem in Bezug genommenen offenen Brief diskreditiert werde.Abs. 21
Schließlich seien auch die Unternehmensinteressen von Facebook zu berücksichtigen, das auf dem Markt für soziale Netzwerke marktbeherrschend sei und seine Marktmacht missbrauche. Die Klägerin habe demgegenüber keine Möglichkeit, den Monopolisten Facebook zu substituieren. Die Löschungspraxis von Facebook sei erratisch und voreingenommen, was einer objektiven Maßstäben verpflichteten Beurteilung ungeachtet eines Einflusses auf die Löschungspraxis im Einzelfall diametral entgegenstehe.Abs. 22
Die streitgegenständliche Verknüpfung sei vor diesem Hintergrund unlauter und irreführend, aber auch unter dem Gesichtspunkt der schmarotzerischen Ausbeutung der Werbewirkung eines fremden Erzeugnisses wettbewerbswidrig.Abs. 23
Die Klägerin hat beantragt:Abs. 24
Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre),Abs. 25
verbotenAbs. 26
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken das Posten und/oder Teilen eines Artikels der Antragstellerin durch Nutzer des sozialen Netzwerks Facebook mit den Hinweisen:Abs. 27
„(B.).ORG Fact-CheckAbs. 28
Nein: Es sind nicht ‚500 Wissenschaftler‘:Abs. 29
Behauptungen teils falsch“Abs. 30
und/oderAbs. 31
„Weitere Bewertung durch FaktenprüferAbs. 32
Bevor du diesen Inhalt teilst, solltest du wissen,Abs. 33
dass es weitere Bewertungen von (B.) gibt“Abs. 34
(B.).ORG Fact-CheckAbs. 35
Nein: Es sind nicht ‚500 Wissenschaftler‘;Abs. 36
Behauptungen teils falsch“Abs. 37
zu verknüpfen und/oder verknüpfen zu lassen, wenn dies geschieht, wie unter facebook.com mit den hier eingeblendeten HinweisenAbs. 38
und/oderAbs. 39
geschehen.Abs. 40
Die Beklagte hat beantragt,Abs. 41
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.Abs. 42
Sie hat geltend gemacht:Abs. 43
Es liege keine geschäftliche Handlung der Beklagten vor. Die Beklagte handle allein aus journalistisch-redaktionellen Motiven in Bezug auf die Debatte um den Klimaschutz, und mithin in einer Angelegenheit, welche die Öffentlichkeit wesentlich berühre. Sie handle nicht mit der Absicht, mit ihrer Tätigkeit bei Facebook den Wettbewerb über das mit der Wahrnehmung ihrer publizistischen Aufgabe zweckmäßige Maß hinaus zu eigennützigen wirtschaftlichen Zwecken zu fördern. Die Berichterstattung der Medien könne nicht mit wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen unterbunden werden. Dass das Wettbewerbsverhältnis fehle, sei schon dadurch belegt, dass jemand, der für die Klägerin zu spenden bereit sei, niemals auf die Idee käme, für die Beklagte zu spenden. Bei der hiesigen Auseinandersetzung gehe es zudem nicht um den Wettbewerb um Spenden, Anzeigen werbender Unternehmen oder um zahlende Abonnenten. Es gehe lediglich darum, dass die Klägerin auf einem bestimmten publizistischen Kanal eine fragwürdige These formuliert habe, der die Beklagte im selben Forum widerspreche.Abs. 44
Die Klägerin sei vertraglich sowohl gegenüber Facebook als auch gegenüber der Beklagten zur Duldung des Hinweises verpflichtet und die Beklagte habe sich bei der streitgegenständlichen Bewertungshandlung an ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Facebook gehalten. Soweit die Klägerin behaupte, die Reichweite ihrer Meldung werde durch die streitgegenständliche Verknüpfung mit dem Faktencheck verringert, erkläre sich die Beklagte hierzu mit Nichtwissen.Abs. 45
Die Klägerin sei durch den Hinweis auf Facebook allenfalls mittelbar betroffen. Die Beklagte tätige keine Aussage über die Klägerin. Der Beitrag der Beklagten befasse sich ausschließlich mit dem von der Klägerin in Bezug genommenen offenen Brief der 500 Personen. Ein Unwerturteil über die Klägerin sei darin nicht enthalten. Ihr sozialer Geltungsanspruch werde dadurch mangels Betroffenheit nicht beeinträchtigt. Die streitgegenständliche Äußerung enthalte, zumal in der gebotenen Beurteilung im gesamten Kontext, auch keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern – auch im Hinblick auf die Bildung des Begriffs des Wissenschaftlers anwendbare – Wertungen. Zur Tatsachenbehauptung mache dies auch nicht der Begriff des „Fact-Checks“. Soweit man schließlich in dem Beitrag der Beklagten einen Tatsachenkern im Hinblick auf die dortigen Äußerungen zum Klimawandel erkennen wollte, stimmte dieser mit der Wahrheit überein.Abs. 46
Jedenfalls sei der Schutz des Art. 5 GG zu bedenken. Der kommerzielle Zusammenhang schließe nicht aus, dass die Veröffentlichung auch der Information der Allgemeinheit diene und der Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit erstrecke sich auf kommerzielle Meinungsäußerungen mit wertendem, meinungsbildendem Inhalt.Abs. 47
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.Abs. 48
Es hat offen gelassen, ob die beanstandete Tätigkeit der Beklagte eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstelle. Mit dem gegen Aufwandsentschädigung erbrachten Faktencheck auf einem mit Marktmacht ausgestatteten sozialen Netzwerk und der Verknüpfung ihrer Inhalte mit der Werbung eines Mitbewerbers bewege sich die Beklagte aber an der Grenze der in der Rechtsprechung etablierten Kontrapunkte der Beurteilung von Medienveröffentlichungen als geschäftliches Handeln i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Auch die Frage, ob die Parteien in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG stehen, hat das Landgericht offen gelassen.Abs. 49
Denn jedenfalls liege keine unlautere Handlung der Beklagten vor.Abs. 50
Das streitgegenständliche Verhalten der Beklagten sei nicht unlauter i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG infolge Herabsetzung oder Verunglimpfung der Leistungen der Klägerin.Abs. 51
Zwar sei die Klägerin durch den Faktencheck in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und als Medienunternehmen ebenso in ihrer Grundrechtsposition aus Art. 5 Abs. 1 GG betroffen und in ihren Werbemöglichkeiten und möglicherweise auch in der Reichweite ihrer Werbung eingeschränkt. Denn der angesprochene Verkehr könne aufgrund der Bewertung des Beitrags durch die Beklagte als „Faktenprüferin“ mit „teils falsch“ an der journalistischen Leistung der Klägerin zweifeln und diese mit verringerter Wertschätzung bedenken.Abs. 52
Aber auch der Inhalt des verlinkten Beitrags der Beklagten falle in den Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG. Der Beitrag sei insgesamt als Meinungsäußerung zu bewerten. Eine Einschränkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit durch lauterkeitsrechtliche Bestimmungen setze die Feststellung einer Gefährdung des an der Leistung orientierten Wettbewerbs voraus. Bei werblichen Äußerungen über Themen von erhöhter gesellschaftlicher, politischer oder sozialer Bedeutung, die zum geistigen Meinungskampf in der Öffentlichkeit anregen sollen, unterliege der Nachweis einer solchen Gefährdung besonders hohen Anforderungen.Abs. 53
In der gebotenen Gesamtabwägung erweise sich das angegriffene Verhalten der Beklagten unter Berücksichtigung der legitimen Interessen von Facebook und der Beklagten nicht als unlautere Herabsetzung und die Beeinträchtigung sei von der Klägerin hinzunehmen. Es sei ein legitimes Ziel von Medienintermediären wie „facebook“, sogenannte „Echokammern“ und „Filterblasen“ zu verhindern. Der Eingriff sei unter dem Gesichtspunkt der Einwirkung auf den Wettbewerb moderat. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin selbst in die öffentliche mediale Auseinandersetzung begeben habe.Abs. 54
