JurPC Web-Dok. 41/2020 - DOI 10.7328/jurpcb202035341

Joachim von Ungern-Sternberg [*]

Geräte- und Speichermedienvergütung bei öffentlicher Zugänglichmachung geschützter Werke hinter Bezahlschranken

JurPC Web-Dok. 41/2020, Abs. 1 - 43


Das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers wird durch Schranken begrenzt, die Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch (§ 53 UrhG) sowie Vervielfältigungen für bestimmte Zwecke von „Unterricht, Wissenschaft und Institutionen“ (§§ 60a bis 60f UrhG) erlauben. Zum Ausgleich werden den Urhebern die gesetzlichen Ansprüche auf Geräte- und Speichermedienvergütungen aus §§ 54 ff. UrhG zuerkannt.Abs. 1
Bei Werken, die online öffentlich zugänglich gemacht werden, sind Vervielfältigungen für die privilegierten Zwecke vielfach erst möglich, wenn zuvor eine Bezahlschranke überwunden wurde. Der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass in diesen Fällen kein Anspruch auf Zahlung einer Gerätevergütung gegeben sei. Dieser Anspruch sei erloschen, wenn der Rechtsinhaber eine Vergütung dafür erhalten habe, dass er dem Herunterladen der Werkdatei und damit der Herstellung des Vervielfältigungsstücks zugestimmt habe. Der BGH berücksichtigt dabei jedoch nicht hinreichend die Rechtsbeziehungen, die zwischen den verschiedenen Beteiligten gegeben sind, wenn Werke hinter einer Bezahlschranke öffentlich zugänglich gemacht werden. Seine Urteile stehen auch nicht mit der Rechtsprechung des EuGH in Einklang.Abs. 2
Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) hält sich dementsprechend zu Recht nicht an diese Rechtsprechung des BGH. Wahrnehmungsberechtigte können bei ihr auch Werke, die hinter Bezahlschranken öffentlich zugänglich sind, melden und an der Ausschüttung der Erlöse teilnehmen, die durch die Wahrnehmung der Ansprüche auf die Geräte- und Speichermedienvergütung erzielt wurden. Urheber wissenschaftlicher Werke klärt die VG Wort jedoch nur höchst unzureichend darüber auf, dass dies auch für wissenschaftliche Texte in den spezialisierten Verlagsdatenbanken gilt, zu denen Nutzer nur gegen Entgelt Zugang haben.Abs. 3

I. Ausgangslage

Nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b Informationsgesellschafts-Richtlinie (InfoSoc-Richtlinie)[1] dürfen die Mitgliedstaaten das ausschließliche Vervielfältigungsrecht der Rechtsinhaber im Sinne des Art. 2 InfoSoc-Richtlinie (Urheber, ausübende Künstler, Tonträgerhersteller, Filmhersteller und Sendeunternehmen) durch die Einführung einer Privatkopieschranke beschränken. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Rechtsinhaber für diese Beschränkung ihrer Rechte einen „gerechten Ausgleich“ erhalten. Bei urheberrechtlich geschützten Werken steht der gerechte Ausgleich nach geltendem Recht[2] allein den Urhebern als den Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts zu.[3] Deutschland hat das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) durch § 53 UrhG (Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch) eingeschränkt. Der gebotene gerechte Ausgleich für die Urheber, die als Rechtsinhaber durch die Schranke betroffen sind, wird durch die gesetzlichen Vergütungsansprüche aus §§ 54 ff. UrhG gewährleistet.Abs. 4
Nach der Rechtsprechung des EuGH soll der gerechte Ausgleich den Urhebern den Schaden ersetzen, der ihnen dadurch entstanden ist, dass Privatkopien ihrer geschützten Werke ohne ihre Genehmigung gefertigt wurden.[4] Die Mitgliedstaaten können die Privatkopieschranke so ausgestalten, dass jede Befugnis des Rechtsinhabers ausgeschlossen ist, eine unter die Schranke fallende Vervielfältigung ihrer Werke zu genehmigen. Dies ist in Deutschland geschehen.[5] Für diesen Fall hat der EuGH in seinem Urteil „VG Wort/Kyocera u. Fujitsu/VG Wort“ entschieden, dass ein Rechtsinhaber, der sein Werk im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, seinen Anspruch auf den gerechten Ausgleich (und damit in Deutschland seine gesetzlichen Vergütungsansprüche gemäß §§ 54 ff. UrhG) nicht dadurch verliert, dass er beim Einstellen seines Werkes im Internet Privatkopien ausdrücklich oder konkludent zustimmt.[6] Der EuGH begründet dies damit, dass eine solche Zustimmung keine Rechtswirkungen entfalten könne, wenn der Rechtsinhaber im Geltungsbereich der Schranke nicht mehr befugt sei, Vervielfältigungen zu genehmigen. Eine Genehmigung könne sich dann nicht mehr auf den Schaden auswirken, der den Rechtsinhabern durch die Zulassung von Privatkopien entstanden ist und damit auch keinen Einfluss auf den gerechten Ausgleich haben.[7]Abs. 5
Diese Beurteilung ist in den Fällen, in denen das Werk im Internet unbeschränkt öffentlich zugänglich ist, offensichtlich sachgerecht: Der Urheber erhält dann durch die Geräteabgabe wenigstens einen gewissen Ausgleich dafür, dass er sein Werk online frei zugänglich gemacht hat.[8]Abs. 6
Im Urteil „Copydan/Nokia“ hat der EuGH seine Rechtsansicht auf eine entsprechende Vorlagefrage[9] auch für den Fall bestätigt, dass das Werk nur hinter einer Bezahlschranke öffentlich zugänglich gemacht wird.[10]Abs. 7