Auch unter dem Gesichtspunkt der gezielten Mitbewerberbehinderung (§ 4 Nr. 4 UWG) sei die Handlung der Beklagten nicht unlauter, da keine der darunter anerkannten Fallgruppen eingriffen: Die Beklagte habe nicht die Kunden der Klägerin ausgespannt oder abgefangen, da es keine Wechselwirkung in dem Sinne gebe, dass der angesprochene Verkehr sich dem Artikel der Beklagten zu- und zwingend im selben Zuge – abwerbungsgleich – vom Artikel der Klägerin abwende. Es würde nicht Kunden, die sich für das Angebot der Klägerin entschieden hätten, bei der Umsetzung ihres Entschlusses auf das Angebot der Klägerin umgelenkt. Eine unlautere Behinderung ergebe sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Ausnutzung einer fremden Einrichtung, da die Einrichtung, auf die insoweit abgestellt werden könnte – das soziale Netzwerk – nicht von der Klägerin, sondern von Facebook zur Verfügung gestellt werde. Auch auf die Dienstleistung der Klägerin werde nicht unmittelbar – und damit nicht unlauter – eingewirkt.Abs. 55
Damit konzentriere sich der im Hinblick auf § 4 Nr. 4 UWG zu beurteilende Sachverhalt auf den Vorwurf, die Beklagte erlange einerseits die Werbewirkung zu Gunsten ihres eigenen Artikels nur durch Ausnutzung der fremden Werbebemühungen und beeinträchtige andererseits durch die Verknüpfung fremder Artikel mit ihren eigenen die Klägerin in ihren Werbebemühungen, namentlich durch eine Einschränkung von deren Reichweite durch Einwirkung auf die Nutzer. Auch unter diesem Gesichtspunkt hänge die Annahme einer unlauteren Handlung letztlich von einer Interessenabwägung ab, die – ebenso wie im Rahmen des § 4 Nr. 1 UWG – zu Lasten der Klägerin ausfalle.Abs. 56
Medienkritik sei grundsätzlich selbst dann zulässig, wenn sie subjektiv einseitig zum Nachteil eines Mitbewerbers erfolge. Es handle sich bei der Frage des Klimaschutzes um eine Frage von breitem öffentlichem Interesse. Zudem sei die Vermeidung von „Filterblasen“ ein legitimes Ziel der Beklagten. Es könne auch keine Irreführung dahingehend festgestellt werden, dass sich die Beklagte eine tatsächlich nicht gegebene Objektivität anmaße. Die Beklagte habe nicht primär im wettbewerblichen Interesse, sondern als gemeinnütziges Medienorgan gehandelt.Abs. 57
Auch im Verhältnis zu Facebook erscheine die Faktenprüfung nicht unlauter. Dass sich Facebook der Mitwirkung Dritter bediene, sei nicht zu beanstanden. Eine andere Möglichkeit zur Verhinderung von „Filterblasen“ als durch technische Verknüpfung auf andere Erkenntnisquellen hinzuweisen, bestehe nicht.Abs. 58
Insgesamt sei auch die konkrete Ausgestaltung des Faktenchecks verhältnismäßig. Die Beiträge der Parteien seien deutlich voneinander abgegrenzt. Der Beklagten falle auch keine Willkür zur Last. Dass sie etablierte Medien nicht überprüfe, sei aus Kapazitätsgründen nachvollziehbar. Nach alledem liege in dem Handeln der Beklagten auch keine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 Abs. 1 UWG oder § 5a Abs. 6 UWG; auch deliktische Ansprüche bestünden nicht.Abs. 59
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag in vollem Umfang weiter.Abs. 60
Sie macht geltend, das Landgericht habe den zentralen Aspekt des vorliegenden Falles nicht hinreichend berücksichtigt. Dieser liege nicht in der Frage, in welchem Umfang mediale Kritik gerechtfertigt sei, sondern darin, dass die Beklagte aufgrund der ihr von Facebook verliehenen Machtbefugnisse einen Warnhinweis und einen eigenen Beitrag mit dem Beitrag der Klägerin verknüpft habe. Die Vermeidung von Filterblasen sei kein legitimes Ziel, vielmehr umfasse der Grundrechtsschutz auch die Freiheit der Meinungsbildung. Eine Verpflichtung, eine bestimmte Meinung zur Kenntnis nehmen zu müssen, sei damit nicht vereinbar. Zudem sei es widersprüchlich, die Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit der Klägerin mit dem Schutz und der Förderung des Meinungspluralismus zu begründen. Es sei auch nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar, dass das Landgericht Facebook und der Beklagten die Befugnis zugestehe, zwischen „guten“ und „schlechten“ Meinungen zu differenzieren.Abs. 61
Die Klägerin hält daran fest, dass die Parteien Wettbewerber seien, weil sie im Hinblick auf den Vertrieb publizistischer Leistungen und um Zuwendungen in Form von Spenden oder Unterstützungsleistungen für einzelne Beiträge konkurrierten, und dass das streitgegenständliche Verhalten der Beklagten eine geschäftliche Handlung sei.Abs. 62
Zu Recht habe das Landgericht die Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Nr. 1 UWG bejaht; auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 4 UWG seien gegeben. In der bewussten Abwertung des Beitrags der Klägerin liege ein Abfangen von Kunden. Die Erwägungen des Landgerichts zu den übrigen Fallgruppen überzeugten nicht, da das Landgericht jeweils nur Teilaspekte betrachtet habe. Die Beklagte beute das Angebot der Klägerin schmarotzerisch aus, indem sie die Nutzer auf ihre eigene Webseite umleite und dort für Spenden werbe. Die Verknüpfung der Angebote sei ebenso eine Veränderung wie das Überdrucken von Telefonkarten; überdies sei die Funktion der Weitergabe auf Facebook (durch Teilen) beeinträchtigt.Abs. 63
Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Bewertung des Artikels der Klägerin als „teils falsch“ fehlgehe, weil es sich bei dem Beitrag um eine Meinungsäußerung handle. Diese sei der Bewertung als richtig oder falsch nicht zugänglich. Zudem sei der Anlass für die Bewertung als „teils falsch“ – der persönliche und berufliche Hintergrund der Autoren des Beitrags – willkürlich gesucht und damit irreführend.Abs. 64
Irreführend sei die Warnung auch, weil sie den falschen Eindruck erwecke, sie stamme von einer neutralen und uneigennützigen Instanz, die Tatsachen – und nicht Werturteile – prüfe. An der Neutralität fehle es aber schon dann, wenn der Prüfer in irgendeiner Weise mit Herstellern, Anbietern oder deren Verbänden rechtlich oder wirtschaftlich verbunden sei.Abs. 65
Der Wettbewerbsverstoß könne nicht mit äußerungspolitischen oder medienpolitischen Erwägungen gerechtfertigt werden. Die Klägerin könne sich auf die Meinungs- und die Pressefreiheit berufen; dazu gehöre auch die ungehinderte Verbreitung. Deren Einschränkung sei nicht durch eine entsprechende Gegenposition der Beklagten gerechtfertigt. Deren Kommunikationsgrundrechte seien nicht beeinträchtigt, wenn sie ihre Handlungen unterlassen müsse. Die gegenteilige Ansicht des Landgerichts – es bestehe ein Recht darauf, die Meinung der Beklagten mit der der Klägerin zu verknüpfen – laufe auf eine unzulässige Meinungssteuerung hinaus. Zudem sei auch im Rahmen der Grundrechteabwägung das Ungleichgewicht der Kräfte zu berücksichtigen.Abs. 66
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.Abs. 67
Sie betont, dass kein Wettbewerbsverhältnis vorliege, weil es ausgeschlossen sei, dass jemand, der für die Klägerin spenden würde, auch auf die Idee kommen würde, für die Beklagte zu spenden. Es handle sich bei dem Warnhinweis auch nicht um eine geschäftliche Handlung der Beklagten, denn diese handle ausschließlich gemeinnützig zu journalistisch-redaktionellen Zwecken. Das bloße Werben um Spenden durch gemeinnützige Organisationen stelle keine Wettbewerbshandlung dar. Auch in ihrer Aufgabe als unabhängige Faktenprüferin verfolge die Beklagte ideelle Zwecke. Die Aufwandsentschädigung durch Facebook ändere daran nichts: Diese stehe völlig im Schatten des ehrenwerten Zieles, „Echokammern“ und Desinformation zu bekämpfen.Abs. 68