II. Gesetzliche Vergütungsansprüche bei Werken hinter Bezahlschranken

1. Rechtsansicht des BGH

a) Der BGH vertritt – abweichend vom Urteil des EuGH „Copydan/Nokia“ – in ständiger Rechtsprechung[11] die Ansicht, dass der Anspruch auf eine Gerätevergütung erloschen ist, wenn das Werk nur kostenpflichtig öffentlich zugänglich gemacht worden ist.Abs. 8
Er begründet das wie folgt:[12]Abs. 9
„Hat der Rechtsinhaber für die Erteilung seiner Zustimmung zum Herunterladen des Werkes aus dem Internet eine Vergütung erhalten, ist der Anspruch auf Zahlung einer Gerätevergütung allerdings erloschen. In Fällen, in denen Rechtsinhaber bereits Zahlungen in anderer Form erhalten haben, z. B. als Teil einer Lizenzgebühr, kann nach Erwägungsgrund 35 S. 4 der RL 2001/29/EG gegebenenfalls keine spezifische oder getrennte Zahlung fällig sein. Steht dem Rechtsinhaber für die Erteilung seiner Zustimmung zum Herunterladen des Werkes aus dem Internet ein individueller Vergütungsanspruch zu, liegt kein Schaden vor, der einen gerechten Ausgleich verlangt (Peukert, GRUR 2015, 452 [453]).“Abs. 10
Diese Begründung könnte dahin verstanden werden, dass der Anspruch auf die Gerätevergütung nur für die Fälle versagt wird, in denen gerade der Urheber als Rechtsinhaber eine Vergütung dafür erhalten hat, dass er dem Herunterladen seines Werkes aus dem Internet zugestimmt hat. Der BGH hat jedoch mit der angeführten Begründung weitergehend Berufungsurteile bestätigt, mit denen ein Anspruch auf die Gerätevergütung für alle Fälle abgelehnt wurde, in denen das Werk nur kostenpflichtig öffentlich zugänglich gemacht wird.[13]Abs. 11
b) Auf den ersten Blick erscheint der Gedankengang des BGH einleuchtend: Wenn der Rechtsinhaber bereits ein Entgelt dafür erhalten hat, dass er dem Herunterladen (und damit der Vervielfältigung) des mit seinem Einverständnis öffentlich zugänglich gemachten Werkes zugestimmt hat, dann erscheint ein zusätzlicher Anspruch auf Zahlung einer Gerätevergütung zunächst als ungerechtfertigte Doppelvergütung.[14]Abs. 12
Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Rechtsansicht des BGH den Rechtsbeziehungen, die dem öffentlichen Zugänglichmachen geschützter Werke im Rahmen entgeltlicher Internetangebote zugrunde liegen, nicht hinreichend Rechnung trägt. Urheberrechtlich geschützte Werke werden im Internet nur selten von den Urhebern selbst gegen Entgelt öffentlich zugänglich gemacht. Anbieter sind vielmehr in aller Regel gewerbliche Unternehmen, die als Dienstleister mit Datenbanken eine Vielzahl geschützter Werke öffentlich zugänglich machen und auch das Herunterladen ermöglichen. So bieten z. B. Zeitungs- und Zeitschriftenverlage im Internet Beiträge an, die nur gegen Entgelt zugänglich sind, ebenso Downloadplattformen E-Books oder Musikdateien. Andere Anbieter betreiben für zahlende Nutzer Datenbanken mit wissenschaftlichen Werken. Das Entgelt wird in diesen Fällen nicht an die Urheber, sondern an den Dienstleister gezahlt.Abs. 13
Die rechtliche Begründung des BGH für die Versagung des Anspruchs der Urheber auf die Gerätevergütung in allen Fällen, in denen das Werk nur kostenpflichtig zugänglich gemacht wird, ist deshalb unzutreffend: Der Anspruch des Urhebers aus § 54 UrhG auf Zahlung der Gerätevergütung richtet sich nicht gegen Nutzer wegen bestimmter Nutzungshandlungen, sondern gegen Hersteller von Geräten und Speichermedien.[15] Dieser Anspruch erlischt nicht, wenn der Nutzer an den Dienstleister dafür ein Entgelt bezahlt, dass dieser ihm den Zugang zu dem geschützten Werk eröffnet.[16] Die Zahlung des Nutzers an den Dienstleister hat mit dem Anspruch des Urhebers gegen die Hersteller von Geräten und Speichermedien nichts zu tun. Das Entgelt des Nutzers enthält nicht einmal wirtschaftlich auch eine „Lizenzgebühr“ für den Urheber dafür, dass er als Rechtsinhaber der Aufnahme seines Werkes in das öffentliche Angebot des Dienstleisters zugestimmt hat und mit Privatkopien des zugänglich gemachten Werkes einverstanden ist. Ob der Dienstleister seinerseits dem Urheber eine Vergütung zahlt, noch dazu eine angemessene Vergütung, kann zudem durchaus fraglich sein.[17] Schon deshalb gibt es auch keine tragfähige Grundlage für die pauschale Annahme, Urheber hätten keinen Schaden durch die gesetzliche Zulassung von Privatkopien erlitten, wenn sie der Aufnahme ihrer Werke in ein Internetangebot, das nur gegen Entgelt zugänglich ist, zugestimmt haben. Macht ein Dienstleister das geschützte Werk im Rahmen seines Internetauftritts Nutzern nur kostenpflichtig zugänglich, bedeutet das Fortbestehen des Anspruchs des Urhebers auf die Geräte- und Speichermedienvergütung daher noch keineswegs, dass der Urheber nun aus zwei Quellen eine Vergütung erhält, geschweige denn, dass ihm dadurch im Regelfall eine „Doppelvergütung“ zufließt.Abs. 14
c) Das Ergebnis, dass der Urheber seinen Anspruch auf die Geräte- und Speichermedienvergütung behält, wenn sein Werk hinter einer Bezahlschranke öffentlich zugänglich gemacht wird, ist auch dann nicht unangemessen, wenn er vom Dienstleister schon für die Aufnahme des Werkes in sein Internetangebot ein angemessenes Entgelt erhalten haben sollte. Gesetzliche Vergütungsansprüche sichern den Urhebern, die bei Verträgen über die Auswertung ihrer Werke meist nur eine schwache Verhandlungsposition haben, einen Mindestertrag für ihre Werke. Dies ist auch der Grund, warum § 63a Satz 1 UrhG bestimmt, dass die gesetzlichen Vergütungsansprüche dem Urheber zustehen und im Voraus unverzichtbar sind.Abs. 15
Dieselbe Zielsetzung, zu einer angemessenen Vergütung für die Urheber beizutragen, liegt im Übrigen auch § 20b Abs. 2 UrhG zugrunde. Nach dieser Vorschrift hat ein Urheber, der einem Sendeunternehmen oder einem Tonträger- oder Filmhersteller das Recht der Kabelweitersendung eingeräumt hat, gleichwohl Anspruch gegen das Kabelunternehmen auf eine angemessene Vergütung für die Kabelweitersendung. Auch dieser Anspruch ist – dem Grunde nach und in seiner Höhe – unabhängig davon, ob der Urheber für die Einräumung des Rechts zur Ursprungssendung von seinem Vertragspartner ein Entgelt erhalten hat und ob dessen Höhe auch die Werknutzung durch Kabelweitersendung berücksichtigt.[18]Abs. 16

2. Rechtsprechung des EuGH

a) Wie bereits dargelegt, ergibt sich auch aus dem Urteil des EuGH „Copydan/Nokia“, dass der Urheber seinen Anspruch auf die Geräte- und Speichermedienvergütung (den gerechten Ausgleich im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-Richtlinie) nicht verliert, wenn sein Werk nur hinter einer Bezahlschranke öffentlich zugänglich gemacht wird.[19]Abs. 17
Diese Beurteilung des EuGH folgt aus den Grundprinzipien des gerechten Ausgleichs. Ein Mitgliedstaat, der – wie durch Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-Richtlinie zugelassen – eine Privatkopieausnahme einführt, ist verpflichtet, zugleich die Zahlung eines „gerechten Ausgleichs“ an die Urheber geschützter Werke vorzusehen.[20] Dieser gerechte Ausgleich muss eine Gegenleistung für den Schaden sein, der den Urhebern (als den Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts) dadurch entstanden ist, dass Privatkopien ihrer Werke wegen der Ausnahme für Privatkopien ohne ihre Genehmigung gefertigt werden dürfen.[21] Die Urheber können auf den gerechten Ausgleich nicht verzichten.[22] Er muss ihnen „unbedingt“ (unmittelbar oder zumindest mittelbar)[23] zufließen.[24] Rechtsinhaber im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-Richtlinie sind nur die in Art. 2 InfoSoc-Richtlinie genannten (originären) Rechtsinhaber. Nur die Urheber, nicht auch Inhaber abgeleiteter Rechte (wie z. B. Anbieter von Internetdienstleistungen), haben deshalb Anspruch auf den gerechten Ausgleich.[25] Der Mitgliedstaat, der eine Privatkopieausnahme eingeführt hat, muss im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten.[26]Abs. 18
b) Wird von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, ist die Ansicht des EuGH im Fall „Copydan/Nokia“ nur folgerichtig, dass die Zustimmung des Urhebers, sein Werk hinter einer Bezahlschranke öffentlich zugänglich zu machen und damit auch Privatkopien zu ermöglichen, an seinem Anspruch auf einen gerechten Ausgleich nichts ändert.[27] Fehlinterpretationen dieses Urteils in der Literatur[28] haben ihren Grund wohl maßgeblich darin, dass nicht berücksichtigt wurde, dass Rechtsinhaber im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-Richtlinie nur die originären Rechtsinhaber sind und deshalb in den hier wesentlichen Ausführungen des Urteils (Rdnr. 63 ff.) mit „Rechtsinhaber“ nur die originären Rechtsinhaber gemeint sind, nicht die Diensteanbieter, die geschützte Werke öffentlich zugänglich machen.Abs. 19
Der EuGH weist im Urteil „Copydan/Nokia“ (in Rdnr. 64) zunächst darauf hin, dass der Anspruch des Urhebers auf den gerechten Ausgleich nicht von der Feststellung abhängt, dass von der Möglichkeit zu Privatkopien tatsächlich Gebrauch gemacht worden ist.[29] Dann folgt (in Rdnr. 65) der für die Beurteilung des EuGH entscheidende Gedanke: Die Zustimmung des Urhebers zur Fertigung von Privatkopien ist rechtlich bedeutungslos, wenn Privatkopien nach dem Recht des Mitgliedstaates keinesfalls der Genehmigung des Urhebers bedürfen. In diesem Fall ist eine vom Urheber dennoch erteilte Zustimmung ohne Einfluss auf den Schaden, der ihm als dem Rechtsinhaber entstanden ist.[30] Nutzer, die von der Möglichkeit zu Privatkopien Gebrauch machen, können sich dafür bereits auf die Schrankenbestimmung berufen und sind schon deshalb nicht verpflichtet, an den Urheber als Rechtsinhaber für die privaten Vervielfältigungen eine Vergütung zu zahlen.[31]Abs. 20
Diese recht abstrakt klingende Argumentation ist leichter nachvollziehbar, wenn sie anhand der Rechtsbeziehungen in diesen Fallgestaltungen konkretisiert wird: Sollte der Urheber, dessen Werk hinter einer Bezahlschranke öffentlich zugänglich gemacht wird, Privatkopien gestattet haben, ist dies rechtlich bedeutungslos, wenn Privatkopien bereits durch eine Schranke des Vervielfältigungsrechts zugelassen werden. Das Entgelt, das die Nutzer dem Dienstleister zahlen, der die geschützten Werke öffentlich zugänglich macht, wird nicht etwa dafür entrichtet, dass die Urheber Privatkopien genehmigt hätten (die ohnehin bereits durch die gesetzliche Schranke erlaubt sind). Die Nutzer zahlen nur an den Dienstleister und auch an diesen nur für den Zugang zu den von ihm bereitgestellten Werken. Dieses Entgelt für den Dienstleister ist daher kein gerechter Ausgleich für die Urheber, die allein als Rechtsinhaber im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-Richtlinie Anspruch auf den gerechten Ausgleich haben,[32] und kann deshalb den Anspruch des Urhebers auf den gerechten Ausgleich nicht erlöschen lassen.Abs. 21
Ob die Urheber vom Dienstleister ein Entgelt dafür erhalten, dass sie ihm die öffentliche Zugänglichmachung ihrer Werke erlaubt haben, hängt von ihren zweiseitigen Vertragsbeziehungen ab. Zahlt der Dienstleister ein Entgelt, lässt sich in aller Regel nicht feststellen, ob bei dessen Bemessung berücksichtigt wurde, dass die Nutzer seines Angebots kraft Gesetzes berechtigt sind, Privatkopien zu fertigen.[33] Aus diesem Grund beruft sich der BGH zur Begründung seiner Rechtsprechung auch zu Unrecht auf Erwägungsgrund 35 Satz 4 der InfoSoc-Richtlinie.[34] Dessen Voraussetzungen sind in Fällen der vorliegenden Art nur dann gegeben, wenn der Urheber selbst (als der Rechtsinhaber im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-Richtlinie) seine Werke hinter einer Bezahlschranke anbietet und dadurch unmittelbar in Rechtsbeziehungen zu den Nutzern tritt.[35]Abs. 22
Es ist danach nur konsequent, dass der EuGH im Fall „Copydan/Nokia“ bei seiner Antwort auf die Vorlagefrage, welche Bedeutung die Erlaubnis des Urhebers, Dateien mit geschützten Werken für Privatkopien zu verwenden, für den gerechten Ausgleich hat, nicht danach unterschieden hat, ob die Werkdateien ohne Beschränkungen im Internet zugänglich sind oder erst nach Überwindung einer Bezahlschranke, obwohl die Vorlagefrage diese unterschiedlichen Fallgestaltungen ausdrücklich angesprochen hat.[36] Die Rechtsprechung des BGH, die zu einem anderen Ergebnis kommt, widerspricht dem Unionsrecht.[37]Abs. 23