Dieses Ziel dürfe Facebook im Rahmen seines „virtuellen Hausrechts“ verfolgen. Eine Herabsetzung, Irreführung oder gezielte Behinderung der Klägerin scheide schon deswegen aus, weil die Klägerin vertraglich sowohl gegenüber Facebook als auch gegenüber der Beklagten zur Duldung des Hinweises verpflichtet sei und die Beklagte sich bei der antragsgegenständlichen Bewertungshandlung an ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Facebook gehalten habe. Der Faktencheck sei nicht geeignet, irrige Vorstellungen bei dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher zu erregen. Die Beklagte handle transparent und neutral. Sie maße sich durch die Bezeichnung als „Faktenprüfer" auch keine ihr tatsächlich nicht zukommende Objektivität an. Denn unter der Wertung des Art. 5 Abs. 1 GG könne Medienkritik durch ein redaktionell-journalistisches Medium, wie der Beklagten, nicht untersagt werden.Abs. 69
Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung sei überdies zu berücksichtigen, dass es sich beim verlinkten Beitrag der Beklagten nicht um unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern um Meinungsäußerungen handle, die einen Gegenstand von großem öffentlichen Interesse beträfen. Es sei auch europarechtlich geboten, Einzelpersonen möglichst vielseitig zu informieren. Dazu sei es erforderlich, die Artikel zu verknüpfen, damit der Nutzer beide Ansichten nebeneinander lese. Die Kenntnisnahme und Verbreitung des Artikels der Klägerin werde dadurch nicht behindert.Abs. 70
Aus den genannten Gründen liege auch keine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG oder der selbstständige Unlauterkeitstatbestand des § 5a Abs. 6 UWG vor.Abs. 71
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2020 verwiesen.Abs. 72
II.Abs. 73
Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.Abs. 74
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nach §§ 8 Abs. 1 Satz 1; 4 Nr. 1 UWG zu. Das streitgegenständlichen Verhalten stellt eine geschäftliche Handlung (1.) unter Mitbewerbern (2.) dar, durch die das Angebot der Klägerin herabgesetzt wird (3.). Der Verfügungsgrund wird vermutet (4.). Der Tenor war gegenüber der Antragstellung geringfügig anzupassen (5.).Abs. 75
1.Abs. 76
Das von der Klägerin gerügte Verhalten – das Einstellen des streitgegenständlichen Eintrags der Beklagten auf Facebook und dessen Verknüpfung mit dem Eintrag der Klägerin – stellt eine geschäftliche Handlung der Beklagten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG dar. Das Landgericht hat die Frage zwar offen gelassen, aber die Aspekte benannt, aufgrund derer sich der geschäftliche Charakter ergibt.Abs. 77
a.Abs. 78
Nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 1 UWG ist „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Der Begriff der geschäftlichen Handlung grenzt den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts gegenüber dem allgemeinen Deliktsrecht ab. Deshalb ist das Merkmal des „objektiven Zusammenhangs“ funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (BGH, GRUR 2013, 945 Rn. 17 – Standardisierte Mandatsbearbeitung). Eine Wettbewerbsförderungsabsicht setzt der Tatbestand des § 2 Nr. 1 UWG nicht voraus (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 2 Rn. 46).Abs. 79
Dabei kann sich die Beklagte als Medienorgan auf die in Art. 5 GG verbürgte Presse-, Rundfunk- und Meinungsfreiheit berufen, die auch bei der Anwendung des Lauterkeitsrechts zu berücksichtigen sind (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 2 Rn. 63). Ein redaktioneller Beitrag ist daher nicht als geschäftliche Handlung zu qualifizieren, wenn er allein der Information und Meinungsbildung seiner Adressaten dient (BGH, Urteil vom 19.05.2011, I ZR 147/09 – Coaching-Newsletter – juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 17.12.2015, I ZR 219/13 – Dr. Estrich – juris Rn. 11). Ist in dem Beitrag dagegen auch oder sogar vorrangig das Ziel der Absatzwerbung und -förderung erkennbar, handelt es sich um eine geschäftliche Handlung (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 2 Rn. 67). Das gilt auch für die kritische Medienberichterstattung; hier ist für die Annahme einer Absatzförderung besondere Zurückhaltung geboten (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 31.07.2014, 6 U 74/14 = GRUR-RR 2015, 298, Rn. 9; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 18.6.2015, 6 U 46/14 = GRUR-RR 2016, 14, Rn. 21).Abs. 80
Der objektive Zusammenhang mit der Absatzförderung kann darin liegen, dass dem Leser des Beitrags der Eindruck vermittelt wird, der Urheber des Beitrags sei ein besonders fachkundiger, wissenschaftlichem Arbeiten verpflichteter und damit seriöser Anbieter (BGH, Urteil vom 19.05.2011, I ZR 147/09 – Coaching-Newsletter – juris Rn. 16) oder wenn die Veröffentlichung auch darauf abzielt, die eigene Reputation und Wettbewerbsstellung des Autors zum Nachteil des kritisierten Konkurrenten zu verbessern (BGH, Urteil vom 17.12.2015, I ZR 219/13 – Dr. Estrich – juris Rn. 12). Zudem ist zu unterscheiden zwischen der Veröffentlichung selbst und deren Nennung und Verlinkung an anderer Stelle. Wird etwa in einem Newsletter auf einen redaktionellen Beitrag verwiesen, ist dessen Inhalt bei der lauterkeitsrechtlichen Bewertung des Newslettereintrags zwar mit zu berücksichtigen, der Hinweis teilt aber nicht insgesamt den Charakter des Beitrags. Selbst wenn der Beitrag als reine Meinungsäußerung zu qualifizieren ist und nicht dem Lauterkeitsrecht unterfällt, kann es sich bei dem Hinweis und der Verlinkung um eine geschäftliche Handlung handeln, wenn bei diesen – anders als beim Beitrag selbst – ein objektiver Zusammenhang mit der Absatzförderung besteht (BGH, Urteil vom 19.05.2011, I ZR 147/09 – Coaching-Newsletter – juris Rn. 15f., 38).Abs. 81
b.Abs. 82
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Hinweis um eine geschäftliche Handlung zugunsten der Beklagten.Abs. 83
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist zunächst die Tätigkeit der Beklagten als Faktenprüferin auf Facebook von ihrer sonstigen Betätigung als Medienorgan zu unterscheiden. Während die allgemeine publizistische Tätigkeit der Beklagten zum Großteil spendenfinanziert ist, erhält die Beklagte für die Tätigkeit als Faktenprüferin eine Aufwandsentschädigung von Facebook in unbekannter Höhe. Dementsprechend trennt die Beklagte die beiden Geschäftsbereiche auch organisatorisch; ihr Geschäftsführer hat in einem Interview ausgeschlossen, „dass Geld von Spendern oder projektgebundenen Mitteln in irgendeiner Form für die Arbeit bei Facebook verwendet wird“ und die Arbeit auf Facebook eher mit dem „Zweckbetrieb“ der Beklagten in Zusammenhang gebracht (Anlage (KV.) 14, S. 3). Anders als bei der sonstigen publizistischen Tätigkeit kann die Beklagte auch Inhalt, Länge und Format der Bewertungen auf Facebook nicht frei wählen. Inhaltlich ist die Beklagte an die Kategorien gebunden, die als Bewertungskriterien vorgegeben sind (Anlage AG 3). Eine Begründung für die Bewertung ist – soweit ersichtlich – fakultativ, deren Veröffentlichung erfolgt jedenfalls in einem anderen Medium und kann auf Facebook nur verlinkt werden. Das ergibt sich aus der Gestaltung des streitgegenständlichen Hinweises ebenso wie aus dem als Anlage AG 2 vorgelegten Auszug aus den Nutzungsbedingen: „Wenn Faktenprüfer Artikel mit zusätzlichen Informationen zu einer Meldung verfassen, siehst du diese in deinem News Feed direkt unter dem Beitrag im Bereich Mehr zum Thema.“ (Hervorhebungen hinzugefügt). All dies charakterisiert die Tätigkeit der Beklagten auf Facebook als entgeltliche Prüfungs- und Bewertungstätigkeit, die mit ihrer von Meinungs- und Pressefreiheit geschützten publizistischen Tätigkeit nur über die – fakultative – Verknüpfung auf anderweitige Veröffentlichungen in Zusammenhang steht.Abs. 84
Dass die Beklagte in dem mit dem streitgegenständlichen Hinweis verknüpften Beitrag zu einem in der Öffentlichkeit intensiv diskutierten Thema Stellung bezogen hat, ist deshalb bei der Bewertung des auf Facebook veröffentlichten Hinweises zwar zu berücksichtigen, entzieht diesen Hinweis selbst aber nicht der lauterkeitsrechtlichen Kontrolle. Dieser teilt insgesamt nicht den Charakter des in Bezug genommenen Beitrags als publizistische Meinungsäußerung, vielmehr stehen wirtschaftliche und geschäftliche Aspekte im Vordergrund.Abs. 85
Denn die Beklagte profitiert von dem Hinweis in zweierlei Hinsicht: Zum einen erhält sie die im Rahmen des Kooperationsvertrages von Facebook gewährte Aufwandsentschädigung, zum anderen wirkt der Hinweis als Werbung für die Beklagte. Deren Position als Faktenprüferin ist geeignet, sie als besonders fachkundigen, neutralem Arbeiten verpflichteten und damit seriösen Anbieter auszuweisen. Dies verbessert die Reputation und Wettbewerbsstellung der Beklagten. Überdies erhöht die Verlinkung auf den Beitrag der Beklagten die Bekanntheit und Verbreitung dieses Beitrags und auch die Bekanntheit der Beklagten selbst. Indem interessierte Nutzer auf die Webseite der Beklagten weitergeleitet werden, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass einige Nutzer den dortigen Spendenaufrufen folgen und die Beklagte damit höhere Einnahmen generiert. Die Einwerbung von Spenden zur Finanzierung der eigenen, dauerhaften Tätigkeit des Einwerbenden stellt jedenfalls dann eine geschäftliche Handlung dar, wenn der Einwerbende als Anbieter von Leistungen auftritt, die im geschäftlichen Verkehr nur gegen Entgelt erbracht zu werden pflegen, und wenn der Anbieter tatsächlich wie ein Unternehmer auf dem Markt auftritt (LG Berlin, Urteil vom 22.07.2011, 15 O 138/11; LG Köln, Urteil vom 11.12.2007, 33 O 195/07; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 2 Rn. 41). Ist Letzteres der Fall, steht es der Annahme einer geschäftlichen Handlung auch nicht entgegen, dass der Anbieter in einer gemeinnützigen Form organisiert ist (BGH, Urteil vom 17.10.2013, I ZR 173/12 – Werbung für Fremdprodukte – juris Rn. 13; Bähr, in: Münchener Kommentar-Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2020, § 2 Rn. 24f.; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 2 Rn. 28).Abs. 86
2.Abs. 87
Die Klägerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG als Mitbewerberin aktivlegitimiert.Abs. 88
Das Landgericht hat die Voraussetzungen dafür im angegriffenen Urteil (S. 17f.) dargestellt und zutreffend ausgeführt, dass dann, wenn das Verhalten der Beklagten als geschäftliche Handlung anzusehen ist, auch ein Wettbewerbsverhältnis nicht zu verneinen ist. Denn es stellen sich im Wesentlichen dieselben Wertungsfragen.Abs. 89
a.Abs. 90
Mitbewerber ist nach § 2 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht.Abs. 91
Vom erforderlichen konkreten Wettbewerbsverhältnis ist auszugehen, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann. Da im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu stellen sind, reicht es hierfür aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist daher anzunehmen, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann, wobei nicht ausreichend ist, wenn die Maßnahme den anderen nur irgendwie in seinem Marktstreben betrifft und zwar eine Beeinträchtigung vorliegt, es aber an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt (BGH, Urteil vom 26.01.2017, I ZR 217/15 = GRUR 2017, 918, Rn. 16 – Wettbewerbsbezug; BGH, Urteil vom 19.04.2018, I ZR 154/16 = NJW 2018, 3640, Rn. 17 – Werbeblocker II; BGH, Urteil vom 10.4.2014, I ZR 43/13 = GRUR 2014, 1114 Rn. 24-32 – nickelfrei; st. Rspr.).Abs. 92
b.Abs. 93
Danach sind die Parteien Mitbewerber.Abs. 94
Ein Wettbewerbsverhältnis ist zwar nicht darin zu sehen, dass die Parteien durch die auf ihren jeweiligen Webseiten veröffentlichten Beiträgen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Ansichten – hier über die Frage des Klimawandels – konkurrieren. Denn die Konkurrenz der Meinungen steht unter dem Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit und ist der lauterkeitsrechtlichen Kontrolle weitgehend entzogen.Abs. 95
Das gilt aber nicht in gleicher Weise für die wirtschaftliche Dimension des Wettbewerbs um die Verbreitung des Angebots. Medienunternehmen sind auf die möglichst weite Verbreitung ihrer Publikationen angewiesen, um Einnahmen zu generieren – sei es in Form von direkten Entgelten, in Form von Drittwerbung oder Spenden –, und stehen insoweit auch in einem wirtschaftlichen Wettbewerb um den Absatz ihrer Leistungen. Mit Tätigkeiten, bei denen dieser Aspekt im Vordergrund steht – und bei denen es sich damit um geschäftliche Handlungen nach § 2 Nr. 1 UWG handelt – stehen Medienunternehmen daher grundsätzlich auch in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander im Sinne des § 2 Nr. 3 UWG.Abs. 96
Das gilt auch für den hier in Frage stehenden Hinweis der Beklagten auf Facebook. Dieser ist einerseits geeignet, die Verbreitung des Eintrags der Klägerin zu behindern – dass er gerade darauf abzielt, ist nicht erforderlich – und fördert andererseits – wie dargelegt – den Absatz der Beklagten. Das Verhältnis zwischen der Klägerin, die durch den Anreißer auf Facebook letztlich ihr Angebot bewirbt, und der Beklagten, die in ihrer Funktion als Faktenprüferin die Verbreitung dieses Angebots behindert, ist vergleichbar mit dem Verhältnis zwischen dem Betreiber einer Webseite und dem Anbieter eines Spam-Filters (OLG Hamm, Urteil vom 01.03.2007, 4 U 142/06 – juris Rn. 32) oder eines Werbeblockers (BGH, Urteil vom 19.04.2018, I ZR 154/16 – juris Rn. 18 – Webeblocker II). Insoweit besteht eine direkte Wechselwirkung zwischen dem Nachteil für die Klägerin und dem Vorteil für die Beklagte.Abs. 97
Der Einwand der Beklagten, ein Wettbewerbsverhältnis sei schon wegen der unterschiedlichen politischen Ausrichtung der Parteien ausgeschlossen und ein Nutzer, der für die Klägerin spenden würde, würde niemals für die Beklagte spenden, greift demgegenüber nicht. Gerade weil die Parteien unterschiedliche politische Ansichten vertreten, stehen sie in einem Konkurrenzverhältnis. Es ist der Kardinalzweck ihrer publizistischen Tätigkeit, Nutzer für sich zu gewinnen. Dabei ist unerheblich, ob dieser Wettbewerb nach der Vorstellung der Parteien nur bezüglich noch unentschlossener Nutzer Erfolg verspricht oder die Parteien auch die Vorstellung haben, Anhänger des jeweiligen Konkurrenten von diesem abzuwerben. Nichts Anderes gilt für den geschäftlichen Aspekt ihrer Tätigkeit.Abs. 98