III. Verwaltungspraxis der VG Wort

1. Die VG Wort führt für „Texte im Internet“ besondere Ausschüttungen durch, bei denen Erlöse aus der Wahrnehmung von Ansprüchen auf die Geräte- und Speichermedienvergütung verteilt werden.[38] Vergütet werden dabei auch Texte im Internet hinter Bezahlschranken, wie z. B. Zeitungsartikel, die im Rahmen des Internetauftritts der Zeitung kostenpflichtig abgerufen werden können.[39] Als „Texte im Internet“ können der VG Wort aber auch wissenschaftliche Texte für die Teilnahme an Ausschüttungen gemeldet werden, die in fachwissenschaftlichen Verlagsdatenbanken eingestellt sind, die nur gegen Entgelt zugänglich sind. Dies entspricht zwar – wie dargelegt -– der Rechtslage, überrascht aber, weil Texte in derartigen speziellen Datenbanken nach allgemeinem Sprachverständnis keine „Texte im Internet“ sind. Den Autoren wissenschaftlicher Werke wird dementsprechend diese Möglichkeit, an Ausschüttungen teilzunehmen, oft nicht bekannt sein.Abs. 24
Dafür spricht auch, dass die VG Wort über diese Möglichkeit nur höchst unzureichend (d. h. praktisch gar nicht) aufklärt:Abs. 25
Im „Merkblatt zur VG WORT für Urheber und Verlage – Fassung März 2020“[40] steht zu den Stichworten „Texte im Internet / METIS (Autoren und Verlage)“ und „Sonderausschüttung METIS (Autoren)“ nur Folgendes (Abschnitt VII. 5. e):Abs. 26
„Texte im Internet / METIS (Autoren und Verlage)Abs. 27
Der auf Online-Publikationen entfallende Anteil der Reprographieeinnahmen wird für die Vergütung von Texten und Textdokumenten (z. B. PDF-Dateien) verwandt, die im Internet veröffentlicht werden. Voraussetzung ist eine Meldung durch den Verlag, die vom Autor bestätigt werden muss.Abs. 28
Vergütet werden urheberrechtlich geschützte Texte mit einem Mindestumfang von 1.800 Zeichen. Lyrik kann unabhängig vom Umfang gemeldet werden. Ein meldefähiger Text darf nicht kopiergeschützt sein.Abs. 29
Um am Verfahren teilnehmen zu können, müssen die Texte mit von der VG WORT vergebenen Zählmarken gekennzeichnet werden (falls eine Kennzeichnung mit Zählmarken nicht möglich ist: vgl. die Hinweise zur Sonderausschüttung METIS). Außerdem muss eine einmalige Registrierung aller Beteiligten beim Onlineportal T.O.M. erfolgen. Ferner muss eine bestimmte Mindestzugriffszahl in einem Kalenderjahr erreicht werden, damit die Texte bei der VG WORT gemeldet und vergütet werden können.Abs. 30
Sonderausschüttung METIS (Autoren)Abs. 31
Da sich noch nicht alle Verlage an dem Ausschüttungsverfahren für Texte im Internet beteiligen, können nicht alle Urheber ihre Ansprüche wie beschrieben geltend machen. Deswegen gibt es neben der regulären Ausschüttung für Internetveröffentlichungen auch eine Sonderausschüttung, an der nur Urheber teilnehmen können. Über dieses gesonderte Verfahren können Texte gemeldet werden, die auf Internetseiten von Verlagen stehen und die der Urheber selbst nicht mittels Zählmarken kennzeichnen kann.Abs. 32
Weiterführende Informationen zur Vergütung für Texte im Internet finden sich auf der Website unter der Rubrik ‚Auszahlungen‘.“[41]Abs. 33
Das besondere „Merkblatt für Urheber im wissenschaftlichen Bereich (Fassung Dezember 2019)“[42] enthält nur folgenden Hinweis:Abs. 34
„Für Internetpublikationen gibt es ein eigenes Melde- und Ausschüttungsverfahren; näheres dazu unter http://www.vgwort.de/verguetungen/auszahlungen/texte-im-internet.html.“Abs. 35
Auch der Webseite „Wissenschaftliche Publikationen“[43] kann zur Frage, ob Texte, die online zugänglich sind, an Ausschüttungen teilnehmen können, lediglich entnommen werden:Abs. 36
„Wissenschaftliche Publikationen, die im Internet veröffentlicht sind, werden im Rahmen der Ausschüttung Texte im Internet (METIS) berücksichtigt. Ist ein Werk sowohl in gedruckter Form erschienen als auch im Internet veröffentlicht, kann für beide Ausschüttungen eine Meldung eingereicht werden.“ (Hervorhebungen bereits im Original)Abs. 37