3.Abs. 99
Der streitgegenständliche Hinweis ist auch unlauter, da er die Dienstleistung und Tätigkeit der Beklagten herabsetzt.Abs. 100
a.Abs. 101
Die Voraussetzungen, unter denen eine geschäftliche Handlung als Herabsetzung oder Verunglimpfung nach § 4 Nr. 1 UWG anzusehen ist, hat das Landgericht im angegriffenen Urteil (S. 19) zutreffend dargestellt:Abs. 102
Herabsetzung ist die sachlich nicht gerechtfertigte Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers, seines Unternehmens oder seiner Leistungen durch ein abträgliches Werturteil oder eine abträgliche wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung. Verunglimpfung ist eine gesteigerte Form der Herabsetzung und besteht in der Verächtlichmachung des Mitbewerbers ohne sachliche Grundlage (BGH, Urteil vom 01.03.2018, I ZR 264/16, GRUR 2018, 622 Rn. 15 – Verkürzter Versorgungsweg II; BGH, Urteil vom 31.03.2016, I ZR 160/14, GRUR 2016, 710 Rn. 38 – Im Immobiliensumpf mwN). Ob eine Herabsetzung oder Verunglimpfung vorliegt, beurteilt sich ungeachtet der Absicht des äußernden Mitbewerbers nach dem Sinngehalt der Äußerung im Eindruck der angesprochenen oder erreichten Verkehrskreise aus der Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten (vgl. BGH, Urteil vom 19.05.2011, I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 Rn. 22 – Coaching-Newsletter; BGH, Urteil vom 22.02.2005, KZR 2/04, GRUR 2005, 609 (610) – Sparberater II). Dies erfordert eine Gesamtwürdigung, bei der die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Inhalt und die Form der Äußerung, ihr Anlass und der Zusammenhang, in den sie gestellt ist sowie die Verständnismöglichkeiten des angesprochenen Verkehrs zu berücksichtigen sind. Die Unzulässigkeit einer Äußerung darf also nicht aus den gewählten Formulierungen allein gefolgert werden; vielmehr sind sie im Gesamtzusammenhang zu betrachten und es ist eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2018, I ZR 264/16, GRUR 2018, 622 Rn. 35, 40 – Verkürzter Versorgungsweg II; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 38. Aufl., § 4 Rn. 1.13). Bei der Würdigung sind nicht nur die unmittelbaren Äußerungen, sondern auch Links auf andere Äußerungen einzubeziehen, soweit sie erkennbar als Beleg und Ergänzung dienen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 19.05.2011, I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 Rn. 23, 24 – Coaching-Newsletter). Im Rahmen der Gesamtwürdigung sind auch die widerstreitenden Interessen und die betroffenen Grundrechte der Beteiligten, nämlich die Meinungsfreiheit des Äußernden (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Schutz des geschäftlichen Rufs des Mitbewerbers nach Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2018, I ZR 264/16, GRUR 2018, 622 Rn. 15, 31 – Verkürzter Versorgungsweg II; BGH, Urteil vom 31.03.2016, I ZR 160/14, GRUR 2016, 710 Rn. 38 – Im Immobiliensumpf; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 38. Aufl. 2020, UWG § 4 Rn. 1.13). Ein beeinträchtigendes Werturteil kann danach umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für den Adressatenkreis ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert bzw. in welchem Maß der Mitbewerber beeinträchtigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2018, I ZR 264/16, GRUR 2018, 622 Rn. 35 – Verkürzter Versorgungsweg II). Umgekehrt ist der Schutz der Pressefreiheit umso geringer, je weniger ein Presseerzeugnis der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse oder der Einwirkung auf die öffentliche Meinung dient und je mehr es eigennützige Geschäftsinteressen verfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2015, I ZR 136/13, GRUR 2015, 906 Rn. 37 – TIP der Woche; BGH, Urteil vom 01.03.2018, I ZR 264/16, GRUR 2018, 622 Rn. 35 – Verkürzter Versorgungsweg II). Unerheblich sind dagegen regelmäßig die Vorstellungen und Absichten des Handelnden. Es kommt daher nicht darauf an, ob er um die Bedeutung oder Wirkung seines Handelns wusste, geschweige denn die Absicht hatte, den Mitbewerber herabzusetzen. Der subjektive Tatbestand spielt nur beim Schadensersatzanspruch eine Rolle (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 4 Rn. 1.13).Abs. 103
Soweit Äußerungen und deren Schutz nach Art. 5 GG in Frage stehen, ist die Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil von entscheidender Bedeutung. Tatsachen sind Vorgänge oder Zustände, die dem Wahrheitsbeweis zugänglich sind. Werturteile sind hingegen durch das Element des Wertens, Meinens und Dafürhaltens gekennzeichnet. Die Einstufung einer Äußerung bestimmt sich danach, wie der angesprochene Verkehr sie nach Form und Inhalt in ihrem Gesamtzusammenhang versteht (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.2016, I ZR 160/14, GRUR 2016, 710 Rn. 23 – Im Immobiliensumpf; st. Rspr.). Vermengt eine Äußerung Tatsachen und Meinungen, so kommt es darauf an, ob sie insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird. Ist das der Fall, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (BGH, Urteil vom 04.04.2017, VI ZR 123/16 – juris Rn. 26f.; BGH, Urteil vom 16.12.2014, VI ZR 39/14 – juris Rn. 8f. – Hochleistungsmagneten; st. Rspr.). Stützt sich das Werturteil auf Tatsachen, ist deren Wahrheitsgehalt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen von Bedeutung. Beruht die Meinungsäußerung auf einem erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Wahre Tatsachenbehauptungen und darauf gestützte Meinungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden (BGH, Urteil vom 16.12.2014, VI ZR 39/14 – juris Rn. 21 - Hochleistungsmagneten; st. Rspr.).Abs. 104
b.Abs. 105
Nach diesen Grundsätzen bieten die Äußerungen der Beklagten für sich genommen keinen Anlass für Beanstandungen oder gar ein lauterkeitsrechtliches Unterlassungsverlangen (aa.). Eine Herabsetzung der Äußerung der Klägerin liegt aber in der Art der Darstellung auf Facebook (bb.). Diese Herabsetzung muss die Klägerin bei umfassender Würdigung der Interessen nicht hinnehmen (cc.).Abs. 106
aa.Abs. 107
Die Äußerungen der Beklagten stehen unter dem starken Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG. Denn es handelt sich – wie das Landgericht im angegriffenen Urteil (S. 20f.) zu Recht ausgeführt hat – um eine Meinungsäußerung, die sich nicht auf unwahre Tatsachenbehauptungen stützt, sachlich gehalten ist und überdies ein Thema von großem allgemeinem Interesse betrifft. Zutreffend hat das Landgericht auch herausgestellt, dass die Medienkritik – auch durch Mitbewerber – zur Aufgabe der öffentlichen Medien gehört (Urteil S. 33).Abs. 108
Das Schwergewicht des angegriffenen Hinweises auf Facebook und des damit verknüpften Beitrags – die im Zusammenhang zu würdigen sind – liegt auf der Frage, ob es sich bei den Autoren des offenen Briefes um 500 Wissenschaftler handelt. Diese Frage ist in der Überschrift des Hinweises mit dem Ergebnis „Nein: Es sind nicht „500 Wissenschaftler“ herausgehoben und ihr ist auch ein großer Teil des verlinkten Beitrags gewidmet. Dabei geht es nicht um die Anzahl der Unterzeichner, sondern darum, ob diese nach ihrem fachlichen Hintergrund und ihrer Biographie als Wissenschaftler zu bezeichnen sind. Schon aufgrund der Unschärfe des Begriffs „Wissenschaftler“ ist dies eine Frage der Wertung, des Dafürhaltens und Meinens.Abs. 109