Aus allen diesen Hinweisen[44] ergibt sich nur, dass wissenschaftliche Texte, die im Internet unbeschränkt öffentlich zugänglich sind, meldefähig sind. Kaum jemand wird aber (ohne Kenntnis der Verwaltungspraxis der VG Wort) bei den Bezeichnungen „Texte im Internet“ oder „Internetpublikationen“ an wissenschaftliche Texte in online betriebenen, Nutzern nur gegen Entgelt zugänglichen Verlagsdatenbanken denken. Der Autor eines Werkes, das in eine solche Verlagsdatenbank für wissenschaftliche Texte eingestellt ist, hat deshalb kaum Anlass, sich mit der Webseite des Internetauftritts der VG Wort „METIS (Texte im Internet)“ zu befassen.[45] Dort kann ein aufmerksamer Leser wenigstens einen Hinweis darauf finden, dass es auch Ausschüttungen auf Texte gibt, die im Internet kostenpflichtig zugänglich gemacht werden. Auf dieser Webseite wird dargelegt:[46]Abs. 38
„Vergütet werden im Rahmen der Ausschüttung die zulässigen Kopien im Rahmen von § 53 UrhG, also das (erlaubte) Abspeichern oder Ausdrucken von Internettexten. Nur dafür, dass der Text im Internet veröffentlicht ist, ist gesetzlich keine Vergütung durch die VG WORT vorgesehen. Aus diesem Grund dürfen Texte, die gemeldet werden, nicht mit einem technischen Kopierschutz (Stichwort DRM) versehen sein. Sofern der Text nach dem Kauf oder Login ohne Kopierschutz zur Verfügung steht, können auch kostenpflichtige oder nur hinter einem speziellen Zugang angebotene Texte gemeldet werden.Abs. 39
Vergütet werden urheberrechtlich schutzfähige Texte unabhängig von ihrem Inhalt, wenn sie eine Kopierrelevanz besitzen. Wissenschaftliche, journalistische, belletristische oder andere Texte, die urheberrechtlich relevant und theoretisch ausschüttungsfähig sind, können gemeldet werden.“Abs. 40
Auch diese Angaben enthalten aber nicht die notwendige Aufklärung für Autoren wissenschaftlicher Texte: Den Hinweis unter der Überschrift „METIS (Texte im Internet)“ auf „kostenpflichtige oder nur hinter einem speziellen Zugang angebotene Texte“ wird ein Leser vor allem auf entgeltliche Internetangebote von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen oder Internetangebote von Verbänden und Vereinen für ihre Mitglieder beziehen. Der Gedanke an wissenschaftliche Texte in spezialisierten, online zugänglichen Verlagsdatenbanken liegt dagegen fern.Abs. 41
2. Der VG Wort wäre es ohne weiteres möglich, die Wissenschaftsautoren, die mit ihr einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen haben, unzweideutig darüber aufzuklären, dass sie auch mit wissenschaftlichen Texten in entgeltlichen Online-Datenbanken an Ausschüttungen teilnehmen können. Dazu wäre sie selbst dann verpflichtet, wenn nur ein kleiner, aber noch relevanter Teil der Wissenschaftsautoren darüber im Unklaren wäre, dass auch Texte in wissenschaftlichen Verlagsdatenbanken meldefähig sind. Eine Klarstellung in den Merkblättern der VG Wort, auf ihren Webseiten und in einem Newsletter wäre einfach. Ohne besonderen Aufwand könnten Hinweise auch in die Ausschüttungsauskünfte für wissenschaftliche Autoren aufgenommen werden.Abs. 42
3. Schon seit Jahren schüttet die VG Wort auf „Texte im Internet“ aus. Trotzdem klärt sie noch immer höchst unzureichend darüber auf, dass Autoren wissenschaftlicher Texte diese in ihrem Online-Meldeportal auch melden können, wenn sie in kostenpflichtig zugänglichen Verlagsdatenbanken eingespeichert sind.[47] Deshalb drängt sich die Frage auf, warum die VG Wort die notwendigen unmissverständlichen Hinweise für ihre wissenschaftlichen Autoren unterlässt. Ein Außenstehender kann dazu nur Vermutungen anstellen, die an die internen Verhältnisse bei der VG Wort anknüpfen: Die Gewerkschaften angestellter Autoren, die in der VG Wort einflussreich sind,[48] haben an einer Aufklärung der wissenschaftlichen Autoren kaum Interesse. Diese Urheber sind nicht gewerkschaftlich organisiert. Die Beteiligung aller anspruchsberechtigten wissenschaftlichen Autoren an den Ausschüttungstöpfen für „Texte im Internet“ könnte nicht ohne Einfluss auf die Ausschüttungsquote bleiben. Die Verlage, von denen die VG Wort beherrscht wird,[49] haben anscheinend ebenfalls kein ausgeprägtes Interesse an aufklärenden Hinweisen an ihre Autoren, dies jedenfalls solange, wie sie selbst nicht an den Ausschüttungen beteiligt werden, die ihre Autoren von der VG Wort erhalten.[50] Eine wirksame Vertretung der Interessen wissenschaftlicher Autoren gibt es in der VG Wort allem Anschein nach nicht. Andernfalls wäre der Aufklärungsmangel wohl längst behoben.Abs. 43

Fußnoten:

[*] Dr. Joachim v. Ungern-Sternberg (Freiburg i. Br.) ist Richter am BGH a. D. (https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_von_Ungern-Sternberg).
[1] Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. EG L 167 S. 10; konsolidierte Fassung abrufbar: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02001L0029-20190606&from=EN).
[2] Vgl. nunmehr allerdings Art. 16 DSM-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.4.2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (ABl. L 130 v. 17.5.2019 S. 82). Zur Umsetzung der Richtlinie hat das BMJV einen Diskussionsentwurf vom 15.1.2020 vorgelegt (Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts (abrufbar auf der Website www.bmjv.de unter „Aktuelle Gesetzgebungsverfahren“, http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Gesetz_I_Umsetzung_EU_Richtlinien_Urheberrecht.html), der eine Verlegerbeteiligung an den angemessenen Vergütungen, die dem Urheber für gesetzlich erlaubte Nutzungen zustehen, vorsieht (§ 63a Abs. 2 i.d.F. des Art. 1 Nr. 12 Buchst. c des Entwurfs).
[3] Vgl. EuGH, Urt. v. 12.11.2015 – C-572/13, GRUR 2016, 55 Rdnr. 44 ff. – Hewlett-Packard/Reprobel.
[4] EuGH, Urt. v. 27.6.2013 – C-457/11, C-458/11, C-459/11, C-460/11, GRUR 2013, 812 Rdnr. 31 - VG Wort/Kyocera u. Fujitsu/VG Wort, mit Anm. Gräbig; EuGH, Urt. v. 22.9.2016 – C-110/15, GRUR 2017, 155 Rdnr. 25 ff. – Microsoft Mobile Sales International/MIBAC; vgl. weiter Verweyen JurPC Web-Dok. 10/2019, Abs. 20 ff.
[5] Vgl. BGH, Urt. v. 3.7.2014 – I ZR 28/11, GRUR 2014, 979 Rdnr. 45 – Drucker und Plotter III.
[6] EuGH, Urt. v. 27.6.2013 – C-457/11, C-458/11, C-459/11, C-460/11, GRUR 2013, 812 Rdnr. 30 ff. - VG Wort/Kyocera u. Fujitsu/VG Wort; aA früher BGH, Urt. v. 6.12.2007 – I ZR 94/05, GRUR 2008, 245 Rdnr. 23 ff. – Drucker und Plotter I, mit Anm. v. Ungern-Sternberg.
[7] EuGH, Urt. v. 27.6.2013 – C-457/11, C-458/11, C-459/11, C-460/11, GRUR 2013, 812 Rdnr. 37 - VG Wort/Kyocera u. Fujitsu/VG Wort, mit Anm. Gräbig.
[8] Vgl. auch v. Ungern-Sternberg GRUR 2010, 273, 279 f.
[9] Die Vorlagefrage lautete (EuGH, Urt. v. 5.3.2015 – C-463/12, GRUR 2015, 478 Rdnr. 16 – Copydan/Nokia):
„1. Ist es mit der Richtlinie 2001/29 vereinbar, dass Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten einen Ausgleich für die Rechtsinhaber für Vervielfältigungen aus folgenden Quellen vorsehen:
a) Dateien, deren Verwendung von Rechtsinhabern gestattet ist und für die der Kunde bezahlt (lizenzierter Inhalt von z. B. Internetanbietern),
b) Dateien, deren Verwendung von Rechtsinhabern gestattet ist und für die der Kunde nicht bezahlt (lizenzierter Inhalt z. B. im Zusammenhang mit Vermarktungsinitiativen), …“.
[10] EuGH, Urt. v. 5.3.2015 – C-463/12, GRUR 2015, 478 Rdnr. 65 – Copydan/Nokia; vgl. auch öst. OGH GRUR Int 2017, 455, 456 (unter 2.2.) – Austro Mechana/Amazon III; Stieper ZGE 2015, 170, 185 f.
[11] BGH, Urt. v. 19.11.2015 – I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 Rdnr. 49, 53 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik; BGH, Urt. v. 21.7.2016 – I ZR 212/14, GRUR 2017, 161 Rdnr. 58, 62 - Gesamtvertrag Speichermedien; BGH, Urt. v. 21.7.2016 - I ZR 255/14, GRUR 2017, 172 Rdnr. 58 - Musik-Handy; BGH, Urt. v. 16.3.2017 – I ZR 35/15, GRUR 2017, 684 Rdnr. 70 – externe Festplatten; BGH, Urt. v. 16.3.2017 – I ZR 36/15, GRUR 2017, 694 Rdnr. 50 - Gesamtvertrag PC.
[12] BGH, Urt. v. 16.3.2017 – I ZR 36/15, GRUR 2017, 694 Rdnr. 50 - Gesamtvertrag PC.
[13] Vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2015 – I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 Rdnr. 49, 53 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik; BGH, Urt. v. 21.7.2016 – I ZR 212/14, GRUR 2017, 161 Rdnr. 62 - Gesamtvertrag Speichermedien; BGH, Urt. v. 16.3.2017 – I ZR 35/15, GRUR 2017, 684 Rdnr. 70 – externe Festplatten (vgl. dazu das vorinstanzliche Urteil des OLG München, Urt. v. 15.1.2014 – 6 Sch 2/13, GRUR 2015, 989, 996 [unter 5 a] – Festplatten).
[14] So Peukert GRUR 2013, 452, 453; vgl. auch Pereira JIPLP 2017, 591, 595.
[15] Vgl. Zurth, Rechtsgeschäftliche und gesetzliche Nutzungsrechte im Urheberrecht, 2016, S. 162.
[16] Vgl. Stieper in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020 (im Erscheinen), § 54 Rdnr. 39; Fischer in: Festschrift für M. Walter, 2018, S. 466, 472 f.; vgl. auch Flechsig MMR 2016, 50, 51.
[17] Vgl. auch Dreier ZUM 2013, 769, 774; Homar MR-Int. 2019, 63, 66.
[18] Vgl. weiter v. Ungern-Sternberg in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020 (im Erscheinen), § 20b Rdnr. 47.
[19] EuGH, Urt. v. 5.3.2015 – C-463/12, GRUR 2015, 478 Rdnr. 63 ff. – Copydan/Nokia; vgl. auch öst. OGH GRUR Int 2017, 455, 456 (unter 2.2.) – Austro Mechana/Amazon II; Stieper ZGE 2015, 170, 185 f.; Homar MR-Int. 2019, 63, 66.
Die einschlägigen Ausführungen des Urteils des EuGH „Copydan/Nokia“ lauten (Rdnr. 63-67):
„Zu Frage 1 Buchst. a und b