Daneben werden in dem Beitrag der Beklagten sechs Tatsachenbehauptungen aus dem „offenen Brief“ einer Prüfung unterzogen. Auch dies ist in dem angegriffenen Hinweis in Bezug genommen, indem auf „teils falsche Behauptungen“ in der Mehrzahl abgestellt wird. Die Überprüfung endet mit dem Ergebnis, dass die sechs überprüften Behauptungen – bis auf zwei – in Teilen richtig seien. Die Kritik im Fazit stützt sich nicht darauf, dass die Behauptungen falsch seien, sondern dass sie oft zentralen Kontext ausließen, etwa zu bisheriger Forschung oder der Einschätzung offizieller Stellen. Weil diese wichtigen Positionen fehlten, könnten die Behauptungen irreführend gelesen werden. Zudem wird gerügt, dass keine nachvollziehbaren Quellen, Belege oder Zitate angeführt würden; die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit sei insgesamt als „sehr gering" zu bewerten. Auch bei diesem Prüfungsergebnis handelt es sich nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Wertungen und Meinungen zur Belastbarkeit der in dem offenen Brief vertretenen Positionen.Abs. 110
Dass die Äußerungen der Beklagten unwahre Tatsachenbehauptungen enthielten – was den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG einschränken würde – ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Äußerungen der Beklagten sind auch sachlich gehalten und betreffen mit der Frage des Klimawandels eine Frage von hohem Allgemeininteresse. Eine solcherart geäußerte Medienkritik ist – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (Urteil S. 25) – insbesondere von demjenigen hinzunehmen, der sich selbst in die öffentliche Debatte begeben hat.Abs. 111
bb.Abs. 112
Eine Herabsetzung der Äußerung der Klägerin liegt aber in der Darstellung der Faktenprüfung auf Facebook. Insbesondere wird der Hinweis auf die Faktenprüfung durch die Beklagte aufgrund seiner Verknüpfung mit dem Anreißer der Klägerin von einem maßgeblichen Teil der angesprochenen und erreichten Facebook-Nutzer dahingehend missverstanden werden, dass sich die Überprüfung auf den Artikel der Klägerin bezogen habe. Im Zusammenspiel mit weiteren Umständen, die die Wertschätzung des Artikels der Klägerin beeinträchtigen, stellt dies eine in der Abwägung der beteiligten Interessen nicht mehr hinzunehmende Herabsetzung der journalistischen Leistung der Klägerin dar.Abs. 113
Die Verknüpfung zwischen dem angegriffenen Hinweis der Beklagten und dem Anreißer der Beklagten erweckt nach Überzeugung des Senats, dessen Mitglieder selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen, den Anschein, als sei die Klägerin die Urheberin der überprüften und als falsch kritisierten Aussagen. Tatsächlich wird der Artikel der Klägerin (Anlage (KV.) 6) aber nur in der Einleitung des Beitrags der Beklagten als eine von mehreren Veröffentlichungen genannt, in denen über den offenen Brief berichtet wurde. Nicht diese Berichterstattungen, sondern der offene Brief selbst wird an die Einleitung anschließend dann einer Faktenprüfung unterzogen. Gegenstand dieser Prüfung sind zum einen die in dem offenen Brief geäußerten Behauptungen, zum anderen die Fachgebiete der Verfasser und die im offenen Brief enthaltenen Angaben zu ihrer Biographie.Abs. 114
Keine dieser Angaben stammt von der Klägerin selbst; diese gibt in ihrem Artikel ausschließlich den Inhalt des offenen Briefes wieder. Dass diese inhaltliche Wiedergabe unzutreffend sei, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zutreffend ist allerdings, dass die Bezeichnung der Verfasser in der Überschrift des Artikels der Klägerin von derjenigen im offenen Brief abweicht. Diese werden in der Überschrift des Artikels der Klägerin als „500 Wissenschaftler“ und im Bericht selbst als „scientists and researchers“ bezeichnet, während sich die Verfasser im Brief selbst „scientists and professionals“ nennen. Davon thematisiert die Beklagte ihrerseits aber nur die Bezeichnung in der Überschrift („Die Verfasser des offenen Briefs behaupten selbst nicht, dass es sich bei den Unterzeichnern nur um Wissenschaftler handele.“, Anlage (KV.) 11), und auch diese nur knapp, als untergeordneten Aspekt. Die Verkürzung auf „Wissenschaftler“ betrifft überdies den Wortlaut einer Überschrift, in der eine Verknappung und Zuspitzung nicht nur üblich, sondern unerlässlich ist, und die vom Leser deshalb erwartet und für sein Verständnis einkalkuliert wird. Auf die unterschiedliche Bezeichnung „scientists and researchers“ statt „scientists and professionals“, auf die sich der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zuletzt bezogen hat, kann sich die angegriffene Bewertung auf Facebook schon deshalb nicht beziehen, weil diese Abweichung in dem Beitrag der Beklagten nicht erwähnt wird und deshalb nicht Gegenstand der Tatsachenüberprüfung (des „Fact Checking“) gewesen ist.Abs. 115
Insgesamt bleibt es dabei, dass die Kritik der Beklagten dem offenen Brief selbst gilt, während die Darstellung auf Facebook durch die Verknüpfung der Einträge den missverständlichen Eindruck hervorruft, die Faktenprüfung und die Beanstandungen beträfen den Artikel der Klägerin. Zwar könnte dieser Eindruck letztlich korrigiert werden, falls der Nutzer beiden Verknüpfungen folgen und die beiden Beiträge vollständig lesen würde. Somit wird der Klägerin, oder dem Autor (...), bei genauester Betrachtung keine Aussage untergeschoben, die sie tatsächlich nicht getätigt haben – was eine Persönlichkeitsverletzung wäre (vgl. OLG Köln, Urteil vom 15.12.2016, I-15 W 46/16 – juris Rn. 83; zur Verbindung von Porträt und Text auch LG Frankfurt a. M., Urteil vom 05.12.2019, 2-03 O 194/19). Bei einem auf kurze Beiträge ausgelegten Medium wie Facebook ist aber nicht damit zu rechnen, dass die überwiegende Mehrzahl der Nutzer beiden Links folgt, beide Beiträge zur Kenntnis nimmt und bemerkt, dass nicht der Beitrag der Klägerin, sondern der offene Brief Gegenstand der Faktenprüfung ist. Jedenfalls wäre die im Rahmen des § 5 Abs. 1 UWG erforderliche Irreführungsquote (dazu Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. § 5 Rn. 1.94ff.) überschritten, wenn auf durchschnittliche, lediglich situationsadäquat aufmerksame und gründliche Nutzer von Facebook abgestellt wird (§ 3 Abs. 4 UWG).Abs. 116
Eine negativ-kritische Stellungnahme zu einer Äußerung durch die Hinzufügung einer untrennbar verbundenen Markierung („Tag“), die mit einem Bericht über diese Äußerung so verknüpft wird, dass für einen relevanten Teil der Empfänger der missverständliche Eindruck hervorgerufen wird, die Kritik beziehe sich auf den so markierten Bericht, und nicht auf die geprüfte Äußerung, führt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Verringerung der Wertschätzung dieses Berichts. Ob dies nach den Umständen des vorliegenden Falles schon für sich genommen schwer genug wiegt, um den beanstandeten Bericht der Beklagten als Herabsetzung nach § 4 Nr. 1 UWG zu qualifizieren, kann dahinstehen. Denn es kommen mehrere erschwerende Umstände hinzu.Abs. 117