63 Mit Frage 1 Buchst. a und b möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Wirkungen die von dem Rechtsinhaber erteilte Erlaubnis zur Verwendung von Dateien mit geschützten Werken, insbesondere zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch, im Hinblick auf die sich aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 ergebenden Anforderungen speziell in Bezug auf den gerechten Ausgleich hat.
64 Aus den Rn. 24 und 25 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass es nicht des Nachweises bedarf, dass die Nutzer dieser Dateien tatsächlich privat Vervielfältigungen anfertigen, da bei ihnen berechtigterweise vermutet wird, dass sie die Zurverfügungstellung der Dateien vollständig ausschöpfen. Hieraus folgt, dass, wenn ein Rechtsinhaber einer natürlichen Person die Verwendung solcher Dateien gestattet, indem er sie ihr zur Verfügung stellt, die bloße Möglichkeit, sie zur Vervielfältigung der geschützten Werke zu nutzen, die Anwendung der Privatkopievergütung rechtfertigt.
65 Was die Auswirkungen der vom Rechtsinhaber erteilten Erlaubnis, die Dateien mit geschützten Werken zu verwenden, auf den gerechten Ausgleich anbelangt, hat der Gerichtshof entschieden, dass, wenn ein Mitgliedstaat aufgrund einer in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 enthaltenen Bestimmung beschlossen hat, im materiellen Geltungsbereich dieser Bestimmung jede Befugnis der Rechtsinhaber zur Genehmigung der privaten Vervielfältigung ihrer Werke auszuschließen, eine etwaige Zustimmung dieser Rechtsinhaber im Recht dieses Staates keine Rechtswirkungen entfaltet. Somit wirkt sie sich aufgrund der Einführung der betreffenden, die Befugnis ausschließenden Maßnahme nicht auf den Schaden aus, der den Rechtsinhabern entstanden ist, und kann daher keinen Einfluss auf den gerechten Ausgleich haben, unabhängig davon, ob dieser nach der einschlägigen Bestimmung der Richtlinie 2001/29 zwingend oder fakultativ vorgesehen ist (vgl. Urteil VG Wort u. a., C‑457/11 bis C‑460/11, EU:C:2013:426, Rn. 37).
66 Da unter Umständen wie den in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten die Erlaubnis keine Rechtswirkungen entfaltet, kann sie als solche für den Nutzer der betreffenden Dateien keine Verpflichtung begründen, irgendeine Vergütung für die private Vervielfältigung an den Rechtsinhaber, der ihre Verwendung erlaubt hat, zu zahlen.
67 In Anbetracht dessen ist auf Frage 1 Buchst. a und b zu antworten, dass die Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass, wenn ein Mitgliedstaat aufgrund von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie beschlossen hat, im materiellen Geltungsbereich dieser Bestimmung jede Befugnis der Rechtsinhaber zur Genehmigung der privaten Vervielfältigung ihrer Werke auszuschließen, die von einem Rechtsinhaber erteilte Zustimmung zur Verwendung der Dateien mit seinen Werken keinen Einfluss auf die Verpflichtung zu einem gerechten Ausgleich für die gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie mit Hilfe dieser Dateien erstellten Vervielfältigungen haben kann und als solche für den Nutzer der betreffenden Dateien keine Verpflichtung begründen kann, irgendeine Vergütung an den Rechtsinhaber zu zahlen.“
[20] EuGH, Urt. v. 11.7.2013 – C-521/11, GRUR 2013, 1025 Rdnr. 19 – Amazon/Austro-Mechana; vgl. weiter Verweyen JurPC Web-Dok. 10/2019, Abs. 20 ff.
[21] EuGH, Urt. v. 11.7.2013 – C-521/11, GRUR 2013, 1025 Rdnr. 47 – Amazon/Austro-Mechana.
[22] EuGH, Urt. v. 9.2.2012 – C-277/10, GRUR 2012, 489 Rdnr. 105 – Luksan/van der Let; EuGH, Urt. v. 11.7.2013 – C-521/11, GRUR 2013, 1025 Rdnr. 48 – Amazon/Austro-Mechana.
[23] EuGH, Urt. v. 11.7.2013 – C-521/11, GRUR 2013, 1025 Rdnr. 46 ff. – Amazon/Austro-Mechana.
[24] EuGH, Urt. v. 9.2.2012 – C-277/10, GRUR 2012, 489 Rdnr. 96 ff., 100 und 108 – Luksan/van der Let; EuGH, Urt. v. 11.7.2013 – C-521/11, GRUR 2013, 1025 Rdnr. 19, 46 ff. – Amazon/Austro-Mechana.
[25] Vgl. EuGH GRUR 2016, 55 Rdnr. 46-49 - Hewlett Packard/Reprobel.
[26] EuGH, Urt. v. 11.7.2013 – C-521/11, GRUR 2013, 1025 Rdnr. 57 – Amazon/Austro-Mechana.
[27] EuGH, Urt. v. 5.3.2015 – C-463/12, GRUR 2015, 478 Rdnr. 63 ff. – Copydan/Nokia; aA GA Cruz Villalón, Schlussanträge v. 18.6.2014 – C-463/12, Rdnr. 57 ff. – Copydan/Nokia.
[28] Vgl. Peukert GRUR 2013, 452, 453 f.; Heidinger ÖBl. 2015, 146, 147; Pereira JIPLP 2017, 591, 595.
[29] EuGH, Urt. v. 5.3.2015 – C-463/12, GRUR 2015, 478 Rdnr. 24 f., 64 – Copydan/Nokia.
[30] EuGH, Urt. v. 5.3.2015 – C-463/12, GRUR 2015, 478 Rdnr. 65 – Copydan/Nokia.
[31] EuGH, Urt. v. 5.3.2015 – C-463/12, GRUR 2015, 478 Rdnr. 66 – Copydan/Nokia.
[32] Vgl. Flechsig MMR 2016, 50, 51.
[33] Die Mitgliedstaaten, die hinsichtlich der Gewährleistung des gerechten Ausgleichs eine Ergebnispflicht trifft (EuGH, Urt. v. 11.7.2013 – C-521/11, GRUR 2013, 1025 Rdnr. 57 – Amazon/Austro-Mechana), können die Urheber auch deshalb nicht darauf verweisen, dass sie mit dem Dienstleister einen gerechten Ausgleich für die ermöglichten Privatkopien vereinbaren können.
[34] Erwägungsgrund 35 Satz 4 der InfoSoc-Richtlinie lautet:
„In Fällen, in denen Rechtsinhaber bereits Zahlungen in anderer Form erhalten haben, z. B. als Teil einer Lizenzgebühr, kann gegebenenfalls keine spezifische oder getrennte Zahlung fällig sein.“
[35] Vgl. auch Fischer in: Festschrift für M. Walter, 2018, S. 466, 473 f.
[36] EuGH, Urt. v. 5.3.2015 – C-463/12, GRUR 2015, 478 Rdnr. 16, 67 – Copydan/Nokia.
[37] Vgl. auch Homar MR-Int. 2019, 63, 66.
[38] Vgl. §§ 52 bis 54 des Verteilungsplans der VG Wort in der Fassung vom 25.5.2019 (www.vgwort.de/fileadmin/pdf/verteilungsplan/Verteilungsplan_Mai_2019.pdf).
[39] Vgl. auch § 53 Abs. 4 des Verteilungsplans der VG Wort in der Fassung vom 25.5.2019: „Relevante Nutzungen von Texten hinter einer Bezahlschranke werden mit dem Faktor drei multipliziert.“
[40]Abrufbar: https://www.vgwort.de/fileadmin/pdf/merkblaetter/Merkblatt_Allgemeines_VG_Wort_2020.pdf.
[41] Auf der Website der VG Wort wird unter der Rubrik „Auszahlungen“ lediglich auf das „Merkblatt zur VG WORT für Urheber und Verlage – Fassung März 2020“ verwiesen, aus dem vorstehend zitiert wurde.
[42] Abrufbar: www.vgwort.de/fileadmin/pdf/merkblaetter/Merkblatt_Wissenschaft.pdf.
[43] Abrufbar: www.vgwort.de/verguetungen/auszahlungen/wissenschaftliche-publikationen.html.
[44] Dies gilt auch für die Newsletter der VG Wort aus den Jahren 2015 bis 2019. Im Newsletter der VG Wort April 2019 finden sich lediglich folgende Hinweise:
„METIS (Texte im Internet)
Die VG WORT verfügt bereits seit vielen Jahren über ein gut funktionierendes System zur Vergütung von Texten im Internet: METIS. Eine wichtige Neuerung ist hier, dass seit dem Jahr 2018 – wie auch in allen anderen Bereichen der VG WORT – stets der Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags mit der VG WORT erforderlich ist, um Ausschüttungen erhalten zu können.
An der regulären Ausschüttung bei METIS können – auf der Grundlage der Zählung von Zugriffen auf eingestellte Texte – Urheber und Verlage teilnehmen. Die Zugriffszählung erfolgt mit von der VG WORT an Verlage vergebenen „Zählmarken“. Diese erheben keine personenbezogenen Daten und sind damit auch im Hinblick auf die Bestimmungen der DSGVO weiterhin bedenkenlos verwendbar.
Die Sonderausschüttung steht Urhebern, deren Verlag nicht an METIS teilnimmt, für Meldungen ihrer Texte offen. In diesem Bereich können erstmals ab dem Jahr 2019 sowohl deutsche Internetseiten als auch ausländische Online-Zeitschriften gemeldet werden. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass im Bereich Wissenschaft der VG WORT nur Druckwerke gemeldet werden können, viele wissenschaftliche Zeitschriften aber gar nicht mehr in einer Druckfassung erscheinen. Voraussetzung hierfür ist, dass es mindestens zwei aktuelle Zugänge auf die Online-Version der Zeitschrift über deutsche Bibliotheken gibt. Daher müssen Meldungen nunmehr zu Überprüfungszwecken neben der Angabe der Internetseite der Zeitschrift auch den Namen der Zeitschrift beinhalten.
Für alle ausschüttungsrelevanten Meldungen zur regulären Ausschüttung, die bis 1. Juni 2019 (Verlage) bzw. 1. Juli 2019 (Urheber) eingehen, sowie für die Meldungen zur Sonderausschüttung (Meldeschluss 31. Januar 2019) erfolgt die Ausschüttung jeweils Mitte September 2019. Im Rahmen der Auflösung der Rückstellungen (vgl. unten) kann es im Jahr 2019 jedoch ausnahmsweise auch bereits mit der Hauptausschüttung 2019 zu Auszahlungen im Bereich METIS kommen.
Weitere Informationen zu METIS und Einzelheiten zum Meldeverfahren erhalten Sie unter dem Link https://tom.vgwort.de/portal/showHelp“.
Ein unbefangener Leser konnte auch diesem Newsletter nicht entnehmen, dass wissenschaftliche Texte in online betriebenen speziellen Verlagsdatenbanken auch dann gemeldet werden können, wenn sie nur hinter einer Bezahlschranke zugänglich sind.
[45] Das gilt noch mehr für die „Anleitungen-METIS“ „Systembeschreibung für Urheber (Stand: 04.02.2020)“ und „Integrationsbeschreibung für Verlage (Stand: 21.02.2020)“, abrufbar https://tom.vgwort.de/portal/showHelp), mit denen sich ein Wahrnehmungsberechtigter allenfalls dann befassen wird, wenn er bereits weiß, dass er seine Texte über das Onlinemeldeportal der VG Wort zur Teilnahme an deren Ausschüttungen melden kann.
[46] Abrufbar: www.vgwort.de/verguetungen/auszahlungen/texte-im-internet.html.
[47] Vgl. dazu bereits v. Ungern-Sternberg GRUR 2016, 321, 331.
[48] Vgl. dazu Vogel, „Ein Nullsummenspiel besonderer Art" (www.perlentaucher.de/essay/martin-vogel-vg-wort-verleger-und-urheberverbaende-planen-erneut-einen-griff-in-die-taschen-der-urheber.html); v. Ungern-Sternberg JurPC Web-Dok. 105/2018, Abs. 64; ders. in: FS Büscher, 2018, S. 265, 275 f.
[49] Vgl. dazu v. Ungern-Sternberg JurPC Web-Dok. 105/2018, Abs. 27 ff.
[50] Dies würde sich ändern, wenn die Vorschläge des Diskussionsentwurfs des BMJV vom 15.1.2020 (Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts) zur Verlegerbeteiligung Gesetz würden und die Verlegerbeteiligung davon abhinge, dass die Urheber Ausschüttungen erhalten (vgl. dazu oben Fn. 2).

[online seit: 17.03.2020]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: von Ungern-Sternberg, Joachim, Geräte- und Speichermedienvergütung bei öffentlicher Zugänglichmachung geschützter Werke hinter Bezahlschranken - JurPC-Web-Dok. 0041/2020