So erweckt die Kennzeichnung als „Fact Check“ und die Bewertung „Behauptungen teilweise falsch“ den Eindruck, dass ausschließlich oder zumindest vorrangig Tatsachenbehauptungen („Facts“) in Frage stünden. Auch dies ist missverständlich, denn tatsächlich handelt es sich bei dem Bericht der Beklagten – wie ausgeführt – insgesamt um eine wertende Stellungnahme (vgl. Peukert, WRP 2020, 391, 395f.; Ladeur, K&R 2020, 240, 241).Abs. 118
Die – missverständliche – Betonung des Tatsachenbezugs wird verstärkt durch die Bezeichnung der Beklagten als Faktenprüferin. Diese erweckt nach außen zugleich den Eindruck erhöhter Kompetenz und Neutralität. Das wird unterstrichen durch die Beschreibung der Faktenprüfer und ihrer Tätigkeit etwa im „Facebook-Hilfebereich“ (Anlage AG 2; Anlage AG 3; Anlage AG 4), Facebook arbeite „mit unabhängigen Faktenprüfern zusammen, die durch das unparteiische, internationale Fact-Checking Network zertifiziert sind“. Nur aus einer derart herausgehobenen Stellung heraus kann eine Faktenprüfung glaubwürdig ausgeübt werden. Aufgrund dieser Position wird der Äußerung eines Faktenprüfers tendenziell eine höhere Glaubhaftigkeit beigemessen. In den angegriffenen Hinweisen ist die Position der Beklagten deutlich kenntlich gemacht durch den blau unterlegten Zusatz „Fact Check“ in dem Informationsfenster und die Überschrift „Weitere Bewertungen durch Faktenprüfer“ im Hinweis beim Weiterleiten.Abs. 119
Dadurch werden die Äußerungen der Beklagten als Prüferin und die Einträge einfacher Nutzer – wie der Klägerin – in ein Hierarchieverhältnis gestellt, das der besonderen Rechtfertigung bedarf, wenn es sich um Meinungen handelt. Im Wettbewerb der Meinungen fehlt ein objektiver Maßstab für die Einteilung in „richtig“ und „falsch“, „gut“ oder „schlecht“; Meinungsbildungen und Wertungen sind subjektive Vorgänge. Für den Staat gilt daher eine Neutralitätspflicht im publizistischen Wettbewerb: Er darf nicht bestimmte Meinungen oder Tendenzen durch Förderung begünstigen oder benachteiligen (BVerfG, Beschluss vom 06.06.1989, 1 BvR 727/84; BVerfG, Beschluss vom 24.05.2005, 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 51 – Junge Freiheit; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG., Stand: 89. EL Oktober 2019, Art. 5 Rn. 383). Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 GG nicht davor, eine fremde Meinung verbreiten zu müssen, wenn kenntlich gemacht wird, dass es sich um eine fremde Meinung handelt (Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: 89. EL Oktober 2019, Art. 5 Rn. 96). Auch die Verpflichtung zur Kennzeichnung von Waren mit Warnhinweisen ist kein Eingriff in die Meinungsfreiheit, wenn sie alle Marktteilnehmer in gleicher Weise trifft (BVerfG, Beschluss vom 22.01.1997, 2 BvR 1915/91). Anders wäre es aber zu beurteilen, wenn der Staat die Glaubwürdigkeit eines bestimmten Teilnehmers am publizistischen Wettbewerb besonders betonen und andere Wettbewerber verpflichten würde, ihren Publikationen zum Thema stets einen Hinweis auf die Gegenansicht oder gar alle konkurrierenden Ansichten beizufügen. Dadurch wären das Neutralitätsgebot und Art. 3 GG tangiert. Zudem läge darin auch eine mittelbare Einwirkung auf die Pressefreiheit, indem die publizistischen Wirkungsmöglichkeiten oder die finanziellen Erträge eines Presseorgans nachteilig beeinflusst würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.05.2005, 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 52, 58 – Junge Freiheit). Beides bedürfte einer besonderen Rechtfertigung. Facebook und die Beklagte sind zwar keine Hoheitsträger und damit auch nicht unmittelbar an das Neutralitätsgebot oder die Grundrechte gebunden. Die Grundrechte entfalten aber eine mittelbare Drittwirkung im Lauterkeitsrecht (vgl. Senat, Beschluss vom 28. 02.2019, 6 W 81/18) und sind auch bei der Gesamtwürdigung des Verhaltens im Rahmen von § 4 Nr. 1 UWG zu berücksichtigen.Abs. 120
Dabei kann mit dem Landgericht offen gelassen werden, welche Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Facebook und den einzelnen Nutzern sich daraus im Einzelnen ergeben, insbesondere ob die Einrichtung der Faktenprüfung in der gegenwärtigen Form insgesamt zulässig ist (vgl. Urteil des Landgerichts, S. 36; auch BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 22.05.2019, 1 BvQ 42/19 – juris Rn. 15). Für die hier anzustellende Interessenabwägung bleibt festzuhalten, dass es aufgrund der Drittwirkung der Grundrechte auch lauterkeitsrechtlich einer besonderen Rechtfertigung bedarf, wenn ein von Facebook beauftragter „Faktenprüfer“ sich wertend über Einträge anderer Facebook-Nutzer äußert. Zudem ergibt sich aus den oben dargestellten Zusammenhängen, dass der Faktenprüfer besonders sorgfältig jedes Missverständnis darüber vermeiden muss, auf welche Äußerung sich seine Kritik bezieht, wer diese Äußerung getätigt hat und ob die Kritik vornehmlich einen wertenden oder einen tatsachenbezogenen Charakter hat. All dies ist – wie ausgeführt – in dem hier angegriffenen konkreten Hinweis der Beklagten zu dem konkreten Beitrag der Klägerin nicht gelungen.Abs. 121
Die Auswirkung, die die Kombination all dieser Faktoren für die Klägerin hat, hat das Landgericht im angegriffenen Urteil (S. 20; S. 31) zutreffend beschrieben: Der angesprochene, an der Lektüre oder gar am Teilen des Artikels auf Facebook potentiell interessierte Verkehr, mit der Bewertung der Beklagten als „Faktenprüferin“ mit „teils falsch“ konfrontiert, wird den so gewonnenen Blickwinkel an den Artikel der Klägerin ansetzen und mithin die von ihr angebotene Leistung nicht ausschließbar zunächst mit verringerter Wertschätzung bedenken, da er an der journalistischen Leistung der Klägerin zweifeln kann. Dadurch können die Reichweite der Werbung und auch die Verbreitung des Artikels der Klägerin erheblich eingeschränkt werden; dies ist letztlich sogar eines der Ziele der Faktenprüfung. Ob diese für die Klägerin nachteiligen Folgen auch tatsächlich eingetreten sind und in welchem Ausmaß, braucht nicht aufgeklärt zu werden. Es genügt, dass die Wettbewerbshandlung hierzu geeignet ist (Begründung des Regierungsentwurfs zur Reform des UWG 2004, BT-Drs. 15/1487, S. 17).Abs. 122
cc.Abs. 123
Diese Herabsetzung muss die Klägerin bei einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen nicht hinnehmen.Abs. 124
(1)Abs. 125
Dabei ist auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigen, dass es sich – wie oben (3.b.aa.) ausgeführt – bei dem von ihr veröffentlichten Beitrag um eine Meinungsäußerung handelt, die als solche nicht zu beanstanden und sachlich gehalten ist und überdies ein Thema von großem allgemeinem Interesse betrifft. Der dadurch bewirkte starke Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG strahlt aufgrund der Verknüpfung auch auf den streitgegenständlichen Hinweis auf Facebook aus. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Schutz des von der Beklagten auf ihrer eigenen Webseite veröffentlichten Beitrags sich nicht in vollem Umfang auf den streitgegenständlichen Hinweis auf Facebook erstreckt, da die Beklagte auf Facebook nicht nur ihre inhaltliche publizistische Tätigkeit verfolgt, sondern als von Facebook beauftragte Faktenprüferin auftritt und dabei auch ihre Geschäftsinteressen wahrnimmt (dazu oben 1.).Abs. 126
Auch dass die Beklagte das Ziel verfolgt, „Echokammern“ und „Filterblasen“ zu vermeiden, ist zu ihren Gunsten zu berücksichtigen. Dieses Ziel dient dem allgemeinen Interesse an einem möglichst freien und umfassenden Meinungsaustausch und -wettbewerb. Dem Landgericht ist dahingehend zu folgen, dass dies ein sachlicher Grund für die Einrichtung und Durchführung einer Faktenprüfung ist (Urteil, S. 34), wiewohl über die Begriffe, die Gründe für das Phänomen und die Möglichkeiten, der Abkapselung entgegen zu wirken, keine Einigkeit besteht (vgl. Peukert, WRP 2020, 391, 397).Abs. 127
Darauf, dass die Förderung der Medienkompetenz und der öffentlichen Meinungsbildung öffentliche Anliegen sind, die auch mit der Richtlinie (EU) 2018/1808 vom 14.11.2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU verfolgt werden, lässt sich der hier in Frage stehende Hinweis dagegen nicht stützen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Ziele die Einrichtung einer Faktenprüfung im Allgemeinen oder in der Ausgestaltung durch Facebook rechtfertigen. Denn nur deren Durchführung durch die Beklagte im vorliegenden Fall steht zur Prüfung des Senats. Diese aber entspricht aufgrund der oben dargestellten Schwächen nicht den Zielen der Richtlinie. Diese soll die Entwicklung von Medienkompetenz fördern, die es Bürgern ermöglicht, Medieninhalte kritisch beurteilen und erstellen können und insbesondere zwischen Meinungen und Tatsachen zu unterscheiden (Erwägungsgrund 59). Gerade diese Unterscheidung wird aber – wie ausgeführt – durch die Darstellung des streitgegenständlichen Hinweises verwischt. Zudem ist es das Ziel der Richtlinie, die Gesellschaft so vollständig wie möglich und mit dem größtmöglichen Grad an Vielfalt zu informieren. Hierzu dient ein Neutralitätsgebot, demzufolge redaktionelle Entscheidungen frei von jeglichem staatlichen Eingriff bleiben sollen (Erwägungsgrund 59). Ob es dieses Ziel im Allgemeinen rechtfertigt, den Verkehr durch die Verknüpfung zu veranlassen, beide Meinungen zur Kenntnis zu nehmen (vgl. Erwägungsgrund 25 der Richtlinie), ist fraglich. Denn Art. 5 Abs. 1 GG schützt – in der Ausprägung der Informationsfreiheit – auch die Meinungsbildung und die Auswahl der Informationsquellen und gewährleistet dabei auch Schutz vor aufgedrängter Information (Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, 89. EL, Stand: Oktober 2019, Art. 5 Rn. 75f., 1018f.). Jedenfalls aber gelten dann für die durch die Verknüpfung begünstigte Äußerung erhöhte Anforderungen für die Vermeidung von Missverständnissen, die im vorliegenden Fall – wie oben ausgeführt – nicht eingehalten sind.Abs. 128
Aus denselben Erwägungen ist es für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, dass sich die Klägerin durch die Anmeldung auf Facebook den Nutzungsbedingungen und damit auch der Faktenprüfung im Allgemeinen unterworfen hat. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass diese Einwilligung nicht zur unbedingten lauterkeitsrechtlichen Freizeichnung der Beklagten als Mitbewerberin der Klägerin im Hinblick auf den Faktencheck führt (Urteil, S. 35). Unlautere Handlungen bei der konkreten Durchführung des Faktenchecks – im vorliegenden Fall die Irreführung – sind vom Inhalt der generellen Einwilligung in die Faktenprüfung nicht abgedeckt.Abs. 129
(2)Abs. 130
Zu Gunsten der Klägerin ist in der Abwägung zu berücksichtigen, dass auch ihre Äußerungen grundrechtlich geschützt und sachlich gehalten sind und ein Thema von großem allgemeinem Interesse betreffen.Abs. 131
Dabei kann dahinstehen, ob sich die Klägerin auch auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen kann, obwohl ihr Artikel sich auf eine Darstellung des „offenen Briefes“ beschränkt und keine eigene Stellungnahme dazu enthält (vgl. Grabenwerther, in: Maunz/Dürig, GG, 89. EL, Stand: Oktober 2019, Art. 5 Rn. 47). Die Äußerung ist jedenfalls als zutreffende Tatsachenbehauptung geschützt, soweit der Inhalt des „offenen Briefes“ nicht falsch wiedergegeben ist. Zudem steht die Äußerung der Klägerin unter dem Schutz der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese umfasst nicht nur die wertende, sondern auch die rein informierende Berichterstattung einschließlich deren Verbreitung (vgl. Grabenwerther, in: Maunz/Dürig, GG, 89. EL, Stand: Oktober 2019, Art. 5 Rn. 47). Daher strahlt der Grundrechtsschutz, der dem auf der Webseite der Klägerin veröffentlichten Artikel zukommt, – nicht anders als bei der Beklagten – auch auf den werbenden Hinweis auf Facebook aus. Zudem betrifft der beanstandete Hinweis die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.Abs. 132
(3)Abs. 133
In der Gesamtabwägung erweist sich die Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Ausgestaltung der Hinweise im vorliegenden Fall als unverhältnismäßig und damit als nicht gerechtfertigte Herabsetzung im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG.Abs. 134
Dabei kann dahinstehen, ob – wie das Landgericht ausgeführt hat (Urteil, S. 38) – die Verknüpfung zwischen einem beanstandeten Artikel und dem Ergebnis der Faktenprüfung im Allgemeinen das einzige Mittel ist, um das von Facebook verfolgte und an sich legitime Ziel, die Verbreitung von Falschmeldungen und die Abkapselung von Nutzergruppen zu verhindern (kritisch Peukert, WRP 2020, 391, 396f.). Jedenfalls ist die konkrete Ausgestaltung im vorliegenden Fall hierzu nicht erforderlich. Zumindest der missverständliche Eindruck, dass sich die Beanstandungen der Beklagten auf Äußerungen der Klägerin bezögen, und die unklare Grenzziehung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung hätten durch eine andere Gestaltung des beanstandeten Hinweises vermieden werden können, ohne dass dabei dessen Effektivität für die von Facebook und der Beklagten verfolgten Ziele gemindert worden wäre. Gerade die Gefahr von Missverständnissen durch die Ausgestaltung des Hinweises macht aber – wie ausgeführt – den Kern des Lauterkeitsverstoßes aus.Abs. 135
4.Abs. 136
Neben dem Verfügungsanspruch besteht auch ein Verfügungsgrund. Dieser wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Gründe für die Widerlegung der Dringlichkeit sind nicht ersichtlich.Abs. 137
5.Abs. 138
Soweit der Tenor von der Antragstellung dahingehend abweicht, dass nicht schlechthin die Kennzeichnung „eines Artikels“, sondern nur die Kennzeichnung des konkret benannten Artikels der Klägerin in der bezeichneten Weise untersagt wird, handelt es sich um eine nach § 938 Abs. 1 ZPO zulässige Klarstellung, weil das Gericht nach freiem Ermessen bestimmt, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes einer einstweiligen Verfügung erforderlich sind. Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass er nicht die Tätigkeit der Beklagten als Faktenprüferin schlechthin oder die Kennzeichnung irgendeines Beitrags zur gerichtlichen Überprüfung gestellt hat. Dementsprechend führt die Klarstellung im Tenor nicht zu einer Änderung des Streitgegenstandes und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung war auch nicht im Übrigen abzuweisen.Abs. 139
Gegenüber dem verkündeten Urteiltenor wurden nach § 319 Abs. 1 ZPO die Parteibezeichnungen korrigiert („Verfügungsklägerin“ und „Verfügungsbeklagte“ statt „Kläger“ und „Beklagte“).Abs. 140
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).Abs. 141

(online seit: 23.06.2020)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Karlsruhe, OLG, Facebook "Fact-Check" - JurPC-Web-Dok. 0098/2020